Friedrich Gerstäcker
In der Südsee
Friedrich Gerstäcker

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Der Schoner.

1.

Die Brotfrucht war zum zweiten Male gereift, und die Bäume standen mit diesem wunderbaren Geschenk beladen, das ein gütiger Himmel den glücklichen Bewohnern jener Inseln gespendet. Überall auf Monui herrschte Überfluß, und die leichtherzigen Eingeborenen hätten jeden Tag als Fest feiern können. Das rege, tätige Leben auf der Insel galt aber einem anderen Zweck, und nicht zu Lust und Frieden sammelten sich die Männer in häufigen Beratungen und suchten aus allen Ecken die fast vergessenen Waffen wieder hervor.

Was hilft den Menschen ein Paradies, wenn sie darin nicht ihre Leidenschaft zähmen können! Was hilft ihnen der Überfluß an allem zum Leben Nötigen, wenn sie sich mit dem, womit Gott sie in so reichem Maße überschüttet, nicht begnügen können oder wollen! Die Südsee-Inseln sind uns darin ein lebendiges Beispiel. Hier bringt die Natur alles hervor, was der Mensch zum Leben braucht. Ohne Arbeit, ohne Anstrengung, von einer wundervollen Szenerie umgeben, in ihrem Familienleben glücklich, von Krankheiten wenig heimgesucht, könnten diese Menschen ein wahrhaft glückliches Dasein führen – wenn sie eben den anderen das gönnten, was sie selber so reichlich besitzen. Selbst in diesem reizenden Lande schlummern aber die Leidenschaften nicht, und Herrschsucht, Ehrgeiz und Aberglauben lassen sie das nicht friedlich genießen, wonach sie in ihrer unmittelbaren Umgebung nur die Hand auszustrecken brauchten, um es zu erreichen.

So hatten auch die Bewohner von Monui fast zwei Jahre in Frieden mit den Nachbar-Inseln gelebt. Kaum aber waren die Wunden der letzten Kämpfe oberflächlich verharscht, als sie des ruhigen Lebens schon wieder überdrüssig wurden.

Von Hapai aus war ihnen bis jetzt nämlich, einem alten Abkommen nach, ein jährlicher, höchst unbedeutender Tribut von Gnatu und Cava-Wurzeln bezahlt worden, und das Ganze war mehr eine Form gewesen, als daß sie je einen wirklichen Nutzen davon gehabt. Diesen Tribut hatten die Hapai-Insulaner in diesem Jahre nicht bezahlt, und auf eine Mahnung die Bewohner von Monui wissen lassen, sie hielten sich nicht mehr für daran gebunden. Das Ganze betraf auch in der Tat nur eine religiöse Zeremonie, die auf Monui schon lange abgeschafft worden. Wie das aber mit alten Verpflichtungen manchmal so geht, waren diese Geschenke noch eine Zeitlang beibehalten, bis es die Hapai-Leute selber müde wurden.

Monui allein hätte mit ihnen auch keinen Krieg anfangen können, das wußten sie recht gut; jetzt aber, da der tapfere Tai manavachi Toanongas Schwiegersohn geworden, beschlossen die Egis oder Häuptlinge, dessen Hilfe in Anspruch zu nehmen und mit Speer und Keule das einzutreiben, zu dessen Besitz sie sich berechtigt glaubten. Ihrer Meinung nach war es ihnen zur Ehrensache geworden, die paar Kleinigkeiten nicht aufzugeben; was kümmerte es sie, daß sie um ein paar Stücke Gnatu und einen Korb voll Wurzeln den Frieden ihres Landes und ihr Familienglück in die Schanze schlugen!

Möglich ist dabei, daß sie durch die Verstärkung der sechs Pagalangis auf ihrer Insel noch mehr in ihrem kriegerischen Entschluß bestärkt wurden. Von einem Walfischfänger, der vor einigen Monaten bei ihnen angelegt, hatte Toanonga zugleich mit einigem Handwerkszeug auch mehrere Musketen und Munition dazu eingehandelt, und allerdings konnten ihm da die Weißen, die mit solchen Waffen ordentlich umzugehen wußten, eine wichtige Hilfe leisten. Als jenes Schiff anlegte, wußte der alte schlaue Häuptling, außer dem Schotten, alle seine Gefangenen fern davon zu halten. Er ließ auch gar kein Boot ans Ufer, sondern trieb den Tauschhandel, nur von Mac Kringo begleitet, durch seine Kanoes.

