Adolf Gelber
Negermärchen
Adolf Gelber

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Imana und Sebgugu

Es war einmal ein Mann, der hieß Sebgugu. Er war sehr arm, sein Besitz war eine einzige weiße Kuh. Die Frau ackerte – er selber nicht. Eines Tages kam ein Vögelchen, das setzte sich aufs Torholz. Sebgugu saß gerade auf seinem Schemel vor der Tür und der Vogel sprach: »Sebgugu, schlachte die Kuh, so bekommst du hundert.« Sebgugu sah ihn an und sagte: »Das wäre fein,« und seiner Frau sagte er, als sie vom Ackern nach Hause kam:

»Du, Weib, Imana war hier.«

»So,« sprach sie, »was wollte er?«

Er antwortete: »Er hat mir befohlen, die Weiße zu schlachten und hat versprochen, daß ich dafür hundert wiederbekommen würde.«

Die Frau sagte: »Laß die Weiße am Leben. Du ackerst nicht, die Weiße zieht mit ihrer Milch deine Kinder groß. Schlachtest du sie, so werden sie sterben.«

Der Mann antwortete: »Geh!« und schlug die Kuh tot. Darauf aßen sie das Fleisch. Aber wie es damit zu Ende ging, kam der Vogel wieder und sprach: »Sebgugu, schlachte auch das Kalb, so bekommst du dafür hundert.« Das tat er, und nun hatten sie wieder Fleisch: aber nach drei Monaten begannen sie wieder zu hungern und er sagte zu seiner Frau: »Nun tötet uns der Hunger die Kinder.« Sie antwortete: »Sagte ich dir nicht, die Weiße am Leben zu lassen? Aber du wolltest nicht hören und schlachtetest die, welche uns die Kinder groß gezogen hat.«

Er band die Kinder in Papyrusmatten ein, andere tat er in einen Korb. Einige nahm die Frau auf den Kopf, andere er, so zogen sie fort. Bei einer Rast auf dem Wege sagte er: »Was soll ich mit den Kindern machen?« Da kam Imana, der da heißt der Schöpfer und sprach:

»Sebgugu, was ist's?«

Sebgugu antwortete: »Wir sind des Todes, ich und meine Kinder, wir sterben Hungers.«

Imana sprach: »Höre, dort drüben ist ein Kraal, in dem die Rinder der Leute übernachten, geh dorthin. Die Rinder lassen die Leute von einem Raben weiden. Melke die Rinder, trink ihre Milch und gib dem Raben davon. Schimpfe nicht auf ihn und schlage ihn nicht.«

Sebgugu ging dorthin, fand Milch, trank sie und gab davon der Frau und den Kindern. Abends brachte der Rabe die Rinder nach Hause und Sebgugu molk in den Melkeimer und gab dem Raben zu trinken, die übrige Milch gab er seinen Kindern und seiner Frau. So vergingen zehn Tage und sie hatten genug; da sprach Sebgugu: »Ich habe Kinder, die die Herde weiden können, wozu braucht es den Raben? Wenn er nach Hause kommt, schlage ich ihn tot.« Seine Frau sagte: »Wie unvernünftig du bist. Imana hat uns geholfen und dir befohlen, dem Raben nichts zuleide zu tun. Jetzt willst du den Raben töten?« Sebgugu erwiderte: »Schweig still,« und als der Rabe abends die Rinder heimbrachte, schoß Sebgugu einen Pfeil auf ihn ab. Der Rabe flog auf und ließ sich auf einem nahen Hügel nieder; Sebgugu jagte hinter ihm her und schoß zum zweiten- und drittenmale, jedoch ohne zu treffen; dann kehrte er zurück. Aber wie er kam, fand er die Kühe nicht mehr. Er fragte die Frau:

»Wo sind die Kühe?«

Sie antwortete: »Ich weiß es nicht.«

»Und wo sind die Kälber?«

»Alle sind sie fort.«

Nach drei Tagen sagte Sebgugu wieder: »Was soll ich machen?« Die Frau entgegnete: »Das kommt von deinem Übermut. Wir müssen wieder wandern.«

Sie nahmen die Kinder auf den Rücken, zogen den ganzen Tag weiter und die Kinder weinten vor Hunger, und am Abend, als sie am Wege lagerten, saß Sebgugu verzweifelt da und sagte:

»Imana in Ruanda, was soll ich nun anfangen?«

Imana kam und sprach: »Sebgugu, was willst du schon wieder?«

Sebgugu antwortete: »Ach, du Gott Ruandas, sag, was soll ich anfangen?«

Imana sagte: »Höre, dort drüben ist eine Pflanze, die hat viele Ranken. Ich bin's, der sie hat entstehen lassen, ich, Imana, der Schöpfer. An einer Ranke reifen Kürbisse, an der andern Melonen, an noch einer andern Kartoffeln. Aber die Pflanze darf nicht beackert und beschnitten werden. Sie steht im Walde, geh dorthin und iß, was du an ihren Ranken findest, und wenn du damit zu Ende bist, lasse ich neue Speisen reifen, ich, der Schöpfer, Imana.«

Sebgugu sprach: »Jawohl« und ging hin. Dort angekommen schnitt er Stangen im Walde ab und baute sich eine Hütte, während seine Frau die Kürbisse, Melonen und Kartoffeln nahm und sie kochte; und Bohnen kochte sie auch. Da hatten sie zu essen genug. Nach zehn Tagen schliff Sebgugu sein Buschmesser.

»Was tust du da?« fragte die Frau.

