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Die französische Patrouille.

Van Leuwens erster Weg war natürlich nach dem Spielzimmer, aber seine Furcht unbegründet gewesen – Mauricio Lucido hielt noch immer Bank und hätte das Spiel auch so rasch kaum verlassen können, ohne Verdacht zu erregen – aber er spielte zerstreut. Er fürchtete wohl für sich keine Gefahr, denn er konnte sich kaum denken, daß Rodriguez selber, auf Ricardas Anklage hin, feindlich gegen ihn auftreten würde – es war sogar nicht einmal möglich – aber was wurde jetzt aus dem Plan, den sie morgen hatten? Durfte er es wagen, jetzt gerade, wo man ihn doch vielleicht beobachtete, wieder etwas Ähnliches zu unternehmen? Oder gab er das lieber auf und wartete hier seine Zeit ab? Und wenn es trotzdem hier bekannt würde – Frauen können ja nun einmal den Mund nicht halten. Es war doch vielleicht besser, er traf mit Geronimo zusammen und hielt sich dann lieber eine kurze Zeit von Mexiko entfernt, bis hier Gras über das erste Gerücht gewachsen.

Seine Gedanken flogen herüber und hinüber, aber waren nicht mehr beim Spiel, so daß er einen Fehler über den anderen machte und viel Geld verlor. Endlich stand er auf: »Sennores,« sagte er, »Sie müssen mich heute abend entschuldigen – die Luft ist hier so schwül – vielleicht übernimmt einer der anderen Herren für kurze Zeit die Bank, damit ich nur erst einen Spaziergang im Freien machen kann.«

Auf die Offiziere, die sich dort herumbewegten, achtete er natürlich nicht; es waren Gäste, wie er selber, und vor allen Dingen trat er zum Büfett, um sich dort ein Glas Xeres einzuschenken. Er füllte ein Wasserglas halb voll und leerte es auf einen Zug, denn er brauchte etwas, um die erregten Nerven wieder zu beruhigen. Als er nach seiner Uhr sah, fehlten noch etwa zwanzig Minuten an ein Uhr, er hatte also vollkommen Zeit und brauchte sich gar nicht zu übereilen. Es war doch am Ende besser, er traf Geronimo, aber eigentlich hätte er seinen Vater davon in Kenntnis setzen müssen, wenn er »auf ein paar Tage« von zu Hause wegblieb.

Sennor Lucido kam gerade mit einem französischen General, der noch sehr schlecht spanisch sprach, gegen das Büfett zugeschritten und lachte herzlich über ein Mißverständnis, das eben durch eine Wortverwechslung des Franzosen entstanden war. – Mauricio ging auf ihn zu.

»Vater, es ist möglich, daß ich morgen ganz früh mit der Diligencia nach Puebla fahre – oder auch weiter – ich weiß es selber noch nicht.«

»Nach Puebla? Und was willst du dort?«

»Ich habe Lust, dort ein Grundstück zu kaufen?«

»In Puebla? Wie kommst du auf den Gedanken?«

»Sie sind jetzt sehr billig zu bekommen.«

»Das glaub' ich, aber es ist immer riskiert, denn die Geistlichkeit läßt keine Ruhe, und wenn du das überhaupt wolltest, böte sich dir hier in Mexiko vielleicht der nämliche Vorteil.«

»Ich möchte die Gelegenheit dort wenigstens einmal ansehen und würde dann in einigen Tagen zurückkehren, um mich vorher mit dir zu besprechen.«

»Gut – tu das – aber jetzt gerade denkst du ans Reisen? Wie gefällt dir Rodriguez' Nichte?«

»Das ist ein gefährliches Wesen,« sagte Mauricio mit einem zweideutigen Lächeln.

»Aha?« lachte sein Vater, ohne eine Ahnung, wie sein Sohn die Worte meinte, »habe ich es dir nicht vorhergesagt?«

Mauricio nickte, aber er durfte sich jetzt nicht länger aufhalten, und mit einem »gute Nacht, Vater!« verließ er das Gemach, nahm sich in dem Garderobezimmer seinen Hut und Mantel und stieg die Treppe hinab.

Vor ihm gingen ein paar Offiziere, ebenfalls mit ihren Mänteln, die also auch nach Hause wollten – was kümmerten ihn die. – An der Tür waren sie stehen geblieben und sprachen miteinander, und als er mit einem leichten »Buenas noches!« vorüber wollte, redete ihn der eine – sie hatten sich vorher französisch unterhalten – in spanischer Sprache an.

»O, Sennor Lucido – ich hätte eine Bitte an Sie – wir gehen wohl ein Stück zusammen?«

»Sennor?« sagte Mauricio, indem er stehen blieb, aber zu seiner Verwunderung bemerkte, daß vier französische Soldaten vor der Tür des Hauses standen; doch er dachte auch nicht weiter darüber nach, denn bei den vielen höheren Offizieren, die sich oben befanden, war es ja möglich, daß sie eine Ordonnanz oder was sonst dort hielten – ihn kümmerte das ja außerdem nicht.

