Adolf Gelber
Negermärchen
Adolf Gelber

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Die Spitzmaus, die besser geschwiegen hätte

Das Perlhuhn hatte Eier gelegt; da kam das Wiesel, legte sich zwischen die Eier und ließ nur die Zähne hervorblinken, worauf das Perlhuhn, als es hinkam und die Zähne sah, zu schreien begann: »Chekee, ihr Elefanten, Chekee, ihr Büffel, kommet und seht doch, wie meine Eier Zähne bekommen haben!« Da kamen die Büffel und die Elefanten, die Nashörner und andere Tiere und sprachen: »Das ist wirklich ein Wunder. Wir haben noch niemals ein Perlhuhn, dessen Eier Zähne bekommen haben, gesehen.«

Da kam die Spitzmaus und sagte: »Du Perlhuhn, bist wie ein Kind. Das ist doch das Wiesel, dessen Zähne da blinken, und alle Eier hat es dir angestochen und nicht ein einziges deiner Kinder kommt mehr heraus.«

Der Elefant und der Büffel, das Nashorn und die anderen Tiere wollten es nicht glauben; aber die Spitzmaus sagte: »Elefant, du hast doch einen großen Rüssel, stich doch da hinein.« Da wurde das Wiesel zornig, kam aus den Eiern heraus, und alle riefen: »Es ist wirklich ein Wiesel.« Aber bevor sie es noch fangen konnten, hatte es einen Sprung gemacht, um sich auf die Spitzmaus zu werfen. Diese entfloh, das Wiesel ihr nach; und es jagte und jagte sie, bis sie sich beide von den andern Tieren weit entfernt hatten. Aber die Spitzmaus war gut zu Fuß, so daß das Wiesel schließlich müde wurde und sie laufen ließ.

Bald darauf kam das Perlhuhn zur Spitzmaus und sprach: »Wir wollen Blutsfreundschaft schließen. Du hast mich vor dem Wiesel gerettet. Wenn du mir nicht gesagt hättest, daß es unter den Eiern liegt, so hätte es mich, als ich nachsehen kam, sicherlich gefressen.«

»Ja,« sagte die Spitzmaus, »ich bin klug und habe gleich seine Zähne erkannt.«

»Was soll ich nun aber tun,« sagte das Perlhuhn, »um am Wiesel Rache zu nehmen?«

Die Spitzmaus sagte: »Das werden wir schon sehen, aber vor allem mußt du ausfindig machen, wo es sein Haus gebaut hat.«

»Wie soll ich das aber herausfinden?« fragte das Perlhuhn.

Die Spitzmaus sagte: »Ich bin dein Freund jetzt, ich will dir suchen helfen,« und von da ab spähte die Maus herum, bis sie richtig eines Tages das Haus des Wiesels fand. Drinnen waren seine Jungen und ihr Vater war außer Haus. »So,« sagte die Spitzmaus, »jetzt, da ich eure Stimme gehört habe, Kinderchen, weiß ich, wo euer Vater zu treffen sein wird und jetzt gleich gehe ich das Perlhuhn holen.« Aber in diesem Augenblicke kam das Wiesel herangehopst, um nach seinen Jungen zu sehen und da sang die Spitzmaus, nachdem sie sich einen sicheren Platz ausgesucht hatte:

»Brrr, brrr, kutee... tee... tee!
Ich lauf im Gras herum.
Und will mich jemand fangen,
Ich springe hier herum.«

Das Wiesel horchte auf und die Spitzmaus spottete wieder:

»Brrr, brrr, kutee... tee... tee!
Ich lauf im Gras herum,
Mein Haus hab ich verlassen
Und spring im Wald herum.«

Aber o weh, wie sie sich umwandte, um davonzulaufen, zwängte sich ihr Schwänzchen in dem Spalt einer Wurzel ein, und bis sie sich freimachen konnte, war das Wiesel ihr nah. Da begann sie nun freilich zu rennen, und rannte und rannte, wurde aber müde und schrie allen Tieren, die gerade vorbeigingen, zu:

»Ihr, die ihr da vorbeigehet, meldet es dem Perlhuhn und saget ihm: »Nueng Nueng, das Wiesel wird mich fangen, wenn mir das Perlhuhn nicht bald Hilfe bringt.«

Rasch flogen denn einige zum Perlhuhn; aber da es gerade beim Kochen war, konnte es nicht abkommen und rief Mpuera, den roten Vogel, mit dem es auch befreundet war: »Roter Vogel, flieg rasch dorthin, wo das Wiesel und die Spitzmaus miteinander kämpfen und rette meinen Freund!« Darauf flog der Vogel und kam gerade zurecht und pickte die Spitzmaus auf, so daß das Wiesel das Nachsehen hatte. Nun aber tötete er mit seinem Schnabel die Spitzmaus; dann kam er freudig zum Perlhuhn zurück.

»Nun wie ist's?« fragte dieses, »hast du meinem Freund geholfen?«

»Gewiß,« sagte der Vogel, »die Spitzmaus ist tot.«

Da begann das Perlhuhn zu weinen und sagte: »Was hast du getan? Die Spitzmaus ist doch mein Freund gewesen.« Der Vogel aber erwiderte: »Das hast du mir ja in der Eile nicht gesagt.«


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