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Ein schwarzer Schatten.

Maximilian hatte heute eine schwere, aber sehr notwendige Arbeit vollendet: die Reorganisation seines Heeres, das einer solchen unbedingt bedurfte. Der Kaiser fühlte, daß er sich, je mehr die Juaristen-Banden im Norden abnahmen und Staat nach Staat dem Kaiserreich unterworfen wurde, desto rascher und entschiedener nun auch von dem Schutz der französischen Bajonette freimachen mußte, denn Mexiko litt nicht allein darunter, sondern er wußte auch bestimmt, daß ihm noch viele mexikanische Herzen dadurch entfremdet blieben, die sicher und freudig zu ihm übertreten würden, sobald er sich auf die Nation allein stützen konnte.

Eine Nationalarmee mußte deshalb geschaffen werden, eine Armee, die allein unter seinem Oberbefehl stand, und in deren Bewegungen kein fremder Herrscher mehr ein Wort einzureden hatte. Er fing an sich als Kaiser zu fühlen, und er konnte sich dabei nicht verhehlen, daß Bazaine, ein so tüchtiger Feldherr und wackerer Soldat er sonst auch sein mochte, doch zu viel eigenen Ehrgeiz besaß, um dem Gefühl der Souveränität genügende Rechnung zu tragen. Maximilian aber wollte nicht mehr beim französischen Oberkommando anzufragen haben, ob ihm dies oder das genehm sei, nicht immer gezwungen sein, höfliche Briefe zu schreiben, wenn er eine Sache als nützlich und notwendig erkannt hatte.

Nach dem Vertrag Von Miramare war er Kaiser von Mexiko, nicht ein Vasall Frankreichs, und wo die ganze Verantwortlichkeit der Regierung schon jetzt auf seinen Schultern ruhte, wollte er auch das Heft und die Gewalt in Händen halten, um sich selber im Notfall zu schützen. Dadurch erst konnte er auch das Ausland und besonders Nordamerika zwingen, seine Regierung als eine volkstümliche anzuerkennen.

Eine Schwierigkeit stand ihm dabei allerdings entgegen, und zwar nicht die Reorganisation selber, denn mit den tüchtigsten Kräften, Bazaine an der Spitze der Kommission, war diese beraten, durchgearbeitet und für gut und tüchtig befunden worden. Ja, das Land selber hätte sie mit Jubel begrüßen müssen, da sie seine Lasten erleichterte und es seine eigenen Kräfte kennen und verwerten lehrte. Aber wie das in Mexiko so häufig geht, die Hauptschwierigkeit und Gefahr lag wieder allein in Persönlichkeiten – in persönlichen Interessen.

Was die eigentlichen Mexikaner, die ihre Landsleute genau kannten, schon lange vorausgesehen hatten, trat offen zutage, so wie daran gerüttelt wurde, und zwar jenes Wespennest der, man könnte fast sagen, »wilden« Generale und höheren Offiziere, die eben nur den traurigen Zuständen des Landes ihr Dasein verdankten und doch nicht beseitigt werden wollten, da jeder von sich behauptete, dem Staat schon die wichtigsten Dinge geleistet und dadurch auch vollen Anspruch auf eine ehrenvolle Versorgung zu haben.

Erstlich duldeten aber die mißlichen Finanzzustände Mexikos – die der Kaiser allerdings nicht geschaffen, sondern die er vorgefunden – eine solche Verschwendung, ja Verschleuderung der öffentlichen Gelder nicht, und dann durfte man nicht einmal wagen, der großen Mehrzahl dieser Generale ein Kommando, ja nur eine Kompagnie anzuvertrauen. Die verstanden nicht allein nichts vom Kriegsdienst, sondern waren auch so unzuverlässig wie möglich, da sie weder Ehre noch Scham kannten und bei passenden Gelegenheiten oder in Verlegenheit ohne weiteres zu dem Feind übergingen. Sie hatten ja ihr Leben lang nichts anderes getan, und schon zahllose Male solcherart die Fahne gewechselt.

Nichts wäre deshalb wünschenswerter gewesen, als den Staat von einer solchen Masse von Blutegeln zu befreien, nichts war aber auch zu gleicher Zeit gefährlicher, weil es eine Unzahl von Abenteurern wieder auf sich selber anwies – Abenteurern, die wenigstens nie gelernt hatten, sich ehrlich durch die Welt zu bringen, und deshalb nur bestimmt schienen, als eine Strafe des Landes ihr wertloses Leben zu fristen, in dem sie gerade geboren wurden.

Daß sich diese Menschen nicht gutwillig einem solchen Gesetz fügen würden, und wenn es zehnmal zum Heile des eigenen Vaterlandes gewesen wäre, ließ sich voraussehen. Sie dachten nur an sich und ihren eigenen Nutzen, und der Kaiser war auch schon von einigen wirklich gutgesinnten Mexikanern vor dem Erlaß desselben gewarnt worden – aber in dem Bewußtsein, die Juaristen jetzt so gut wie vernichtet zu haben, fühlte er sich sicher und stark. Wohin wollten die etwa Unzufriedenen, wenn ihnen der Aufenthalt in der Residenz nachher nicht mehr behagte? Sich etwa einer verzweifelten Sache, der des Expräsidenten, anschließen, der ihnen nichts auf der Welt bieten konnte als hohle und unmögliche Versprechungen – kaum den nötigen Lebensunterhalt? Das war ihre Art nicht, denn sie wollten in Rang und Reichtum schwelgen und eine Rolle in der Welt spielen, und fanden dazu doch immer noch mehr und eher Gelegenheit unter einem Kaiserreich, als bei einem verjagten Präsidenten in der Wildnis.