So wurden denn jetzt auf Monui die Kriegsrüstungen mit möglichstem Eifer betrieben, und ein Kanoe war schon an Tai manavachi abgeschickt worden, ihn zu einer bestimmten Zeit nach Hapai zu bestellen, auf welche Insel sie ihre Angriffe vereint machen wollten. Die sechs Europäer hatten indes ihre Wohnungen auf Monui so zerstreut angewiesen bekommen, daß sie einander nur selten zu sehen bekamen. Mac Kringo und Lemon behielt Toanonga jedoch, wie schon früher erwähnt, in seiner Nähe. Mac Kringo lebte überhaupt dabei am unabhängigsten, da er sich wohlweislich für einen Egi seines Schiffes ausgegeben.

In der Tat hätte er auch mit dem neulich dort angelaufenen Walfischfänger wieder in See gehen können; denn sobald er es verlangt, würde ihn der Kapitän schwerlich ausgeliefert haben. Einesteils mochte er aber die Kameraden nicht im Stich lassen, und andernteils war ihm das bequeme, müßige Leben am Lande noch viel zu neu, um es gleich wieder mit der harten Arbeit an Bord eines Walfischfängers zu vertauschen. In den letzten Monaten aber, und besonders seit er erfahren, daß sie sich alle mit an einem Kriegszuge beteiligen sollten, bei dem sie nicht das mindeste Interesse hatten und ihr Leben um nichts aufs Spiel setzen mußten, fing er doch an, sich wieder hier fort zu sehnen, und bereute schon, die letztgebotene Gelegenheit nicht benutzt zu haben.

Alle Matrosen machen es so, besonders die in der Südsee kreuzenden. Solange sie an Bord sind, verwünschen sie ihr Schicksal, fühlen eine ungeheure Sehnsucht nach festem Lande und benutzen regelmäßig die erste, beste Gelegenheit, zu desertieren. Sowie sie aber eine Weile auf dem festen Lande gelebt haben, auf das sie sich vorher so sehr gewünscht, wird ihnen die Sache langweilig, und sie ruhen nicht, bis sie wieder das Deck eines Fahrzeuges unter den Füßen fühlen.

Mac Kringo besonders hatte sich in der letzten Zeit viel mit allerlei Plänen zu ihrer Flucht beschäftigt, die aber jetzt viel schwieriger auszuführen schien als je. Da die Insulaner nämlich eine Überfall auf Hapai beabsichtigten, und die Drohung, den Tribut von dort gewaltsam einzufordern, schon hinübergesandt hatten, mußten sie auch von daher ein gleiches fürchten, und bewachten deshalb alle Landungsplätze Tag und Nacht auf das sorgfältigste. Wie sollte da ein Kanoe unbemerkt, unverfolgt entkommen?

Der Schotte gab übrigens deshalb die Hoffnung nicht auf, und war ziemlich fest entschlossen, die erste passende Gelegenheit zu benutzen. So schlenderte er eines Tages durch die Berge der nicht sehr großen, aber wunderschönen Insel, und zwar in der Absicht, den höchsten Gipfel ihrer Anhöhen zu besteigen und von dort aus zu schauen, ob er nicht in irgendeiner Richtung eine andere Insel erkennen könne. Gelang es ihnen nur, auf eine solche zu entkommen, wo sie nicht mehr als gekaufte Gefangene betrachtet wurden, so durften sie von dort auch weit eher hoffen, entweder von einem Schiff erlöst zu werden oder vielleicht in einem Kanoe Neuseeland oder Australien zu erreichen.