»Wir gehen langsam dabei die Straße hinab – welcher Richtung folgen Sie?«

Mauricio zögerte einen Moment mit der Antwort, aber er mußte doch jedenfalls erst noch einmal in seine eigene Wohnung, deutete deshalb schweigend die Richtung mit seiner Hand an, und während sich der Offizier an seiner Seite hielt, fragte er diesen: »Und was war es, das Sie von mir erbitten wollten?«

»Den kleinen Ring mit dem Smaragd, der der Sennorita Ricarda San Blas gehört – ich bin von ihr beauftragt, ihn zurückzufordern.«

»Caramba, Sennor,« lachte Mauricio – wie er aber den Kopf nach seinem Begleiter umwandte, sah er, daß ihnen die vier Soldaten auf den Fersen folgten und nicht etwa zufällig, sondern wirklich Schritt mit ihnen hielten, doch ahnte er noch immer keine Gefahr für sich selber und fuhr deshalb nach kurzer Unterbrechung fort: »Das ist ein eigentümlicher Auftrag, und noch dazu mitten in der Nacht. Woher weiß ich denn, ob der Ring früher der Sennora wirklich gehört hat? – Aber was tut das?« brach er leichthin ab, »einer Dame darf ein Herr nie einen Ring abschlagen, und wenn ich ihr damit gefällig sein kann, mit dem größten Vergnügen. Hier, Sennor,« sagte er dann, indem er den kleinen Ring nicht ohne Mühe vom Finger zog, »geben Sie ihn der Sennorita und sagen Sie ihr, daß es mich unendlich glücklich mache, ihr ein vielleicht schon verloren gegebenes Eigentum zurückerstatten zu können – Buenas noches!« (gute Nacht) und mit einer artigen Verbeugung dem jungen Belgier den Ring überreichend, wollte er sich abwenden, als dieser aber mit der rechten Hand den Ring, mit der linken Mauricios Handgelenk ergriff und ruhig sagte:

»Halt, Sennor, einen Teil des gestohlenen Eigentums haben Sie herausgegeben, aber der Rest bleibt noch zu erledigen. Ich verhafte Sie hier im Namen des Kaisers und auf Anklage der Donna Ricarda als gemeinen Straßenräuber und Mörder. Leisten Sie keinen Widerstand, Sie sind in unserer Gewalt.«

»In wessen Gewalt?« rief Mauricio, indem er gewaltsam seinen Arm freizubekommen suchte – »wer zum Teufel hat ein Recht –«

»In unserer Gewalt, Monsieur!« rief aber jetzt einer der französischen Offiziere, der ebenfalls hinzusprang – »hierher, Kameraden, faßt den Burschen, der zwei von unseren Offizieren meuchlings ermordet und die Post beraubt hat. Stoßt ihm den Schädel mit den Kolben ein, wenn er sich nicht gutwillig ergibt. Ihr könnt keinen Schaden tun, denn hängen muß er doch!«

Mauricio sah im Nu, daß hier Widerstand vollkommen nutzlos war und seine Lage nur verschlimmern konnte. Das beste war jedenfalls, ruhiges Blut zu bewahren, dann fanden sich auch schon Mittel und Wege, ihn aus dieser fatalen, wenn auch nicht gerade gefährlichen Lage zu befreien. Er, der Sohn einer der reichsten und angesehensten Familien der Stadt – was konnte ihm überhaupt geschehen – und auf die Beschuldigung eines Mädchens hin – bah – den Ring hatte er im Spiel gewonnen – wer wollte ihm das Gegenteil beweisen, denn auf sein Gesicht konnte sie doch nicht schwören, das war maskiert gewesen.

»Sennores,« sagte er deshalb, indem er sich ruhig in die Gewalt der Soldaten gab, »es ist jedenfalls eine eigentümliche Sache, einen Caballero zu verhaften, mit dem man eben aus einer Gesellschaft nach Hause geht. Sie hätten sich doch vorher vergewissern sollen, ob einer solchen Ausnahmemaßregel nicht vielleicht ein Irrtum zugrunde lag, wie das hier der Fall ist. Jener Sennorita ist der Ring vielleicht gestohlen worden, aber wenn Sie mich in dessen Besitz finden, ist damit nicht gesagt, daß ich ihn gestohlen haben muß – noch dazu ein Gegenstand,« setzte er verächtlich hinzu, »den ich kaum aufheben würde, wenn ich ihn auf der Straße fände, ein Ring, der vielleicht zwei oder drei Pesos an Wert hat – es ist lächerlich.«

»Habt ihr ihm die Hände gebunden?« fragte der französische Offizier, ohne auf die Worte des Gefangenen auch nur zu achten.

»Alles fest, Kapitän.«

»Gut – dann vor allen Dingen mit ihm auf die Wache, und der Kommandierende dort mag bestimmen, was mit ihm geschehen soll.«

Mauricio sah keinen Ausweg und folgte geduldig – erschrak aber sichtlich, als auf der Wache der Befehl gegeben wurde, ihn zu durchsuchen. – Der Brief Geronimos – er hatte nicht an den Brief gedacht – wenn man den bei ihm fand! – Es war zu spät – der Unteroffizier, der ihn visitierte, machte nicht die geringsten Umstände – nahm ihm vor allen Dingen Uhr und Geld ab, was sorgsam gezählt und dem Kommandanten übergeben wurde, und zog dann den Brief aus der Brusttasche, den einer der französischen Offiziere nahm und damit zu einem Licht trat.

