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Versumpfung und Entsumpfung.

Seen und See.

Zu den anziehendsten Aussichtspunkten des Inser Geländes gehört, dem ominösen Namen zum Trotz, die vorspringende Ecke der Galge nstụde n über dem einstigen Inser Heiligtum Sankt Jodel. Sie gewährt einen lieblichen Gesamtüberblick des Bieler-, Neue nburger- und Muurte nsee̥. Auf dem Insfeld gegen Erlach und anderwärts bieten sich ähnliche bezaubernde Ausblicke. Einen nach dem andern faßt der Besteiger des Bergli ( Petit Mont) auf dem Mistelacherberg ( Mont Vuilly) ins Auge, wenn er die terrassenartig erhöhten Seiten des großen Dreiecks beschaulich abschreitet. Die Fülle eines nächtlichen Zaubers aber gewährt der Bielersee mit seiner dicht geschlossenen Beleuchtung zumal des linken Ufers dem Beschauer auf dem Erlachbänkli ( S. 23), wie der Neuenburger- und der Murtensee mit den städtischen Lichtermeeren dem Bewunderer auf der Pfarrhausterrasse zu Ins. Sind die Wasser hier wirkliche «Spiegel» ihrer Ufergelände, so erscheinen sie wie lebende Wesen dem an oder auf ihnen gemächlich Verweilenden. «Es lächelt der See», und er «lockt» ( löökt) den Badenden, den Fischer in die Tiefe. Er zürnt im Sturm, und er lịggt wieder ruhig da, wie im Schlafe Chopf und Füeß und Arme n in Gestalt von Buchten ausstreckend.

Zumal von einem «Seehaupt» redet die Sprache wiederholt. Es gibt ein solches am Starnbergersee, ein Capolago am Silsersee und am Luganersee. 74 Der italienische Name ging hervor aus Caput laci (statt lacus). So hieß um 826 die spätere, 1236 neu gegründete Neapolis oder Villa nova, Villeneuve, «Neuwenstatt zu oberst an dem Lacu Leemanno in dem Chablaix». 1 Chablais oder Chablai (1145) aber ist die französische Fortsetzung des « Caput laci», wofür wir 921 ( pagus) Caputlacensis lesen. Wie nahe lag es nun aber, gleich der waadtländischen Neuwenstadt oder Villeneuve zwar zufällig nicht d’Neue nstadt oder Neuveville als Haupt des Bielersees, wohl aber die Stadtgemeinde Neuenburg oder Neu fchâtel mit einem solchen provinzartigen Seestrich auszustatten!

Denkwürdig ist übrigens, daß für Goethe 2 Neufchâtel eins war mit Neuveville. Auch lag ihm St. Blaise «zu oberst des Neustädter Sees»; warum denn nicht bei der unübersehbaren Länge des Sees Neuenburg ebenfalls.

Wirklich begegnet uns seit dem 12. Jahrhundert häufig ein neuenburgisches «Moos Chablays» (1537) oder «das gros Moos Chablaix» (1549. 1550). 3 Ein 1537 erlassener und 1569 vidimierter Beschluß antreffend Rechtsame der Gmeind Cudrefin auf dem moos Chablays besagte: Die von Cudrefin dürfen auf dem Moosgebiet von Praz, Nant, Sougie (Sugiez), Chaumont, Lougnourroz (Lugnorre) bloß mit ihren Rossen darfahren, aber nicht Lischen mäyen, ohne denen von Neuenburg, Erlach und Ins und Mithaften ihr Recht dazu bewiesen zu haben. 4

Ein solches « Chablays» erstreckte sich zwischen dem Unterlauf der Broye einerseits, den Hügeln von Ins und dem Jolimont bis hin zur Zihl anderseits. 5 Noch Dr. Schneider 6 spricht regelmäßig vom Großen Moos als dem Chablaismoos. Der Name beschränkte sich jedoch inzwischen auf drei Abschnitte: am Neuenburgersee zwischen Gụ̆derfịị ( Cudrefin), Schwarzgraben und Ins, am südlichen und am nördlichen Strand des Murtensees. 7 Heute fristet noch ein konzessionierter Einschlag der Vinelzer bei Sugy zur Not den Namen Schăblee. Wie dieser aber echt mundartlich lauten muß, zeigt das Schăblĭ̦ als der von der Eisenbahn durchschnittene Stude nwald zwischen den Moosteilen von Gampelen und Ins. Es ist gleichbedeutend mit Affe nwald und Gịrịtzimoos. 1797 wird das Chabli Mooß zu Gals erwähnt. 8

Lüscherz am Bielersee

Nach Aberli, ca. 1783

So konnte der Begriff des «Seehauptes» sich verschieben und verdunkeln, obschon mit dem ästhetischen sich ein eminent praktisches Interesse verband. Der Ort, welcher einem See den Namen erteilte, maßte sich damit die einzigen oder doch ersten Rechte über dessen Fischreichtum an 75 und stellte sich gegebenenfalls mit seinen Ansprüchen unter den Schutz der eigenen Oberhoheit. So erklärte seinerzeit der Herzog von Mailand: Bei uns heißt der Lago di Lugano vielmehr der Lago di Porlezza. 9 Der Murte nsee ward noch 1844 in seiner ganzen Ausdehnung als Staatsgut von Freiburg beansprucht, während Waadt das gewöhnliche internationale Uferrecht ausüben wollte. Im August paßten freiburgische Landjäger den waadtländischen Jägern und Fischern auf. Es kam zum Kampf mit Flinten und Pistolen; es kam zu schweren Verwundungen: zu Murten wurde ein Jäger, zu Wiflisburg ein Landjäger gefangen. Der Tagsatzungsvorort mußte beide Stände zum Frieden mahnen. 10 Es geht daraus hervor, welcher Ernst hinter dem Kampfe lag zwischen den Namen Muratensis lacus (981) 11 oder Lacus de Mureto (1297) 12 und Lacus de Aventicensis, 13 bis er zeitweilig den hohen Namen an den des «Üechtsee» tauschte. 14 Der Bielersee hieß, als Nugerol (s. «Twann») blühte, der Nirvezsee (1127), Nuerolsee (1221), der See zu Neurol (1249), Neurolsee (1249), Nyrulsee (1297). «Fischerordnung für den Nydauersee» heißen dagegen die bezüglichen Erlasse der Berner Regierung aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Ja, bereits 1452 stellte diese fest, der See heiße nicht Bieler-, sondern Nidauersee. 15 Der Bischof von Basel als Herr von Biel erklärte seinerseits: Bis zum Nidauer Kalkofen steht der See unter Biel; von da bis Rudeval im Neueuburgischen gehört er der freien Allmend von «Neustatt». Der Rat der Stadt Luzern entschied: 76 der See gehört den drei Städten Biel, Neustadt und Nidau. 16 Da dies delphische Orakel über den Namen nicht entschied, schwankte derselbe fortwährend zwischen Nydouw See (1497), Nidauerseuw (1530), Nydauersee (so noch 1852 konsequent bei Stauffer) und Bielsee (1287), lacus de Byello (1365), 17 Bielersee (so von 1318 an immer häufiger und nun ausschließlich). Auch Erlach, sollte man denken, hätte sich am Streit um den Namen beteiligt. Wir finden jedoch ein einziges Mal: 1442, den «Erlacher See bei St. Johannsen» erwähnt. 18 Als Bezirkshauptort erreichte es wenigstens, daß man selbst in größerer Nähe des Murten- und Neuenburgersees vom Bielersee als dem See̥ schlechthin spricht. So erklärte eine Inserin vor Chorgericht, wer Kinder begehre, sölle überen ( über hr, hinüber) an See gahn dienen. Umgekehrt dingen Twanner ihre sommerlichen Weinberg­arbeiterinnen us dem Äänerland, d. h. aus der Gegend rechts des Bielersees. Der Inser dagegen versteht unter dem Eenerlan͜d nun doch nicht den Strich links dieses Sees, sondern die Umgebung von Kallnach und Kerzers östlich vom Großen Moos.

Neue Gesichtspunkte eröffnet uns die Namensverschiedenheit des Genfersees, der bloß in seinem Unterteil lac de Genève, im ganzen aber lac Léman, wie bereits römisch (seit Ausonius) lacus Lemannus heißt. Diese Bezeichnung stellt aber das herrliche Gewässer als eine «Schlammlache» ( limus, lìmnĕ) hin, 19 wie auch schon lacus ( lac) und Lache urverwandt sind. Es erinnert dies an den «Behälter für lebende Tiere»: das virarium, welches zum Weiher, Wäier, Bruederswäier und zur Wäiermatte n geworden ist, sowie an die Glu̦ngge n (Pfütze). Diese bedeutet in der bekannten Litotes den atlantischen Ozean, und zwar nicht bloß wegen der spassig vorgestellten Kleinheit, sondern gleich sehr wegen der Trübheit des Wassers. Auch das «blaue Meer» und der «blaue See», der «Meersee» ( marisaiws) Wulfilas erscheint in der Urbedeutung einerseits als der kotige Morast, anderseits als die schreckhaft anstürmende Flut. 20

Diese Doppelvorstellung, welche von der eingangs dargelegten so unfreundlich absticht, entspricht aber vormaligen Zuständen, von welchen sowohl Ortsnamen wie geschichtliche Zeugnisse uns nur zu reiche Kunde geben.

Die spätrömische costa, unsere «Küste» und die Ufergegend La Côte, die ältere Coûta mit den etwa zwanzig Coutax usw. geben die Grundformen ab zu Weiterbildungen wie costale, costal, Costel, Costalet 21 usw. 77 Hieraus erklären sich alle die Ortsnamen das (oder nun häufiger: der) Gostel zu Treiten, Erlach, Vinelz, Ins (1267: der Ort Costel bei Ins). 22 Dieser Inser Gostel (den übrigens heute nicht einmal alle eingebornen Dorfbewohner kennen) hat freilich mit keinem See zu tun, falls nicht das alte Dorfstraßenstück zwischen den beiden Schmieden (das «Zü̦ü̦bele ngäßli») als Wegstück für nach der Rịịff verfrachtete Mühlsteine ( S. 43) und andere Waren gedacht ist. Um so deutlicher ist der Name anderwärts. Besonders auffällig zeigen der vordder und der hin͜der Gostel unterhalb des steilen Aufstieges von Erlach her nach dem Dorfe Vinelz, mit welchem Rechte noch 1802 auch der letztere Ort als eine Seegemeinde galt. 23 In Erlach werden die verschiedenen Gostel in der verdunkelten Mehrzahl «Göstel» als Einheit so zusammengefaßt, daß man sie als der ober und der un͜der Göstel neu unterscheidet.

Bis zur Anstaltsfiliale Ins aber ließ der Murtensee früher öfter sein Wasser vorrücken. Wie häufig das geschah, zeigt die dortige Rịịff (frz. rive) als Namensschwester derjenigen zwischen Stadt und See von Murten. Das hinderte nicht, sogar un͜der der Rịịff (1678), wie dann erst bey der Ryff (1795), im Rịịffboode n, am und hin͜der dem Rịịffweeg Matten und Äcker anzulegen; und schon 1668 gab es Reben an der Ryff, welche um 1809 sich auf 13¼ Mannwerk erstreckten. Auch hier bietet der Genfersee mit seiner den Ryffwein zeitigenden Gegend La Rive das Namensmuster. Zwischen rive und der Grundform ripa vermitteln alte Schreibungen Ripue, Belripue, Haulte Ripue (Altenryf, Hauterive zu Freiburg und Neuenburg). 24 Altaripa ist ebenso die Grundform des solothurnischen Alte̥rich, Alteri, Altri, geschrieben Altreu. Die Justingersche Schreibung Altrüwe führt aber über die Formenreihe ruvu, rua, roué mit der Angleichung des i an den Lippenlaut. An diese Formen erinnert auch die 1911 zu Büren geschlagenen Ortschaft Reibe n, neben dem Namen Peter Ripper. 25

Wie ferner an der Erlacher Ländte die Wirtschaft du Port zur ausgiebigen Herzstärkung vor der Meerfahrt nach Neuenstadt oder gar zur Bielerinsel einladet, so waren einst die Nidauer zur geistlichen Wegzehrung an das Kirchlein in Port gewiesen. Dieser heute umgekehrt in Nidau eingepfarrte kleine Schulort am Aare-Zihl-Kanal muß demnach als Landungshafen ( portus) des bis dorthin reichenden Bielersees ein bedeutender Stapelplatz gewesen sein.

Studie von Anker

Wie nun alle diese historisch bedeutsamen Chablais, Gostel, Ryff, Port romanischer Herkunft sind, so benennt man französisch auch die 78 prachtvolle Erlacher Al lee am Landungsplatz; und nur noch als Quai bezeichnen sogar Zürich und Luzern, geschweige Neueuburg ihre kunstvollen Uferbauten, deren eigentlicher Name doch grunddeutsch der Kai, die Kaje 26 lautet. Auch die von der «Zukunftsstadt» Biel verheißungsvoll begonnene Seeanlage nächst dem Seefels, welche dank dem herrlichen, freien Platz einst zu den schönsten der Schweiz zählen kann, heißt natürlich Quai.

Der berndeutsche Sprachschatz langt hier eben noch zur Ländti, und zwar so weit, daß er auch dem Bücherdeutschen mit «Ländte» aushilft. Von einer alte n Schifflänti mitts im Moos nahe der Murtenbahn redet der Volksmund. Aber schon das im Stadholz als dem Platz des Klosters Gottstatt erhaltene «Gestade» klingt heute der Mundart gleich fremd wie «Ufer». 27 Dagegen kommt in Erlacher Urkunden aus dem 14. Jahrhundert die Bezeichnung an dem Stad mehrfach vor. Sie gilt offenbar dem Platz des jetzigen Unterstädtchens Erlach. So weit erstreckte sich der See, bis Auffüllungen ( Bü̦ü̦rine n, s. u.) ihn zurückdrängten. Der Staden heißt in der Bodmerschen Grenzbeschreibung für den Kanton Bern von 1702 der Grenzstein bei Portalban am Neuenburgersee. 28

79 U̦u̦rchig dụ̈tsch erscheinen uns Flurnamen für stagnierende Gewässer ohne richtigen Ablauf, wie der Sack 29 und Un͜dersack bei Studen, welcher an die «Sackgasse» und an den sac d’aigue (Wassersack) erinnert. Vom Seeboode n-Gebiet aber und von dem Gut Seewịl zu Vinelz, welches nicht wie das zu Rapperswil als ze Wîle 30 zu deuten ist, sprechen wir anderwärts.

Auf solche zeitweilige Überflutungen war schon die alte Berner-Regierung aufmerksam, und sie suchte mit Erlassen einzugreifen wie dem von 1670 an die Amtmänner von Erlach und St. Johannsen: 31 Es ist auß der Erfahrung bekannt, daß der Neuenburgersee gegen Inns und Gampelen von Zeit zu Zeit zunimmt und sich hinablaßt ( sich ummḁ aachḁla̦a̦t). Wie sonderlich bei deme zu sechen, daß der noch vor wenig iahren der enden zwar im Wasser gesächene panerstock anfenklich auf unßerem territorio muß aufgestellt worden sein. Solchem einbruch aber so weit möglich vor ze sein ( voor z’sịị n), wie weit unßer territorium sich erstrecken thüeye, habend wir gut und Nothwendig befunden zu befelchen, deß einten und anderen ohrts hart unden am See, und also zu oberst an unßerm territorio etliche Zeileten ( Zịịlete n) und strich Sar- und Fällböüm (s. u.) setzen und pflanzen zu lassen, also daß ob denselben gegem Waßer ein Wehri von geschüttetem grienn zwischen zwei zeünli 32 gemacht werde, die wellen auffzehalten, welche sonsten dise böüm niderstoßen und außwurtzlen wurden ( wu̦u̦rdi). Eine ähnliche ( Vorwehri) soll der Zill ( Zi̦hl) nach entstehen, damit dardurch das Port ( bord) vest gemacht und der einbruch deß wassers erwehrt werde. Ihr werdet aber zur verrichtung dieses befelchs die bequäme Zeit zebeobachten wüßen, namblich die kleine ( Chlịịni) deß Wassers, und wann es noch nicht gefroren, oder gegen außzeit («Ustage n»), sobald eß entfroren ist. 33

Laut gegenteiliger alter Zeugnisse lagen gewisse Partien längs des rechten Ufers und im östlichen Unterteil des Neuenburgersees beständig trocken. Noch um 1830 fanden sich hier in der Tiefe des Wassers Tanne n, die an der Luft bald zerfielen. 34 Diese Stellen dienten den Pfahlbauern zu zahlreichen Niederlassungen. Eine derselben, so bedeutend und berühmt, daß sie als Musterstation der zweiten Eisenzeit gilt, heißt La Tène. 35 Heute sind die erwähnten Stellen auffallend seicht: dünn; und das eben besagt der Name La Tène: tène ist lateinisches tenuis und 80 deutsches dünn. Überhaupt aber heißt die Untiefe eines Gewässers nahe am Ufer d’s Dünne n.

Wird hier in Zeiten großer Trockenheit der Sandboden bloß gelegt, so wirft ihn der Westwind, welcher als der Luft (s. o.) dreimal länger und heftiger weht als die übrigen Winde, zunächst zu einem Wall auf: zu einer Düne, einer Dünni. 36 Neue Flutzeiten aber wälzen einen Teil des Sandwalls weiter landeinwärts, wo er abermals aufs Trockene gerät, bis eine folgende Wassergröße ihn neuerdings bearbeitet. So unterscheidet man 37 vom Vanel am Zihlkanal aus die drei Wäḷḷe nschleeg der Ịịslere n (also des «Inselgebietes»), des Mauri (in der Umgebung des Nußhofs) und der Räckhoḷtere n beim Tannenhof. Gleicherart sind der Dählisandhubel, welcher zusammen mit dem Ịịslere nhölzli einen 1,5 km langen, niedern Hügelzug bildet, sowie die ebenfalls zu Bauzwecken trefflich geeigneten Grienchöpf ( S. 45) längs des Großen Mooses. 38 Das anmutige Naturgebilde des Dählisandhubels soll nun aber vor weitern entstellenden Abgrabungen geschützt werden.