Keinesfalls war es möglich, ein tüchtiges und besonders verläßliches Heer aufzustellen, wenn man diese Elemente nicht allein dazwischen ließ, sondern sogar zu Führern desselben machte. Sie mußten eben ausgemerzt werden, und wenn es dann auch einzelne Unzufriedene gab, so konnte doch nicht das ganze Reich darunter leiden.

Der zweite, ebenfalls etwas kitzlige Punkt, obgleich er auch nur die Interessen einzelner, aber dafür meist einflußreicher Männer berührte, war: die Revision der Verkäufe verschiedener Kirchengüter, die schon unter Juarez stattgefunden, bei denen aber eine Menge von Mißbräuchen und Betrügereien vorgefallen sein sollten.

Der Kaiser handelte dabei – wie immer – von einem entschieden rechtlichen Standpunkte aus. Er hatte sich für die Gesetze der »toten Hand« ausgesprochen, aber er wollte sie auch in ehrlicher Weise, und nicht dem faulen südamerikanischen Bestechungssystem folgend, durchgeführt wissen. Die gesetzlich und ehrlich erfolgten Verkäufe wurden deshalb bestätigt, alle zweifelhaften oder erwiesenen falschen aber an den Staatsrat gewiesen, dessen Entscheidungen keine Berufung mehr zuließen.

Und dabei blieb er nicht stehen. Maximilian sah ein, daß dem mexikanischen Volk eine freie und wenigstens teilweise gebildete Arbeiterwelt fehlte, die der stets übermütigen Aristokratie später einmal ein Gegengewicht stellen konnte. Natürlich war die nicht gleich und unmittelbar zu schaffen, aber sie mußte angebahnt werden, wenn sie überhaupt je ins Leben treten sollte. Die Arbeiter in Mexiko sind aber die Indianer, und Maximilian verhehlte sich nicht, daß diese ihm ihr volles Vertrauen entgegentrugen, und dereinst einmal im besten Sinne seine Stütze werden konnten – deshalb mußten sie frei von Banden werden.

Er hob allerdings auf den Rat vieler, mit den Verhältnissen vollkommen vertrauter Männer, selbst Chimalpopocas, des Vorsitzenden im consejo de Indios – ihre bisherige Dienstschaft nicht ohne weiteres auf und gestattete einen Übergang in den neuen Stand der Dinge, aber er gab ihnen doch nicht allein die Hoffnung, nein, die Gewißheit, daß sie von jetzt ab einer besseren Zukunft entgegengingen und ihre Kinder stolz das Haupt würden heben können als freie Menschen. Und niemandem tat er dabei unrecht, denn obgleich er alle die Verpflichtungen löste, die diese Arbeiter noch an ihre »Gläubiger« banden, so kränkte er dabei unter Tausenden nicht einen, denn fast in allen Fällen hatten diese unglücklichen und bis jetzt selbst von ihrem Landsmann Juarez unter die Füße getretenen Menschen schon drei- und vierfach das abgearbeitet, was sie ihren bisherigen » Herren« schuldeten. So machte er denn nur dem rücksichtslosen Mißbrauch der Aristokraten dadurch sin Ende.

Aber auch hier verfeindete er sich mit einem Teil der besitzenden Klassen, der eben nun einmal gewohnt gewesen war, die Indianer als seine Sklaven zu betrachten.

Sie mochten in einer Hinsicht recht haben, wenn sie behaupteten, daß den Kaiser eine »überspannte Romantik«, historische Erinnerungen an Montezuma und die Mißhandlungen, welche die Indianer damals erfahren, zu dem Schritt getrieben. Es mag sein, daß gerade jene »historischen Erinnerungen« den Kaiser mit geleitet hatten, diese arme, mißhandelte Menschenklasse zu schützen und ihnen wenigstens für die Zukunft einen Teil der ihnen zustehenden Rechte zu sichern. Der Hauptantrieb zu dem Gesetz lag aber doch immer nur allein in seinem eigenen Rechtlichkeitsgefühl, lag nur in dem Wunsch, dem Volk, dem er sein ganzes Leben geweiht, gerecht zu werden.

Seine Räte hatten ihn eben verlassen, und mit untergeschlagenen Armen, die Stirn in Falten gezogen, und doch einen glücklichen, zufriedenen Ausdruck in den Zügen, schritt der Kaiser in dem Gemach auf und ab, das allerdings im Palast von Mexiko lag, aber sonst freilich nicht viel Palastähnliches an sich trug. Es war ein weites, ödes Zimmer, mit Teppichen allerdings belegt und einigen guten Möbeln ausgestattet, mit hohen Fenstern auch, und Raum genug, aber im Verhältnis viel zu niedrig und gedrückt. – Auch die Wände sahen öde aus – nur einzelne Bilder waren darin aufgehangen, und selbst die Gardinen dürftig an den Fenstern. Es schien fast, als ob man dem Kaiser auf seiner Durchreise durch Mexiko nur eben ein einigermaßen passendes Gemach eingeräumt hätte, um ihn für den Augenblick unterzubringen.

