Johannes Gillhoff
Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer
Johannes Gillhoff

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Leg den Brief zu Matthäi 5!

Lieber Freund! Wieschen sagt: Dat is en schönen Breif. Du mößt em gliek wedder schriewen un di bedanken. Das will ich gerne tun, denn es ist ein gutes und großes Wort, das du uns geschrieben hast: Selig sind, die da Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen. Das ist beinah, als wenn einer von den alten Propheten da abends über die Berge geht und ruft das aus über sein Volk. Ich hab auch gleich in der Bibel nachgeschlagen. Es steht nicht unter den Seligpreisungen, aber es könnte ganz gut dabei stehen. Wieschen sagt: Jürnjakob, da ist noch was drin von einem andern Zuhause, und das schimmert wie der Abendstern durch die Wolken. – Ich denke nach. Ich sage: Da hast du wieder mal recht, Wieschen. Man kann es lesen, wie man will: es gibt immer einen Trost von sich. Es geht etwas von ihm aus, das macht die Menschen ruhig. Und dein Gleichnis mit dem Abendstern, das paßt auch ganz gut für zwei alte Leute, die den Weg nicht mehr recht finden konnten. Nun aber wandeln wir nicht mehr im Dunkeln. Nun ist das Wort ein Licht auf unserm Wege. Nun haben wir wieder einen gewissen Weg. Es ist nicht mehr so enge um uns und im Herzen nicht mehr so bange. Es ist kein Wort für den Krammarkt, sondern für das, was verborgen im Menschen ist. Es ist man ein kurzes Wort, aber du hast uns damit etwas Großes gegeben. Darum tu ich mich bei dir bedanken. Mit meinem Herzen tu ich das.

Nun wird alles andre auch seinen Schick kriegen. Du schreibst: Ihr müßt euch selbst raten, und ihr werdet euch selbst raten, wenn eure Zeit gekommen ist. Da hast du wohl recht. – Du schreibst: Ich bin mit ganzem Herzen bei euch in allem, was ihr vorhabt und beschließt. Das hat uns fröhlich gemacht. – Du schreibst: Rate ich zur Rückwanderung, was werden dann eure Kinder sagen? Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, daß mein Zweiter das Farmen lange schon besser versteht als ich. Er übernimmt die Farm. Mein Ältester bleibt bei seinen Kranken, und Berti kommt mit uns, wenn ihr bis dahin noch kein zweckmäßiger Mensch zum Heiraten in den Weg gelaufen ist. – Du schreibst: Rate ich zu, was wird dann euer Präsident sagen? Wird er nicht sagen: Wie kann der Alte mir einen von meinen besten Farmern in Iowa abspannen, abdringen oder abwendig machen? – Lieber Freund, ich kann dir mitteilen, daß ich ein ganz gleichgültiger Mensch bin, wenn der Präsident was meint, wo er gar nichts zu meinen hat. Ich hab genug gefarmt in meinem Leben. Nun will ich meine Ruhe haben, und die finde ich bei euch im alten Dorf besser als hier.

Du schreibst vom Wiedersehen und von der Freude und von der Überschau über dein langes Leben und von der langen Reihe alter Schüler, mit denen du verbunden bist in Leid und Freud, in Zeit und Ewigkeit. Das hat uns glücklich gemacht in unserm Herzen. – Aber du schreibst auch vom Niederlegen deines Wanderstabes, und daß die Zeit nicht mehr ferne sein wird. Das hat uns traurig gemacht in unserm Herzen. – Ich sage zu Wieschen: Wir wollen wieder nach Hause. Wann es dazu kommt, das können wir heute noch nicht sagen. Aber wir wissen nun wo unser Zuhause ist. Unser alter Lehrer hat uns wieder mal den Weg gewiesen. Er ist auch einer von denen, die da Heimweh haben und nach Hause wollen. Aber nach dem andern Zuhause, das da durchschimmert. Und das Wort, das er uns davon geschrieben hat, das hat er uns aus seinem Herzen heraus geschrieben. Wenn wir sein Angesicht noch einmal in Ehrfurcht sehen, das wird als wie ein Gnadengeschenk sein, für das wir Gott ruhig danken können. – Und nun leg den Brief man in die Bibel, zu Matthäi 5, auf daß wir ihn immer zur Hand haben.

Wir grüßen dich mit unserer Seele.


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