Im Vinelz- und Erlacher-Brüel

Ein Wellenschlag großen Stils, der dem obern und freien, nicht durch den Jolimont gehinderten Endteil des Bielersees gelungen ist, heißt 1212 Landerun, d’Langere n, d’Lan͜dere n, die Landeren (1347), der Ort «zur Landeren» (1549. 1641) oder «zu der Landern» (1453), (le) Landeron (seit 1325). Einen Ort ès Landerons gibt es auch im Bezirk Moudon, 39 also nicht an einem See. « Landeron» ist eben eine Verkleinerungsform aus keltischem «landhâ», land, lann im Sinn unserer «Witi», urverwandt also unserm germanischen «Land». 40 Aus dem allgemeinen Begriff der «Weite», welche sich in « les landes» als Heide wiederspiegelt, spaltete sich aber im Keltischen der Begriff der eingefriedigten Fläche: des Hofs, der Wohnung ab (vgl. le Land als Gut im freiburgischen Essert). Und dieser Sinn von «Landeron» 41 wird durch die Geschichte bestätigt. Nachdem nämlich Nugerol als die Weinberg-Villenreihe zwischen Neuenstadt und Landeron 42 zerstört war, plante Graf Rudolf V. von Neuenburg einen neuen festen Platz als Gegengewicht zu dem von den Basler Bischöfen ( S. 74) an den Bielersee vorgeschobenen Platz Neuenstadt. Der in seinem Sinn handelnde Nachfolger Rollin wies den Umwohnern der Abtei St. Johannsen «une lande» an: la terre dite le Landeron, damit daraus eine Stadt mit 81 Mauern und Graben (zugleich zur Ableitung der Zihl in den Bielersee), mit Toren und Türmen und Brunnen erwachse. 1324 stund dieser Schutz einer außerordentlich charakteristischen doppelten Häuserreihe da. 43 Seither bietet sowohl die Altstadt gegen die Zihl hin, so keck mitten in das Grissachmoos hineingestellt, wie auch der gegen Lignières ( Lịnieri) hin ansteigende älteste Stadtansatz einen Anblick, der an malerischer Stimmung seinesgleichen nicht findet. Mit dem neuern Langeren aber pflegt auch Ins nicht unbedeutenden Wagenverkehr.

So weit haben stumm gewordene, aber zu neuem Sprechen erwachte Örtlichkeitsnamen uns das langsame Schaukelspiel der Juraseen vorzuführen vermocht.

 
1   Herm. 156.   2  Briefe an Frau von Stein, W. Fielitz I. S. 190.   3   Schlaffb. 1, 10 f.   4  Ebd. 132-4.   5   Jacc. 64; Favre. 515.   6   Schn. 78 ff. und danach Fr. Schr.   7   Fr. Schr. 563.   8   SJB. D 313.   9   Lieb. 26.   10   Till. F. 2, 205.   11   Font. 1, 276.   12  Zeerleder 2, 457.   13   Lieb. 117.   14  Ebd. Oder getauscht haben soll: schwz. Id. 1, 84.   15   Lieb. 125.   16  Eidg. Abschiede 2, 256-8.   17   Font. 8, 641, 644.   18   SJB. A 455.   19   Jacc. 229.   20   Kluge 422. 308. Vgl. «Isolierte Wurzeln» in WuS I.   21   Jacc. 111. 145.   22   Font. 2, 697.   23   Probst. III.   24   Herm. 207.   25   Font. 8, 816.   26  Vgl. Hildebrand in Grimms Wb. 5, 35.   27  Als «us-far» gedeutet von Kluge 470.   28  Eine der besonders wertvollen Mitteilungen des Orts- und Geschichtskenners alt Regierungsrat Scheurer.   29   Pars nemoris quod vulgo Saccus dicitur (1196: Font. 1, 492.)   30  Appenz. 16.   31   Schlaffb. 1, 198 bis 200.   32  Vgl. «Chratte» Lf. 64.   33  Der Erlaß illustriert zugleich die von den Gnädigen Herren bei den Landvögten vorausgesetzte Intelligenz.   34   Schn. 67.   35  Der Landwirt Dietrich im Vanel diente uns als freundlicher Führer.   36  Angleichung wie etwa «Bienenkanal» s. u. «Düne», aus keltischem dün (Schutzhügel) ist urverwandt mit «Zaun».   37  Nach Dietrich.   38  Ein tz-Artikel im «Bund» schreibt die Sanddünen im Großen Moos dem (erst durch die Schutzwaldungen gemilderten) Nordostwind zu.   39   Jacc. 221.   40   Kluge 276.   41   Jacc. 221.   42  S. im Band «Twain».   43   Jacc. 15; Rhv. 9, 353.  
 

Die Wasserschaukel. 1

Gleichwie der Mensch der Aate m zieht, so tuet es die Erde, und so die ausgedehnte Wasserfläche. Die Erde «atmet» all Daag zweu 82 Ma̦l wie die See und der See im bekannten Flut- und Ebbespiel. Dieses macht sich auf dem Bodensee bemerkbar als «Rụuß», auf dem Genfersee als les seiches, 2 auf dem Neuenburgersee in Ausschlägen 3 von je 0,3 und 0,6 m. Auf den viel kleinern Seen von Biel und Murten wird begreiflich erst der alljährliche Wechsel von Hoch- und Tiefstand sichtbar, wie die von Mitte Mai bis August wirksame Schneeschmelze nebst den Gewitterregen ihn mit sich bringt. Eine Periodizität von öppḁ n alli zeeche n Ja̦hr, in welchen d’s Wasser höo̥ch chunnt, wird von betagten Seeländern behauptet und durch Ereignisse der Jahre 1848, 1856, 1867, 1876 bestätigt, durch Hochwasser­katastrophen wie 1910 allerdings wieder durchkreuzt. Umfassendere Perioden (die etwa mit den Brücknerschen von 33 bis 35 Jahren im Zusammenhange stünden) lassen sich aus den Aufzeichnungen für die Juragewässer nicht errechnen. Vollends wandelt sich, was wir von Tief- und Hochwasserständen seit der neuern Steinzeit wissen, für uns in eine einfache lange Reihe von Geschehnissen.

Die fünf bis sechs Fuß tief unter dem Torf der Mööser von Epsḁ ch und Täuffele n aufgedeckten Pfahlbauten (siehe im Band «Twann») sind sprechende Zeugen eines Standes der Juragewässer während der jüngern Steinzeit, der tiefer war, als heute nach der Entsumpfung. Gleiche Zeugnisse bieten die fünf Fuß tiefen Pfahlbau-Kulturschichten unter ebenso tiefer Bodendecke in der Nähe des Fäälbaums rechts der Broyemündung, um St. Johannse n (Hanse n) und unterhalb der Zihlbrügg, wo also das Gewässer volle 3 m unter der heutigen Oberfläche stand. Westlich von Poort lag der Pfahlbauboden 3 m und lagen die verkohlten Pfahlspitzen 3-4 m unter dem Mittelwasser vor der Korrektion. 4

Aber noch die römischen Kolonien und Verkehrswege liegen bis 2 m tief unter den heutigen Torfschichten. So die Straße Challnḁch-Büel, die große Militärstraße durchs heutige Hagneckmoos, der Mạuriweeg im Gampele nmoos. Die Straße von Altreu ( Alte̥rich, Alteri, Altri) nach Grenchen und Lengnau lag nach dem Befund des Geologen Hugi von 1819 feuf bis acht Schueh unter der Erdoberfläche. Hören wir den hochverdienten Mann 5 hierüber selber. 6

Studie von Anker

83 Das Stück der alten Römerstraße 7 von Altreu nach Petinesca und an den Bielersee heißt zwischen Grenchen und Staad der Därte n. 8 Und zwar unterscheidet man der chlịịn und der groß Därte n. Ein Stück heißt der Witidärte n. Bis zur Versteigerung ums Jahr 1848 hatten Altricher und Grenchener das Recht, das Gras der beiden Därten alljährlich vor der Heuernte in sechs großen Zügen zu mähen. Vormals besaß dieses Recht der Weibel von Grenchen, welcher zum Mähen die größten Mähder mit den denkbar längsten Sensenwörben anstellte. Nun bedeckt der kleine Därten das 6 Zoll bis 1 Fuß tiefer liegende und 3 bis 4 Fuß mächtige Bett der Römerstraße. Dieses ist hier aus sandigem Kalkgetrümm und tuffartigen Massen, wie die benachbarten Bäche sie bieten, gebaut. Weit besser ist das Material der durchschnittlich bei 8 Fuß tiefer liegenden Straßenfläche am großen Därten. Es stammt aus einem anliegenden, uralten, wohl bei 20 Fuß tief gewesenen, aber wegen Überschwemmung aufgegebenen Geröllager: einer Griengruebe n also, welche «heute» (1854) als Lacke n einen herrenlosen Sumpf bildet. Die Mischung von Geröll und Erde ist aber stellenweise bloß in die Dammerde eingeknetet, ohne ein festes Stäi nbett zu bilden. Für Solidität sorgte dagegen die bisweilen mehr als 7 Fuß hohe Aufbettung von Ton-, Pflanzen- und Moorerde.

84 Dieses Straßenstück ist also uralt, während das 8 Fuß höhere unter dem kleinen Därten in Übung blieb bis 1375, in welchem Jahre die von den Bernern verjagten Gugler (s. im Kriegskapitel) zur Deckung ihrer Flucht die Altreubrücke hinter sich verbrannten. Dieses Altreu, Altri, Alta ripa («Hochufer») aber bildete eine Erhöhung mitten in der Aarebene und deckte für das hier errichtete römische Castrum den Übergang über die Aare. Dieser Fluß schwemmte jedoch allmählich das halbe Festungswerk weg und vernichtete auch die dazu gehörige Kornkammer, welche in üblicher Weise aufs sorgfältigste in die Erde eingebaut war, und deren Boden zu Altreu etwa 3¾ Fuß unter dem mittlern, ¾ bis 1 Fuß unter dem tiefsten Wasserstande lag.

Nun stunden 1854 die verbrannten Pfahlspitzen der 1375 zerstörten Altreubrücke etwa 2½ Fuß tiefer als der tiefste Wasserstand, dessen sich Professor Hugi erinnern konnte. Zugleich aber beobachtete dieser Forscher, wie die Aare hier ihr altes Bett verlassen hatte, von der Emmenmündung an mehr rechts durch den Schachen floß und erst unterhalb Wangen wieder d’s altne n G’leus aufnahm. Der Emmenschutt häufte sich eben an, engte den Aarelauf ein und drängte ihn nordwärts ab aus dem Gebiet der Molasse in das des obern Jurakalkes. Da aber die Kalkfelsen ob Attisholz ihm wehrten, sich tiefer einzufressen, sprengten die zornigen Wassergeister ihre Fesseln und rächten sich durch Überflutungen wit über Sollo̥du̦u̦rn ụu̦chḁ. Erst nach langem probiere n gelang ein Durchbrechen des Kalkgebiets, so daß die Wasser auch hiena̦chḁ Sollodurn wieder sanken. Allein die Emme setzte immer wieder ihre Schuttkegel an und brachte bloß innert der Jahre 1570 und 1799 37 fürchterliche Überschwemmungen. 9 Der träge Lauf der untern Aare hinwieder überflutete die ausgeglättete Ebene neuerdings mit Schlamm, mit Ton und Feinsand, und we nn mḁ n ’nḁ ḁ lsó la̦a̦t mache n, «kann er in Jahrhunderten für die Landeskultur zum verheerenden Gespenste werden.»

Solche Überflutungen, mitunter ganz schwach und oft kaum bemerkbar, haben das Gebiet der untern Aare im Lauf der Jahrhunderte in so hohem Maße gehoben, wie der Unterschied der beiden Därten es augenfällig zeigt.

Deuten hier zwei Humuslagen auf zwei (nur nicht periodisierbare) Zeiten der Überschwemmungen und des trockenen Tiefstandes, so lassen sich an den verschiedenen Grienschichten des Römerstraßenstücks zwischen Gampelen und Gụ́derfịị ( Cudrefin) nicht weniger als sieben Überflutungen nachweisen. 10

85 Das Seeland der Westschweiz ist eben noch in ganz anderem Maße als das untere Aaregebiet verheerenden Wasserzuführungen ausgesetzt. Das zeigt schon Kochers Nachweis, 11 daß, wenn das Aarebett seit fünf Jahrhunderten bei Altreu drei Fuß gestiegen ist, es sich bei Lyß wohl um 20 Fuß gehoben hat. 12 Zwei Meter unter dem Boden aber entdeckte Dr. Schneider in seinem Vaterhause zu Meie nried ein Ampeli und andere Zeugen einer römischen Feuerstätte. 13 Wie viel mehr aber noch besagen die seit Jahrzehnten bis heute aus dem Lättbode n unter und zwischen den Torflagern ausgegrabenen Stöcke und Stämme großer Äiche n!

Die Gründe einer viel mächtigern Überflutung des Seelandes liegen auf der Hand. Was für das untere Aaregebiet die Stauung durch Kalkfelsen, bedeutet im Seeland der plötzliche Gefällsbruch beim Eintritt aus den Gehängen in die Ebene, anläßlich welcher äußerst zahlreiche Bäche und Flüsse massenhaftes Geschiebe teils löö n lịgge n, teils Strecken weit vor sich herwälzen.

Äußerst lebhaft, ja heftig stürzen zumal aus dem waadtländischen Jura eine Reihe Bäche talwärts, um dafür auch farbige Namen abzubekommen, wie Jaccard deren vorführt: d’s Tụ̈ụ̈feli ( la Diablaz), d’s Häxli ( la Vaudaisaz), 14 der Nụ̈ụ̈dnu̦tz ( la Niocaz, la nigaude), der Spötter, der die Nachgeahmten veranteret ( la Gabière). 15 Energisch ziehen die Rua, Rue ihre Fu̦u̦re n (Furchen, rugas), welche sie da und dort als Chaval, Chavalet zu einer Hü̦li (Höhlung, cava) erweitern. Dieser Crau, Croset, Creusier schaabt (vgl. creux, crosus, corrosus aus corrodere), und La Rogne, Rogneuse g’naagt. So kommt es bis zur Schluecht: der Rija, der keltischen rhig, der in Rịịhe nbach («Reichenbach») und Rịịhe nstei n verewigten altdeutschen rîhe, sowie dem zu secare, seyer, seihi (tief einschneiden) stellbaren Seyon Neuenburgs. 16

Das solchergestalt gegrabene Bett ( bedum, Bied, bief) 17 des kindlichen Flusses führt als Schwarzwasser ( Noiraigue, Neiraigue, Neirivue, als altiberische dub («Dinte»), Doubs 18 oder als die lehmige Rot ( Aiguerosse, Rozaigue, Rougève, Rogive, Rogivue) allerlei Gemengsel mit, wenn es nicht als Wịßbach ( Albeuve, Erbivue, Erbogne, Aubonne) 19 auf seinem «glesige n Rügge n» 20 die Morgensonne sich hell abspiegeln läßt.

Studie von Anker

86 Wie sehr hängen aber diese Bächlein und Bäche von der Witterung ab! Als Raraigue können sie eben noch einen Wasserfaden ( fil, Fille, Fillinaz, Fiolet 21 usw.) darstellen, ja als Sécheron völlig ịị ntrochchne n, um gleich beim ersten Gewitterregen das Achtzigfache ihres Durchschnittsmaßes zu Tal zu senden. So ergossen die Brue̥ije n und die kleine Glane bei niedrigem Wasserstand kaum 1000, bei hohem aber bis 24,000 Kubikfuß in den Murtensee; die Aarberger Aare bewegte sich zwischen 2100 und 39,500. 22

Wie stellen es nun die Flüsse an — wi e nehme n si ’s fü̦ü̦r? —, um so gewaltige Wassermengen durch die plötzlich angetretene Niederung zu wälzen? Sie machen (gleich all den mäanderartig krummen Orbe) Chrümm (Chrümp). Die Fluren im Chrumme n, Chrummenacher bei Studen, Schwadernau, Walperswil können ebenso erklärt werden, falls nicht etwa ein wortverwandter Name für Weideverschlag 23 dahinter steckt. Am untern Teil der Ortschaft Meinisberg machte die Zihl plötzlich eine Wendung nach Süden und gelangte so von der linken Talseite (dem Bü̦tte nbärg entlang) an die rechte (bei Büren), um hier fast rechtwinklig ( im Winkel, im Sänkel) in 87 die Aare zu fallen. Sie bildete damit — unweit der Hẹll — das Häftli 24 oder das Hägni, das Hägnifäll d. Gleicherweise lautet der mundartliche Name für Hagneck («Hageneck»): Hagni ( S. 3). Der Name ist berühmt geworden durch den Hagneckkanal. Ebenso wurde durch die Korrektion der Lauf der Zi̦hl oberhalb St. Johannsen durch Abschneiden des Gri̦ssḁch-Chrumm (Chrump) von 5000 aus 3000 m eingekürzt, der Lauf der Brue̥ije n zwischen Sugy und La Sauge ( Fäälbạum) von 22,000 auf 17,000 m. So stark het mḁ n vergreederet. Noch aber zeigt eine Stelle unweit des Neuhof einen besonders starken Bogen des Flusses.