Maximilian war in mancher Hinsicht in der Tat eine etwas romantische und poetische Natur, und diese mochte ihm auch vielleicht über manche kleine Unbequemlichkeiten hinweghelfen, im ganzen hatte seine Selbstverleugnung aber doch einen edleren Grund und entsprang wirklich aus dem inneren Gefühl, daß er nichts Großes leisten könne, wenn er nicht auf Kleines und Kleinigkeiten verzichte. Gerade deshalb ertrug er auch auf seinen verschiedenen Reisen und später im Feld und Lager mit so liebenswürdiger Gutmütigkeit all die kleinen und oft in der Tat sehr großen Unbequemlichkeiten, die ihm aufgedrungen wurden – er klagte nie und machte sich sogar oft über seine – nur unter dem Nämlichen leidende – unzufriedene Umgebung lustig.

Jetzt dachte er wahrlich nicht an die Einfachheit seines Gemaches, denn andere, wichtigere Dinge gingen ihm durch den Sinn, und immer rascher, immer lebendiger schritt er quer durch das Zimmer hin und her.

Ein Diener trat ein und meldete, daß ein Fremder – ein Deutscher, der wie ein Geistlicher aussähe, Majestät ersuchen lasse, sich vorstellen zu dürfen.

»Ein Geistlicher?« rief Maximilian etwas erstaunt – »sein Name?«

»Augustin Fischer.«

»Fischer, Fischer – ah, ganz recht, ich erinnere mich jetzt – er soll heraufkommen –« und während der Diener wieder durch die Tür verschwand, setzte der Monarch seinen unruhigen Spaziergang fort.

Und Mexiko tauchte vor seinem inneren Geist auf, wie er es dachte, wie er es sich in früheren Träumen oft und oft schon aufgebaut – die grünen Triften von weiten, wohlgepflegten Hazienden überstreut, die breiten, gutgehaltenen Wege von friedlichen Wanderern oder schwerbepacktem Fuhrwerk belebt. Mühlen, Fabriken, überall Schienenwege und Telegraphen durch das ganze Land, und Indianer, wohin der Blick fiel, in ihren kleinen, freundlichen Hütten, mit blumengeschmückten Gärten ringsumher, mit munteren Kinderscharen an den Ufern der Seen oder der Binnenflüsse – das ganze Land ein fruchtbares Paradies mit Gottes Sonne voll und klar und rein.

Ein Schatten glitt durch das Bild, aber so riesengroß und deutlich, daß er wirklich erschreckt den Blick hob und vor sich hinstarrte, – aber der Schatten gewann Form – er gehörte nicht zu seinen Traumgebilden und – hatte nichts damit zu tun – Maximilian brauchte trotzdem Momente, bis er sich klar der Gestalt bewußt war und jetzt einen großen, stattlichen Mann erkannte, der, in einem langen, schwarzen Rock, mit einem glatten, vollen Gesicht, aber demütig niedergeschlagenen Augen, die Hände halb ehrfurchtsvoll, halb bittend auf der Brust gefaltet, vor ihm stand und so schüchtern schien, daß er nicht einmal die Anrede wagte.

Jetzt erinnerte sich der Kaiser, wer bei ihm angemeldet worden, und mit seiner angeborenen Gutmütigkeit, als ob er wünsche, den eigentlich etwas schroffen Empfang wieder gutzumachen, sagte er freundlich:

»Ah – Padre Fischer – wie? Hatten Sie sich nicht bei mir anmelden lassen?«

»Eurer Majestät zu dienen, ja –« sagte der Padre mit leiser Stimme, ohne auch nur im mindesten seine Stellung zu verändern. »Es war mir Kunde geworden, daß Euer Majestät so gnädig sein wollten, mich anzunehmen.«

»Die Kaiserin hat mir von Ihnen gesprochen – ja –« sagte Maximilian, »wie mir gesagt wurde, kennen Sie das Land hier genau und sind mit den Verhältnissen ebenso vertraut. Ist dem so?«

»Lange Jahre sind es, Majestät,« erwiderte der Padre, »in denen ich mir einen Weg hier durch Mexiko erkämpfte, ohne freilich etwas Ordentliches zu erreichen, denn meine Ansichten waren nicht derart, daß sie den hohen Klerus für mich gewannen, wenn derselbe auch an meinem sittlichen Wandel und Christentum nichts aussetzen konnte. Majestät selber sind aber noch zu kurze Zeit in Mexiko, um schon völlig begreifen zu können, welchen Einfluß – ja welche Macht der Klerus hier in Händen hält und ausübt, und dagegen konnte ein armer Landpfarrer, denn natürlich nicht ankämpfen – außer, er hätte müssen, wie Hidalgo und Morelos, die Waffen aufgreifen und das Land mit Blut tränken wollen.«

»Sie stimmen also mit der mexikanischen Geistlichkeit nicht ganz überein?«

»Es mag meine Schuld sein, Majestät,« sagte der Padre demütig – »ich will niemanden anklagen.«

Der Kaiser warf einen raschen, fast mißtrauischen Blick auf ihn, in dem Moment aber hob auch der Padre seine Augen zu ihm empor und sah ihn dabei so fest und ruhig an, daß Maximilian befriedigt vor sich hinnickte und freundlicher sagte:

