Adolf Gelber
Negermärchen
Adolf Gelber

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Imana und die kinderlose Frau

Es war einmal eine Frau, die war kinderlos. Eines Tages sagte sie: »Ich will gehen, um Imana zu befragen« und ging in den Wald, wo Imana wohnt. Als sie hinkam, fragte sie, ob er zu Hause sei und sagte, als er zwischen den Bäumen hervortrat: »Imana, gib mir Bescheid.« »Was willst du?« sprach er. Sie antwortete: »Ich bin kinderlos, ich möchte ein Kind haben.« Da sprach Imana zu ihr: »Geh, und wenn du einem kleinen Tier begegnest, so nimm es mit deinen Händen und hebe es auf. Habe keinen Widerwillen dagegen.«

»Ist das alles?« fragte die Frau.

Er erwiderte: »Ja.«

Die Frau ging zu ihrer jüngeren Schwester. Da spielten gerade deren Kinder im Lehm; sie waren klein und unverständig. Eines kam und näherte sich ihr, worauf sie es zurückstieß und sagte: »Du machst mich mit dem Lehm schmutzig, geh«, worauf die Mutter es an sich nahm und vom Lehm reinigte. Dann sagte ihr die ältere Schwester, daß sie bei Imana gewesen und was er ihr gesagt habe, worauf die jüngere sagte: »Dann wirst du bald ein Kind bekommen.«

Allein die Frau wartete das ganze Jahr vergeblich auf das Kind und kehrte zu Imana zurück. Er sagte:

»Bist du schon wieder da?«

»Ja,« erwiderte sie. »Warum habe ich kein Kind bekommen?«

Imana sagte: »Hast du das Tierchen, von dem ich dir sprach, nicht gesehen?«

Die Frau entgegnete: »Nein.«

Imana sagte: »Du hast es gesehen, aber nicht mit deinen Händen angefaßt.«

Die Frau sprach: »Imana, du irrst dich, ich habe keines gesehen.«

Darauf sprach Imana: »Höre, du gingest zu deiner Schwester, da spielten gerade die Kinder im Lehm. Du wolltest von ihnen nichts wissen, eines stießest du beiseite.«

Die Frau sagte: »War denn das Kind ein Tierchen?«

Imana antwortete: »Lebte es denn nicht? Die Mutter war es, die es trotz seines Schmutzes aufhob. Sie hatte Kindesliebe. Du hast keine.«

Da ging die Frau traurig fort.


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