Wie nun erst bei der Einmündung des stürmisch «rauschenden Flusses»: der Sar-ona, Sarine oder San-ona, 25 Saane in den keltisch par excellence so geheißenen «Fluß»: die Aar (410: Ara, 1234: Hara, 1271: Ar neben Arula 343, Arola 598, Arar 778, 1235! 26 )

Nun veranschauliche man sich weiterhin auf der Reliefkarte den gewaltigen Erguß der so reich vermehrten Aare in die Niederung zwischen Aarberg und Bargen, die Ablagerung des wenigstens 3 km langen, mitgewälzten Schuttkegels in die Fläche zwischen Aarberg und Walpe̥rtswil, und das Umwenden des Flusses gegen Büren und Solothurn! 27 Bis Dotzigen fiel die des Schuttes entledigte Aare neuerdings um 1¼ ‰, dann aber fast plötzlich nur noch um 0,07 und unterhalb Meyenried bloß um 0,04 ‰. So konnte hier die Aare oft höher stehen als der Neuenburger- und Bielersee. 28

An das untere Ende des letztern aber wälzte die bei Bözingen so plötzlich sich wendende Schụ̈ụ̈ß ( S. 28) ebenfalls einen Schuttkegel, der bis an den Bü̦tte nbärg reichte und das von Mett bis Lengnau reichende Pieterle nmoos zu bilden vermochte, welches nun mittelst der Lengenḁ ch entwässert wird. Dank diesem Schuttkegel der Schüß fand die dem Bielersee entfließende Zi̦hl ebenfalls beinahe kein Gefälle bis Brügg, dann aber plötzlich ein sehr starkes bis zur fast senkrechten Umbiegung gegen Meyenried, wo sie ihr Wasser und Geschiebe mit dem der Aare vereinigte. So wälzten, gleichsam alle Augenblicke des «Stuehlgangs» entbehrend und verstopft, die trägen Massen sich bis Altreu hin. Ein Querdamm von bloß 24 m über dem mittlern Aarestand bei Solothurn hätte die ganze 110 km lange Ebene bis Peterlingen und Entreroches in einen See verwandelt. 29 Der Neue nburgersee̥, welcher sich bei niedrigstem Stande 59,35 und bei höchstem 61,35 m über dem Durchschnittsstand des Genfersees (375 m) erhob, 30 hätte also seinen 88 bemerkenswerten Einfluß auf die zwei kleinern Seen verloren. Der besteht noch jetzt 1. darin, daß der normal 2 m höhere Murte nsee̥ bei großem Hochwasserstand der Broye seinen Abfluß vom Neuenburgersee zurückempfängt: es isch, wi wenn d’Brue̥ijen obsig lief ( S. 93); und daß 2., wenn der Neue nburgersee̥ e n Zoll stịgt, der Bielersee̥ e n Fueß höo̥cher chunnt, was bereits innert 24 Stunden der Fall sein kann.

Die höchst verschiedene Gefälleverteilung gab nun aber das Unheil der Überschwemmungen verschiedener Gebiete zu verschiedenen Zeiten in bisweilen furchtbarer Ausgiebigkeit zu kosten.

 
1  Quellen dieses Versumpfungs- und Entsumpfungskapitels: die im Literaturverzeichnis aufgeführten Werke Bähl., Fr. Schr., Gespr., Schn. u. a.; dann die hier ein für allemal genannten Zeitungen und Broschüren, welche von Herrn Architekt Schneider in Bern, Sohn von Dr. Schneider, pietätvoll gesammelt wurden und sorglichst verwahrt werden: Basl. Nachr. 1904, 288; 1908, 292; Sonnt. Bl. 1907, 3; 1908, 41. 43. Bern. Tagbl. 1902, 538; 1908, 496. Bern. Tagw. 1908, 233. 248. Biel. Tagbl. 1908, 248. Bund 1906, 567; 1907, 36; 1908, 496; 1909, 495; 1911, 313. Bundeskal. 1881, 166 bis 172. Démocr. 1908, 9602. Emmenth. Bl. 1908, 85. Emm. Nachr. 1907, 8. Fortbildungssch. 1893, 7. Fürs Schweizerh. 1904, 52. Gaz. de Laus. 1881, 163. 164. Handels-Cour. 1903, 78. 214. 219; 1906, 307; 1907, 18; 1908, 242. 247. 248. N. Hausfr. 1904, 4; 1907, 20. Hink. Bot 1901. Intell.-Bl. 1905. 12; 1906, 332; 1907. 184; 1908, 79. 291. J. de Genève 1908, 223. Oberaargauer 1855, 97. Schwz.-Bauer 1904, 57. 94; 1905, 4. 97; 1906, 99; 1907. 7; 1908, 83-85. Kal. 1906, 103-8. Schwz.-Fam. 1908. 4. N. Sol. Woch. (s. a. Literaturverz.) 1911, 35-44 mit der wertvollen Korresp. zw. Schneider und Amiet und derj. zw. Schneider und Hugi. N. Zürch. Ztg. 1904, 208. 209. — Antw. v. G. Bridel an Delarageaz, Soloth. 1866. Correct. d. eaux du Jura p. Delarageaz, Laus. 1866. Eur. Wanderb. 204/5. A. Kocher, gew. Obering. d. K. Bern: Die Versumpfung des Seelandes durch Ochsenbein und die Entsumpfung desselben durch La Nicca, Bern 1865. Observ. s. la correct. d. eaux du Jura, p. La Nîcca, Berne, 1866. Dr. Schneiders Vortrag vor d. Vorbereitungs­gesellschaft (s.u.) am 28. Sept. 1871. Dess. Bericht an den bern. Reg.-Rat vom 30. Sept. 1871. Fritz Schumacher von Brüttelen: Karl Koch (Bern. 1906), S. 89-101. Ber. d. schwz. Dep. d. Innern betr. d. Wasserstand d. Juraseen im Frühj. 1888. Trop tard, p. Ph. Suchard père, Neuch., 1880. Außer der Anvertrauung all dieser Literatur verdanken wir Herrn Architekt Schneider, sowie seinen Schwestern, Fräulein Johanna und Ida Schneider, Vorsteherinnen einer Mädchenpension an der Effingerstraße in Bern, wertvolle mündliche Mitteilungen.   2   Brid. 348 nach Saussure’s Voyages dans les Alps.   3   Schn. 67.   4   Fr. Schr. 561.   5  Vater des Pfarrers in Arch und Großvater des Geologie-Professors in Bern, sowie des Pfarrers und Entomologen in Gottstatt. Den edelsinnigen Forscher kennzeichnet der Schluß des Briefes vom 24. März 1854 an Dr. Schneider, der ihn um seine Rechnung gebeten hatte: Für mich nehme ich nichts; und wenn ich Ihnen ferner dienen kann, wird es mich sehr freuen. Er anerbot überhaupt kräftige Milhülfe am Korrektionswerk. Vgl. seine Gletscherforschungen Gw. 50 ff.   6  An Hand des NSW. 1911, 337 ff.   7  S. in «Twann».   8  Svw. langgestreckter Streifen, verwandt mit frz. dard (Stachel, Spieß).   9  Man lese Schn. 37. Vgl. Lf. 55 ff.   10  Nach a. RR. Scheurer.   11  Koch. 55.   12  Vgl. Schwzfd. 1817, 34.   13   Schn. 80.   14  Es ist an die Waldenser als Ketzer, dann als Hexen gedacht; vgl. das Bildungskapitel in «Twann».   15   Jacc. 181. 202. 307. 492.   16   Jacc. 435.   17  Ebd. 137.   18  Ebd. 137.   19  Ebd. 17.   20  R. v. Tavel, Lombach 108.   21  Ebd. 543.   22   Schn. 65.   23   Gb. 270.   24  Vgl. Gb. 423. 456.   25  Nach Jacc. 414 f.   26  Ebd. 1. 14.   27   Schn. 78.   28   Schn. 84.   29   Schn. 66.   30   Schn. 67.  
 

Überschwemmungschronik.

Als nacheiszeitlicher Stausee 1 breitete sich von Entreroches bis Altreu der große eine Seelandsee. Allein die Schuttkegel, welche die Orbe gegen Iferte n, die Brue̥ije n gegen Wiflisburg, die Aar gegen Chḁllnach, Si̦i̦sele n und Solothurn hin wälzten, sowie die Vertorfung ( S. 103 ff.) der angrenzenden Sümpfe verkleinerten die Seefläche. Indem jedoch die Aareschuttmassen über die Flächen von Ägerten und Stude n sich festsetzten, gerieten sie in das Zihlbett hinein, was den einen Flußarm vollständig verstopfte, den andern in seiner Sohle um mehrere Fuß erhöhte. So floß die Zi̦hl in den Bielersee zurück, anstatt u̦s ĭhm ụsḁ. Es gab in den Jahren 350 bis 650 einen neuen, zusammenhängenden See von Orbe bis Biel und von Wiflis̆burg bis Walpe̥rtswil. In Wiflisburg drang das Wasser unter der alten Kirche durch bis in die Grüfte der Bischöfe, was im Jahre 581 das zü̦ü̦gle des Bischofs nach Lausanne veranlaßte. Noch heutige Anzeichen 2 deuten darauf, daß auch der Neuenburgersee damals vom Chamblon bis unterhalb Zihlbrügg reichte, und der Bielersee von St. Johannsen bis zum Pfeidwald bei Brügg. Ja, ein Übergreifen dieses Sees nach Osten und zeitweilige Abschnürung eines eigenen Hagneck-Epsach-Sees, sowie sogar eines Brüttele nseeli, 3 die allerdings immer nur dünn (seicht) gewesen sein können, wird durch die tiefen Mööser dieser Striche bewiesen. Als einzige menschliche Wohnung in der angrenzenden Moorwüste erscheint lange Zeit die Karnaalmühlli (s. u.). Aber die war zu Zeiten völlig isoliert. So hat 1663 ein Inser wegen des Wassers nit zu der Canalmühli mögen. 4

Aus Siselen

90 Aus solch schwankender Abgrenzung der Seen ( S. 47) erklärt sich die Volksvorstellung von deren unterirdischem Zusammenhang. 5 Eine Idee, die übrigens keineswegs us dem Tierbuech isch.

Jahrhunderte hindurch schweigend, versetzt uns die Geschichte mit einem Mal ins Jahr 1318, wo Solothurn in bekannter Weise der Belagerung entging. Die Aare war bis zu dieser Stadt zurückgestaut worden durch die Emme, die schon damals ihre Herrschaft als «Eggiwylfuehrmḁ n» 6 ausübte, wenn auch das Treiben der einstigen «Schächler» 7 sie erst nachmals zu ihren fürchterlichsten Ausbrüchen ( S. 84) reizte.

Die große Überflutung von Dotzige n im Jahre 1440 war nur ein Vorspiel derjenigen von Peter und Paul 1473, wo ein Wolkenbruch die Brücken von Bụ̈üre n, A arbä̆rg und Laupe n fortriß. Am 6. August 1480 aber häi n d’Lüt ob Sollo̥durn müeßen uf Bäüm u nd Hu̦u̦ble n ụụchḁ flieh n. Am nämlichen Tage wurden die Priester Berns beordert, mit Sakramenten die Aare zu beschwichtigen. 8 1550 lag Nidau etliche Wochen lang im Wasser, 9 und 1579 het der Pfar rer vo n Nidau müeßen uf eme n Schiffli z’Bredig fahre n.

1634 zeigte der Bielersee am Wassertoor z’Neue nstadt einen Stand, der den höchsten des 19. Jahrhunderts noch um 36 cm übertraf. So kam es zur Ablagerung mächtiger Geschiebe namentlich zwischen Aarberg und Dotzigen, welche auch die Gegenden von Schụ̈ụ̈re n, Schwadernau, Stụụde n, Ägerte n in beständige Überschwemmungs­gefahr setzten. Das veranlaßte in diesem Bereich eine Reihe Sicherstellungen von Wasserwerken, die doch nur ein Leben vo n der Han͜d i n d’s Mụụl bedeuteten. Um 1560 flüchteten sich die seit längerer Zeit in Gottstatt betriebenen Mühlline n und Walkine n nach Zi̦hliwịl und von da nach Brügg, sonderbarerweise aber um 1666 die Mühlen von Altreu an die Zihl nach Schụ̈ụ̈re n. 10 Die letztern taten dies, weil Solothurn seine Schanzen und seinen Spital in die Aare hinaus gebaut und dem also gestauten Fluß jeglichen Zug genommen hatte: ein klassisches Versumpfungswerk.

Es nahte die Mitte des 17. Jahrhunderts mit seiner furchtbaren Jahresreihe 1649 bis 1652. Gleich am Neujahr 1649 ist, wie Predikant Forer in Aarberg berichtet, angehender nacht der Aarenfluß vom nüntägigen Rägenwätter vnd windt also vnd dermaßen groß vnd hoch angloffen, daß das waßer die ysernen ring an den Jöcheren vnder der oberen Brugg Ein schuh hatt überstigen vnd synen vil In den pfruontboumgarten kommen. Am 6. Juni wiederholte sich die schädliche wunderliche Wassergröße der Aaren. Was mehr weder ein guter werckschuh 91 höher als die letzte. Man hat obenuß alles vych vß den Schüwren salvieren, Im Siechenhuß vß den vnderen gmachen In die oberen fliechen müßen und allenthalben der orten mit schiffen vnd weydligen über die Zühn fahren können. Ist gsin ein ellend vnd Jammer.

Im Jän ner 1651 ist währe nt drei Tage n vo n Nidau dänne n bis ga̦ n Sollo̥durn achḁ äi n See̥ gsi̦i̦ n. So stand denn auch in Aarberg die Aare am 2. bis 6. Januar eines ziligen (kleinen) halben Schuchs hoch. Am 2. November des nämlichen Jahres erreichte sie daselbst infolge einer Schneeschmelze beinahe den Boden der un͜dere n Brügg. Am nämlichen Tag gieng gegenüber der Leimere n ein Schiff unter, das aus dem Oberland 136 Zentner Eisen nach Brugg führen sollte. Gleich Tags darauf hat die noch steigende Wassergröße das annoch vnabgetröschne Korn In ettlichen Schüwrenwölben (?) bach-naß gemacht vnd vermuhret (g’macht vermụụdere n), nit wenig fruchtbare schöne böüm ellendigelich entwurzlet, häg vnd zühn verführt und zerbrochen, den mist ( reverenter) entckrefftiget vnd entsetzt, alle vor der oberen Brugg vß stehende Schüwren Inwendig verwüstet, fünfzig vnd nün schaaf, Ein Impp (Imbt), zwölf stuck Rindtvychs samt einem bock ( reverenter) vnd Krämer- Esel cläglich ertrenckt, vberige fahrhaab aber mit angst vnd noot, kümmerlich errettet worden. Dann Burgerschaft vnd Schifflüt voll vnd toll gsin vndt miner Wahrnung nit gevolget, da namlich Ich Ihnen by der abdanckung vmb die Siben zuvor trüwhertzig anghalten, man söllte Ihmm selber (sich selbst) mit dem trunck schonen vnd das streng Rägenwätter wol ynbilden (sich in seiner Tragweite vergegenwärtigen), vff daß, wann es In der nacht noot thüy, Jedermänigelich einanderen z’troost kommen könne. Wär also (bei solchem Verhalten) kein einziges höüptlin nit zgrund gegangen Im fall Sie mir gevolget hätten.

Neue Verheerungen richtete die Aare 1718 und 1721 zwischen Büren und Worben, 1722 zu Dotzigen und Büetigen an. 1776 wurden zu Dotzigen drụ̈tụụsig Jụche̥rte n überschwemmt. 11 Meie nried erlebte fürchterliche Hochwasser 1801 und besonders 1816, in welchem traurigen Jahr die ganze Gegend zwischen Entreroches und Solothurn wieder unter Wasser lag. Da drang die 21 Fuß und 8 Zoll zu hohe Flut der Zihl und Aare zu Meyenried in die Wohnstuben, umspülte die Bettstatten der noch Schlafenden, schwemmte das Heu von den Wiesen, verderbte Fruchtbäume und Reben, schwemmte in gewohnter Weise die gute Erde weg, während sie an deren Platz Sand oder Schlamm hinbreitete. So wịt d’Aar isch cho n z’flu̦u̦dere n un d ụụsḁg’heit 92 isch, het di schlammigi Anke nmilch d’s Land ersäüft und ruiniert. 12 Der äint het der an͜der müeße n tra̦a̦ge n.

So auch in der Gegend des jetzigen Bahnhofs zu Ins. Dieser Ort erhielt am 31. Januar 1817 von der Bettagssteuer für bedürftige Wasserbeschädigte 1427 Franken; ein weiterer Drittel blieb für nachträglichen Ausgleich im Schloß. 13

Selbstverständlich war von einem e ntscheedne n mittelst solcher Beträge keine Rede. Andernorts aber het’s gar nụ̈ụ̈t ’gee n, so wenig wie 1802 in Tüscherz-Alfermee, wo die Überschwemmung einen Schaden von 10,639 L. angerichtet hatte. Da̦ isch der Staat z’arm g’sii n, öppis z’gee n. 14 Gegenteils kamen nicht wenige Bauernfamilien um den letzten Rappen des Ertrags ihres sauren Schweißes und wurden zur Auswanderung getrieben; 15 so ein älterer Mann mit sechs starken Söhnen. Die Katastrophe von 1828 s. unten. 1830 zählte man innert 84 Jahren 39 Überschwemmungen. 16 Am 7. August 1851 ertrank Jean Samuel Zigerli zu Ligerz im eigenen Hause, indem er die vom Hochgewitterregen eingestoßene Haustüre festhalten wollte. Es gibt dies einen Begriff von der Wassernot dieses Jahres, welche der «Seeländerbote» vom 5. August 1851 ergreifend schilderte.