»Ich glaube, daß mit den Kirchenfürsten, wie sich diese »Diener des Herrn« nennen, manchmal nicht gut auszukommen ist, und habe das selber schon durch einige Beispiele erprobt. Setzen wir uns – wo waren Sie zuletzt?«

»In Parras, Majestät.«

»Und Sie sind augenblicklich ohne direkte Anstellung?«

»Augenblicklich ja, doch habe ich Hoffnung, in einem der neu eroberten Distrikte anzukommen, oder ich gehe auch vielleicht nach Yucatan, für das ich stets eine Vorliebe hatte, und doch nie dazu kommen konnte, es zu besuchen.«

»Hm,« sagte Maximilian – »ich selber hatte die Absicht, in diesem Sommer Yucatan zu bereisen, die Arbeiten haben sich aber so gehäuft, daß ich schwerlich meinen Wunsch zur Ausführung bringen werde, wenigstens nicht in diesem Jahr. Sie wissen, in welchem Konflikt wir augenblicklich mit Rom stehen, und wie verderblich das auf den inneren Frieden des Landes wirkt?«

»Ich weiß es, Majestät, und bedaure es recht aus tiefstem Herzen.«

»Und halten Sie einen Ausgleich für möglich?«

»Ja,« sagte der Padre nach kurzer Pause.

»Aber meine Gesandtschaft soll nicht besonders freundlich dort aufgenommen sein – Ramirez wenigstens nicht. Der Papst hat ihn hart angelassen und sein Bedauern ausgesprochen, daß er sich unter der Kommission befände. – Das sieht allerdings nicht so aus, als ob eine baldige Lösung der gewiß schwierigen Frage bevorstände.«

Der Padre schwieg und sah wohl eine halbe Minute still vor sich nieder, dann sagte er leise:

»Wollen mir Majestät gestatten, Ihnen frei und offen meine Meinung darüber auszusprechen?«

»Ich bitte Sie darum.«

»Ich muß dabei aber befürworten, daß ich das nicht vom Standpunkt der hohen Politik kann,« sagte der Padre bescheiden, – »es ist nur die Meinung eines einfach schlichten Priesters, die auch nur vielleicht das für sich hat, daß ihr die Erfahrung einer sehr langen Reihe von Jahren und die genaue Kenntnis des hiesigen Priesterstandes zur Seite steht.«

»Und das gerade ist es, was wir brauchen,« nickte der Kaiser, »noch dazu, da Sie kein persönliches Interesse bei der Sache haben können.«

»Ich stehe ihr zu fern,« lautete die Antwort. »Um also kurz zur Sache zu kommen, so dürfen sich Majestät über den Empfang der Deputation in Rom nicht wundern, denn Monsennor Labastida – außerdem ein sehr gescheiter und sehr frommer Herr – hat jedenfalls die Zeit nicht ungenützt verstreichen lassen, um seine Maßregeln zu ergreifen und vorher so auf den heiligen Vater einzuwirken, daß ihn später selber kein Vorwurf treffen konnte, als ob er hier im Lande zu weit gegangen wäre.«

»Sie glauben, daß er voraus Depeschen nach Rom gesandt hat, um uns dort entgegenzuwirken?«

»Ich weiß es bestimmt – und außerdem konnte gerade Bischof Ramirez, der hier selber gegen die Fueros der Kirche aufgetreten war, keine angenehme Persönlichkeit in Rom sein, mit der man hätte unterhandeln mögen.«

»Sie können recht haben« sagte der Kaiser nachdenkend, »und wir hätten uns das früher überlegen sollen. Aber glauben Sie, daß der Papst überhaupt auf Unterhandlungen eingehen würde?«

»Ich zweifle kaum daran,« sagte der Padre; »denn was stünde der mexikanischen Kirche bevor, wenn Majestät Ihre Mission aufgäben und Juarez wieder mit seinen Horden und rücksichtslosen Gesetzen den Oberbefehl im Reiche gewänne?«

»Ich habe auch Ramirez abberufen, und unser Staatsminister Velasquez de Leon soll die Unterhandlungen weiterführen.«

Der Padre neigte langsam das Haupt. – »Das ist, wie ich fest überzeugt bin, ein braver und ehrlicher Mann, wenn er nur den kirchlichen Spitzfindigkeiten gewachsen ist, die leider hier in Mexiko an der Tagesordnung sind, und auch in Rom nicht fehlen werden.«

»Sie glauben, daß ihm ein gewandter Geistlicher fehlen wird,« sagte der Kaiser und sah den Padre wieder scharf an.