Der Schotte konnte seinen Weg ziemlich ungehindert verfolgen, denn Monui war noch nicht so durch die aus Brasilien nach diesen Inseln gebrachten Guiaven-Büsche überwuchert worden, wie es einige der Gesellschafts-Inseln sind. Die schlanken Palmen und andere hochstämmige Waldbäume hielten hier das kleine Holz noch ziemlich unter, und die Wälder in der Nähe des Strandes waren verhältnismäßig licht. Erst auf den Höhen wurden die Büsche dichter, und als Mac Kringo einmal die verschiedenen Anpflanzungen von süßen Kartoffeln und Yams im Rücken hatte, mußte er sich schon sorgfältiger seinen Weg suchen.

Da hörte er plötzlich, in nicht gar weiter Entfernung von sich, die regelmäßigen Schläge eines Beils, denen er eine Weile horchte, denn er hatte keine besondere Lust, hier mit einem Eingeborenen zusammenzutreffen. Das anhaltende Arbeiten des Holzhackenden überzeugte ihn aber bald, daß das kein Insulaner sei, und ziemlich erfreut, einen seiner Kameraden da zu finden, drängte er sich rasch durch das Gebüsch der Richtung zu, von der das Geräusch herübertönte.

Er hatte sich auch nicht geirrt; denn vorsichtig aus einem kleinen Dickicht herausschauend, erkannte er bald seinen früheren Kameraden Jonas, und zwar emsig beschäftigt, einen starken, hochstämmigen Baum zu fällen.

»Hallo! Jonas!« rief er ihn endlich an, nachdem er dem Eifrigen eine kleine Weile zugeschaut, »du arbeitest ja, als wenn du die Geschichte im Akkord hättest.«

»Lord Douglas! so wahr ich lebe!« rief der Matrose erfreut, indem er seinen alten Kameraden erkannte. »Wo kommst du her, mein Bursche? Es ist eine halbe Ewigkeit, daß wir einander nicht gesehen haben, und es tut dem Auge ordentlich wohl, eine weiße Haut unter diesen Rotfellen zu treffen. Jetzt kann man doch wieder einmal ein vernünftiges Wort Englisch sprechen, denn die Zunge habe ich mir schon fast mit dem Radebrechen ihrer vermaledeiten Sprache abgedreht.«

»Aber du siehst gut aus!« rief ihm der Schotte entgegen. »Das Leben als glücklicher Familienvater scheint dir vortrefflich zu bekommen! Wie befinden sich die jungen Jonasse?«

Der Matrose antwortete mit einem lästerlichen Fluche.

»Da kannst du auch noch lachen?« setzte er dann hinzu, »aber es ist wahrhaftig ein Skandal, einem ehrlichen Christenmenschen eine solche dunkelbraune Ehehälfte und ein Nest voll junger Heiden aufzuhängen. Verdammt will ich sein, wenn ich das diesem alten, wackeligen Toanonga nicht gedenke.«

»Hast du nichts von Legs gehört?« fragte der Schotte.

Jonas lachte.

»Das ist das einzige, was mich noch tröstet,« schmunzelte er mit einem breiten Grinsen über das Gesicht: »der großmäulige kleine Bursche ist noch schlimmer angekommen als wir.«

»Und wie verträgt er sich mit seinen Frauen? Er muß ja doch in deiner Nähe wohnen?«

»Jawohl, unsere beiden Häuser stehen kaum fünfhundert Schritt auseinander,« lachte Jonas, »und ich habe in der ersten Zeit immer ganz genau hören können, wenn er sich mit seiner Familie unterhielt.«

»Und jetzt nicht mehr?«

»Jetzt haben sie ihn unter. Die ersten Wochen prügelte er seine Frauen abwechselnd, und, wie ich glaube, nach jeder Mahlzeit, wahrscheinlich um sich etwas Bewegung zu machen. Das bekamen sie aber bald satt und nahmen sich Hilfstruppen ins Haus. Ein ganzer Schwarm Vettern und Basen, und was weiß ich, wer sonst noch! quartierte sich bei ihm ein und zehrte von ihm, und als er die eines schönen Morgens hinauswerfen wollte, fielen sie über ihn her und prügelten ihn, von den beiden Frauen redlich dabei unterstützt, windelweich. Ich hörte den Lärm und lief hinüber; da man sich aber nicht in fremde Familienstreitigkeiten mischen soll, störte ich sie auch nicht in ihrem Vergnügen und ging nach Hause. – Was macht denn Lemon?«