Die ganzi Ebeni von A arbeerg dänne n bis ga̦ n Bụ̈re n u nd ga̦ n Sollo̥durn achḁ isch ä́i n enzige r See̥. Öppḁ zeeche n Minute n obe nfü̦ü̦r Arbeerg het si ch d’Aar dü̦rḁg’frässe n; d’Lüt, wo vo n allne n Sịte n sị n cho n häḷffe n, häi n’s nid mögen erwehre n. Vo n der Brügg z’Arbeerg bis i n d’s Dorf Barge n isch nid äi ns Hụụs ganz ’bli̦i̦be n. D’Stra̦ße n vo n Arbeerg gḁ n Murte n und gḁ n Biel si n a n män’gem Ort ganz ụusg’frässe n. A n păr Hụ̈ụ̈ser si n d’Fundament un͜derwä́sche n, un d i n äim lạuft d’Wasser dü̦r ch d’s Tenn dü̦ü̦rḁ, das s es iez nummḁ n no ch e n täüffe r Graben isch. Vo n Büel bis Arbeerg het mḁ n z’dür che nwägg Lüt g’seh n mit dem halbe n Lịịb im Wasser sta̦h n, für das g’määite n G’wächs (Getreide) us dem Dräck ụụsḁ z’zieh n. Das, wo no ch isch g’stan͜de n g’si̦i̦ n, ist wi mit der Troole (Walze n) i’ n Booden ihḁ ’drückt. Vill Hördöpfelblätze n si nd verruiniert. Chappele n, Worben u nd Stụụde n si n förchterlig heerg’noo̥ n worte n, aber Schwadernau, Schụ̈ụ̈re n u nd Meie nried, we nn’s mü̦gli ch ist, no ch vịịl herter. Zwüsche n Gränche n u nd Sollo̥durn isch alls under Wasser.

In Safnere n, erzählt der 91-jährige Fischer Lieni Hans zu Ägerten, stieß man mit dem äußersten Handgriff der Schalte n auf ein Getreidefeld. In Un͜derworben aber fuhr man mit dem Weidli g 93 vor das Stubenfenster der Frụtschi-Mueter, der das Wasser bereits der Stube nbode n g’lü̦pft g’haa n het, um sie und ihre in die Bettstatt geflüchteten Ziegen zu befreien.

1856 ist d’s Wasser i n d’s Stedtli Erlḁch ịchḁ g’lü̦ffe n. Die zwischen Neuenburg und Murten kursierenden Dampfschiffe schlugen der grad Weeg ịị n, statt dem Lauf der Broye zu folgen. Die sehr ni̦i̦dere n und dazu ( S. 86) stark geschlängelten Ufer dieses Flusses, der zwischen Murten- und Neuenburgersee höchstens um einen Fuß fallt, waren immer sehr bald überflutet. Das überschwemmte Land wurde wie schwummig und ist nach dem Ablauf der Gewässer z’seeme n­g’schmu̦u̦ret, während Fluß und Seebett durch Geschiebe sich erhöhten. 17 In solchen Jahren wurde das im großen Moos gesammelte und heimgefahrene Heu bis uf d’Läitere n der Wagen von Sumpfwasser durchnäßt und mußte zu Hause neuerdings ’tröchchnet werden. Die solcher Fahrten noch ungewohnten Stiere n (Ochsen) wurden mit Gewalt dü̦ü̦r chg’schläikt. Die sie führenden Buben aber hatten sich mit Vergnügen der Hosen entledigt, um nach vollbrachtem Fuhrmannsdienst dem Fischen in den Gieße n des eben durchfahrnen Moors obzuliegen. 18

Da konnten sich auch Szenen wiederholen, wie die von 1870. Vo n den u̦sseriste n Hụ̈ụ̈ser z’Gamplen isch man im Wäidlig ga̦ n Neue nburg g’fahre n. I n mene n Husgang het mḁn e n Hecht g’fange n, wi früecher äinist im Schuelhụụs z’Witzwil. Aber dört ist no ch n es lustigers̆ Stücki passiert. Däm G’husma n i n dér Hütte n, Schnịịder het er g’häiße n, het der Wäibel solle n ga̦ n pfände n. Aber weege’m Wasser het er nid zum Hụụs zu̦cha chönne n. Är het sị’r Pflicht gemäß dem Schuldner g’rüeft, är söll choo̥ n. Aber dä het richtig zum B’schäid g’gee n: Chumm du zu mier, we nn d’öppis vo n mme̥r wi lltt, i ch ha n mit dier nụ̈ụ̈d! U nd der Wäibel het richtig müeßen umchehre n, ohni öppis chönnen ụụszrichte n. Es war dies im nämlichen Jahr 1870, wo Eisenbahnzüge wegen Überflutung nicht fahren konnten, und wo auch zu mancher Wohnung jeglicher Weg ist verhạue n gsi̦i̦ n (versperrt; vgl. das Verhau).

Den Übergang von heiteren Episoden zum düsteren Grundzug unserer Chronik bildet die Notiz, daß auch 1888 d’Aar ụụsg’heit ist und einen Kumédiwa̦a̦gen umwarf, der bewohnt war.

Am 17. bis 19. Januar 1910 und wieder im Sommer des nämlichen Jahres gaben der noch nicht korrigierte solothurnische Teil der Aare 19 und die damals noch nicht richtig funktionierende Nidauerschläüse n, welche in dem launassen Winter und Sommer mit all der an ihr geübten «Pegelei» dem Wasser nid isch Mäister worte n, 94 zum vorletzten Mal dem Seeland die alten Überschwemmungsnöte zu kosten. Die in verschiedenen Dörfern aufgebotenen und für ganze Nä̆chte uf’s Bigeet ( piquet) g’stellti Fụ̈ụ̈rwehr vermochte nicht, das Eindringen der Fluten bis in die Häuser zu verhindern. Der unerschöpfliche Seeländerhumor, welcher doch bereits durch ein schlimmes Weinfehljahr auf eine harte Probe gestellt war, tröstete sich über den Schaden von ere n Mil lione n mit dem Hinweis: He nu, so het ma n doch iez ämmel Wasser im Chäller, we nn nid Wịị n. Ein fragloses Glück im Unglück aber war dem Landwirt beschert: Das het d’Mụ̈ụ̈s im Bode n schön ’butzt!

Eitel Kummer, Sorge und Not waltete in diesem Sommer 1910, wie in geringerm Maß auch scho n sü̦st, über dem neuen Landgut Seewịl zwischen Vinelz und Lüscherz.

Aber selbst das durch den neuen Däntsch gesichert geglaubte Hagneckmoos wurde noch am 14. Juni 1912 von einem Aareeinbruch überflutet, dessen Höhe die von 1910 um mehr als einen Meter übertraf. Auch das Epsḁ chmoss geriet zu beiden Seiten des Kanals unter die gelben Wogen, welche auf weite Strecken jegliche Kultur vernichteten. Hier vermochten nicht einmal die durch Sturmglocken aufgebotenen Fụ̈ụ̈rwehre n, welche gleich den Zugpferden chnäütäüff im Wasser stunden, die Wasser in ihr Bett zurückzudrängen. Man mußte sie sich selbst verlaufen lassen.

Je und je richtete auch die Saane n Unheil an. Sie floß 1632 teilweise links der altberühmten Gü̦mmene nbrü̦gg, 1673 in einem drị̆ß’g Schritt breiten Bett durch die Äcker von Laupe n. Schwel line n von 800 Schritt Länge und 30 bis 40 Schritt Breite riß sie weg. In der alten Amtsschriiberei stand das Wasser sächs Schueh höo̥ch. Es reichte bis Chlịị ngü̦mmene n.

Da mußten alle Gemeinden von Bümpliz bis Wiflisburg Fuhrungen leisten: en iedere r Bụụre nhof zweu Roß und 1 bis 2 Mann. — In Laupen aber wanderte alles aus bis auf fünfzig Familien. Die blieben so arm, daß sie nid e nma̦l der Brügge nzoll häi n chönne n zahle n (oder b’săle n, wie man dort herum sagt). Der Unterhalt der Laupener Brücke ward deshalb vertschööderlet (liederlich vernachlässigt). So konnte es geschehen, daß 1743 e n Gụtsche n mit sannt dem Gụtscher u nd vier Roß ịị n’broche n ist und in die Saane fiel. Die ruinierten Wälder boten vorderhand nicht einmal Holz zu einer neuen Brücke. Die Regierung erbot sich, e̥s Fahr einzurichten. — Auch die Überschwemmung von 1852 verwandelte Gümmenen in eine Wüste. 20

 
1   Favre im Arch. phys. Genève, 15. Dez. 1883.   2   Schn. 34.   3   Schn. 32.   4   Chorg.   5  Vgl. Gw. 46.   6   Lf. 55 ff.   7   Lf. 57-61.   8   Till. 514.   9   Schn. 38.   10   Schn. 38.   11   Schwell. 35.   12  Vgl. die Versumpfungsnot Lg. 111-113.   13   Probst 111.   14   Probst 130.   15   Schn. G. 6.   16  Ebd 5; Lg. 112.   17   Schwell. 36.   18  Fritz Stucki.   19  Sch. 89; a. RR. Scheurer   20   Lüthi G.  
 

 

Moor und Moos als ursprünglicher Sumpf.

I.

Wer nach einer der fürchterlichen Überschwemmungen etwa vo n der Gästlere n oder vom Gästler (Chasseral) aus morgenwärts blickte, hatte zu Füßen die ganze Jurakette entlang und vor sich bis an den Nordrand der Alpen äi ns e’nzigs Meer. 1 Dies «Meer» war Moor, sachlich wie sprachlich genommen. Das mit lat. măre und franz. mer urverwandte « mâr» mit dessen hochdeutscher Ablautform Muor und der von uns entlehnten niederdeutschen Form «Moor» 2 soll, ganz wie «See» ( S. 76), den 3 Ursinn eines trüben, schlammigen Gewässers haben. Enger abgegrenzt, bedeutet «Moor» das im Verlanden ( S. 103 ff.) begriffene Wasser in seinem Mittelzustand von halb Wasser u nd halb Heert. Die Verlandung vollzieht sich aber am augenfälligsten mittelst der Moosgewächse im Sinn des lat. muscus, frz. mousse, germ. « mussa», und der alemannischen Ablautform von Moos: der und das mies, das Miesch. 4 So erklärt sich der Übergang des Begriffs von Moor in den von Moos: 5 das von Miesch gänzlich differenzierte schriftdeutsche Wort geht mit neuer Bedeutung in den schweizerischen Sprachschatz über. Der Vorgang erinnert an die Begriffsverschiebung von «Ried». 6

Solches Ried (s. u.) gehört neben Wald. Weide, Wiese und Ackerland zum Gut eines größern Gebirgsbauern; und ähnlich besitzt z. B. ein Inser Bauer Ackerland, Wiese, Feld, Wald und Moos, in Müntschemier: Moo̥s. Auch der Staat Bern besitzt im Seeland Moos: eben Staatsmoos (s. u.). Ja, das Moos wird dem übrigen Landbesitz als einer zweiten Einheit gegenüber gestellt (vgl. «d’s guet Land»). 7

Die vormalige Unbewohntheit des Mooses und seine Entfernung von den Wohnungen der Besitzer führten von selbst zu zahlreichen Teilbezeichnungen wie Großhubel-, Stiere nhubel-, Band-, Muttli-, Reusche̥lz-, Wäid-, Heu-, Ziegel-, Chloster-, Lü̦schi (s̆s̆)-, Un͜der- und Ober-, Feisterhénner-, Groß-, Figeli-, Neu- (1754), Else n-, Tschiggis- (1648, 1776) usw. -Moos oder -Möösli, Mü̦ü̦sli (Lü.). Das letztere speist die Dorfbrunnen von Lüscherz. Die Mehrzahl Mööser lautete 1335 «Müser» (vgl. das Guggisberger Mü̦̆sli).

96 Als kommunaler oder privater Besitz, der in anstoßende Gemeindebänne übergreift, erscheinen das Ins- oder Eiß-, Vinelz-, Gampele n-, Erlach-, Brüttele n-, Geese rz-, Grissḁch-, Gals-. Chloster-, Barge n- usw. -Moos. Die Namen Brüttele n- und Hagneck-Moos haben, wie Epsḁ ch-, Brügg-, Mádrätsch- oder Maade̥rịtsch-Moos, neben dieser örtlichen und rechtlichen noch eine physikalische Bedeutung: es wird durch sie auf Isoliertheit der Moosstücke hingewiesen. Ein Blick auf die Moorkarte der Schweiz von Früh und Schröter lehrt jedoch, wie im Gegensatze zur Zersplitterung des übrigen schweizerischen Mooslandes 8 unser Seeland das größte einheitliche Moorgebiet der Schweiz aufweist. Alle die genannten Teile gehören entweder zum zentralen Gebiet des Grŏß Moos, oder sie lagern sich ihm — sei’s fester, sei’s lockerer — an. Das zentrale Gebiet ist ein durch Strand- und Schuttwälle geformtes schmales, langes Dreieck, dessen Spitze bei Büel liegt, indes der eine «Schenkel» über Walpertswil, Si̦i̦sele n, Eiß (Ins) nach dem Neuenburgersee hin verläuft, der andere über Fräschels und Cheerze̥z gegen den Leue nberg am Murtensee sich erstreckt. Der Name «Großes Moos» ist übrigens ein sehr wandelbarer. Wir finden 1647 dem «kleineren Mößli» bei Brüttelen das «größere Mooß» gegenübergestellt. Aber dem Inser ist d’s Groß Moos derjenige Großteil des Großen Moses, der nicht als Heumoos (s. u.) und als Mŏsgeerte n (s. « Rüstig») Privaten gehört. Der gesamte von der Entsumpfung betroffene Komplex heißt bei den Anwohnern einfach d’s Moos. Sie halten es damit natürlicherweise wie einer, der mitten im Walde stehend diesen vor lauter Bäumen nicht überblickt und daher nicht unterscheidend von diesem oder jenem -wald, sondern nur vom Wald redet. Die dörfischen Inser wohnen nördlich und westlich vom Moos; im Osten desselben: eenet dem Moos (jenseits desselben) hausen als Eenerländer ( S. 76) die von Kerzerz, Fräschelz und Kallnach. Diese unterscheiden sich sehr selbstbewußt von den in umgekehrter Richtung «ä̆net dem Moos» wohnenden Mööser, welche mit ihrer Dialektfärbung möösere n.

 
1  In Schn. 1 äußerst lebendig geschildert.   2   Mhd. WB. 2, 1, 240; Kluge 308. 318; Grimm WB. 6, 2515 ff.   3  Allerdings in WuS. I lebhaft bestrittenen.   4   Graff 2, 868; mhd. WB. 2, 1, 167; schwz. Id. 4. 467 ff.   5   Kluge 319; Grimm WB. 6, 2518 ff. wo älter nhd. «der Moos» als Anlehnung an «der» musc-us und an «Sumpf» aufgezeigt wird.   6   Gb. 87.   7  Näheres in Kap. III.   8  Der Jura zählt 131 bestehende, 357 erloschene Moore, das schweizerische Mittelland 1529 und 2538, das Alpen- und Voralpengebiel 423 und 486. Fr. Schr. 250.  
 

Aus Gampelen

II.

Die sehr schwache Senkung dieses großen Mooses, welche sich bloß zwischen 0,7 und 1,25 ‰ bewegt und im Mittel 0,8 ‰ beträgt, begünstigt mit ihren Ungleichheiten das verhocke n von Lachen außerordentlich. Es gab vor der Korrektion Stellen, welche in gewisser Beziehung 97 an die oft auch höher gelegenen broil, buil, Breuil, Breux, 1 les Brues (bei Lamlingen) erinnern. Aus dem Deutschen klingen an diese Formen an: Brüel und Broye. Brüel geht über breuil zurück auf brog-ilo, Verkleinerung aus broga. 2 Dies keltische Wort bedeutete einen eingegrenzten Bezirk, 3 seine Verkleinerung brog-ilo ein «Gebietchen» speziell als umzäunte Wiese außerhalb von Dörfern. Sie nahm das von diesen abfließende Brunnen- und Hofraumwasser auf und spendete mit dem dadurch genährten Gras dem Vieh das erste Grün. 4 Ähnlich wird breuil erklärt als grande prairie près du château seigneurial, que les serfs ou vassaux devaient faucher et récolter pour les seigneur. 5 In obigem Sinne hatten z. B. Madretsch bei Biel und Geicht über Twann ihren noch so geheißenen Brüel. Es gibt ferner einen Galsbrüel und (1757) einen neue n Brüel zu Gals, einen Erlach-, Vi̦ne̥lz-, Gäserz-Brüel, und in Ins ist der Name mehrfach vertreten. 98 Am Ban͜dbrunne n an der Inser Rịịff ( S. 77) liegt der «Bann»: der Ban͜d oder Zbang oder Zwang (vgl. «Twing und Bann») im Brüel, oder der «Brüel gegen den Band», der «Bandbrüel». Es gibt einen Innßbrühl (1688), genauer einen obern (1809) und einen untern; ferner die Galser Brüeldäile n, den Inser Brüelbach und den Brüelwuer, die Brüelmatte n, die Brüelzälg (1661) und das Brüelzälgli.