»Ich weiß es nicht, Majestät,« erwiderte dieser ausweichend – »es ist auch möglich, daß Velasquez de Leon mit seinem einfach gesunden Menschenverstand und mit seiner Teilnahme für sein Vaterland mehr ausrichtet, als wenn ihm ein wohldurchdachter Plan zugrunde gelegt würde. Nur das Auffetzen eines Konkordats würde in dem Fall dem heiligen Vater allein überlassen bleiben und jedenfalls erst zur Prüfung und Genehmigung nach Mexiko geschickt werden müssen.«

»Und darüber vergeht wieder Zeit und Zeit!« rief der Kaiser ungeduldig, »und die Mexikaner haben wirklich gar keinen Begriff von deren Wert, selbst Leon nicht.«

Padre Fischer schwieg, erhob sich aber, denn der Kaiser war ebenfalls aufgestanden, und ging mit raschen Schritten in dem Gemach auf und ab. Plötzlich blieb er wieder vor dem Geistlichen stehen und sagte, das frühere Gespräch ganz fallen lassend:

»Sprechen Sie englisch?«

»Vollkommen, Majestät. – Ich war lange in den Vereinigten Staaten.«

»Und schreiben es auch?«

»Wie meine Muttersprache.«

»Und französisch?«

»Ich verstehe es und kann mich darin ausdrücken.«

»Sie haben jetzt keine bestimmte Beschäftigung?«

»Nein, Majestät – aber wie gesagt, ich hoffe sie sehr bald wieder zu bekommen.«

»Gut – das müssen Sie dann also doch abwarten. Ich bin gezwungen, morgen früh auf etwa vierzehn Tage nach Cuernavaca zu gehen – spätestens in der Frist kehre ich zurück. Bleiben Sie indessen in Mexiko – ich werde Auftrag geben, daß für Sie gesorgt wird – melden Sie sich bei meinem Hofmarschall. In vierzehn Tagen sprechen wir dann weiter – ich muß mir noch manches überlegen, und es wäre sogar möglich, daß ich eine Beschäftigung für Sie fände, doch kann ich Ihnen noch keine bestimmte Zusage darüber machen.«

»Majestät sind so gnädig.«

»Ich kenne auch Ihr Glaubensbekenntnis noch gar nicht,« lächelte der Kaiser, »aber Sie gefallen mir, und das weitere besprechen wir demnächst – heute bin ich zu sehr durch andere Geschäfte in Anspruch genommen, und – muß mir die Sache auch erst ein wenig im Kopf durcharbeiten. Also über vierzehn Tage.«

Der Padre erwiderte nichts weiter – er machte nur eine tiefe, ehrfurchtsvolle Verbeugung und verließ dann, wieder die Hände auf der Brust zusammengelegt, das Gemach. Niemand hätte ihm auch, als er aus dem Palais schritt, in dem Ausdruck seiner Züge gesehen, was in seinem Innern vorging. Ernst und mit niedergeschlagenen Augen verfolgte er seinen Weg, bis er weiter oben in eine der Nebenstraßen einbog.

*

In der Calle Jesus, in dem weiten Hofraum, an die Tür ihres einsamen und öden Gemachs gelehnt, den Rebozo um sich hergeschlagen, stand die schlanke Gestalt Mercedes' aber das heiterere Lächeln war aus ihrem Antlitz gewichen – sie sah bleich und verstört aus, und an den langen, dunklen Wimpern hingen ein paar große, hellfunkelnde Tränentropfen – aber sie sprach kein Wort; ihre Nachbarn, die mit ihr noch den Hof bewohnten und mehrere Male an ihr vorübergingen, redeten sie an; sie antwortete ihnen nicht, und nur endlich, als der Abend schon dämmerte, schien es ihr selbst hier drinnen im Hofe keine Ruhe zu lassen. Sie schritt hinaus, durch den schmalen Gang des Hauses, bis zu der großen Tür, und dort, die Straße auf und ab sehend, als ob sie jemanden erwarte, und nicht wisse, von welcher Richtung er kommen könne, hielt sie wieder an und nahm dort die nämliche Stellung ein. –

Ein großer, breitschultriger Mann in einem langen Rock ging vorüber, sah sie dort und wandte ihr den Kopf zu – sie achtete nicht darauf – wie er aber einige Schritte die Straße hinauf getan hatte, drehte er wieder um, kam zurück und blieb neben ihr stehen.

»Erwartest du jemanden, mein Kind?« fragte er freundlich.

»Und wenn ich's täte, kümmert es Euch?« sagte die junge Schöne trotzig, indem sie aber doch den Rebozo fester um sich her zog.

»Du bist ja sehr kurz angebunden,« lächelte der Sennor und streckte langsam den Arm aus, als ob er ihre Schulter berühren wollte, zog ihn aber rasch wieder zurück, denn wie der Blitz hatte sie den Rebozo zurückgeworfen, und ein kleines Messer zuckte in ihrer Hand.

»Rührt mich an!« rief sie dabei, »und ich renne Euch den Stahl bis ans Heft in den Arm.«

»Caramba,« rief der Mann, indem er lachend zurückfuhr – »du bist ja ein wahrer kleiner Teufel!« und wieder umdrehend, verfolgte er den vorher eingeschlagenen Weg. Jetzt aber trabte ein Reiter die Straße herab – in der Abendstille und dem fast menschenleeren Teil der Stadt konnte sie deutlich die klappernden Hufe des Tieres schon auf weite Entfernung hören. – Und näher und näher kam das Geräusch – schon konnte sie erkennen, daß es ein Reiter auf einem dunklen Pferde war. – Jetzt hatte er die nächste Ecke erreicht, und wenige Momente später zügelte er vor ihr sein Tier ein.