»Lemon,« sagte der Schotte, »kommt aus dem grimmigsten Ärger gar nicht heraus, aber nur deshalb, weil es ihm so gut geht, und er gar nicht weiß, worüber er vernünftigerweise schimpfen könnte. Er hat mir noch heute morgen versichert: er wollte lieber auf dem schmierigsten Walfischfänger Tag und Nacht Tran auskochen, ehe er noch acht Tage auf der Insel bliebe.«

»Und wenn wir heute wieder an Bord säßen, wäre er der erste, der sich fortwünschte. Weißt du nichts von Pfeife?«

»Keine Silbe. Seit sechs Monaten, glaube ich, habe ich den mit keinem Auge gesehen.«

»Und wo steckt Spund?«

»Spund wohnt auch eine Strecke von uns entfernt, kommt aber doch manchmal hinauf, da er für den Alten zu arbeiten hat. Er beschäftigt sich übrigens jetzt eifrig mit der Bekehrung seiner Familie, die er absolut zu Christen machen will, und behauptet: der liebe Gott hätte ihn nur zu dem Zweck auf die Insel gesetzt, um den Heiden das Evangelium zu bringen. Auch mit dem alten Toanonga hat er schon ein paar Versuche gemacht, der ist aber so zäh wie Leder und läßt sich auf nichts ein. Wie das Schiff neulich da war, ruhte Spund sogar nicht eher, als bis ich ihm eine Bibel von Bord mitbrachte.«

»Ein Schiff war da?« rief Jonas erstaunt, »und davon haben wir kein Wort erfahren?«

»Ja, der Alte hat sich wohl gehütet, daß ihr's gewahr wurdet!« lachte der Schotte. »Die Boote durften nicht einmal ans Land, womit der Kapitän auch vollkommen einverstanden schien; denn er fürchtete wahrscheinlich, daß ihm welche von seinen Leuten durchbrennen würden. Lemon ist übrigens mit dem Schiff der schlimmste Streich passiert, denn er hat Schmiedewerkzeug gekriegt und soll nun arbeiten, und kann nicht. Das einzige, was er mit Mühe und Not fertigbringt, sind Pfeilfpitzen, die er gar kläglich aus Nägeln zurechthämmert.«

»Hör' einmal, Lord Douglas,« sagte er da, nachdem er eine Weile stillschweigend vor sich hingesehen, »ich glaube doch beinahe, daß wir damals mit dem – mit dem Feuer, du weißt schon – einen dummen Streich gemacht!«

»Je weniger wir dann davon reden, desto besser ist's,« meinte der Schotte, »denn geschehene Dinge sind nun einmal nicht zu ändern. Was hatten wir denn auf dem blutigen Blubberkasten, daß wir nicht, wenn wir's hier einmal satt bekommen, auf jedem anderen Schiffe ebensogut wiederfinden?«

»Das ist schon wahr, und wenn wir's hätten haben können, wie wir's uns im Anfang gedacht, wär' ich der Letzte, der die Veränderung bereute; aber gleich als Versorger von einer Frau und vier Kindern hingestellt zu werden, das heißt die Häuslichkeit doch ein bißchen übertreiben. Wer steht uns außerdem dafür, daß wir nicht, wenn ihnen hier wieder ein halbes Dutzend Ehemänner wegsterben, vielleicht noch jeder eine oder zwei Frauen zugelegt bekommen, und dann sieh Legs an, wie's dem jetzt geht! – Hast du denn schon von dem neuen Kriegszug gehört?«

»Gewiß; sie rüsten schon mit aller Macht, und die Geschichte wird nächstens losgehen.«

»Na, ja,« sagte Jonas, »und wir sollen auch dabei sein und unsere Haut zu Markte tragen; das ist aber gegen den Kontrakt, und ich müßte mich sehr irren, wenn ich nicht gerade in der Zeit sterbenskrank würde.«

»Hallo! ein Segel!« rief da Mac Kringo plötzlich, der, während Jonas sprach, durch die Büsche hin auf das Meer hinausgesehen hatte. »Das Weiße dort drüben muß ein Segel sein!«

»Gewiß ist das ein Segel!« bestätigte Jonas, nachdem er eine Weile – seine Augen mit der Hand gegen die Sonne schützend – nach der angedeuteten Richtung hinausgeschaut hatte.