Ein (wortfremder) Anklang an das unverkleinerte broga lautet (der und das) bruoch und (das) bruochich 6 mit der Bedeutung Moorboden, woran «das Brụụch» 7 erinnert. Ein «acher hinder der Brụụcheren» liegt zu Ins. An die Stammform «Bruch» aus «brechen» denkend, frischte man sich Brụụch als der Bru̦chch auf und dehnte die Umdeutung auf das Bru̦chch aus. Es ist ja wahr genug, daß man im Moor ịị nbricht (s. u.). Daneben fehlt in älterer Sprache nicht die Bruch als die Brue̥ije n oder die Broye. «An der Bruch» ( S. 27) sehen wir 1409, 8 1491, 1575 und noch öfter ( S. 27) die Weidrechte der Berner und Neuenburger aufeinander stoßen. Neben dem Flußnamen Broye, 1295 Bruya, erscheinen 1274 auch die Formen Brodia, Brovia neben Brogilus 9 ( S. 97). An der Brouïa (des Patois) wohnt der Brouïard, Broyard und die Broyarda, und das Broyard ist einer der drei freiburgischen Dialektkreise. 10

Neben den immerhin auch mit Gesträuch bewachsenen und durch solches einigermaßen ụụftröchnete n Stellen lagen offene Pfützen. Kein größerer Wasserzufluß frischte sie wenigstens auf, wie dies doch im Orbe- und Broyemoos geschieht. Bloß Moosbäch wie der von Büel, Walpertswil, Epsḁ ch, Täuffele n, Brüttele n und die S. 27 genannten Wässerchen durchziehen das große Moos regelmäßig. So konnte Überschwemmungs­wasser als Morast, dick wi n e n Brii, Jahre lang offen blịịbe n hocke n. Auch solche Sümpfe und Pfützen hätten benannt werden können wie solche der fernern Umgebung. Da liegt über dem Gü̦ü̦rle nwald zwischen Gampelen und Tschugg ein schönes, fruchtbares Plateau, dessen Name die Gü̦ü̦rle n 11 auf die gleiche einstige Versumpfung deutet wie etwa diejenige des vom Schaltenrain her versumpften Brüttelenbadmooses, das unter dem gegenwärtigen Anstaltsvorstand rasch der richtigen Kultur entgegengeht. — Ferner gibt es ein aus lat. puteum oder puteus (Graben, Wasseransammlung, 99 vgl. franz. puits, Ziehbrunnen) entstandenes Wort «der Butz» 12 neben «die Pfütze». Von dem Gampeler «Orth, so Inn Wälltsch Buz vnd Inn Tütsch giessen heißt, biß an das Closter» St. Johannsen reichte um 1238 des Grafen von Neuenburg «recht, so er im Wasser gehept». Es gab übrigens einen grossen und einen kleinen Buz. 13

Im Unterdorf Gampelen

Ohne Verschiebung aber existiert neben Pütze (1711) (was freilich vielmehr eine selbständige Form «die Buttle n» 14 und ein Ort «hinter den Buttelen zu Vinelz»: 15 Gu̦ttelen ist), wobei an unreine Flüssigkeit (Jauche, Sumpfwasser od. dgl.) gedacht worden ist. Wie nun z. B. Butter und Buder als verkümmertes Geschöpf, Buttle n und Budle n als Rauschbeere 16 gleichbedeutend sind, so kann zunächst die un͜deri Bụdlei zu Vinelz sehr wohl als ein vormaliges «Sumpf-Eiland» gedeutet werden. Noch weist die lange und hohe Mauer an der neuen Straße auf den Schutz dieses Herrschaftsgutes vor dem ehemals bis dorthin angedrungenen See, der regelmäßig beim Rückzug Kotlachen hinterließ. Aus Vereinigung 100 in einer Hand wird die Benennung der obere n Budlei beruhen, welche um 1670 einem Emanuel Gaudard, 1730 einem Johann Rudolf von Diesbach und seit 1737 dem 1749 in Bern enthaupteten Samuel Henzi ( S. 57) gehörte. Der Zukauf des sonst als Rụụchen Acher bezeichneten Berggutes hat später noch die Unterscheidung der obern Budlei in die vordderi und hin͜deri veranlaßt. Nahe der obern Budlei liegt das Budleiholz oder das Bú̦dlig (1701: der Budlit, 1527: der Wald Budlet). 17

Im Morast uf Misthu̦ụrde n z’schiffle n und z’fische n war das eifrig geübte Gewohnheitsrecht der Rangen aus all der Anwohnerschaft des Großmooses. Sollte es auf sauberem Wasser sụ̈ụ̈ferliger zugehen, so bediente man sich der Wöschbü̦tti aus dem Ofenhaus. Jäger hinwieder, welche den Schnepfen und Kibitzen (s. « Wild und Jagd») nachstellten, mußten beim Fäälbạum, sowie zwischen Gals und Gu̦rnau (Cornaux) sorgfältig von einer Pösche n (s̆s̆: S. 112) zur andern Ggümp neh n, um nicht in Tümpel zu fallen. 18

Mit nächtlichen Windlichtern versehen, hätten sie wohl recht wirksam die Irrwische ( S. 104) vorgestellt: die fụ̈ụ̈rige n Mannli, die waadtländischen porta-bouenne ( porteurs de bornes), 19 welche als Marchstäi nversetzer fü nfz’g Ja̦hr lang müeßen ummḁ choo̥ n und als chanta-bouenne um d’Marchstäi n ummḁ tanze n.

Als Verletzerinnen zwar nicht legaler, aber moralischer Rechte mußten nach alter Überlieferung die alte n Jumpferen im Moos den von ihnen Verschmähten d’Hoose n blätze n. 20

Dieser einen komischen Szene, welche in das bernische Sibirien verlegt wird, stehen aber eine Reihe düsterer gegenüber. Der um die Nachbardörfer streichende schwarz Hun͜d, der jedem ihn Erblickenden im Lauf des Jahres den sichern Tod bringt, führt über zu der teuflischen Gestalt des Räuberpintenwirts Schabeck, der endlich sterbend unter Hinterlassung eines pestilenzialischen Gestanks zu einem Wandloch hinausfuhr. 21 In besonders unheimlichen Mitternächten aber, zumal am Silvester, tanzten Gäister an der Spitze von Häxe n und Hexern um ein Feuer, das eine unsichtbare Macht angezündet hatte. Halb auf bloßes Hörensagen hin, halb im kindlichen Spiel mit dem bewußt Gruseligen benannten die Schüler von Ins den jeweils von ihnen aufgebauten Schneemann oder Schneebären als den Gäisterchünig. 22 Wer diese von Favre so lebensvoll und lebenswahr geschilderten 101 esprits du Seeland waren, wußten die Ortskundigen genau genug: es waren die in dem furchtbaren, mehrere Stunden lang und breit sich ausdehnenden Nebel hülflos Verirrten und Umkommenden, welche ihre Hülferufe nach den weit entfernten Umwohnern schickten. 23 Die Dichte der winterlichen Erddünste brach oder entstellte die flehenden Stimmen, so daß sie bestenfalls als die Laute unerkannter Wesen gedeutet wurden. Wem nicht bestimmte Anhaltspunkte wie die Räckoldere n 24 kund waren, und wer nicht sogar einen unfehlbar sich orientierenden Hun͜d 25 zum tröstlichen Begleiter hatte, war verloren. So die zwei liebenswürdigen Studenten Py und Manon aus Neuenburg, welche am Neujahrsmorgen 1837 nach fröhlicher Schlittschuhfahrt bei einer der alten Torfhütten aufgefunden wurden. Der von Wistenlach kommende Stallknecht Benoit entdeckte die Leichen und brachte sie auf einem Schlitten nach Ins. Die energischesten Wieder­belebungs­versuche waren umsonst; begreiflich: Stiefel und Beine waren zu einem Stück Eis verwachsen. Torfspuren verrieten, daß sie in Torfgräben gefallen und nach verzweifelter Anstrengung, sich herauszuarbeiten, der Erschöpfung und Kälte erlegen waren. 26

Auf dem Lätthubel im Moos, eine halbe Stunde vom Dorfe Ins entfernt, fand man am 28. Dezember 1886 die am 18. August 1879 geborne Maria Egger von Lengnau erfroren. Bei seinen Eltern im Pintli (s. u.) zu Witzwil wohnend, wollte das Kind seine Großmutter im Linderguet (s. u.) besuchen, verirrte sich aber hülflos im Nebel.

Einstweilen am Leben bleibend, gingen jahraus, jahrein in den Grenzbereichen des Mooses andere gespenstische Gestalten um: Menschen mit zitternden, bleichen Lippen, mit totenfarbenem Gesicht, mit strahlenlosen Augen, in denen keine Wärme mehr glänzte; 27 Kandidaten des Todes, der nach den Überschwemmungen von 1816 und 1817 einzig im Kirchspiel Bürgle n innert sechs Monaten 1/ 32, der Bevölkerung wegraffte (also mehr als in großen Städten die Cholera), und der auch in Gals heftig wütete. 28 Ebenso standen Weidetiere (s. u.) in Menge um. Mensch und Vieh litten folternde Schmerzen durch das dem Malariafieber verwandte chaḷt Weh: das Frühlings-Wechselfieber, welches gewöhnlich im Juni und Juli in Närve nfieber überging und jede Ortschaft des Seelandes durchschnittlich alle 18 Jahre einmal durchseuchte. 29 Dieses nahm an Heftigkeit und Ausbreitung zu bis im Oktober, um im Frühling wieder als Wechselfieber auszubrechen. Als solches mit Gaffee vertrieben, schlug es in ein gallig-nervöses Fieber um. Am 102 gefährlichsten war diese Krankheitsgruppe für kräftige Männer: die het’s am hertiste n g’noo̥ n! Wer aber an andern Infektionen litt: an Bla̦a̦tere n (Pocken), Scharlḁch, Maasere n und Röötle n, erfuhr eine bösartige Steigerung derselben. So namentlich 1831 30 und 1832. Da starben bloß in dem kleinen Orte Gals 39 Kinder an den Masern. Auch Kulturpflanzen erfuhren die verheerenden Wirkungen der Moosluft: Der Wäize n het der Rost überchoo̥ n, weil die giftigen Dünste sich noch weit über die Grenzen des Mooses erstreckten; d’Chü̦ü̦rbse n (Kürbisse als vormals beliebtes Suppengemüse) und d’Boo̥hne n si n im Augste n schwarz worte n. 31 Allerlei Unrat des Mooses wurde nach den Dörfern und Höfen verschleppt.

Mooshüsli zu Müntschemier

Nußbäume und tiefer gelegene Reben aber wurden von den Früh- und Spätfrösten des Mooses erreicht, und der Moosnebel hielt namentlich am Morgen die Sonne so lange zurück, das s mḁn im Summer (d. h. in der Getreideernte: s. « Frucht») no ch d’s Ịịsch het müeße n vo n der Seege̥ze n sträipfe n. 32 De r naß Moosbode n het’s ebe n wi der Lättbode n: är wird lang nid warm. Di nassi Tu̦u̦rben isch no ch im Summer ịịschchalt, so daß ma n Wịị n u nd Wasser drin n cha nn z’chalte n tue n. 33 Aber isch es de nn äinist warm, de nn gi bt’s de nn e n 103 grụ̈ụ̈seligi Hitz drinn. Mi ma g si so vo n den Änglefe n dänne n (von 11 Uhr weg) fast nid haa n (aushalten). Hitzschläge im Moosheuet sind keine Seltenheit. Die schwarze Torferde erwärmt sich so rasch, das s mḁ n ganz guet no ch im Brachmonḁt cha nn Hördöpfel setze n. Im höo̥che n Summer cha nn alles dü̦ü̦r’ werte n. Mi het nu̦mma n Tu̦u̦rbe nstạub i n der Naase n, un͜der de n Füeß chrụ̈ụ̈spelet’s vo n vertrappete n Flächte n (Becherflechten: Cladonia u. a.). In den Überschwemmungs­jahren aber entlädt sich die heiße Luft in Hochgewittern mit Hagelschlägen.

So wirkte das große Moos als Sumpf: Sumft, als sumftigi Wildnis. Welch unendliche Wohltat der Natur, daß sie im Laufe von etwa anderthalb Jahrtausenden allmählich den Sumpf in ein Moor verwandelte, indem sie einen Teil der giftigen Pesthauche in einer reichen Vegetation festlegte! Wie vollbrachte sie dies?

 
1   Jacc. 53.   2   Du Cange 1, 733; Graff 3, 282; mhd. WB. 1, 267; schwz. Id. 5, 594-7.   3  Die «Allo-brogen» bewohnten ein «anderes Gebiet» als die Helvetier, wie das « ali-saß», Elsaß, Elsịß ein «anderer Sitz» ist als das mit der Schweiz schutzverwandte und schließlich ihr zugehörige Basel.   4  Vgl. schwz. Id. a. a. O.; Studer 72.   5   Brid. 59 mit dem Hinweis auf Karls des Großen Kapitular de villiès.   6   Mhd. WB. 1, 270.   7   Gw. 656; Lf. 90.   8   Urb. Mü. 4.   9   Jacc. 55.   10   Brid. 60, wo der Flussname von kelt. brw (source, rivière) als offenbare Schallnachahmung de Brodelns hergeleitet wird.   11  Ahd. das gor (Mist: Graff 4, 236) zu mhd. ( WB. 1, 530) gir gar gâren gegorn, sowie waadtl. gor (Pfütze). S. a. Zimm. 2, 4.   12   Schwz. Id. 4, 2027; Kluge 350.   13   SJB. A 453.   14   Schwz. Id. 4, 19I7.   15  Nach Zimmerli, der auf «Butzle svw. Gudle» ( schwz. Id. 2, 125) hinweist.   16   Schwz. Id. 4. 1915 u. f. 1036. 1037.   17   EB. A 355.   18  E. v. Fellenberg bei Fr. Schr. 584.   19   Brid. 299.   20   Favre 136. Andere Strafarbeiten im Giritzemoos, wie Saagmehl z’seemenchnüpfen u. dgl.: Schwz. Id. 4, 470-2.   21   Favre 137.   22  Ebd. 247.   23  Ebd. 167. 277.   24  Ebd. 268.   25  Ebd. 277.   26   Favre 282; das Genauere: Kal. Ank.   27   Schn. G. 16.   28  Ebd. 17.   29  Kocher 13.   30  Ebd. 17. ff.   31   Schn. 75.   32   Schn. G. 11.   33   Favre 144.  
 

Verlandung.

I.

Im Großen Moose seit der Römerzeit, 1 anderwärts 2 Jahrtausende vorher: seit dem Zurückweichen der Gletscher, vollzog sich allmählich ein Vertorfungsprozeß, dem nun meist Abbruch geschieht durch Sträüi määije n und durch Bodendurchlüftung mittelst Ackerbaus. Vertorfung ist ein Zerfall von Pflanzenstoffen, welcher wegen starken Sauerstoff­abschlusses durch Wasser und starker Wärmeverminderung im Boden sehr langsam und sehr ungleich weit vor sich geht. 3 Sehr leicht vertorfen Erlen und Birken. Doch kam beim Wasserleitungsbau in der Unterstadt Erlḁch ein sechzehnjährig gewordener Erlenstrauch 4 zum Vorschein, den die zwei Meter hohe Sanddecke sehr gut erhalten, den aber das Grundwasser ganz schwarzbraun gebeizt hatte. Das Fundstück endete dummer Wịịs im «Krematorium» eines häuslichen Herdes. Zääij ist auch das Wurzelgeflecht zumal der Schwarzerle; nach Zerstörung des Stammes g’seht das no ch ụụs wi n e n Dra̦htbeese n. D’Birche nrin͜de n findet starken Schutz an ihrem Gamfer; das Harz verleiht der Rin͜de n, den Bollen und Zäpfe n, sowie den Na̦a̦dle n der Roo̥t- und Wị̆ßdanne n, der Dehlen und Leerche n große Widerstandskraft. Aber aus den ausgegrabenen Äiche n, deren man 15 Fuder auf fünf Jucharten und anderwärts hundert Stück auf 25 Jucharten vorfand, 104 cha nn mḁ n mit dem Griffel schrịịbe n! In Kefikon (Thurgau) dem Moos enthobenes und getrocknetes Eichenholz ließ sich verschreinere n. 5 Dies gilt natürlich von den Stämme n (die man, teilweise mit Axtschlägespuren behaftet, denkwürdigerweise immer mit de n Wü̦ü̦rze n ostwärts, mit de n Nest (vgl. der Nast: Ast) westwärts in den lättige n Mutterboden ịị ngwachsnig findet). Die vor der Entsumpfung prall und straff gespannte, zähe Rasendecke des Mooses hielt sie Jahrtausende lang verborgen. Erst die Durchlüftung des kultivierten Bodens ließ sie allmählich emporquellen und lieferte das bis ins Mark hinein chohlschwarze n Brennmaterial von mittelmäßiger Güte z’Hụ̈̆ffe n-wịịs auf den Feuerherd, wie man heute vor allne n Hụ̈ụ̈ser cha nn g’seh n.