»Mercedes! Bist du das, Mädchen? Und was machst du hier draußen?«

»Ich wartete auf dich

»Auf mich?« rief der Reiter erstaunt, indem er aus dem Sattel sprang, sein Pferd am Zügel nahm und zu ihr trat – »aber wie konntest du nur wissen, daß ich heute gerade in die Stadt kam?«

»Ich kann dir nicht sagen, Geronimo, woher ich es wußte,« erwiderte das Mädchen leise, indem es seine Liebkosung duldete, ohne sie zu erwidern – »aber eine unsagbare Angst hat mich heut' den ganzen Tag umhergetrieben – wie ein dunkler Schatten lag es auf mir und füllte mir das ganze Herz, und ich fand keine Ruhe. Ich ging in die Messe, umsonst, überall verfolgt es mich, und ich wußte, du mußtest kommen, denn diese Angst hätte ich so nicht länger ertragen können.«

»Aber welche Angst, Querida,« sagte Geronimo lachend, indem er, seinen rechten Arm um ihre Taille legend, an der Linken das Pferd führte und so mit ihr in den Eingang des Hauses hineintrat – »was kann dich denn nur gequält haben? Komm mit hinein, Schatz, wir wollen doch nicht hier draußen stehen bleiben – ich habe dann auch eine Bitte an dich, die du mir erfüllen mußt, bringe dir aber auch dafür wieder etwas mit.«

»Diamanten?« rief das junge Mädchen, indem es sich, mit einem halben Aufschrei und erschreckt, von ihm losmachte.

»Und darüber erschrickst du?« lachte Geronimo – »aber nicht so laut, Schatz, denn es brauchen's nicht gerade alle Leute zu wissen, daß ich mein kleines Bräutchen hübsch herauszuputzen suche.«

»Um was wolltest du mich bitten, Geronimo?«

»Erst sage mir, was dich geängstigt hat, denn mir bleibt außerdem heute abend nicht viel Zeit, da ich mein müdes Pferd unterbringen muß.«

Während er mit ihr sprach, hatte er sein Tier an einem der im Hofe an verschiedenen Stellen angebrachten Ringe befestigt, und schritt mit dem Mädchen, das sich jetzt nicht weigerte, ihm zu folgen, in das Zimmer hinüber. Dort entzündete Mercedes vor allen Dingen ein Licht, während Geronimo seinen linken, etwas locker gewordenen Sporn fester schnallte.

»Nun, Schatz, was war es? Heraus mit der Sprache!« lachte er jetzt, während er sie wieder umfaßte und zu sich zog – »was hast du? – Was hat dich gequält?«

»Hast du die Zettel gelesen, die heute in den Straßen angeklebt waren?« fragte Mercedes und sah dabei dem Mann fest in die Augen.

»Zettel? – Was für Zettel, Querida?« rief aber Geronimo, aufmerksam werdend – »ich war heute den ganzen Tag nicht in der Stadt, konnte sie also auch nicht lesen – was stand denn darauf? Wahrscheinlich wieder irgendeine kaiserliche Proklamation, denn die kleben sie ja jetzt an den Ecken eine über die andere, und man achtet schon nicht einmal mehr darauf, wenn man selbst vorübergeht.«

»Nein,« sagte Mercedes, aber ohne den Blick von ihn: zu nehmen – »der Kaiser hatte nichts damit zu tun – ein Sennor in der Stadt, ein reicher Mann, der in einem großen Hause an der Plaza wohnt, hat sie ankleben lassen.«

»Und weshalb, Schatz?«

»Er ist vor drei Tagen von Puebla gekommen, und gar nicht weit von hier, wo der Weg aus dem Tal heraufsteigt, mit der ganzen Diligencia von Räubern angefallen worden.«

»Und das macht der alte Esel auch noch bekannt?« lachte Geronimo, »das passiert ja doch jetzt fast jede Woche wenigstens einmal. Das Geld hätte er jedenfalls ersparen können, denn in den Zeitungen steht es gewiß schon außerdem.«

» Das macht er nicht bekannt,« sagte Mercedes leise, »aber was ihm dabei gestohlen ist, besonders seiner Frau an Brillanten – und einzelne Stücke beschreibt er auf das genaueste, um Käufer zu warnen und sie zu bitten, alle solche, die ihnen jene Sachen zum Verkauf anbieten sollten, verhaften lassen.«

»Tut er das in der Tat? Wird ihm aber wohl wenig helfen. Nun und weiter?«

»Und unter den Sachen,« fuhr Mercedes fast flüsternd fort, indem sie sich zu Geronimos Ohr niederbog, »befindet sich auch ein Paar Ohrringe mit sieben großen Diamanten und einer kleinen Perle in der Mitte.« – Ihr Blick haftete dabei fest und forschend auf den Zügen des Geliebten, Geronimo aber, wie er ihr lächelnd zugehört hatte, antwortete auch jetzt: »Nun – und weiter?«

»Sieben große Diamanten und eine Perle in der Mitte,« wiederholte Mercedes, jetzt selber irre gemacht – »und waren denn das nicht die nämlichen Ohrringe, die du mir geschenkt?«

»Alle Teufel,« fuhr Geronimo plötzlich überrascht empor – »haben die gerade sieben Diamanten mit einer Perle?«

»Und das weißt du nicht, Geronimo?« rief Mercedes erschreckt aus – »hast du sie denn nicht, wie du mir gesagt, für das Geld gekauft, das du in der Guadelupe-Lotterie gewonnen?«

