Adolf Glaßbrenner
Bilder und Träume aus Wien
Adolf Glaßbrenner

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Reise nach Wien.

Die warmen Lüfte hatten eben den Park vor meiner Vaterstadt grün gefärbt; die Zweige und Blüten guckten neugierig in die neue Welt hinein; die Vögel piepten und zwitscherten; der Himmel und die Erde hatten wieder Friede gemacht; es war Frühling. Und als die Hofräte sahen, daß alles gut war, gingen sie hinaus und amüsierten sich; ich aber wurde traurig, denn der Himmel lag schwer auf mir; ich fühlte wie Don Carlos, daß mich nur augenblickliche Veränderung heilen könne, und ich packte meine Siebensachen zusammen.

Dahin flog ich über Leipzig und Dresden, durchträumte in Sachsen den schönen Traum von der Schweiz; schüttelte all mein Weh in den alten, ewig jungen Gebirgen ab; legte mein Herz an die heilige, dichtende Natur; grüßte die glühende Morgensonne, die glühende Abendsonne; fühlte die ewige Liebe und den ewigen Gott, und war glücklich, überglücklich! Ach, du hast Recht, du göttlicher Sänger:

Die Welt ist schön überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.

Und da kam schon ein Mensch mit seiner Qual: der Steuerbeamte in ***. »Haben's Mautbares bei sich?« fragte er, ließ seine Brille, die auf dem zahlenschweren Kopfe lag, auf die große Nase herabfallen, und trat meinem Wagen um einige Schritte näher. »Nein!« antwortete ich, obgleich ich Tabak bei mir hatte, nach welchem bekanntlich die österreichischen Mautleute am meisten begierig sind. Es war freilich ein Verbrechen, was ich in diesem Augenblick beging, allein Gott ist äußerst gnädig, dachte ich; vielleicht tritt auch Österreich der mächtigen Zollverbindung bei, und es ist das Wahrzeichen eines großen Geistes, seiner Zeit vorauszueilen, »Da muß i nachschau'n!« sprach der Großnasige weiter, machte aber keine Miene, seine Drohung zu realisieren, sondern sah mich mit einem Blicke an, der unendlich viel Ähnlichkeit mit einer offenen Hand hatte. Ich verstand, griff in die Börse, holte einige landesübliche Münzen heraus, und drückte ihm diese in die freundlich dargebotene Rechte. Er fühlte, und wahrscheinlich hatte ich ein schönes Gefühl in ihm erweckt, denn er verneigte sich ein wenig, gab dem Schwager einen Wink, und mir einen Beweis, daß das Vertrauen auf die menschliche Rechtlichkeit noch nicht ganz gesunken ist. Kaum hatten aber die Pferde dreimal ihre Füße übereinander gesetzt, so trat ein zweiter Beamter heraus, der bis dahin am Fenster gelauert hatte, und ich sah deutlich, wie sie sich in meine Bitte: sich nicht zu inkommodieren, teilten. Ob in gleiche Teile, kann ich nicht sagen. –

Ich zündete meine Pfeife an, machte große Züge, und blies mit einer Art von Schadenfreude den Dampf der amerikanischen Blätter in die Luft hinein. Ja, ja, ich wußte es wohl: Österreich mag keine amerikanischen Blätter leiden, allein es schmuggelt sich dennoch nach und nach etwas von dem verderblichen Dampfe hinein; die Bürger und Bauern atmen das neue Aroma begierig auf, und zuletzt mag man weder »roten noch schwarzen König«. Sic transit gloria mundi!

Böhmen ist ein schönes, bergiges Land, aber die Böhmen haben mir gar nicht gefallen. Schon beim Durchreisen habe ich sie kennengelernt, und ich dankte Gott, als mir der erste österreichische Wirt mit seinem frischen und freundlichen Gesicht entgegenkam; das Käppchen in der Hand behielt, und auf sein: »Was schaffen Euer Gnaden?« kaum die Antwort erwarten konnte. Ein böhmischer Wirt dagegen raucht ruhig in seiner schmutzigen, stinkenden Stube fort, wenn man ermattet, hungrig und durstig hineintritt; was einem gereicht wird, ist schlecht, und man muß es für ein besonderes Glück halten, wenn man nachmittags Kaffee oder Tee in den Posthäusern bekommt. Diese Posthäuser sind an Schuhmacher, Schneider, Sudelwirte u. s. w. verpachtet, daher ist an Ordnung und Bequemlichkeit nicht zu denken; die Postillone werden wenig reguliert und machen mit den Passagieren was sie wollen; ihre Unverschämtheit mit dem Trinkgeldfordern grenzt an das Unglaubliche, und wenn man ihnen Vorwürfe macht, so schimpfen und grinsen sie einen auf böhmisch aus.