» Sapristi!« rief er aber gleich darauf aus – »ich glaube, das Schriftstück ist wichtig. Wer kennt einen Platz, der penuelos heißt?«

»Das ist die berüchtigte Stelle nach Cuernavaca zu, wo die Diligencen jetzt schon ein paarmal angefallen worden sind,« sagte van Leuwen.

»In der Tat? – Wollen Sie ihn lesen?«

Der Wachtkommandant nahm den Brief, und nachdem er ihn durchgesehen, fragte er den Gefangenen streng:

»Wie kommen Sie zu dem Brief? Und wissen Sie, was er enthält?«

»Nein,« sagte Mauricio ruhig – »ich fand ihn vor dem Hause des Sennor Rodriguez auf der Erde liegen und steckte ihn in die Tasche, ohne weiter daran zu denken. Es wird nichts Wichtiges sein.«

»Sehr schön – Sie werden darüber morgen nähere Auskunft geben müssen; bis dahin bleiben Sie unser Gefangener.«

»Sennor, ich bin der Sohn des Don Carlos Lucido de Vega.«

»Und wenn Sie der Sohn von Montezuma wären – fort mit ihm, und daß er euch nicht entwischt – ich glaube, wir haben einen guten Fang getan.«

Mauricio wurde abgeführt, die Offiziere aber, zu denen sich van Leuwen gesellt hatte, berieten indessen über den Brief, der allerdings deutlich genug auf ein beabsichtigtes Verbrechen hinwies. Es blieb nur die Frage, ob der Italiener Solfinto wirklich morgen mit der Diligence oder unter besonderer Eskorte nach Cuernavaca ging, und das erstere war insofern wahrscheinlich, als in den letzten acht oder zehn Tagen kein einziger Raubanfall auf dieser Straße bekannt geworden, und zahlreiche Patrouillen sie auch begangen hatten. Der einzige aber, der ihnen darüber Auskunft geben konnte, war der Marschall selber, und sollten sie ihn, eines solchen Verdachts wegen, mitten in der Nacht wecken? Morgen früh aber war es zu spät, und van Leuwen erklärte, die Verantwortung auf sich nehmen zu wollen. Er hatte die Sache einmal begonnen, er mußte sie jetzt auch durchführen. Zeigte sich der Verdacht, der durch den Brief erregt worden, begründet, so war das der stärkste und unwiderleglichste Beweis gegen den jungen Verbrecher, den dann auch die hohe Stellung seiner Familie nicht vor der gerechten Strafe schützen sollte.

Van Leuwen, von einem der französischen Offiziere begleitet, ging direkt zu Bazaines Wohnung und fand dort allerdings alles im tiefen Schlaf. Seit seiner Verheiratung hatte sich der Marschall nicht allein von den meisten Vergnügungen, sondern auch so viel als möglich von Geschäften zurückgezogen, und schien den Versuch zu machen, ob er nicht selbst in dem an allen Ecken revolutionierten Mexiko ein idyllisches Leben führen könne. Es kostete auch einige Mühe, die Dienerschaft erstlich einmal munter zu bekommen und sie dann zu bewegen, den Herrn zu wecken. Der Mayor Domo selbst mußte erst wachgerüttelt werden, aber die Uniformen setzten es doch durch. Die Herren Offiziere würden sich nicht in die »Höhle des Löwen« wagen, wenn sie nicht dringende Veranlassung dazu gehabt hätten, und mochten dann auch die Folgen selber tragen.

Der Marschall ließ übrigens nicht lange auf sich warten und hatte kaum Einsicht von dem Brief genommen, als er ausrief:

»Messieurs, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie sich zu mir herbemüht. Kennt einer von den Herren die bezeichnete Stelle genau?«

»Ich kenne sie, Herr Marschall,« sagte Leuwen, »und bin den Paß oft passiert.«

»Wer sind Sie?«

»Hauptmann van Leuwen in der belgischen Legion.«

»Können Sie sich einem Detachement anschließen?«

»Wenn der Herr Marschall mich bei dem Grafen Thun entschuldigen will.«

»Das werde ich gern übernehmen – die Sache ist zu wichtig, ich denke, wir kommen da einem gefährlichen Nest auf die Spur – gefährlich doppelt, da sie hier in der Stadt ihre Spione und solche Verbindungen und Helfershelfer haben. – Kapitän Orsmond, nehmen Sie eine Patrouille von zwanzig Mann, das wird genügen und – wie weit ist der Platz von hier?«

»Etwa eine Legua hinter der Guarda – die Diligencia erreicht die Guarda um Mittag und jene Stelle etwa um zwei Uhr oder etwas später.«