»Natürlich hab' ich, Schatz,« lachte der junge Mann, aber doch jetzt nicht mehr so ganz frei vom Herzen weg als vorher, »natürlich hab' ich, woher hätte ich sonst das viele Geld und noch mehr außerdem, denn nächsten Monat, Kind, ziehen wir fort von hier, lassen uns erst hier trauen und gehen dann nach Queretaro, wo deine Schwester wohnt, kaufen uns dort in der Nachbarschaft eine kleine Hazienda, und beginnen dann ein neues, glückliches Leben.«

»Aber diese Ohrringe, Geronimo,« sagte das Mädchen, das auf die letzten Worte gar nicht zu horchen schien, »sind bei dem neulichen Raubanfall der Diligencia, bei der auch vier Menschen ermordet wurden, gestohlen worden – die nämlichen Ohrringe, wie sie der angeklebte Zettel beschreibt.«

»Ja, mein Herz,« sagte Geronimo, mit den Achseln zuckend, » unmöglich wäre das nicht, denn die Burschen, die dabei waren, haben sie jedenfalls wieder verkauft. Unter dem Preis habe ich sie auch bekommen, so viel ist sicher, denn billig genug kamen sie mir gleich vor, wenn ich auch von solchen Dingen nicht viel verstehe.«

Mercedes betrachtete ihn mit scheuen Blicken – eine Frage lag ihr auf den Lippen, aber sie wagte nicht sie an ihn zu richten, und er selber drängte rasch das Gespräch nach einer anderen Richtung hinüber.

»Komm, Schatz,« sagte er, »mach wieder ein freundliches Gesicht und sieh nicht gar so traurig aus – in acht Tagen schon vielleicht ist unsere lange Wartezeit vorüber, dann führe ich dich stolz als meine Sennora mit einem seidenen Rebozo und einem langen Kleid, das wohl eine halbe Vara hinten nachschleifen muß, hinaus nach Queretaro, und wie die Leute dann über mein hübsches Frauchen staunen sollen!«

»Und wenn ich die Ohrringe. jetzt trage,« sagte Mercedes, die nur dem einen Gedanken folgte, leise – »und ich werde aufgegriffen – von wem soll ich sagen, daß ich sie bekommen habe?«

»Hm,« meinte Geronimo, dem an der Wendung nicht viel gelegen schien – »ich würde dir raten, sie jetzt lieber gar nicht zu tragen, sondern in deinem Koffer zu lassen, bis wir in Queretaro sind. Du hast ja anderen Schmuck genug und – brauchst überhaupt gar keinen, Schatz, denn du siehst auch ohne den hübsch genug aus.«

»Und willst du ihn nicht den Leuten zurückbringen, denen er gehört? – denen er auf nichtswürdige Art gestohlen ist?« fragte das Mädchen, ohne den Blick von ihm zu wenden.

»Mein liebes Herz,« sagte Geronimo ruhig, »das wäre freilich das Einfachste und allerdings ehrlich, aber außerdem einmal dumm, denn wer bezahlt mir nachher das Geld zurück, was ich dafür gegeben, und dann auch noch gefährlich.«

»Gefährlich? Wieso?« fragte Mercedes rasch.

»Die Franzosen haben jetzt hier das Heft in Händen,« sagte Geronimo, »und handhaben dabei die Gesetze, wie es ihnen beliebt. Wer steht mir denn dafür, daß sie mich nicht selber als verdächtig aufgreifen, und wie will ich ihnen beweisen, daß ich den Schmuck gekauft habe, denn ich kenne den Menschen gar nicht, von dem ich ihn erhandelt, und weiß noch weniger, wo er sich aufhält.«

»So nimm ihn wieder mit, Geronimo,« bat das Mädchen mit zitternder Stimme, »es klebt Blut daran, und ich könnte ihn in meinem Leben nicht tragen.«

»Blut, Mercedes?«

»Eine Frau wurde mit in der Diligencia getötet; die Räuber schossen in den Wagen hinein – es war vielleicht dieselbe, der dieser Schmuck gehörte, und daher auch die Angst, die mich die ganzen Tage gequält, als ob irgend ein unheimliches Wesen an meiner Seite stände. Der Geist jener Frau hat mich verfolgt, die ihr Eigentum von mir zurückforderte – o, nimm den Schmuck wieder mit dir, Geronimo, ich bitte dich darum, oder ich trage ihn in der Nacht hinaus und werfe ihn in den See.«

»Törichtes Kind, die Diamanten sind Tausende wert.«

»Und wenn es Millionen wären, Geronimo – um so viel schwerer lasten sie auf meiner Seele – bitte, nimm sie wieder mit dir; ich kann und will sie nicht behalten,« und dabei reichte sie ihm den in ein Läppchen Zeug geschlagenen Schmuck.