Er sagte: »Ich schleif das Messer.«

»Wozu?«

»Um die Kürbispflanze zu beschneiden.«

Die Frau antwortete: »Was hat Imana gesagt?«

Sebgugu sprach: »Sei still, ich will sie beschneiden, damit sie reichlicher trägt,« und er beschnitt sie – darauf vertrocknete sie. Drei Tage lang konnten sie noch etwas von ihr schneiden, dann war es zu Ende.

Sebgugu sprach: »Was soll ich machen mit meinen Kindern?« Und wieder zogen sie, bis am Abend Sebgugu die Kinder am Wege niederlegte und sprach:

»Vater Imana von Ruanda, sei mir noch einmal gnädig und dann nicht wieder.«

Imana kam und fragte: »Hat hier jemand etwas gesprochen?« Denn es war schon Nacht, so daß er nicht gut sehen konnte. »Hat hier jemand etwas gesprochen?« wiederholte er.

Sebgugu sagte: »Nein.«

»Ja, du hast etwas gesprochen,« sagte Imana.

Sebgugu sagte: »Nichts habe ich gesprochen.«

Er schämte sich.

Imana sprach: »Dort drüben ist ein Fels, er hat viele Spalten. Aus einer kommt Milch, aus einer andern Honig, aus einer andern Hirse und wieder aus einer Bohnen. Rühr nicht an den Fels.«

Sebgugu ging und holte Milch, Honig und Kartoffeln und Hirse. Sie aßen und tranken, was sie wollten, und seine Frau kochte, so daß sie genug zu essen hatten. Nach zehn Tagen sagte er zu seiner Frau: »Ich will mir Brechstangen an meinem Feuer härten und sie in die Felsspalten treiben, damit mehr Essen heraus kommt.« Die Frau antwortete: »Tu es nicht, wir wollen uns von dem nähren, was da ist, so hat Imana es bestimmt.« Sebgugu antwortete: »Keineswegs lasse ich mich von dir zurückhalten« und stemmte die Stangen in die Spalten; da verstopften sie sich, und die Frau sagte: »Habe ich es dir nicht gesagt? Immer rufst du nach Imana, und immer bist du ungehorsam« – und so mußten sie nach wenigen Tagen weiter wandern, bis sie nicht weiter konnten und Sebgugu sagte:

»Was soll ich tun? Ach, daß doch jemand noch einmal helfen wollte.« Die Frau sagte: »Nun, so bitte doch Imana, daß er es noch einmal tun soll.« Sebgugu sagte: »Ich traue mich nicht zu ihm; tu du es.« Die Frau sagte weinend: »Nein, du mußt versuchen, vielleicht wird er dich doch noch erhören.« Und so ging Sebgugu in den Wald, und Imana kam hinter einem Baume hervor und sagte:

»Sebgugu, was belästigst du mich? Ich gebe dir immer wieder, aber du bringst dich selber darum.«

»Imana, versuch es noch einmal mit ihm« bat die Frau, die dem Manne nachgegangen war, und Imana sagte:

»Geh dorthin zu dem Kraal. Dorthin kommt nachts immer ein wildes Tier, das aber nicht die Rinder, sondern nur Menschen frißt, und die Wächter trauen sich darum nicht mehr hinein. In dieses Gehöft geh und bereite dir und den Deinen unter dem Dach ein Lager. Die Rinder haben keinen Hirten, sie weiden sich selber und kehren von selber zurück. Melke sie und trink und koche am Tage. Abends steig auf den Boden, und wenn du des wilden Tieres ansichtig wirst, sprich mit ihm nicht, sondern verhalte dich schweigend. Sebgugu, ich rate dir gut.«

Sebgugu sprach: »Jawohl.« Er ging, molk, trank, sie kochten Gemüse und alle aßen sie und am Abend stiegen sie auf den Boden, um zu schlafen.

Noch waren nicht zehn Tage um, da kam das Tier und schleppte Leichen ins Gehöft. »Wer hilft mir und nimmt mir die Last ab?« sagte das Tier. Sebgugu sagte: »Ich will sie ihm abnehmen.« Die Frau erwiderte: »Und was hat Imana gesagt? Vergißt du schon wieder?« Umsonst. Sebgugu stieg herunter und sagte zum Tier: »Ich will dir helfen.« Das Tier fragte erstaunt:

»Wo kommst du denn her?«

»Vom Dachboden,« sagte Sebgugu.

»So,« sagte das Tier, »du wohnst hier? Ich will auch hier bleiben. Wollen wir Freunde sein?« »Jawohl« sagte Sebgugu und nahm ihm die Last vom Kopf. Darauf fragte das Tier:

»Hast du einen Topf, um das Fleisch darin zu kochen?«

»Ich habe einen.«

»Dann bring ihn,« sagte das Tier, »und hast du ihn gereinigt?« Worauf Sebgugu eilte und den Topf rein machte. »So ist's recht,« sagte das Tier, »und hast du einen Stock, mit dem man das Fleisch, wenn es in dem Topf kocht, umrührt?« »Jawohl,« sagte Sebgugu. »Auf dem Boden hab ich ihn und muß ihn herunterholen.« »Gut,« sagte das Tier, »du bist wirklich ein Freund.« »Ja,« sagte Sebgugu, »ich bin wirklich dein Freund.« Darauf ging er zur Leiter, um auf den Boden hinaufzusteigen, und das Tier sagte:

»Jetzt will ich sehen, wie du die Leiter hinaufklettern kannst.«

Aber wie er auf der untersten Sprosse stand und auf die zweite hinaufsteigen wollte, sprang das Tier von rückwärts auf ihn los und riß ihn herunter; in zwei Stücke zerriß es ihn und sogleich war er tot.


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