»Gut, dann lassen Sie gleich aufsitzen – wir dürfen keine Zeit versäumen – das beste wird sein, Sie legen sich in den Hinterhalt, wenn Sie oben in die Berge kommen, bis die Diligencia vorüber ist, und folgen ihr dann mit aller Vorsicht. Brächen Sie morgen erst mit hellem Tag auf, so wissen wir nicht, was die Kanaillen für Zeichen untereinander haben, mit Rauchsäulen und dergleichen. Es ist schon mehrere Male etwas Ähnliches bemerkt worden. – Wie Sie dann weiter agieren wollen, muß ich Ihnen selber überlassen, nur das beobachten Sie, lassen Sie keinen Reiter oder Fußgänger sich voraus, denn das Gesindel steckt alles unter einer Decke. Betrachten Sie jeden als Gefangenen, den Sie überholen, oder der Ihnen voraus will.«

»Wir werden sie aber bei ihrer Arbeit überraschen müssen.«

»Unter jeder Bedingung – aber auch die mexikanische Guarda dort oben darf keine Ahnung von Ihrer Nähe haben – ich traue den Schuften ebensowenig. Am besten wäre es, wenn Sie den Platz umgingen; ich weiß nur nicht, ob das zu Pferd möglich ist, und selbst in dem Fall müßten Sie Posten an den Straßen behalten, die niemanden nach vorn lassen. Doch Sie werden ja sehen.«

»Und was machen wir mit den Räubern, wenn sie in unsere Hände fallen sollten?«

» Hängen,« sagte Bazaine lakonisch, »nur keine lange Gerichtspflege. Die Verantwortung nehme ich auf mich. Das sind ja, wie Sie mir selber sagen, die nämlichen Schufte, die Leutnant St. Clair und Bremont erschossen haben, und mit denen keine Umstände.«

»Unsere Soldaten werden sich nicht gern dazu verstehen, Herr Marschall, die Leute wirklich zu hängen – erschießen ist etwas anderes.«

»Dann schenken Sie dem Jüngsten das Leben, wenn er seine Kameraden selber hängt – dadurch treiben wir den auch aus der Nachbarschaft.«

Es war nichts weiter mehr anzuordnen; das andere mußte allerdings dem den Zug kommandierenden Offizier überlassen bleiben, und die jungen Offiziere kehrten auf die Hauptwache zurück, um die eben erhaltenen Befehle ohne Säumen auszuführen.

Etwa um drei Uhr morgens zog eine Kavalleriepatrouille langsam und im Schritt reitend durch die Stadt. Sie hatte übrig Zeit, und es lag nicht der geringste Grund vor, große Eile zu verraten, was auch mögliche Späher vielleicht aufmerksam machen konnte. Draußen setzten sie sich etwas schärfer in Trab, aber durch das nächste Dorf ritten sie wieder Schritt, und ließen dann erst ihre Tiere bis zum Fuß der Anhöhen tüchtig ausgreifen. Sie begegneten dabei auch wohl überall kleineren Trupps von Indianern, die durch die Nacht marschierten, um früh am Morgen zum Markt in Mexiko zu sein, auch einzelnen Maultiertrupps, die vom Süden heraufkamen, überholten aber keinen Reiter oder Fußgänger, und stiegen dann, als der Tag dämmerte, und ihre Pferde am Zügel führend, um sie nicht zu sehr zu ermüden, den hier ziemlich steilen Hang empor.

Um sich dort aber in einen Hinterhalt zu legen, dazu war das ganze Terrain mit seinen offenen Flächen und Kuppen oder steilen, kaktusbewachsenen Schluchten gar nicht geeignet, und Kapitän Orsmond, der Führer der Patrouille, ließ endlich, schon gar nicht mehr so weit von der Guarda entfernt, halten, um erst einmal zu beraten, was am besten zu tun sei, und dann jedenfalls die Diligencia zu erwarten und vorüberzulassen.

Dagegen opponierte Leuwen aber ganz entschieden, denn es sollte schon mehrmals vorgekommen sein, daß Helfershelfer der Straßenräuber mit eingeschrieben waren und ihren Platz in der Diligencia genommen hatten, um dort dann plötzlich im entscheidenden Augenblick den Insassen ein paar gespannte Revolver auf den Leib zu halten und sie zu verhindern, Widerstand zu leisten. Es schien nicht wahrscheinlich, daß etwas derartiges diesmal im Werk sei – der Brief deutete wenigstens nichts davon an, es war aber doch geraten, auch diese Vorsicht nicht außer acht zu lassen.

Unmittelbar vor der Guarda zog sich der Weg links um den Hügelhang hin – den konnten sie rechts umgehen und sich dort außer Sicht halten, und nur einen Mann oben in dem Gebüsch über der Guarda postieren, der ihnen Kunde gab, wann die Passagiere, nachdem sie dort Mittag gemacht, wieder zum Einsteigen bereit wären. Wenn sie dann dem Wagen in kurzer Entfernung und aus Sicht folgten, so konnten ihnen die Räuber, falls sie wirklich ihre Drohung wahr machten, gar nicht entgehen, und sie kamen jedenfalls im entscheidenden Moment an Ort und Stelle.

