Adolf Gelber
Negermärchen
Adolf Gelber

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Warum die Affen keine Häuser bauen

Es regnete, und der Affe wunderte sich, weil er noch nie regnen gesehen hatte. »Was ist das,« sagte er, »das Wasser ist doch unten, und wenn ich baden will, muß ich hineinspringen. Jetzt aber ist das Wasser oben, und ich brauche gar nicht hinaufzuspringen, sondern werde auch ohnedies naß?«

Dann sagte er weiter: »Wenn ich baden will, ist es ganz angenehm, wenn ich in das Wasser hineingehe; jetzt aber ist es unangenehm. Was tue ich nur, da das Wasser immerfort kommt?«

Er lief von einem Baum zum andern, um sich unter seinen Zweigen vor dem Naß zu verstecken, aber es regnete durch die Blätter durch und immerfort war er naß.

Nachdem es zu regnen aufgehört hatte, ging er spazieren und begegnete einer Schildkröte. Aber er dachte so stark nach, daß er sie gar nicht sah. Da sagte sie:

»Guten Morgen, Affe.«

»Guten Morgen, Schildkröte,« antwortete er, und sie fragte:

»Mir scheint, du hast jetzt über etwas nachgedacht? Was war es?«

»Ein Wunder war's,« sagte er, »auf einmal ist das Wasser von oben gekommen, während es doch sonst unten ist, und ich brauchte gar nicht hinaufzuspringen, sondern so wie ich stand, wurde ich naß.«

Sie sprach: »Das war der Regen,« und als er nicht wußte, was das sei der Regen, erklärte sie es ihm, daß das Wasser zuweilen auch von oben herabkommt und durch die Blätter geht und wenn es lange geregnet hat, hört es wieder auf.

»Du weißt aber auch alles,« sagte der Affe »und bist wirklich das klügste aller Tiere. Sprich, woher weißt du denn das?«

»Weil ich alt bin,« sagte sie.

»Wie alt denn?«

»Das weiß ich nicht genau. In einigen Tagen ist mein Geburtstag, und ich glaube, ich werde da schon vielleicht zweihundert Jahre alt.«

»Hui,« macht der Affe, »das ist viel.«

»Ja,« sagte sie, »wir sind langlebig, und dann bin ich von einem alten Geschlechte. Ihr seid jünger und darum ist euch manches, was wir wissen, unbekannt.«

»Sprich,« sagte der Affe, »da du solange lebst, hast du vielleicht auch von einem Mittel gehört, wie man sich dagegen schützt wenn es regnet. Das Baden, wo ich in das Wasser unten hineingehe, war mir immer recht, und ich konnte, wenn ich genug hatte, wieder heraussteigen. Aber so im Freien sein müssen, wenn das von oben gar nicht aufhört, ist zu viel. Bei Tag bin ich naß, nachts bin ich naß und kann nicht schlafen, und wenn ich auf die Bäume hinaufklettere, läuft's mir durch die Blätter nach und verfolgt mich; und ich glaube, ich huste auch schon davon.«

»Ja,« sagte die Schildkröte, »da hilft nichts, sondern du mußt dir ein Haus bauen, so wie es andere schon getan haben.«

»So,« sagte er, »ein Haus . . . Aber was ist denn das, ein Haus?«

Da belehrte sie ihn, daß der Vogel ein Haus hat und der Fuchs und das Wiesel. »Und der Löwe auch?« fragte er. »Natürlich, und das Nashorn hat eines, der Elefant ebenfalls und der Hase und viele andere Tiere« – bis er schließlich fragte, wie man sich denn ein Haus baut?

Darüber belehrte sie ihn nun weiter, bis er alles ganz gut verstand, und er sprach: »Du bist wirklich das klügste aller Tiere; und jetzt werde ich zu den Meinigen zurückkehren und ihnen sagen, was ich von dir gehört habe.

»Also, lebe wohl, Affe,« sagte sie.