» Das muß aber noch weit sein, denn es kommt mir so klein vor. Kannst du ausmachen, nach welcher Richtung es steht?«

»Spitz jedenfalls, und am Ende nach uns zu, denn wenn es hier vorbeigesegelt wäre, hätten wir es schon früher sehen müssen. – Das kann auch kein Walfischfänger sein, man kann ja den ganzen Rumpf erkennen, und doch zeigt er nicht viel Segel.«

»Am Ende ist es einer der kleinen Schoner,« sagte der Schotte, »die zwischen den Inseln herumkreuzen und Kokosöl und Perlmutterschalen eintauschen. Das wäre am Ende eine Gelegenheit, von hier fortzukommen.«

»Aber wer weiß, wie wir es nachher finden?« meinte Jonas, »und solche kleine Fahrzeuge haben auch selten viel Platz an Bord. Ja, wenn man wüßte, daß man damit nach Australien könnte! Dort soll ein tüchtiger Arbeiter in ein paar Jahren ein reicher Mann werden.«

»Auf einen Walfischfänger gehe ich nicht wieder, soviel weiß ich,« sagte der Schotte; »hol' der Teufel das Hundeleben, die Pferdearbeit, und die Kapitäne, die wahrhaftig gar nicht wissen, wie sie einen armen Teufel von Matrosen nur genug quälen und schinden sollen!«

»Wahrhaftig, das Schiff hält gerade auf uns zu!« rief jetzt Jonas, der indessen keinen Blick von dem fernen Segel verwandt hatte. »Hinunter möchte ich doch jedenfalls, wenn es vielleicht ein Boot ans Land schickte.«

»Hör' einmal, Jonas, ich will dir was sagen,« meinte der Schotte, nachdem beide eine Weile schweigend das ansegelnde Fahrzeug betrachtet hatten. »Wozu ich selber Lust habe, weiß ich in dem Augenblicke selbst noch nicht, und um zu einem Entschluß zu kommen, muß man natürlich doch erst wissen, was das für ein Fahrzeug ist, und wohin es geht. Jedenfalls wollen wir aber unten in der Nähe sein, wenn es wirklich landet oder wenigstens ein Boot herüberschickt; denn in die Korallenriffe wird es sich keinesfalls hereingetrauen. Wann glaubst du, daß es heran sein kann?«

»Heute abend kaum mehr,« sagte Jonas, »der Wind ist fast ganz eingeschlafen, und es kann nur langsam vorwärtsrücken. Hat es übrigens Lust, Monui anzulaufen, so können wir uns fest darauf verlassen, daß es morgen früh mit Tagesanbruch vor den Riffen liegt.«

»Gut, dann sei du morgen, gleich nach Tagesanbruch, unten bei Toanonga; eine Ausrede wirst du schon finden; bringe aber Legs mit, denn es ist am Ende besser, daß wir so viel als möglich von uns beisammen sind.«

»Wenn wir nur wüßten, wo Pfeife steckt!«

»Den hat der Alte jedenfalls in die Nähe der Kanoes gesetzt,« sagte Mac Kringo, »das Segelwerk derselben in Ordnung zu bringen, und Spund wird dort wohl mit ihm zusammengekommen sein. Spund sehe ich aber jedenfalls heute abend, denn Toanonga hat ihn hinbestellt, etwas mit ihm zu besprechen.«

»Verstehen sie denn einander?«

»Vortrefflich! Spund, in der festen Überzeugung, daß er die Leute hier bekehren muß, hat das Unglaubliche geleistet und spricht die Sprache schon fast so gut wie ich; dem Alten wird er aber langweilig, weil er ihn nie zufrieden läßt.«

»Seit wann ist denn da die Frömmigkeit bei ihm zum Durchbruch gekommen?«

»Ach, du weißt ja,« lachte der Schotte, »daß er uns schon immer an Bord Predigten gehalten hat; es ist einmal seine schwache Seite. Aber ich will machen, daß ich wieder hinunterkomme, denn er möchte früher dort sein, und ich finde ihn nachher nicht mehr.«

»Wird aber der Alte nichts merken, wenn wir dort alle zusammentreffen?« fragte Jonas.