Dem Vorschlag stimmte auch Orsmond nach einer kleinen Weile zu, und der Befehl zum Aufsitzen sollte eben wieder gegeben werden als hinter ihnen her, um die nächste Biegung der Straße, ein Reiter angetrabt kam und erst, als er die Soldaten erblickte, überrascht sein Pferd zügelte und nicht zu wissen schien, ob er vorbeireiten oder umkehren solle; aber lange schwankte er nicht in seinem Entschluß, denn gleich darauf fühlte sein Tier wieder den Schenkeldruck, und als er mitten zwischen den Soldaten war, zog er sehr artig mit einem buenos dias caballeros den Hut und wollte dann hindurchreiten.

Daran wurde er aber verhindert, denn zwei der Leute waren rasch aufgesessen, und jetzt die Straße sperrend, riefen sie ihm ein gebieterisches Halto entgegen.

»Caramba, Sennores,« sagte der Mexikaner, ein Sambo und jedenfalls den unteren Klassen angehörend, aber sehr artig, »ist es verboten, diesen Weg zu reiten? Ich glaubte, es wäre die freie Passage nach Cuernavaca?«

»Ist es auch, Sennor,« sagte van Leuwen, der fertig spanisch sprach – »aber für eine kurze Zeit werden wir um Ihre Gesellschaft bitten müssen und Sie ersuchen, uns ein wenig aus dem Weg zu begleiten.«

»Aus dem Weg?« lachte der Mexikaner, aber sein Lachen war doch etwas erzwungen, – » pero Sennores, außer dem Weg habe ich nichts zu tun. Ich muß so rasch als möglich nach Cuernavaca und möchte nicht gern eine Viertelstunde Zeit versäumen.«

»Haben Sie schon einen Mexikaner gesehen, der Eile hatte, van Leuwen?« fragte Orsmond in französischer Sprache – »da ist einer, und zwar der erste, der mir vorgekommen, und das allein macht ihn verdächtig. Den Burschen dürfen wir nicht aus den Augen lassen, oder unser Weg war umsonst.«

»Wenn es am Ende der Bursche wäre, den der Brief erwähnt – ich mag seinen Namen nicht nennen.«

»Sehr leicht möglich – wie heißen Sie, Sennor, wenn ich fragen darf?« setzte er dann in seinem gebrochenen Spanisch hinzu.

» Que dice, Sennor?«

»Ihr Name, wie ist Ihr Name?«

»Artiges.«

»Und der andere?«

Der Mann zögerte einen Moment mit der Antwort, dann sagte er »Felipe«.

»Hm – gut – sagen Sie ihm nur, van Leuwen, daß er über den Haufen geschossen wird, sobald er einen Fluchtversuch macht. Er muß bei uns bleiben.«

Leuwen teilte ihm das mit, und der Sambo schien nicht recht damit einverstanden. Er schützte noch einmal seine Eile vor, und daß er ein Geschäft um ein paar Maultiere abschließen müsse, wie er aber sah, daß es nicht anders ging und die Soldaten wirklich Ernst machten, fügte er sich auch in das Unvermeidliche und blieb ruhig zwischen den Leuten, die weiteren Befehle erwartend. Ja, er schien selber neugierig geworden zu sein, was sie eigentlich beabsichtigten, und hielt nur den Blick fortwährend auf der Straße, als ob er von der einen oder anderen Seite irgend etwas oder jemanden erwartete.

Die Patrouille war indessen wieder aufgesessen, und van Leuwen führte jetzt den Zug an, der sich, gleich direkt vom Weg ab, denn weiterhin schloß ihn eine steile Lehmbank ein, an der anderen Kuppe des Hügels hinzog. Da dort hinüber aber gar kein Weg lag, schien Sennor Artiges allerdings nicht recht klug aus der Bewegung zu werden. Fragen mochte er jedoch wohl auch nicht, und so blieb ihm denn nichts anderes übrig, als schweigend zwischen den Soldaten herzureiten, von denen zwei ihm ganz besonders zur Bedeckung gegeben worden und ihre Karabiner schußfertig vor sich auf dem Sattelknopf liegen hatten.

So erreichte die kleine Kavalkade die Biegung des Hanges und deckte sich dahinter, rastete aber dort, mit einer Wache ausgestellt, welche die Straße nach Mexiko im Auge behielt, wohl eine volle Stunde und machte dann erst Anstalt, die Tiere einiges Futter suchen zu lassen.

Jetzt endlich wurde die Ankunft der Diligencia gemeldet – sie kam in einem ziemlich starken Trab, denn der Weg führte hier schon wieder etwas zu Tal, um die nächste Biegung und konnte keine Ahnung von der Nähe der französischen Eskorte haben. Etwa zehn Minuten später rasselte sie in den kleinen, kaum aus zehn oder zwölf Hütten bestehenden Platz hinein, und jetzt mußte die Wache nach dorthin auslugen. Wer auch jetzt noch auf dem Fahrweg daherkam, mochte ruhig passieren, da er nichts von der Patrouille wissen und, selbst wenn er mit der Bande in Verbindung stand, diese nicht vor einer ihr drohenden Gefahr warnen konnte. Es kam aber auch niemand, denn ein versteckter Posten blieb noch immer ausgestellt, nur bald nach der Post ein Trupp leergehender Esel, von ein paar indianischen Jungen getrieben, die wahrscheinlich Früchte nach Mexiko geschafft hatten und jetzt wieder in ihre Heimat – eins der Dörfer bei Cuernavaca – zurückkehrten.