Die einzigen Ausnahmen sind Teplitz und das schöne, großartige, denkwürdige Prag. Am Tore dieses steinernen Geschichtsbuches bekam ich einen soliden Schreck, denn auch hier trat ein Mautiger an meinen Wagen und fragte, ob ich etwas beizusteuern hätte. Ich war namentlich in Besorgnis um das Wohl meiner geliebten Zigarren, denn hier konnten sie leicht in rohe Hände fallen, allein das Schicksal begünstigte mich zum zweiten Male, und Fräulein Nemesis schien ihre ganze Rache bis zur *** Linie vor Wien aufzusparen. Ich hätte noch keine Antwort gegeben, als ein Herr sich neben den Mautigen stellte und mir zurief: »Geben Sie ihm doch eine Kleinigkeit!« Mein Gesicht wurde purpurrot, denn ich glaubte, es müsse jetzt ein amtliches Donnerwetter losbrechen, allein der gute Dienstmensch nahm mit zärtlichem Danke meine Belohnung für seine Treue, und ließ mich weiterfahren. Man halte diese Erzählung für keine Fabel oder für eine licentia poëtica, sie ist faktisch und leicht erklärlich, wenn man die Summe nennen hört, mit welcher diese Mautbeamten besoldet werden.

Mein Lohnbedienter vom schwarzen Roß war ein höchst interessanter Mensch. Er hatte sich in vieler Herren Länder herumgetrieben, die merkwürdigsten Charaktere im Negligée kennengelernt und es zur Verachtung alles Scheines gebracht; er war ein Philosoph und zwar ein ausgezeichneter Philosoph, weil er nicht alle Weisheit hartnäckig in ein System hineindrängte. Ich bat ihn zuvörderst herzinnig, mir nicht alle Merkwürdigkeiten zu zeigen; ich sagte ihm, daß ich vor diesen einen ungeheuren Respekt habe, daß ich aus Büchern die meisten Denkmäler Prags kenne, und überhaupt lieber Menschen als Gegenstände betrachte. Menschen, nur immer Menschen! Der Leser wird weiter unten sehen, daß ich angenommen: was mich langweilt, müsse auch ihn langweilen, und fast mutwillig bei allen Dingen vorübergehüpft bin, welche in die Statistik oder Topographie gehören. Ich bemerke das jetzt, denn noch ist es Zeit, dies Buch aus der Hand zu legen, ohne mir später Vorwürfe machen zu können; ich sage es ausdrücklich noch einmal, daß ich alle Gegenstände der Langeweile vermieden habe.

»Am wenigsten aber«, fuhr ich zu meinem Lohnbedienten fort, »zeigen Sie mir religiöse Dinge: ich bin zwar ein sehr frommer Mensch und bete alle Tage auf meine Weise, allein man muß ohnehin in Böhmen so viele Heiligenbilder sehen, wie in Preußen Warnungstafeln, und, unter uns gesagt: Ich halte es mehr mit weltlichen als geistlichen Dingen.« Er betrachtete mich zuerst mit bewundernden Augen, ließ dann ein wohlgefälliges Lächeln um seine Lippen spielen und sagte: »Euer Gnaden werden mit mir zufrieden sein.«