»Lebe wohl, Schildkröte!« und er ging zu den Seinigen, berief sie alle zusammen und sprach: »Also höret, Affen, jetzt habe ich die Schildkröte getroffen und ihr gesagt, was wir leiden, wenn das Wasser von oben kommt und mir, auch wenn wir uns unter den Bäumen unterstellen, immerfort naß werden. Und da sagte die Schildkröte, daß schon viele Tiere sich als Mittel dagegen Häuser bauen, in die es nicht hineinregnet. Demnach glaube ich, mir sollten uns auch Wohnhäuser bauen.« Darüber jubelten alle und sagten: »Das wäre wirklich gut, denn du hast recht, daß dieses ewige Naßwerden, wenn es regnet, schon zu dumm ist. Also fangen mir gleich an mit dem Bauen!« Doch wie sie anfangen wollten, ging wieder ein sehr starker Regen nieder, so daß sie auseinanderstoben und sich Orte zum Unterstellen suchen mußten. Es schüttete so, daß sie alle beinahe gestorben wären; und als sie darum am andern Tage wieder zusammenkamen, riefen sie alle: »Jetzt dürfen wir nicht länger zögern, sondern fangen mit der Arbeit an!«

»Wann?« fragte einer.

Alle riefen: »Morgen, bestimmt morgen. Dann muß jeder eine Stange und ein Stämmchen bringen und sowie die Sonne aufgeht, wird mit dem Bauen angefangen, denn heute ist's zu spät schon.« Und da legten sie sich schlafen. Am Morgen aber, kaum daß es hell geworden war, waren sie wieder auf dem Platz.

»Also fangen wir an,« sagte der, der mit der Schildkröte gesprochen hatte, und alle jubelten und sprachen: »Jetzt sag uns nur noch einmal, wie man baut.«

Darauf sagte er es noch einmal, und während er sprach, war's ihnen ganz wohlig zumute. Die einen wärmten sich an der Sonne, die andern streckten sich auf einen Stein, der dort lag, und der ging etwas zum Essen zu suchen, der kraute seinen Kindern die Köpfe und andere wieder fragten: wie man die Stangen behaut und womit man sie behaut und was man dann tut, wenn sie behauen sind; und ob alle Tiere die Stämme zu ihren Häusern zu behauen pflegen. Und wie sie so fragten und über die Sache gehörig sprachen, sagte einer: »Seht, seht, jetzt ist es auf einmal wieder Abend!«

»Ja, wirklich, es ist schon wieder Abend!« sprachen die andern, nachdem sie zum Himmel emporgeblickt und sich überzeugt hatten, daß die Sonne schon bald im Entschwinden war. »Es ist aber doch ein lehrreicher Tag gewesen und morgen werden wir also anfangen.«

»Ja,« jubelten sie, »morgen,« und gingen zur Ruhe.

In der Nacht regnete es wieder, und als es helle geworden war, sammelten sie sich auf der Wiese und sagten: »Ach, wie sind wir naß geworden. Jetzt wärmen wir uns vorerst einmal.« Das taten sie denn auch, wärmten sich an der Sonne und besprachen dann, wie sie es tun wollten. Und der eine saß auf einem Stein, der andere ging Essen suchen, der dritte ließ sich von seiner Frau, und jener wieder von seinen Kindern die Haare ausklauben, und ehe sie sich umsahen, war es wieder Abend; da ließ sich natürlich nichts mehr tun. So ging es noch mehrere Tage; und als sie endlich an einem Morgen gleich nach Sonnenaufgang wirklich anfangen wollten, sprach einer zu dem, der mit der Schildkröte gesprochen hatte:

»Sag, ist denn nicht heute der Geburtstag der Schildkröte?«

»Ja,« sagte er, »richtig, den heutigen Tag hat sie mir genannt.«

»Aber da müssen wir doch zu ihr hinschicken und ihr für den guten Rat, den sie uns gegeben hat, unsern Dank sagen!«

Darauf schrien alle: »Wirklich, wir müssen ihr danken.«

»Und wer soll hingehen? Einige? Nein, ihr Rat war so gut, daß wir alle hingehen wollen, um ihr zu danken.« Und so machten sie sich auf den Weg und kamen zu der Schildkröte.

Die freute sich, als sie kamen und ihr sagten, wie froh sie über den Rat wären, den sie ihnen gegeben. »Und habt ihr denn schon eure Häuser?« fragte sie.

»Nein, das noch nicht.«

»So,« sagte die Schildkröte. »Dann gehet nach Hause, und wenn abermals zweihundert Jahre um sein werden, kommet wieder um mir zu berichten, ob ihr euch eure Häuser schon gebaut habt.«

So kehrten sie zurück und berieten, was die Schildkröte mit diesem ihrem Worte gemeint haben möge. Und sie berieten darüber so fleißig, daß seitdem schon wieder zweihundert Jahre vergangen sind, ohne daß sie zum Bauen angefangen hätten. Und so haben die Affen bis auf den heutigen Tag keine Häuser.


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