Jetzt plötzlich kehrte der ausgesandte Posten, der oberhalb der Guarda auf dem Bauch bis an die letzten Büsche gekrochen war, zurück und meldete, daß die Maultiere der Diligencia schon wieder angespannt stünden und die Passagiere eben im Begriffe seien einzusteigen – eine Escolta habe er nirgends gesehen, nur ein französischer Offizier sei da unten mit dabei, der sehr in Aufregung und zornig scheine.

Orsmond lachte. Das war jedenfalls Solfinto. Der eingefangene Sambo aber hing mit ängstlichen Blicken an den Lippen der Fremden, denn er verstand ja nicht, was sie miteinander sprachen, und doch schien ihn die Post weit mehr zu interessieren, als er vielleicht eingestehen mochte. Als jetzt der Befehl zum Aufsitzen gegeben wurde und die Kolonne sich wieder in Bewegung setzte, machte er sich auch noch mit seinem Sattel zu schaffen und suchte zurückzubleiben – mit allen Wegen und Berghängen hier genau vertraut, wäre es ihm dann wohl möglich gewesen, selbst noch jetzt der Patrouille vorzukommen, aber van Leuwen hielt ihn scharf im Auge und sich auch dicht an seiner Seite, bis er fertig war.

» Vamonos Compannero,« sagte er dabei, »jetzt kannst du bald wieder so rasch nach Cuernavaca zureiten, als du willst, aber solange ich dich unter Aufsicht habe, kommst du nicht davon, mein Bursche, denn bei dem geringsten Fluchtversuch schieß ich dein Pferd über den Haufen.«

Wo sie sich befanden, konnten sie aus der Guarda heraus das Schreien der Stallknechte hören, die jetzt eben wieder die Maultiere der »losgelassenen« Diligencia antrieben und sich dann halbtot lachen wollten, wenn die wilden Tiere mit dem schweren Kasten wie ein Wetter davonflogen. Bis dahin war also alles nach Wunsch gelungen, und in der Guarda selber konnten sie keine Ahnung von ihrer Nähe haben. Kapitän Orsmond wollte jetzt auch gleich folgen, van Leuwen hielt ihn aber noch etwas zurück, denn von der Guarda aus ging es wieder eine kurze Strecke, wenn auch nicht steil, bergan, und die Diligencia fuhr da nicht so rasch. So gaben sie ihr dann noch etwa fünfzehn Minuten Vorsprung, und jetzt war der Moment gekommen, wo sie ihre Truppe nicht mehr zu verstecken brauchten.

Vorwärts! – Der Sambo mußte mitten zwischen den Soldaten reiten, bis sie jetzt, wieder um den Hang selber hin, die Guarda erreichten. Dann wurde er bedeutet, zurückzubleiben – ob er nachher folgte oder nicht, blieb sich gleich, und nun gab die Patrouille ihren Tieren die Sporen und rasselte mit klappernden Hufschlägen durch den kleinen Ort hindurch.

Alle Wetter, wie sprangen die Bewohner desselben überrascht in ihre Türen, als sie die bewaffnete Schar, wie aus dem Boden heraus, vor sich auftauchen sahen und dabei zugleich wußten, was sie hergeführt. Von den Bewohnern dort oben war auch wohl kaum ein einziger, der nicht von den Bewegungen der Ladrones Kenntnis hatte; ob er aber zu ihnen hielt oder nicht, verraten durfte er nichts, wenn er sich nicht rettungslos ihrer Rache aussetzen wollte, und was für ein Interesse nahmen diese Leute an Durchreisenden, daß sie um deretwillen ihr eigenes Leben in Gefahr bringen sollten.

Dort oben lag auch eine mexikanische Wache, sogenannte Landsoldaten, und wenn man ihnen, im Wald begegnet wäre, hätte man sie wohl kaum von Straßenräubern unterscheiden können. Es waren braune, wilde Gestalten, die Serape um die Schultern geschlagen, den alten Sombrero nach hinten auf den Kopf gestülpt, das lange Messer im Gürtel und alte mitgenommene Musketen oder Karabiner in den Händen, während der Säbel unter den Sätteln stak, die daneben auf einem Erdwall lagen, um jeden Augenblick zum Gebrauch bereit zu sein.

Wie diese Burschen schauten, als unmittelbar hinter der Diligencia diese Eskorte angeflogen kam. Stieg sie aus dem Boden herauf? Nicht einmal der Kutscher wußte von ihr, der sie auf der letzten Ebene hätte eine Legua hinter sich sehen müssen, und der Offizier war wütend gewesen, daß er die Begleitung nicht bekam. Ehe ihnen aber nur Zeit blieb, zu überlegen, was sie jetzt tun sollten, ja was das überhaupt zu bedeuten habe, war die Patrouille schon vorüber und folgte jetzt in scharfem Galopp der hinter den nächsten Bäumen und der Biegung der Straße verschwundenen Diligence.