Ein Ergebnis der Vertorfung ist Sumpfgas und Schwefelwasserstoff, worauf die Irrlichter ( S. 100) beruhen. Merkwürdig ist ferner die Auflösung von Gesteinen, welche unter den Torf zu liegen kommen, mittelst der Humussäure. Besonders wird ihnen der Chalch entrissen. Bildet aber die Unterlage Ton ( Lätt), so werden die Eisenverbindungen in höherm Maße gelöst, und der Lehm wird auffallend blaaugraau oder blaau. 6 Aber auch manch ein «Rotwasser» ( S. 85) schreibt sich von daher. Am wichtigsten freilich, nämlich für die Moorkultur (s. u.), ist die Beobachtung, daß der sämtliche Boden des Großen Mooses als Niederungsmoor reich an Stickstoff ist. 7 Erhebliche Beiträge liefert hierzu all das G’schmäüs (Geschmeiß) der Breeme n (Bremsen), Fläüge n und Mü̦gge n mit ihrem sehr langsam sich zersetzenden Hautpanzer (Chitin). Wer die Größe des Insektenheeres überschlägt, das in einem trockenen Sommer schon außer dem Moos das Arbeiten zur Qual macht und daraus einen Maßstab für die entsetzliche Geschmeißplage im Moos entnimmt, glaubt gerne an die Beträchtlichkeit einer solchen Stickstoffquelle. Er tut es aber erst recht, nachdem er von insektenfressenden Moorpflanzen gehört hat. So vom rundblätterigen Sonnentau ( Drosera rotundifolia), 8 vom Fettkraut ( Pinguicula vulgaris), vom Wasserschlauch ( Utricularia vulgaris). 9 Die ins Wasser getauchten Pflanzen und Pflanzenteile vermehren bei ihrer Zersetzung den Stickstoffreichtum. So wird die Moorkultur der kostspieligen — tụ̈ụ̈re n — Beschaffung dieses wichtigen Pflanzennährmittels enthoben (s. u.) und kann um so besser wirtschaftlich gedeihen. Der Pferdezüchter weiß noch eine andere Nebengabe des Torfmoors zu würdigen: d’s Tu̦u̦rbe nwasser isch gar g’sun͜d für bụụchstöößigi Roß (mit Lungenemphysem behaftete Pferde). 10 Es ist «gesund» sowohl als Ernährer von Schilfpflanzen, wie 105 der süßen Röhrli ( Phragmites communis), die dem Pferd so sehr zusagen, wie auch als Trinkwasser. Es schmeckt allerdings keineswegs angenehm: es isch nid abaartig guet. Allein es ist dank der Wirkung von Humussäuren beinahe bazillenfrei und wirkt geradezu antiseptisch. Diesem Umstand ist ja auch die vielfach so treffliche Erhaltung der Pfahlbautenfunde zuzuschreiben. Der von Würmern 11 erzeugte Torfmull aber, mit Recht als die beste Einstreu geschätzt, tötet sogar Cholerabazillen. Zum Glück steht solcher Gesundbrunnen auch nicht so rasch ab. Ein Torfmooslager ( Sphagnetum, S. 111) kann zwänz’g Ma̦l so vill Wasser ii nsụụge n, wi n es trochche n wä̆gt, un d es Turbe dmoos, wo zeeche n Schueh täüff isch, cha nn Wasser ụụfneh n wi n es si̦i̦ben e n halbe r Schueh täüffs Réserwaar. 12

 
1   Fr. Schr. 379.   2  In Moränenlandschaften wie Herzogenbuchsee-Aschi und Burgdorf-Bern, in Zäziwil-Tägertschi, Walkringen-Enggistein, Sinneringen-Stettlen, Gümligen, im Gürbetal, in Albligen. Ebd. 259.   3  Ebd. 161; Berdr. 9, 113 f.   4  Laut Bestimmung durch † Sekundarlehrer Simen in Erlach.   5   Fr. Schw. 175.   6  Ebd. 170.   7   Kell. 17.   8  Schmeil Bot. 38 ff.   9  Ebd. 41.   10   Lf. 250.   11   Fr. Schr. 158.   12  Ebd. 183.  
 

Studie von Anker

II.

Verfolgen wir nun in kurzen Zügen den Aufbau des Torfmoores.

In trockenen Sommern erwärmt sich die oberste Schicht ruhiger Gewässer außerordentlich stark. 1 Da̦ verfrụ̈ụ̈rt mḁ n nid b’im baade n. 106 Besonders warm wird begreiflich die Uferbank. Diese heißt d’s Wị̆ße n, weil hauptsächlich aus ihr der Chalch des Seewassers sich niederschlägt. Daß zumal die Juraseen reich an Kalk sind, läßt sich erwarten. 2 An hohen Wasserpflanzen, wie den Röhrli (Schilf), deren Name in den Rohrmatte n und -achere n (Mü.) sich wiederholt, setzt sich der Kalk in Krusten an und wird, durch blaugrüne Algen gefärbt, zum förmlichen Wasserstandsmesser. Grüne Algen hinwieder sorgen dafür, daß man bei niedrigem Wasser der Chalch o ch g’hörig i n d’Naasen überchuunt. Armleuchteralgen nämlich ( Characeae), die sich mit ihren Wurzelhaaren i n der Dünni ( S. 80), aber auch in Gräben und Tümpeln am Boden festsetzen und wie Armleuchter verzweigen, bilden förmliche Rasen und saugen so viel Kalksalze ein, daß sie verheie n. (Grünalgen sind es auch, welche z. B. auf dem Silvrettagletscher den «roten Schnee» erzeugen.)

Blaualgen hinwieder schweben frei auf der warmen Seefläche. Der Rotsee im Kanton Luzern «blüht», von solchen Algen bevölkert, bald tiefrot, bald wieder vitriolgrün. Der Mu̦u̦rte nsee̥ aber trägt zeitweilig das vielgenannte Burgunderbluet. Ein Name, der ebenso an den 22. Juni 1476 erinnert, wie das «Schweizerbluet» des um St. Jakob an der Birs wachsenden Rotweins a n den 26. August 1444. An Tod gemahnt diese Massengesellschaft des roten Schwingfadens ( Oscillatoria rudescens) insofern, als der Fischbestand durch sie aufs höchste geschädigt wird. Chlịịnni Fisch, die von diesem färbenden Stoffe fressen, werden betäubt und sterben bald ab; man findet sie in großer Menge toot am Ufer liegen. Die Gräten solcher tootnige n Fisch 3 sind rot, wie wenn sie Krapp genossen hätten. Das Fleisch größerer Fische aber büßt an Festigkeit und Genießbarkeit ein. 4 Selbst der Fischer leidet darunter, wenn in der Sommerhitze der chaarte n-still See̥ solcher Algenansammlung volle Ausdünstung gewährt: das pestet, das s es ni̦ d-mme̥ hr schön ist. 5 Anmutiger als solches Naase nfueter ist allerdings die Augenweide. Geradezu prächtig ist es, wenn, wie am Bi̦ịse ntaag des 8. Juni 1911, um Mittag zwei Drittel des Seespiegels über und über in roter Färbung erglühen und besonders zwischen Montelier und Nant in tiefrotem Schein aufleuchten, der dann in Braunrot übergeht. 6 Da müssen die Myriaden zylindrischer Fädchen, deren eins 6-8 Tausendstel Millimeter lang und noch nicht 0,005 mm dick 107 ist, ihre ganze fabelhaft rasche Vermehrungskraft entfalten. (Ein Faden kann sich durch Querteilung der Zellen in kurzer Zeit verzehnfachen.) 7 Man begreift dabei aber auch, wie diese Alge den Zürichsee seit dem November 1898 so stark bevölkerte, daß sie das Filtrierwerk der Wasserversorgung gefährdete. 8

Wie Gallere̥ch sehen andere Blaualgen-Kolonien aus, die den Lebertorf ( S. 114) bilden helfen.

Aus Müntschemier

In den Juraseen stäit ohne Wurzeln frei im Wasser, ohne jemals über dieses emporzutauchen, die Hornblattart Ceratophyllum submersum 9 und bildet oft ganze Dickichte aus Trieben, die gegen 3 m messen. Dagegen schwümmt im stillen Gewässer z. B. um Lan͜dero̥ n und im Brüggmoos der Froschbiß ( Hydrocharis morsus ranae), indem er gleich der Seerose ( S. 108) seine schön gesonnten Blätter aus dem Wasserspiegel ụụsspräitet, die weißen, zarten Blüten dagegen drụs ụụchḁ streckt. Waagrecht unter der Wasseroberfläche hinziehende Ausläufer bilden 108 an ihrem Ende wieder neue Pflanzen, wenn sie nicht über Winter sich nach der frostfreien Tiefe flüchten. Ähnlich mache n’s die verwandte «Krebsscheere» und die durch frühere fabelhafte Vermehrung die Schifffahrt gefährdende «Wasserpest», die aber gerade damit außerordentlich mithalf, d’s Wasser sụụfer z’haa n. 10

Dasselbe bleibt daher auch klar: lụụter, wenn es nicht ụụfg’rüehrt und durch die von den bisher genannten Pflanzen gebildeten schlammigen Niederschläge getrübt wird. Die im folgenden genannten Gewächse dagegen verlanden die Gewässer nach und nach, indem sie sie mit ihren Zerfallprodukten sättigen und allgemach in den Moorzustand überführen. Wir trafen bereits ( S. 107) die Armleuchteralgen in dieser Tätigkeit. Besonders aber beteiligen sich an ihr: zunächst das im Bielersee bi’m baade n den Schwimmern so heimtückisch die Glieder umstrickende Häxe nchrụt (Nixkraut, Najas major), sowie die umgekehrt so lieblichen See̥roo̥se n, die aus dem schwarzen Moorwasser sich besonders malerisch ausnehmen. Die eine ihrer Gattungen: die Teichrose ( Nuphar) bildet riesenhafte Wurzelstöcke. Am Grund eines verlandeten Torfstichs im Brüggmoos fand Früh ein riesenschlangen­ähnliches, armsdickes, schwarzes Ungetüm von 2 m Länge und 10 cm Durchmesser. 11 In Uster wurden auf dem Markte Stücke solcher Gebilde zu fünfzig Rappen als krampfstillendes Mittel verkauft. Sie sollten aus dem Nil stammen; 12 eine Mystifikation, welche durch die Verwandtschaft unserer Zierpflanze mit der berühmten — eßbaren — Lotusblume ein gewisses Gewicht erhielt. Diese heißt Nymphaea Lutus; und Nymphaea alba ist die weiße Seerose, diese herrliche Zier des stillen Weihers, des schilfumkränzten Teiches, des blinkenden Sees. 13

Un d e n merkwürdigi Pflanzen isch e̥s! Si macht e n ganze n Hụ̆ffe n Wü̦ü̦rze n, wo si si ch dḁrmit täüff im Schlamm ịị nhänkt wi d’Wi̦derhöögge n vo n menen Anker. De nn la̦a̦t si ihren armsdicken Stamme n so schlump wi n es Säili im Wasser ummḁ fahre n, dem Zug na̦a̦ ch. Mit dene n groo̥ße n Bletter het si’s schier gar wi d’Änte n mit ihrne n Feedere n: die häi n obe nna̦a̦chḁ en Überzug vo n Wachs, das s d’s Wasser chönn dü̦r ch di Chri̦nne̥lli am Rand ablạuffe n, wi ab den ịị ng’öölete n Feedere n. Un͜derna̦chḁ si d’Bletter violett g’färbt; wḁrum? für das s si so vill Sunne nliecht dü̦ü̦rḁ lööiji (durchlassen), wi nu̦mmḁ n mü̦ü̦glich un d i n Weermi umwandli; sü̦st (sonst) chönnti si nit das Wasser alles verdunste n, wo dür ch di groo̥ße Luftlöcher ịịchḁ gäit. Die müeße n drum da̦ sịị n, für das s di groo̥ße n Bletter mögi schwümme n. Im Winter, we nn de nn der Stamme n i’ n Boode nschlamm achḁ gäit ga̦ n schla̦a̦ffe n wi 109 d’Mu̦u̦rmeli im Häü, da̦ gange n de nn richtig d’Bletter o ch z’rugg, aber si weerte n scho n chlịịnner, wenn d’s Wasser aa nfa̦a̦t min͜dere n; si nehme n de nn d’«Landform» aa n. 14 Wenn si de nn im Summer ummḁ (wieder) groo̥ß und schweer sịị n, chönnte n si bi däm umma̦fäckle n vom Stiel liecht abrịịße n. Aber dḁrfür ist ó ch g’soorget dür ch die Ha̦a̦rsteerne n im Sti̦i̦l inne n, wo dee n (diesen) fester mache n u nd d’Luftrụ̈ụ̈m e nchläi n g’staabeliger (steifer), so daß sie erstaabe n.

In den Pfahlbauzeiten kam z. B. im Moosseedorfsee auch die (der Nachtkerze, der Fuchsia u. a. verwandte) — eßbare — Wassernuß ( Trapa natans) vor.

Wie form- und farbenreich gestaltet sich solches Pflanzenleben! Um so wertloser sind die gestorbenen Gebilde, da sie im Verein mit kalkreichen tierischen Überresten einen ganz schlächt brönnige n Schlammtorf liefern.

Größern Wert schon haben als Leichen die Bildner eines aus dem Schlammtorf liegenden, schiefer­kohlen­artigen Pechtorfs ( Bäächtu̦u̦rbe n). Das sind die Bewohner seichter, höchstens 3,5 m tiefer Ufersäume. Hierher stellen sich zunächst — aus der Familie der Ried-, Schein-, Halb-, Sauer- oder Moorgräser — verschiedene Simsenarten; vor allen Heleophylax 15 (oder Scirpus) lacustris und Schoenus nigricans. Beide beanspruchen den Galser Namen Chatze nwaadel (wie dagegen baselländisch das Equisetum, genannt wird), die Inser Namen Stöörzli, Bi̦ns oder Bi̦ms, die Bezeichnung Bienz um Brügg und Ägerten. Und zwar sagt man, im Gegensatze zum alten Deutsch, 16 das Bins, Bims, Bienz. Zur Zersetzung kommen fast bloß die luftblattlosen Halme, aus welchen wie aus Scheiden die zum hefte n der Reben präparierten walzenartigen Blätter gezogen werden. Das Binsicht macht oberflächlich liegende, langsam wachsende Wurzelstöcke, aus welchen reihenweise die bis 4 m hohen Halme entsprießen. 17 Jene durchziehen netzartig, aber in lockern weiten Maschen ( i n groo̥ße n, lu̦gge n Lätsche n) den Seegrund. Die Halme sind weich ( lin͜d) und brechen bis zum Grunde ab. 18

Ein ganz anders wirksamer Schlammfänger und damit Torfbildner ist das Schilficht, welches bloß noch bis 2,5 m tief i n d’s Wasser gäit, dafür aber dank seinen Luftblättern sich weit ins trockene Land hinein erstreckt. Es gibt daher schilfichte Weiden, welche nach ihrem Aussehen den Namen Neypraz ( prés noirs) 19 führen. Die Moore aber 110 bestanden vor der Korrektion hauptsächlich aus Schilf mit Erlen, Eichen und Rottannen, nebst Seggen. Vor allen ist das gemeine Schilf: Rohr, Röhrli, Si̦mpelirohr, Si̦mpeli, 20 Phragmites communis, zu nennen. Die unglaublich tief sich eingrabenden und meterweit kriechenden Wurzeln erlauben den sehr bestockungsfähigen Stengeln auch, sich bis zu einer Höhe von 5 m zu erheben, ohne daß noch so heftige Stürme sie verheie n oder mache n z’g’heie n. Die Innenflächen der Blattscheiden und die Oberseiten der Hälm sind nämlich glatt, so daß der Wind sie wie Wetterfahnen in seine Richtung stellt und dü̦ü̦r ch si dü̦ü̦rḁ fahrt. Darauf beruht auch ihr ungemeiner Nutzungswert. Als Schwümmele n büschelweise unter die Brust gebunden, halten sie den Neuling im Schwimmen über Wasser. Halbwüchsig oder aber gefroren, in beiden Fällen also mü̦ü̦rb, liefern sie eine geschätzte Einstreu, und die Gemeinde Erlach löst alljährlich aus dem im Sommer versteigerten Schilfertrag von ihrem Strandgebiet am Häide nweeg e̥s Häide ngält. Die ausgereiften Halme dagegen werden im ganzen Seeland mannigfach verwendet. Sie geben Treibbettdecken und Schilfwände ab; die letztern lassen sich zu außerordentlich zierlichen, dabei lustigen und luftigen und doch ziemlich wetterfesten Gabineetli zusammenstellen. In Verbindung mit Roggen- und Weizenstroh gibt das Schilf den Mischel ab, der die besten Strohdächer lieferte. Das Schilf 111 lieh diesen die Festigkeit, machte sie aber gern rutschen (z’rü̦tsche n), wenn nicht die zum ni̦i̦derbin͜de n dienenden buechige n Nestli (Ästchen, Zweige) und die stützenden buechige n Latte n sehr geschickt angebracht waren. 21

Gyger Ruedis, Gampelen

Einen interessanten Gesellschafter findet das schon an sich äußerst gesellige Schilfrohr am Rohrkolben, Typha latifolia und angustifolia: an der Chnospe n (s. u.) oder dem Schleegel, Trumme lschleegel, der im Stadium trockener, schwammiger Markentwicklung gelegentlich ebenfalls als Schwümmele n ( S. 110) dient. Seine Blätter sind in zwei bis drei Windungen ’drääijt wi n e n Strụụbe n, so daß sie den Wind in allen Richtungen aufzusaugen und zu brechen vermögen. Bei heftigen und plötzlichen Windstößen aber verlängert sich die Blattschraube, so daß auch der heftigste Sturm seine Kraft an die sinnreichen Gebilde verschwendet: är cha nn ’ne n nụ̈ụ̈d mache n, und die doch so massigen Blütenkolben ( Bụ̈̆ßeli) kommen nie zu Fall.

Ist solch interessanter Selbstschutz ein Gegenstand scharfer Beobachtung, so sind dagegen die schwärzlichen Kolben Objekte des Kinderspiels. Auf die Feier des 1. August als Fackeln i n Betrool ’tunkt, brennen sie stundenlang, und an Weihnachten in gleicher Weise entzündet auf Eisflächen gelegt, geben sie ein ebenso zauberhaftes («brillantes»), wie billiges Fụ̈ụ̈rweerk ab.

So sind Schilfrohr und Rohrkolben die flottiste n Beherrscher des Strandes, aber auch noch mit ihren Leichen die wirksamsten Verlander. Sie liefern sogar eine eigene Torfart: den Schilftorf. Dieser kennzeichnet sich durch auffällig große Wurzelstöcke, die noch wenig zersetzt sind, und durch das mieschig, schwummig ụṣg’seh n. Damit ist der erste Übergang geschaffen zum «geformten» aus dem formlosen Torf. Der letztere besteht aus völlig zersetzten Tier- und Pflanzenresten, ist im Boden briilin͜d und sieht graulich aus. In der Luft dagegen wird er schwarz und hert wi dünni Mụụrstäi nblatte n, zerfällt jedoch bröcklig zu Tu̦u̦rbe ng’wü̦ll oder -grü̦ll. Der Basttorf oder die Ha̦a̦rtụụrbe n, welche u. a. aus dem zierlichen Bụ̈̆ßeli: dem schmalblättrigen Wollgras ( Eriphorum angustifolium), jenem Riedgras mit der seidenhaarigen Blütenhülle, besteht, gehört bereits zu den «geformten» Arten, welche gemeinsam als «Fasertorf» benannt werden. Ist hier Heidekraut der hauptsächlichste Gesellschafter, so hilft dem Büßeli neben Birken und Erlen das Sumpfmoos ( Sphagnum) die Ịịse ntu̦u̦rbe n oder den schweren, schwarzen Specktorf bilden. Dieses Sumpfmoos ist übrigens ein wichtiger Bildner von Hochmooren, wie z. B. zu Leuzigen. 22

112 Dagegen wird die Mieschtu̦u̦rbe n, eine anderwärts vorkommende Fasertorfart, fast allein durch Laubmoose gebildet.

Eine vierte Hauptart des Fasertorfs, nämlich der Rasentorf oder die Wü̦ü̦rzlitu̦u̦rbe n (Radicellentorf), beschäftigt uns nun im folgenden vorzugsweise.