Nachmittag um vier Uhr fuhren wir nach dem Hradschin in die Metropolitan-Kirche zu St. Veit. Um diese Zeit pflegt Karl X. zu beten, und ich konnte mir das Vergnügen nicht versagen, einen vertriebenen König zu sehen, wie er die Hände faltet, und Gott um Vergebung seiner Sünden bittet. Als wir in die Kirche traten, sagte mein Mentor: »Halten sich Euer Gnaden die Taschen zu, denn die Leute sind hier unendlich fromm.« Der Erzbischof las eben für seinen verstorbenen Kammerdiener ein Totenamt; wahrscheinlich war der Selige ein treuer und verschwiegener Knecht gewesen, und es war eine gerechte Dankbarkeit seines heiligen Herrn, ihm einen guten Platz im Himmel zu besorgen. Die ganze Gemeinde schrie ihr »Bitt' für uns!«, an verschiedenen Altären standen die Priester und verrichteten ihre Geschäfte und knieten und küßten. Ich aber stand in heiliger Andacht vor dem silbernen Grabmale des heiligen Nepomuk, das sechsunddreißig Zentner wiegt und früher noch mehr gewogen hatte. Wenn du diese sechsunddreißig Zentner Silber hättest, dachte ich und wischte mir eine große Träne aus den Augen, wie viele Unglückliche wolltest du glücklich machen, wie viele Trostlose trösten! Du würdest auf die Straße gehen, mit vollen Händen Geld unter die Leute werfen und ausrufen: »Seht, das hat der heilige Nepomuk für Euch getan! Er ist heraufgestiegen aus seinem Grabe, hat mit Unwillen den nutzlosen Schmuck betrachtet, und ihn mir gegeben mit den Worten: »Gehe hin und gib den Armen, auf daß sie ferner nicht mehr um Brot schreien. Sage ihnen, daß der echt fromme Mensch weder der Kirche, noch des Glanzes bedürfe, um sein Gemüt zu Gott zu richten; sage ihnen, daß die schöne Natur mit ihren Wunderschöpfungen ein unentweihter Tempel des Herrn, und daß Bewunderung und Genuß alles Schönen das heiligste Gebet sei!«

»Euer Gnaden, da ist er!« flüsterte mir der Lohnbediente ins Ohr.

»Wer?«

»Der verehrungswürdige Urheber der Juli-Revolution.« Ich schaute hinauf nach der vergitterten Loge und ich sah ihn, den zärtlichen Grafen von Artois, den Monsieur! den Geber der Ordonnanzen. Er warf seine lebhaften Augen links und rechts, beugte seinen Kopf, faltete die Hände, richtete sich nach einer kleinen Pause wieder empor, riß den Mund auf und – gähnte. Und ich gähnte mit ihm; ich fühlte die Notwendigkeit zu gähnen, denn ich dachte mich in ihn hinein. Ich stampfte mit dem Fuße auf die Erde, daß die Herzogin von Angoulème zusammenfuhr; ich verfluchte Polignac und rief: Gebt mir mein Frankreich wieder! Gebt mir mein Frankreich wieder, meine zweiunddreißig Millionen Sklaven, meine Zivilliste, meine Gewalt, mein Reich. Ein König ohne Reich ist ein Reich ohne König, ein willenloses Wollen! Ich will die Nationalgarde und alle Konzessionen lassen; ich will alles versprechen, was meine Franzosen wollen; gebt mir nur mein Frankreich wieder, sonst sterbe ich hier vor Ennui! Aaah! ich muß schon wieder gähnen! – Und ich schrie in diesem Augenblick nicht: »Bitt' für uns?!« sondern »Bitt' für mich! Herr Christus! ich will dir für eine ganze Zivilliste Altäre bauen lassen, und für fünfundzwanzig Millionen bekommt man eine Masse Religion in Frankreich. Ich habe ja nie etwas anderes gewollt, als meine und deine Würde wiederherstellen, welche beide ihren Nimbus verloren hatten; und dein treuer Beamter Latil, der charmante Erzbischof von Reims, hat mir immer gesagt: Sire, Christus und die Tyrannei setzen in Sie ihre letzte Hoffnung; vollenden Sie nicht, woran wir schon so lange gearbeitet, so sinkt ihr Glanz und ihre Macht auf ewig! Also bitt' für mich, mein Herr Christus, und empfehle mich dem lieben Gott zur nächsten Vakanz des Thrones von Frankreich! Sonst langweile ich mich zu Tode!« Und ich gähnte zum dritten Male.