Der Sambo, der bei ihnen zurückblieb, konnte ihnen freilich Aufklärung geben, und es war jetzt keinem Zweifel mehr unterworfen, daß den Franzosen in Mexiko etwas verraten sein mußte – aber die Burschen lachten – »Caracho – mögen selber sehen, wie sie fertig werden,« und dann die aufgegriffenen Waffen wieder ruhig beiseite legend, nahmen sie ihren alten Platz an der Lehmbank, von dem sie die klappernden Hufe emporgejagt, wieder ein und fetzten ihr Kartenspiel, das sie bis dahin getrieben, fort. Was kümmerte sie die Welt!

Die Patrouille verfolgte indessen ihren Weg in voller Flucht, denn auch die Diligence fuhr diese Straße von da an, wo sie sich wieder zu Tal senkte, so rasch, als die acht Maultiere nur eben laufen konnten. An steilen Stellen wurde allerdings durch zwei gegen die Räder gepreßte Hölzer eingebremst, aber an leichten Hängen ließ der Kutscher den schweren Wagen ruhig rollen, und ein Pferd mußte da schon tüchtig ausgreifen, wenn es Schritt mit ihm halten wollte.

Der Patrouille lag aber auch gar nichts daran, wirklich in Sicht der Post zu kommen, denn dann wären sie von auf der Lauer liegenden Briganten ebenso und jedenfalls zu früh entdeckt worden. Sie wußten, sie befanden sich nur eine kurze Strecke hinter dem Fuhrwerk, und das genügte vollkommen. Wurde es angehalten, so waren sie auch rasch genug bei der Hand – rasch genug wenigstens, um eine tatsächliche Beraubung zu verhindern.

»Und haben wir noch weit zu den Penuelos?« fragte Orsmond seinen jungen Begleiter, als sie im Galopp nebeneinander hinflogen.

»Gleich da vorn beginnen sie,« sagte van Leuwen, indem er den Arm ausstreckte. »Sehen Sie dort die hohen Bäume, wo –«

Er hielt erschreckt inne, denn von dorther knallten Revolverschüsse, denen gleich darauf der dumpfere Knall aus einem größeren Gewehr folgte.

»Da sind sie! en avant!« und in voller Karriere donnerten die Reiter die hier ziemlich ebene Straße entlang. Man würde auch in dem stillen Wald ihr Nahen auf weite Entfernung schon gehört haben, wenn nicht vorher das Klappern und Rasseln der heranpolternden schweren Postkutsche, dann das Schießen und die Aufregung des Überfalls die Banditen die gehörige Vorsicht hätte vergessen lassen. Sie wußten ja, daß der Post von Guarda aus keine Eskorte folgen würde, ihr Vorposten oben am Bergabhang hatte ebensowenig eine Gefahr angezeigt – so konnten sie sich denn ganz ihrer »Arbeit« hingeben.

Da plötzlich tönte ein schriller Pfiff aus dem Wald heraus.

»Zwei Mann dort hinein,« – befahl Kapitän Orsmond – »wir sind genug. – Fangt den Schuft oder schießt ihn nieder!«

Zwei der Leute zügelten ihre Pferde. – Einer blieb auf der Straße, der andere schwenkte in den Wald hinein, während die übrigen wie ein Wetter die Bahn hinabflogen und auch gerade zur rechten Zeit kamen, um fünf Ladrones, von denen der eine eine schwarze Maske trug, bei voller Arbeit zu finden. Aber den Warnungspfiff hatten sie ebenfalls gehört und waren zur Seite gesprungen, um nur erst einmal zu sehen, was der Pfiff bedeute. Es konnte ja auch ebensogut ein einzelner Reiter sein, der des Weges kam, und von dem hätten sie sich wahrlich nicht stören lassen, aber »Caracho!« schrie der Führer, als er im Nu die Gefahr erkannte, in der sie sich befanden. – »Fort in die Büsche!« und die schon sicher geglaubte Beute im Stich lassend, gab er selber seinen Leuten das Beispiel – aber zu spät.

Rechts und links brachen die französischen tüchtig berittenen Kavalleristen in den Wald hinein, und da die Soldaten etwas davon gehört hatten, daß die Gefangenen augenblicklich aufgehängt werden sollten, so gaben sie sich die größte Mühe, gar keine Gefangenen zu machen. Wo sie nur dicht genug an einen hinkamen, forderten sie ihn nicht etwa zum Halten auf, sondern schossen gleich, zuerst ihren Karabiner, dann ihre Pistolen auf ihn ab, und hatten dadurch bald drei auf dem Plan liegen.