Unter diesem Rasentorf und über der Seekreide ( S. 41) gibt es da und dort eine ungeformte Torfart, welche für sich eine dünne, leicht abreißbare Schicht bildet, wie ein hartes, rotbraunes und bald schwarz anlaufendes Käppchen über der Kreide sitzt und daher Chäppelitu̦u̦rbe n genannt wird. 23 Die Untersuchung dieser Torfart zeigt neben Chitinskeletten ( S. 104), Seerosen ( S. 108), Sporen von Faarn (worunter das Wurmbulver als Sporen des Aspidium filix mas) usw. auch Reste von Schilf und besonders von Seggen, welche einen so wichtigen Bestandteil des Rasentorfs selber bilden. Am bekanntesten ist unter diesen das Dra̦htgras: die steife Segge ( Carex stricta), deren außerordentlich zähes Wurzelgestrüpp den Boden fast unpflügbar macht. Ihre zahlreichen Ausläufer leisten aber auch den unsagbar wichtigen Dienst, daß sie den Flugsand der Dünen durchwachsen und festigen. Ebenso sind es hauptsächlich Seggen, welche aus dem Sumpf und aus den vom Vieh festgetretenen Weidewegen als Pösche n (s̆s̆) hervorstechen. Diese Pösche n, welche als winzige Inselchen aus dem Sumpf hervorragten und dem Moosjäger wie «von Fels zu Fels den Wagesprung zu tun» gestatteten, sind uns bereits S. 100 begegnet. Hie und da begründeten sie Flurnamen. So gibt es zu Nidau die große n Bösche n und die Schafbösche n, zu Ins die Böschere̥tte n, zu Gampelen die Bösche ntäile n. Als Bösche nrụ̈ter neckte man die Bewohner einer erlachischen Ortschaft.

Vollendete Verlandung hat zum Ergebnis das Flachmoor, ins Praktische übersetzt: die seeländische Streuewiese mit ihrem Bestand von Pfeifengras: Molinia coerulea ( schwarzi Schmaale n, die vom Pferd sehr gern abgeweidet wird), von Wiesenschwengel ( Festuca rubra fallax), Hundsstraußgras ( Agrostis canina), feister Trespe ( Bromus erectus) oder Bu̦u̦rst. Hart wie diese ist auch der zu den Chatze nsti̦i̦le n­rịi̦berli (in Kerzers als das Fä̆grụ̈ụ̈sch, s̆s̆) gebrauchte Schachtelhalm: 24 Equisetum hiemale mit seinen kieselhaltigen Sommertrieben.

Unter den echten Gräsern figuriert das Timotee- oder Wiesenlieschgras ( Phleum pratense). Nun bedeutet aber schon altdeutsches lisca 25 sowohl Segge wie Binse, Schilf und Farnkraut; und auch das Liesch oder Lisch, 113 die Liesche oder Li̦sche n (s̆s̆) 26 ist ein wirres Durcheinander rauher Sumpf- und Flachmoorgewächse, die höchstens für Pferde und Schafe als Trockenfutter sich eignen. Gewöhnlich verwertet man sie als Einstreu, Sträüi, in bessern Sorten aber als Ersatz der Matratze. Die Füllung der letztern besteht ja ebenfalls zumeist aus Lische n, wenn diese auch als Seegras ( Carex brizoides) in den als Vịper und Gräng d’Afe̥rịgg ( crin d’Afrique) unterschiedenen Sorten vom Mittelmeerstrand herkommt. Bei hohem Wasserstand meterhoch gedeihend (und daher anderwärts als «Röhrli» mit dem Schilf in eins genommen), dient die Lische im Verein mit dem Bins ( S. 109) zur Anfertigung von Türvorlagen durch geschickte Inser Frauenhände.

Studie von Anker

Eine ganze Reihe Flurnamen sehen aus, als deuteten sie auf einstiges Vorherrschen der Lische. Man denke an das Lü̦schḁch hinter der Mauerstaude (1537, 1688), das Brüttele n-Lü̦schḁch (1809), den Lüschḁchweeg und die Lüschiachere n, den «Acker in Leüschelz» (1795).

 
1  Sie stieg im Juni und im August 1862 auf dem Neuenburgersee bis auf 22½°, auf dem Murtensee während sieben Augusttagen 1861 auf 24, ja zweimal auf 25°. Der Zürichsee zeigte in 16 m Tiefe 11,6°, an der Oberfläche 22°. ( Fr. Schr. 195.)   2  Wirklich zeigen in 1 l Wasser der Murtensee 0,224 g, der Bielersee 0,1665 g, und der Neuenburgersee 0,131 g gegenüber den blossen 0,00 des Thunersees, den 0,0865 des Genfersees usw. ( Fr. Schr. 194.)   3   Toot steht prädikativ, tootnig attributiv.   4  Weltchronik 1912.   5  Fischer Auguste Faßnacht in Muntelier.   6  Vgl. Berner Intelligenzblatt.   7  Vgl. Prof. Dr. Fischer über die Seeblüte des Murtensees. 1906.   8   Fr. Schr. 28; Allg. Schwzrztg. 1896, 40; N. Zürch. Ztg. 1899, 273. 299.   9  Bei Schmeil 246 anhangsweise nach den Ulmengewächsen behandelt.   10  Schmeil 319.   11   Fr. Schr. 39.   12  Ebd.   13  Schmeil 13.   14  Ebd. 15.   15  Dieser neuere Gattungsname bedeutet sinnvoll den «Sumpfwächter» ( to hélos: der Sumpf).   16   Dem scirp-us entsprach «der» pinuß, bineß, binß ( Graff 3, 130; mhd. WB. l, 137). «Die» Bimeß. Binße, Binse ( schwz. Id. 4, 1414 f.) wird singularisierte Mehrzahl sein.   17  Schön illustriert; Fr. Schr. 43.   18  Ebd. 42.   19   Jacc. 306.   20  Vgl. «simbel» = rund: Gw. 6.   21  Zimmermeister Hämmerli.   22   Fr. Schr. 585.   23  Ebd. 209.   24  Man merke also: Chatzenstiile n = Schachtelhalme, Chatze nwaadle n (in Gals) = Binße n (als Mehrzahl).   25   Graff 2, 281.   26   Schwz. Id. 3, 1459.  
 

III.

Der nämliche Mangel bedeutender Flußströmungen, der die Versumpfung des Seelandes begünstigte, hat also auch die Bildung mächtiger Torflager hervorgerufen. Beim Bau des Hagneckkanals durchschnitt man folgende Schichten:

Obe ndru̦ff Miesch (und zwar Torfmoos) in etwa 0,3 bis 0,5 m dicker Lage; dann schwummigi Tu̦u̦rbe n 0,3 bis 3,0 m; unter dieser Wü̦ü̦rzlitu̦u̦rbe n 1-2 m, zu unterst Ịịse ntu̦u̦rbe n (Pechtorf) 1-2 m uf blaauem Lätt ( S. 40). 1 Dieser ruht auf Flötzsand. Der Rasentorf besteht hauptsächlich aus einem Gemisch von Segge, Schilf und Erle. Auch Birche nrin͜de n ist fü̦rachoo̥ n. Ab und zu begegnet ein Tannenstamm, und gegen die Tiefe zu fast reines Miesch, nämlich Astmoos ( Hypnum).

Im Grissḁchmoos gibt es eine interessante, etwa 400 m breite Einfassung eines von Südwesten her streichenden Kanals. Da liegt über Sand, welcher Wasser führt, ein Torfmoorstück, wo un͜der de n Füeß walpelet und auch nach wiederholter Auffüllung immer wieder sinkt. Die ½ m dicke Oberschicht zeigt einen roten Wurzeltorf aus Schilf, Astmoos, Segge und Schachtelhalm ( Chatze nsti̦ile n), Kerngewebe und Pollen von Seebinse usw. Die genannten Pflanzen nebst Seerosen bilden eine zweite Schicht von 1 m; dazu kommen Blütenstaub von Roo̥ttanne n ( Picea), Birke, Lin͜de nbluestbạum oder Lin͜de n (Tilia) usw. Eine folgende Schicht von 1 m zeigt einen grünlichblauen, krümeligen Lebertorf, der aus zahlreichen Algenkolonien ( S. 106) bestand. Diese hatten sich in dem ursprünglich vom Bielersee abgeschnürten Teich («Seefenster») unter den Stengeln von Wasserrosen und Schilf oder Binsen geborgen. Aus dem durch sie gebildeten Lebertorf siedelten sich neben den Seerosen Seebinsen und eine Art Schachtelhalm an ( Equisetum limosum). Mehr und mehr schwanden Seerosen und Seebinsen, und ein durch Astmoose innig verfilzter Bestand von Schilf, Seggen und Schachtelhalmen wob die schwimmende Decke, durch welche schließlich der Teich mit dem übrigen Moor auf gleiche Höhe gebracht wurde. Eine darüber gewachsene Decke von schwarze n Schmaale n (ein molinetum) wurde als Futter für Pferde und Galtvieh gemäht. Vielfach aber war sie durchsetzt mit Schwarzgeertig (Faulbaum als Rhamnus Fragula), Röhrli (Schilf), Schwengel ( Festuca rubra fallax), Gänse-Fingerkraut ( Potentilla anserina) usw. Die Masse wurde nicht selten im Winter durch dazu autorisierte und beaufsichtigte Kinder, die ja so gern 115 bụube̥lle n, ab’brönnt, um auf diese alte primitive Weise der Bode n z’meste n. 2

Noch einige Proben aus unserer Nähe. Vom Schwarzgrabe n über das Schăbli ( Chablais), über die Greeblidäile n, die groo̥ße n Däile n bis zu den volle n Däile n (s. u.) östlich der Landstraße nach Murten breiten sich große, im Herbst rötlich anlaufende Ebenen von schwarze n Schmale n ( molinia). Das Gebiet von Müntschemier ist, gleich der Umgebung von Ins, aus der Einförmigkeit seiner Winterlandschaft herausgehoben durch die melancholisch fahlen, im Sommer aber strotzend grünen Grabenwächter: die halb haushohe Salix alba, den Fäälbạum. 3 Die Wirtschaft zum Fäälbạum ( à la Sauge) an der Broye zeigt, wie die Weißweide auch im Moorgebiet heimisch ist. Daß der Baum alle vier Jahre g’stü̦mmelet werden darf und damit einen großen Teil des Brennholzbedarfes deckt, verleiht ihm bei der wachsenden Holzfeuerung einen großen wirtschaftlichen Wert. Aus diesen, Grund, sowie zur Schonung des Waldes (s. d.) ordnete 1727 die Regierung allgemeine Fäälbäum-Anpflanzungen im Großen Moose an. Ebenso der Erle n und der Birche n. Bloße Zeugen einer fernen Vergangenheit sind dagegen die Äiche n von 2 m Durchmesser am Wurzelstock und von 28 m³ Inhalt. Besonders solche Stücke nähern sich der Dauerhaftigkeit, 4 von welcher aus S. 103 f. erzählt ist.

 
1   Schn. 79.   2   Fr. Schr. 573 f.   3  ( Mhd. WB. 3, 213) val, valwer (vgl. Graff 3, 468) ist svw. bleich, entfärbt und urverwandt mit lat. pall-idus, gr. poliós (grau) usw. Neben nhd. fahl ( Kluge 123) hat die Mundart die flektierte Form als falb (oberhaslisch falw, wie Mälw = Mehl usw.) generalisiert; ebenso die Entlehnung it. falbo, frz. fauve. Umgekehrt: geel = gelb   4   Schn. 205; Schwell 39; Stauff. 6.  
 

IV.

Zum Schluß noch eine Vergleichung zwischen der Pflanzenwelt des Großen Mooses, auf welche vor der Entsumpfung das Weidevieh angewiesen war, und derjenigen nach der Entsumpfung.

An Pflanzen ersterer Art zählt Dr. Schneider 1 auf: Verschiedene Wolfsmilcharten, Sumpfläusekraut, Schaftele n verschiedener Arten, Wasserwegerist ( Alisma Plantago), Buschwindröschen ( Anemone nemorosa), verschiedene Hane nfüeß, Wasserschaftheu ( Chara vulgaris), Wasserschierling ( Cicuta virosa), Herbstzeitlose, Egelkraut ( Drosera rotundifolia, S. 104, und longifolia), wilder Aurin ( Gratiola officinalis), Wassernabelkraut ( Hydrocotyle vulgaris), Taumellolch, Hundskohl ( Mercurialis perennis), Myosotis scorpioides, Einbeere ( Paris quadrifolia), Wassermerk ( Sium latifolium), Seeschierling ( Phellandrium aquaticum).

116 Ihnen stellen wir die folgenden zwei Auslesen charakteristischer Pflanzen 2 gegenüber. Zunächst aus dem Torfmoor bi’m Birke nhof:

Die Orchidee Helleborine atropurpurea ( Epipactis rubiginosa), dunkelrote Sumpfwurz. Reseda lutea, gelber Wau, wilde r Residaat (-át). Das Nelkengewächs Silene angustifolia ( inflata), gemeines Leimkraut, d’s Chlöpferli. Euphorbia Cyparissias, Cypressen- Wolfsmilch. Oenothera biennis, zweijährige Nachtkerze. Das Rosengewächs Rubus caesius, blaue Brombeere oder Steinbeere, der Tụụbenspi̦ck. Vicia Cracca, Vogelwicke, d’s Voogelhäü. Pirola rotundifolia, rundblättriges Wintergrün, en Art Buebe nchru̦t. Das Ölbaumgewächs Ligustrum vulgare, Rainweide, Hartriegel, Dintenbeere, d’s Gäißbeeri. Convolvulus sepium, Zaunwinde, wị̆ßi Winde n. Das rauhblättrige Symphytum officinale, Schwarzwurz, Wallwurz, Beinwell, Beinwurz, d’Waḷḷwü̦ü̦rze n; die Wurzel wird g’schabt un d uf enes Lümpli ụụf’drückt, um Wunden (früher sogar Knochenbrüche!) zu heilen. Das ebenfalls rauhhaarige Echium vulgare, gemeiner Natterkopf, Bŏrätsch; gi bt T’hee für d’Niere n z’butze n. Das Nachtschattengewächs Solanum Dulcamara, Bittersüß, Süeßbitterholz. Der Rachenblütler Rhinanthus crista galli ( Alectorolophus minor), kleinerer Klappertopf, d’s wild Läüe nmụ̈ụli. Die Geißblattgewächse Viburnum Opulus, Schneeball, di wildi Schneeballe n, und Lonicera caprifolium als verwilderte Spielart. Valeriana officinalis, echter Baldrian, Katzenkraut, Tannmark, Tanne nmaarg. Die Korbblütler Erigeron acer, scharfes Berufskraut und Centaurea Jacea, Wiesenflockenblume, der Pi̦mpernäll. Der Becherfrüchtler Quercus Robur, Stiel- oder Sommereiche, d’Äiche n als kleiner Sämling. Humulus Lupulus, Hopfen, di wildi Hopfe n. Die Spargelgewächse Asparagus officinalis, Spargel, di wildi Spaargle n, und Polygonatum officinale, Weißwurz, Salomonssiegel. Die Rispengräser Arrhenatherum elatius, Wiesenhafer, französisches Raygras ( «Franzose n-schmäle n»); 3 Bromus erectus, aufrechte Trespe; Agrestis canina, Hundsstrauß, «Fioringras»; Molinia coerulea, Besenried, die als Futtermittel gute schwarzi Schmaale n ( S. 114). Die Riedgräser Carex flacca ( glauca), schlaffe Segge, welche auf schlechte Futtergrasstelle deutet; Helcophylax (Scirpus) lacustris, Seeflechtbinse; eine Art Schwü̦mmele n ( S. 110); Eriophorum angustifolium, schmalblättriges 117 Wollgras, Bụ̈̆ßeli ( S. 111). Eine Art Orchis, Knabenkraut, Buebe nchrụt. Die Schachtelhalme Equisetum hiemale, Schaftheu, Schaftele n und E. palustre, Sumpfschachtelhalm, Duwock, Chatze nsti̦i̦l: eine giftige Pflanze, welche schon vielen Schafen und anderen Weidetieren den Tod gebracht hat.