Während wir den Lorenzberg hinauffuhren, um die Aussicht auf Prag zu genießen, erzählte mein stiefelputzender Philosoph, daß die Prager Karl X. nicht liebten, weil er zwar den König fortspiele, und sein Volk, bestehend aus fünfzig oder sechzig Personen, mit all jener Weisheit regiere, die er schon in Frankreich an den Tag gelegt, – aber so sparsam lebe, daß man schon auf die Vermutung gekommen, er lege so viel Geld zurück, um sich im Innern von Afrika ein Königreich zu kaufen, und die wilden Nationen zu kultivieren.

Als ich oben auf dem Lorenzberg stand und hinabschaute auf die schöne, von der Abendsonne vergoldete Stadt, überfiel mich eine Schwermut. Ich lehnte mich an einen Baum, überhörte die Erklärungen meines Führers, starrte hinunter in das Schauspiel der Natur und in das Trauerspiel der Politik; tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, von denen einer hinreichend gewesen, einen Polizeisergeanten zum Commissarius zu erheben; ich ballte die Hände, knirschte mit den Zähnen, und mein Gesicht wurde so glühend rot wie die Abendsonne. Ach, ich liebe die Menschen, auch die Böhmen. Da stand ich mitten in dem schönen Lande, an dessen Grenzen die Flegel dreschen, und so dicht dreschen, daß ungeknickt kein Lichtstrahl durchkam; kräftige, schöne Menschen gehen innerhalb des hochgebildeten Deutschlands umher und suchen nach den Brosamen, die von dem geistigen Tische fallen; kein Dichter sitzt unter ihnen, und fordert in lieblichen Weisen zum fröhlichen Genusse des Lebens auf, und wann ja einmal ein Begeisterter über die Berge zieht, wird ihm die Kehle zugeschnürt.

Mein Führer hatte mit seinen Erklärungen geendet, und schien in meinen Augen lesen zu wollen, was in mir vorgehe. Er schrieb mit seinem Stocke den Namen »Joseph II.« in den Sand, und ich klopfte ihm freundlich auf die Schulter, zum Zeichen, daß er mich verstanden. »Es ging einst eine Sonne hier auf«, sagte ich, nahm seinen Arm und trat den Rückweg zum Wagen an. »Ja, lieber Herr!« antwortete er, und der alte Mann konnte vor Rührung kaum sprechen, »eine schöne Sonne, aber sie kam zu früh, und die Nacht behauptete ihr Recht.« Und er breitete die Hände aus und rief wie ein Begeisterter: »Und doch haben die wenigen Strahlen alle Herzen erwärmt und Millionen Köpfe gelichtet, und es wird eine Zeit kommen, wo sie wieder alle zusammenbrennen werden zu einer großen, glühenden Sonne.«

Ich bestellte mir zum anderen Morgen Postpferde, nahm mir vor, auf der Rückreise Prags Leben und Treiben näher kennenzulernen; küßte zum Abschied meinen neuen Freund, den Lohnbedienten vom schwarzen Roß, und fuhr über Stock und Stein in gerader Linie nach Wien. Aber noch nicht in Wien hinein!

An der *** Linie hieß es: ›Halt!‹ und ein Mautiger trat wieder an meinen Wagen und fragte, ob ich Steuerbares bei mir habe. »Nichts, als etwas Tabak und einige Zigarren zu meinem Gebrauche«, antwortete ich, holte ein paar Gulden aus der Tasche und drückte ihm diese in die suchende Hand.