Van Leuwen war hinter dem Verlarvten hergesprengt, weil er in diesem mit Recht den Anführer vermutete. Den Burschen aber hinderte die Maske am raschen Laufen er konnte nicht vor seine Füße sehen und stürzte. – Wohl raffte er sich wieder empor und riß die Maske ab, aber zu spät. Mit einem Seitensprung hoffte er aus dem Bereich des Reiters zu kommen, und seinen Revolver hebend, feuerte er rasch hintereinander drei Schüsse auf ihn ab – doch van Leuwens Pferd parierte vortrefflich; mit dem nächsten Satz flog er an ihm vorüber, und ein Säbelhieb, der tief in den Schädel eindrang, beendete die verbrecherische Laufbahn Geronimos, des Mestizen. Er taumelte und brach zusammen.

Oben am Weg knallte es jetzt ebenfalls – es waren die beiden Kavalleristen, die wahrscheinlich den Wachtposten abgefangen und ebenfalls kurzen Prozeß mit ihm gemacht hatten.

Kapitän Orsmond, der in der Straße halten geblieben war, um eine vielleicht nötige Bewegung seiner Leute zu leiten, oder selber da einzugreifen, wo seine Hilfe erfordert wurde, sah bald, daß er nicht weiter gebraucht werde. Der Überfall war vollkommen gelungen, und er ritt jetzt an die Diligence hinan, wo der Kutscher eben unter gräßlichen Flüchen seine Tiere, die sich verwickelt hatten, wieder in Ordnung zu bringen suchte.

Aber die Patrouille schien doch zu spät gekommen zu sein, um alles Unglück zu verhüten, denn in dem Wagen selber, sah er die Leute mit einem Herrn in französischer Uniform beschäftigt, der einen Schuß bekommen hatte und stark blutete.

Es war Solfinto, der Italiener. Dem Bericht der übrigen Passagiere nach, sollte er zuerst seinen Revolver auf die ansprengenden Räuber abgefeuert haben, und war dann von dem Mann mit der Larve geschossen worden. Der Bube hatte aber Bockschrote geladen gehabt, und ein alter, neben dem Italiener sitzender Herr einen derselben so unglücklich mitbekommen, daß er auf der Stelle tot blieb.

Mit dem Verwundeten war weiter nichts anzufangen. Er mußte jedenfalls nach dem nicht mehr so weit entfernten Cuernavaca hingefahren werden, wo er schon ärztliche Pflege bekommen konnte, da auch dort französisches Militär lag. Orsmond beorderte nun seinen Unteroffizier mit zwei Mann, um die Diligence bis Cuernavaca zu begleiten und sowohl Solfinto als den im Wagen befindlichen Geldtransport, wie dessen sichere Ablieferung zu überwachen, wenn Solfinto selber dazu nicht fähig sein sollte.

Die Soldaten waren indessen abgestiegen und brachten die Leichen zum Weg – es war nicht einer unter den Ladrones mehr, der einer weiteren Strafe hätte entgegenzusehen brauchen – und was damit machen?

»Nehmt eure Halfterstricke und hängt sie hier am Weg in die Bäume,« befahl Orsmond, »da können sich die Herren von der Straße nachher ein Beispiel daran nehmen. Kutscher, könnt Ihr den Leuten wohl ein wenig helfen?«

»Werde mich hüten, sie anzurühren,« -brummte der Kutscher in seinen Bart hinein – »komme die Straße hier zu oft und mag mit der Geschichte nichts zu tun haben.«

»Aber von denen verrät Euch keiner mehr.«

» Quien sabe,« knurrte der Mann mit einem Blick auf den Wagen. Er traute keinem Menschen mehr.

Van Leuwen kam jetzt an die Straße geritten und hielt neben Orsmond; aber er sah leichenblaß aus, und an seiner Schulter tröpfelte Blut nieder.

» Sapristi, Leuwen, Sie sind verwundet!« rief Orsmond erschreckt aus. »Mann, Sie können sich ja kaum noch im Sattel halten!«

»Ach was,« sagte der junge Offizier – »es wird schon gehen – ich muß nach Mexiko zurück –«

»Aber nicht zu Pferde!« rief Kapitän Orsmond, »Sie stürzen unterwegs.«

»Denke nicht daran,« lachte der belgische Hauptmann – »jedenfalls nur ein Streifschuß – es wird schon –« er kam nicht weiter. Sein Gesicht nahm eine aschgraue Färbung an, und zwei Soldaten, die zufällig neben ihm standen, konnten gerade noch zuspringen und ihn auffangen, sonst wäre er aus dem Sattel zu Boden gestürzt.

Es blieb jetzt nichts anderes übrig, als ihn ebenfalls zu dem Toten und Verwundeten in die Diligence zu setzen, und einer der Passagiere, der froh war, aus der unheimlichen Gesellschaft fortzukommen, kletterte dafür hinauf an das obere Deck. – Der Kutscher aber bekam strengen Befehl, langsam mit der Diligence nach Cuernavaca hinabzufahren, wenn er auch dort erst gegen Abend eintraf, und der Unteroffizier – denn diese Leute lassen sich nicht gern etwas sagen – mußte zu dem Zweck vorausreiten. Dann war alles geschehen, was sich für den Augenblick tun ließ, und die Patrouille kehrte, nur mit dem Verlust des einen Verwundeten, nach der Hauptstadt zurück, um dort Rapport abzustatten.

 

Ende des ersten Bandes.


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