»Hm!« meinte der Schotte, »besser ist es freilich, wir lassen uns nicht alle gleich zusammen sehen, wenn wir nur in der Nähe sind. Legs mag deshalb auf die Landspitze hinausgehen, wo wir damals die Woche gesessen haben, und dorthin soll Spund auch Pfeife schicken, wenn er ihn auftreiben kann. Wir übrigen müssen dann sehen, wie wir uns am besten in der Nähe halten. Wirst du übrigens fortgeschickt, so widersprich nicht, sondern geh' in den Wald hinein, als ob du nach Hause wolltest, und sieh dann zu, daß du ebenfalls unbemerkt zu den anderen auf die Landspitze kommst.«

»Und sollen wir Waffen mitbringen?«

»Wenn es heimlich geschehen kann, ja! Man weiß nie, was vorfällt; die Eingeborenen gehen ja auch jetzt alle schwer bewaffnet umher; aber je weniger ihr euch damit sehen laßt, desto besser ist es.«

»Gut, das wäre also abgemacht. Auf Wiedersehen morgen! Hol's der Teufel! es ist doch endlich einmal eine Abwechslung in diesem so verzweifelt langweiligen Leben. Ob wir nun dableiben oder nicht, jedenfalls können wir doch von dem Schiff etwas Tabak bekommen, und ich kann dir versichern, ich habe einen ordentlichen Heißhunger darauf. Donnerwetter, da fällt mir ein! hast du denn neulich von dem Walfischfänger keinen mitgebracht?«

»Ein verwünscht kleines Stückchen,« sagte zögernd der Schotte. »Die Leute waren schon drei Jahre aus, und der Kapitän hielt sie furchtbar knapp mit Tabak.«

»Hast du welchen bei dir?« fragte Jonas neugierig.

»Hm, ich weiß selber nicht einmal – einen Mund voll höchstens.«

»Junge, Junge! und da läßt du mich hier die ganze Zeit mit trockenem Maule stehen! Du wirst doch wahrhaftig mit mir teilen?«

Mac Kringo suchte eine lange Weile in seinen Taschen, endlich brachte er ein kleines Stückchen heraus, das er indessen mühsam von einem größeren in der Tasche abgedreht.

»Das ist alles, was ich noch habe, kaum ein Bissen, aber schneide dir die Hälfte herunter, daß du wenigstens einmal wieder den Geschmack davon bekommst.«

»Hurra! Tabak!« schrie Jonas, der das Stück schon vorher mit den Blicken verschlang. »Junge, wenn ich meine Familie gegen Tabak und Grog eintauschen könnte, so wollte ich mir kein besseres Leben wie das hier auf der Insel wünschen. Na, vielleicht bekommen wir morgen einen ordentlichen Vorrat. Soviel weiß ich, ich packe meiner Frau ganze Toilette morgen ein, um wenigstens zum Tauschen irgend etwas bei der Hand zu haben. Und nun good-bye! mit Tagesanbruch morgen früh bin ich unten bei Toanongas Haus.«

Damit winkte er dem Freunde einen kurzen Gruß zu und verschwand bald in den Büschen. Mac Kringo verharrte noch eine Weile auf seiner Stelle, sich über die Richtung des Segels größere Gewißheit zu verschaffen. Es blieb aber bald keinem Zweifel mehr unterworfen, daß es wirklich näher kam. Mit dem Winde hätte es auch gar nicht von ihnen fortsegeln können, und darüber beruhigt, stieg er den Weg zurück ins Tal, den er vorher heraufgekommen.


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