»I muß doch a bissel nachschau'n. Haben's d'Güt, lassen's aufmachen!«

Während ich gehorsam war, meinen Mantelsack und alle Pakete öffnete, hatte sich ein zweiter Beamter herangeschlichen, und lauschte mit dem einen Auge, während das andere gleichgültig in der Welt herumschweifte. Mein Untersuchender, der zuvor nur einen nachlässigen Blick über meine Effekten geworfen, mußte soeben das eine lauschende Auge seines Vorgesetzten bemerkt haben; er gab mir heimlich sein Geld zurück, und ließ meine sämtlichen Sachen aus dem Wagen auf die nahestehende Bank schaffen. Hier wurde ich aufgefordert, alles einzeln herauszunehmen und besichtigen zu lassen; einer fühlte hier an, der andere dort; jeder Winkel wurde sorgfältig untersucht, meine feine Wäsche wie Unkraut durcheinandergeworfen. Zu solchen Zeiten bete ich immer, damit ich nicht wütend werde. Hier lag ein unschuldiges Beinkleid, das diese Störung gar nicht begreifen konnte; dort sah mich mein neuester Frack mit seinen blanken Knöpfen mitleidflehend an; hier zerknitterte man eine Chemisette, dort fielen ein paar schneeweiße Vatermörder auf die Erde; eines meiner Lustspiele fiel auch; – einige angefangene Novellen wurden in den Schlafrock gewickelt und mehrere lyrische Gedichte unter die alte Wäsche geworfen; jedes Stäubchen Tabak wurde konfisziert, und endlich faßte einer meine Briefe, und begann die ungesiegelten zu lesen.

Jetzt wurde ich wild. Ich bin ein sehr guter Mensch, solange es dauert, aber wenn ich böse werde, »so bin i a Viech!« wie die Wiener sagen. »Herr!« rief ich, als er eben die Blätter entfaltete und sich's bequem zu der bevorstehenden Lektüre machte, »haben Sie auch Erlaubnis von ihrer Regierung, die namentlich alle Fremden freundlich und artig behandelt wissen will, deren Geheimnisse zu erforschen? Heischt es Ihre Pflicht, Briefe zu lesen, und das heiligste Recht eines jeden Menschen mit Füßen zu treten? Bei uns würde man das Unverschämtheit nennen und exemplarisch bestrafen!«

»Bei uns nit!« antwortete das Maut-Ungeheuer mit einer fürchterlichen Pomade, und setzte seine Unterhaltung fort; »i les' ja nur, was drin'n steht!«

Bei dieser Dummheit zuckte es mir in der Hand. Ich hätte ein Königreich für die Erlaubnis gegeben, wenn ich Karl X. gewesen wäre, diesem Steuermanne eine Maulschelle verabfolgen zu dürfen; allein ich wollte mich zu meinem Vergnügen in Wien aufhalten; bezähmte also die hervorbrechende Wut, packte inzwischen meine Sachen wieder ein, und wartete dann ruhig, bis man den Inhalt meiner Briefe auswendig wußte. Man kann bei diesen traurigen Zeiten nichts Besseres tun, als alles ruhig abzuwarten.

»Na, Se hab'n ja viel Geld z' fordern, wie i seh'. Da werden's halt vergnügt leben, Herr v***!« Mit diesen Worten, und mit einem freundlich-maliziösen Seitenblicke legte er die Briefe wieder zusammen, und kündigte mir an, daß ich des Tabaks wegen in die Amtsstube müsse. Ich folgte ihm, trat aber aus Versehen fehl, und ihn dermaßen auf den Fuß, daß ihm mindestens sechs bis sieben Hühneraugen abfielen. Mir wurde wieder leicht; er aber schrie wie ein gestochenes Schwein, hob das eine Bein hoch auf, und tanzte mit dem andern trotz Crombe, Nullmüller und Taglioni. »I hab' Ihnen nur a'fen Fuß g'treten!« sagte ich und ging in die Amtsstube.

Hier wurde ein Protokoll des eingeschmuggelten Tabaks wegen aufgenommen, und obgleich ich um die möglichste Eile bat, mußte ich über eine Stunde warten, und nebenbei einige zwanzig Gulden Münze Strafe zahlen. Man hatte den Staub aus meinem Tabaksbeutel mit gewogen, glücklicherweise aber nicht bemerkt, daß noch ein Rest in meiner Pfeife steckte, sonst wäre die Strafe höher ausgefallen. – Endlich kam ich zur Unterschrift des Protokolls, ich empfahl mich höflichst, sagte den vier oder fünf Beamten, die sich alle mit mir unterzeichnen mußten, daß es mich freue, auf eine so interessante Weise ihre Bekanntschaft gemacht zu haben; versuchte noch einmal, den Solotänzer aus Versehen auf den Fuß zu treten, er zog ihn aber schnell zurück; warf endlich einen sehnsüchtigen Blick nach meinen amerikanischen Blättern, stieg in den Wagen, und fuhr in das lärmende Wien hinein.


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