»Sonderbares Kind, du,« lachte Geronimo, aber das Lachen kam nicht recht aus seinem Herzen, »wenn du es nicht anders haben willst, aber dann muß ich freilich sehen, wie ich dich dafür entschädige –« und er nahm aus der Tasche ein großes amerikanisches Zwanzig-Dollar-Goldstück, durch welches oben ein feines Loch gebohrt war – »so – das trag um den Hals, Mercedes, und nicht viele deiner Freundinnen werden es dir nachtun können.«

»Wo hast du nur das viele Gold her, Geronimo?« sagte ängstlich das Mädchen; »früher sorgtest du immer und warst so fleißig, um nur das Notwendigste zu verdienen, und ich hatte dich so lieb, und jetzt bist du auf einmal reich geworden, aber arbeitest nicht mehr, und ich –«

»Du hast mich nicht mehr lieb, Mercedes?«

»Gewiß – gewiß von ganzer Seele, aber – ich weiß es nicht – ich wollte lieber, du säßest noch immer bei deiner Arbeit, und wenn du noch so wenig verdientest – nur ehrlich, Geronimo – nur ehrlich –«

»Und glaubst du, daß dies Geld nicht ehrlich verdient wäre, Mercedes?« rief aber der Mestize – »ist das nicht ehrlich, wenn ich mein Los nehme und bezahle, und es gewinnt, und ich bekomme so viel dafür heraus?«

»Ja – das ist ehrlich,« nickte das Mädchen – »wenn auch nicht verdient, doch gewonnen, und alle tun es – selbst die Geistlichen, aber –«

»Aber – Schatz?«

»Hast du alles gewonnen?«

»Alles, und noch mehr als das – ich habe zweimal einen Haupttreffer gemacht und viel Glück gehabt – aber das gehört ja nun auch alles mit dein, Schatz, und in acht Tagen führe ich mein kleines Bräutchen zum Altar, und dann fort von hier in die Berge.«

»Ja,« sagte Mercedes nach einer kurzen Pause, »laß uns hier fortziehen, fort, weit fort von hier – Mexiko selber ist ein böser Platz und mir immer zumute, als ob ich die Luft hier nicht mehr atmen könne. Doch du sprachst vorher von einer Bitte, die du an mich hättest. Was war es, Geronimo?«

»Ja gewiß,« sagte der Mestize rasch, indem er in die Tasche griff und einen kleinen Brief herausholte – »willst du mir einen Gefallen tun, Mercedes?«

»Gewiß will ich – du weißt, daß ich alles tue, was ich für dich tun kann

»Gut – mir liegt sehr viel, ja alles daran, daß dieser kleine Brief in die rechten Hände kommt, und ich weiß nur eine Art, auf welche das geschehen kann – eben durch dich.«

»An wen ist er? Er hat keine Adresse.«

»Du erinnerst dich des jungen Caballero, den du einst hier trafst?«

»Don Mauricio Lucido?«

»Derselbe. Ich habe ihn heute abend schon in seiner Wohnung und dann überall ausgesucht, wo ich ihn möglicherweise zu finden hoffte – er war nicht da, und er muß diese Zeilen noch erhalten.«

»Und wie soll ich ihn finden?«

»Ich habe bestimmt erfahren, daß er heute abend zu einer Tertulia zu Sennor Rodriguez geladen ist und versprochen hat, hinzukommen. Weißt du, wo Rodriguez wohnt?«

»Gewiß; ich kenne das Haus.«

»Gut; nimm den Brief, Mercedes, stelle dich dort unten an die Tür, du mußt dich in deinen Rebozo einhüllen, und niemand wird dich erkennen oder dich dort belästigen, und warte, bis Mauricio kommt. Dann gib ihm die Zeilen – aber nur in seine eigenen Hände, versprich mir das. Wenn er nicht kommen sollte, was ich aber nicht glaube, so bringst du mir den Brief hierher zurück.«

»Und ist er so wichtig?«

»Allerdings, denn er betrifft wichtige politische Verhältnisse – einen Verrat, der dem Kaiserreiche droht. Du schwärmst ja für die Kaiserin und magst demnach beurteilen, daß dabei viel von deiner Klugheit abhängt!«

»Und wenn ich lange warten muß und die Diener mich fragen, was ich da zu tun habe?«

»Auch daran hab' ich gedacht, Mercedes,« sagte der Mestize – »hier, Kind, hast du ein paar Dutzend Guadelupe -Lose – vielleicht gewinnen wir noch einmal darauf – wenn dich jemand scharf ansieht, halte ihm die Lose entgegen – überall in der Stadt stehen ja Verkäuferinnen damit, und das fällt nicht auf. Wer deren kaufen will, dem verkaufst du, bis Mauricio kommt. Kann ich mich auf dich verlassen, Mercedes? Mir liegt sehr viel daran, daß ihn der Brief heute abend noch erreicht.«

»Was hat der Sennor mit dir zu tun, Geronimo?« sagte Mercedes finster, während sie aber den Brief nahm.

»Wir sind von langer Zeit her befreundet, Herz, und er ist ein braver junger Mann.

»Ich traue ihm nicht.«

»Du tust ihm unrecht – und wirst du es mir besorgen? Aber du darfst nicht säumen, denn um acht Uhr schon kommen die Gäste, und es wird nicht viel an der Zeit fehlen.«

»Du kannst dich auf mich verlassen. Wenn es für die Kaiserin ist, gehe ich gern, und müßte ich die ganze Nacht an der Schwelle stehen. Wohin willst du jetzt?«

»Mein Pferd unterbringen – ich komme später noch her, um mir Antwort zu holen, bis dahin Adios, Mercedes.«

Das Mädchen reichte ihm die Lippen zum Kuß, dann sich wieder in ihren Rebozo einhüllend, schloß sie ihre Tür, blieb in der Straße stehen, bis Geronimo sein Pferd bestiegen hatte und davonsprengte, und verfolgte dann einsam und allein ihren Weg, um den ihr gegebenen Auftrag zu erfüllen.


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