Aus dem Strandgebiet bi’m Fäälbạum: Ranunculus Flammula, brennender Hahnenfuß. Wịßi und geel bi Wasserroose n ( S. 108). Hypericum perforatum, Tüpfel-Hartheu, Johanischrut. Lythrum Salicaria, großer Weiderich. Schwümmele n ( S. 110). Die den Rosengewächsen verwandte Potentilla reptans, kriechendes Fingerkraut, Feuffingerchrut; Rubus fruticosus, Brombeere, d’s Brombeeri auf erhöhten Stellen, die durch Blätterfall anderer Pflanzen entstanden sind und damit auf guten Boden deuten. (Vgl. Tụụbe nspi̦ck S. 116.) Voogelhäü ( S. 116). Der Lippenblütler Thymus Serpyllum, Quendel, Feldthymian, wịlde r Bchölm. Plantago lanceolata, Spitzweegerich oder -weegerist, für Tee gegen Lungenschwindsucht fleißig gesammelt. Die Labkräuter oder Klebkräuter Galium palustre, verum und Mollugo werden alle als di Chlịịbe̥re n oder das Chlịịbe̥rli bezeichnet, weil die schwachen, aber in der Eintracht ihre Stärke findenden 4 Stengel mit ihren zahlreichen kleinen rückwärts gerichteten, stachligen Nebenblättern überall Anhalt suchen und besonders lästig beim Häü zette n sich in der Gabel verwickeln. Namentlich G. Mollugo, das gemeine Labkraut, beherrscht in trockenen Sommern seine ganze Umgebung. Das sieht der Landwirt ungern, weil die Pflanze wegen ihres Geruchs und Geschmacks vom Vieh gemieden wird. Nicht umsonst ist das Labkraut ein Familiengenosse des Waldmeisters und des Krapps, aber auch des Kaffees und der Chinarinde. 5 Im Strandboden verschlụ̈̆fft si ch die Pflanze. Ferner: Tanne nmaarg ( S. 116). Senecio paludosus, Sumpfkreuzkraut. Pi̦mpernäḷḷ ( S. 116) und Hieracium Pilosella, langhaariges Habichtkraut. Äiche n ( S. 103), auf ein Hügelchen gerettetes Pflänzchen. Birche n und Erle n sind als Zukunftswäldchen angelegt in der Voraussicht, daß sie Überschwemmungen von nicht allzu langer Dauer überstehen. Salix repens, kriechende Weide. Hopfe n ( S. 116), energisch um eine Erle geschlungen, deutet gleich dem Wachholder ( S. 118) aus kalkhaltigen Boden. Rumex acetosella, kleiner Sauerampfer, der Sụụrimụụs. Lilium martagon, Türkenbundlilie. Spaargle n ( S. 116), wohl von der unfernen Pflanzung hergeweht. Trumme lschleegeḷ ( S. 111). Gräser: Holcus lanatus, wolliges Honiggras, wegen seines Geruchs vom Vieh gemieden; ebenso Anthoxanthum 118 odoratum, Geruchgras, welche als Strandpflanze sehr auffällig fische̥llet (nach faulen Fischen riecht); Briza media, Zittergras, das Zitterli. Ein Dähli (kleines Föhrchen, Pinus silvestris) ist ertrunken, und ein Wachholderstrauch ( Juniperus communis) kam als Leiche angeschwemmt. Der Wachholder heißt die Räckoḷtere n, Räckeldoorne n oder Haageldoorne n. Er besetzt namentlich hinter dem Tannenhof eine Düne. Das Aroma verbrannter Zweige und «Beeren» schätzt jedermann, wenn es gilt, die Nase gegen eine allzu starke Unbill zu schützen. Und wer liebt nicht Räckolterbeeri im Sụụrchrụt? Diese Scheinbeeren, d. i. die unter sich verwachsenen drei obersten Fruchtblätter der Zäpfchen, welche in den Achseln der Nadeln sitzen, lassen sich aber bekanntlich nur alle zwei Jahre als genießbar pflücken. Die fleischige, schwarzbraune, blau bereifte Beere bleibt im ersten Jahr grün. Drum entledigte jener Inser sich eines einfältigen Mädchens, welches mit seiner Umwerbung nid het welle n lu̦ggla̦a̦ n, endlich mit der Vertröstung: I ch nim me n di ch de nn, wenn de nn d’Räckolterbeeri alli rị̆ff sịị n. 6

 
1   Schn. G. 26.   2  Nach sachkundiger Auswahl durch Herrn Direktor Kellerhals in Witzwil und gütiger Bestimmung durch Herrn Prof. Dr. Fischer in Bern, dem wir auch die kritische Durchsicht dieses Verlandungskapitels aufs wärmste verdanken.   3   Lf. 75.   4  Schmeil 198.   5  Ebd. 199 f.   6  Die Hütte aus Wachholder als Schutz vor dem schwarzen Tod: Oberholzer, Thurgauer Sagen 86.  
 

Entsumpfungsversuche.

In der Moorbildung leistete die Natur ihr Mögliches, um die Stauwasser der übertretenden Flüsse und Seen durch ụụftröchne n mittelst Pflanzenwuchses an völliger Versumpfung zu hindern. Für sich allein aber het si dóch nid möge n g’fahre n. Menschengeist und Menschenhand mußten von anderer Seite her eingreifen und müssen es immer noch tun, um der Versumpfung das positive Werk einer gründlichen Entsumpfung entgegenzusetzen.

Das taten denn auch schon die Römer, wenn gleich bloß im Dienst ihrer militärischen Verkehrszwecke. Um nämlich das große Pfahlwerk der durch das große Moos führenden Militärstraße ( S. 82) vor Überschwemmung zu schützen, 1 unternahmen sie den (1878 entdeckten) Anfang des Hagneckstollens oder -tunnels. Dieser verläuft eine Strecke weit annähernd in der Richtung des heutigen Hagneckdurchschnitts und weicht dann etwas westwärts vom Bieler See gegen das Moos hin ab. Er ist 1,6 - 2 m hoch. Die Breite mißt im Fuß 1,20 - 1,30 m, in dem bogenförmig abgerundeten Scheitel 0,80 m. Mehrere hundert Fuß tief in das Molassegebiet eingetrieben; und fast bis ans andere Ende des 119 Hügels fahrend, sollte dieser Römertunnel offenbar zunächst den für sich bestehenden seichten See des Epsach-Täuffelenmooses ( S. 82) abgraben 2 und damit die erwähnte Straße schützen. Den weitsichtigen Plan vereitelte jedoch die mangelnde Nivellierkunst: die Tunnelsohle beginnt volle 2 - 2,3 m über dem höchsten Wasserspiegel des Hagneckkanals. 3 Es war daher kein Schaden, daß die Alemannen die Vollendung des Werkes störten und die Verschalung aus Lärchenholz fast ganz häi n la̦ n verfụụle n.

Erst aus der Zeit des kleinburgundischen Königreichs scheinen alemannische Vorkehren gegen Versumpfung aufzutauchen. Solche galten unter Rudolf I. von Strättlingen der Abwehr des Aaredurchbruchs unterhalb Worben und bei Stude n, wo der Fluß gegen die Ruine von Petinesca hin wiederholt Gieße n vorgetrieben hatte. Er wurde gezwungen, seine Vereinigung mit der Zihl wieder weiter unten zu suchen. So konnten die Abhänge von Jäiß (Jens) bereits bebaut werden, konnten im 11. Jahrhundert Neuenburger das Chablais ( S. 74) beweiden, durfte 1091 der Lausanner Bischof Kuno von Oltingen sein Kloster St. Johannsen auf dessen Moorgrund abstelle n, wagte 1338 der Neuenburger Graf Rudolf II. das Städtchen Nidau in den dortigen Sumpf hineinzubauen. 4

Von da an vernehmen wir nichts mehr von Vorkehren gegen Versumpfung bis zum Jahr 1646. Da baute Bern seinen Aarbergerkanal. Der führte von Aarberg über Siselen und Müntschemier nach der Broye und mittelst dieser in den Neuenburgersee. Die Venner von Graffenried und Stürler wurden als dessen Directores bezeichnet. 5 Es frägt sich allerdings, ob das «kleine Rom» diesen Nachfolger des Hagneckstollens nicht viel eher oder sogar bloß zu militärischen und zu Handelszwecken gebaut habe.

Wir lassen über das immerhin interessante Werk dem zeitgenössischen Aarberger Predikanten Forer das Wort.

Donnstag den 17. April 1845 ward von Meinen gnädigen Herren Räthen vnd Burgern zu Bern erkennt, von hinnen auß der Aaren durch das mooß hinauff In die Broy Einen Canal zmachen. Am 16. Mai 1645 ward der Canal angfangen, bey dessen graben mann vil mutwillens getriben. Sonderlich von der Herrschaft Burgdorf har. Im Hornung ( Hoorner) 1646 ist die große Canal-Schleüße In der Äbischern Byfang zwüschen der Cappellen vnd Walpersweyler Straß, zu Endt deß Jänners angfangen, aufgmacht worden. Am Pfingstmontag 18. May 1646 gegen dry vhren ( geege n de n dreie n) nach mittag hat Mr. Jacob 120 Emmenes, der Canal Zimmermeister, 6 ein Holländer, allhier vnderthalb der oberen Brugg, deß Ersten mals von der Aaren das wasser durch die kleinere brütschen ( Bri̦tsche n) der halbschlüßen In Canal louffen laßen. Am 9. July 1646 hatt mann zum ersten mal Im Canal von der halben Schleüßen nechst bey der Aaren biß zur ganzen Schlüßen obenfür ( oobe nfü̦ü̦r, oberhalb) mit dem garn gvischet. Da mire ( mier), dem Prädicanten vnd Scribenten, der allererst hecht darauß worden ist, so villicht ( vĭ̦lĭ̦licht) etwas mehr alß anderthalbpfündig ist gwesen. Am 8. Augusti 1646, alß die Sonn begundte Zgnaden gahn, 7 ließ obvermeldter Mr. Jacob Emmenes von der Aaren das Wasser deß Ersten mals zvollem ( z’vollem, vollends) durch den Canal dem moß zuo louffen. Mittwochens den 12. Augusti hat der Thuner Hanß, ein Schiffman von Bern, vmb die halbe viere ( äm halbi vieri) gegen dem Abend das erste mal ein halb Schiff ( e̥s Schiff halb voll) mit Siben Zigen vnd einem lähren vaß geladen, vß ter Aaren In Canal gführt, dem Oberen See zu. (So heißt der Neuenburgersee im Gegensatze zum Bieler- als dem untern See.) Am 11. September 1648 hat man zErst mal ein Schiffeten mit Salz, von dreyßig vaßen, den Canal hinab allhar gebracht, vnd die Aaren hinauf nacher der neüwen Brügg gezogen, allwohin es aber erst am Sonntag Zmittag kommen, daß also hiedannen ( vo n hiedänne n) biß dort hin dritthalben tag verbrucht worden. Montag den 26. Oktober hatt mann angfangen die Erste Schiffeten mit Weyn von hier nahe der neüwen Brugg ( Neubrügg) auf Bern zu ferggen, da mann aber est am Donnerstag (Donnstḁ g) dar kommen.

Groß mag der Jubel über die Errungenschaft gewesen sein — aber o wetsch! Bereits nach zwei Jahren stellte sich das erste Verhängnis ein.

Am 10. Oktober 1648 Ist die Canal Brugck gegen Walperzwyl zuo vnfürsehentlich nidergesunken vnd hat der äneren (jenseitigen) Waagböümen einer ein schön roß ztodt gschlagen, was Christen Glaßers, deß Cronenwirts vnd Bürgermeisters zuo burgdorf, deßen Karrer auch schier wär druf gangen. (Dies dru̦ff ga̦a̦ n klingt heute roh).

Studie von Anker

Am 3. November 1651 hat infolge der furchtbaren Wassergröße ( S. 91) das Canalwerck mercklich übel glitten. Deß Canals schaden 122 ward über drü Tusent Cronen groß gschetzt, der Brüggen, Schlüßen vnd ynwürffen halb.

So rasch ist das Unternehmen fú̦tụ̈ụ̈ g’gange n. Noch deutet hie und da eine kleine Einsenkung, hin und wieder auch ein Stück Lade n, womit der Karnaal ist ịị nta̦a̦ n gsi̦i̦ n, auf dessen erloschene Existenz. Sowohl eine derartige Verschalung, wie auch den scharffen Egge n zwischen Aarberg und Siselen vor der Wendung gegen Müntschemier nach der Mitte der untern Broye würde ein des Mooses kundiger «Zimmermeister» wohl vermieden haben.

Während des Baues rührten sich die Anstößer für Wahrung ihrer Lokalinteressen, wie aus den folgenden Verfügungen des Berner Rats vom 23. Juni 1646 hervorgeht: Demnach unser von Arberg in den Neüwburgersee gezogene und gemachte Canal nechst vor dem Dorff Müntschenmier derselben Gemeind und Pursame Erdterich und Mattland also berührt und angegriffen, daß vermittelst solchen Canals selbiges Erdterich verminderet und also ihnen denen von Müntschenmier umb so viel ein abgang verursachet, Sie aber dargegen vertröstet worden, daß solcher abgang Ihnen vermittelst anderen Erdterichs von gemeinem Mooß werde ersetzt werden, und nun Sie hierüber sich auch deß erbotten und dahin verbunden, daß Sie den nechst vor Ihrem Dorff ins Moos und Biß an Canal gehenden zur Endladung allerhand Sachen dienstlichen Steinweg ( Stäi nweeg) in Ihrem Costen in gutem wesen erhalten wellend, habend wir Ihnen von unserem Gemeinen Moos ein stück abmessen und abstecken lassen. Namblichen soll dieses anfachen änet dem Canal 250 schritt weit von demselben (um für dessen Erweiterung Raum zu behalten), und soll gegen Mittag und dem Ditschengraben sich 400 schritt in die Breite erstrecken. Die Länge von 1200 Schritt (gegen dem Inßmoos hin) brachte den Quadratinhalt aus 96-100 iucharten. Die weil aber die hindersäßen und Tagwner nicht in gleicher beschwärd der Fuhrungen halb sitzen, wie die Pauren, sollen die pauren ( Bụụre n) den halben Theill vorauß nemmen und dan am andern halben Theill ein jeder ( en iedere r), er seie paur oder tagwner, gleich viel haben. Das Heu ab dem Stück darf nicht verkauft werden, sondern ist so weit müglich auf die lächengüeter ze verwenden. Auf das gesammte Stück entfallen 10 Pfund rechts erkantnus und boden zinßes. 8

Auch den Gemeinden Treiten, Finsterhennen, Lüscherz und Brüttelen machte der Canal unkomligkeit ( U nchummligi). Daher erhielt Brüttelen 1647 ein ansehnliches Stück Moos: 1648 entfielen 123 an Treiten zirka 32 Jucharten gegen ein Pfund Bodenzins, 9 an Finsterhennen 21 und an Lüscherz 18 Jucharten. 10

Ein Flurstück zu Siselen trägt noch heute die Bezeichnung u̦ssert dem Karnaal.

Zu Anfang des 18. Jahrhunderts tauchte nochmals der Plan eines Kanals von Aarberg nach dem Murtensee auf, wurde jedoch wieder fahren gelassen: 11 es het nụ̈ụ̈d drụs ’gee n.

Das Maß aber, in welchem die Berner Regierung sich um die Moosentsumpfung als solche kümmerte, geht gleich aus einem Erlaß von 1652 hervor. Da wurde einfach vo n Beern ụụs bifohle n, den Grienkopf am Auslauf der Zihl aus dem Neuenburger See auszuheben und durch einen Graben d’Zihl z’greede n. Ebenso wurden 1674 klagende Orte am Bieler See kurzer Hand angewiesen, ’s Zihlbett z’rụụme n. Ein ernstlicherer Angriff vom 31. Mai 1680 auf die Grienchöpf zwischen Schwadernau und der Mühlischwel li z’Brügg, wozu die Regierung fünfzig aargauische Graber berief, 12 mußte von den beteiligten Gemeinden bezahlt werden. Nidau und Erlach leisteten daran je 100 Kronen, Biel 61, Neuenstadt, Ligerz und Twann je 50, Lan͜dere n und Grissḁch zusammen 50. Ebenso mußte der Pfarrer von Bürglen als Besitzer des Mühlenwerks zu Brügg auf seine Kosten die erwähnte Schwelle um 24 Chla̦fter la̦ n chü̦ü̦rzer mache n. 13 Auch all dieses Geld ist nụmma n zum Pfäister ụụs g’heit g’si̦i̦ n.

Nun wurde doch am 7. Dezember 1702 die Korrektion der Zihl zwischen Brügg und Meyenried ins Auge gefaßt. Die Regierung bewilligte dafür 200 Thaler und beauftragte den Stücklieutnant Samuel Bodmer mit einem Plan und Grundriß. Ein solcher lag am 30. Mai 1704 vor und faßte ins Auge: einen neuen Durchbruch der Zihl bei Bürglen, und einen neuen Durchbruch von einer Aar zur andern, um vom Wirbel aus das Häftli ( S. 87) abzuschneiden. Am 16. November 1704 aber sah ein größerer, für seine Zeit sogar ingeniöser Plan vor: einen geraden Durchbruch bei Bürglen, zwei Durchschnitte bei Gottstatt und einen großen Aaredurchschnitt bei Büren. Allein dieses Städtchen erhob energischen Protest, und der Rat beschloß am 8. November 1705: die Vergredung der Aare soll unterlassen werden 14 ( d’s vergreedere n soll un͜der weege n blịịbe n).

Nachdem 1718 und 1721 die Aare zwischen Büren und Worben neue Verheerungen angerichtet und Orpund um Ableitung der Zihl 124 gebeten hatte, setzte Bern am 12. März 1721 eine fünfgliedrige Aaredirektion ein. Diese nahm am 10. November 1722 neue Klagen aus Dotzigen und Büetigen entgegen, bewerkstelligte ein paar Augenscheine, ließ einiges Grien räumen, 15 und Geometer Reinhard het näüe n soḷḷen e n Plan mache n. Nach dieser glorreichen Tätigkeit legte die Aaredirektion sich auf ihren Lorbeeren zur bleibenden Ruhe.

Eine Rückstauung der Zihl in den Bieler See zu Ende 1733 brachte zu wege, daß nach zehn Jahren (1743) durch Stephan Kocher in Büren ein neuer «Plan des Aaren-Runß von Arberg bis Büetigen-Einung in Grund gelegt» wurde.

Neue Verheerungen im Frühling 1749 veranlaßten den Rat zum Befehl an den Artilleriemajor und Feldzeugmeister Anton Tillier, er solle über das ganze Überschwemmungs­gebiet «ein Generalsystema mit dem Niveau aller Orte abfassen und vernünftige und alte Leute» ( altni Lụ̈t) über ihre Meinung abfragen. Durch schlechte Instrumente irregeführt, fand der gelehrte Ratsherr das Gefälle Nidau-Meyenried fast dreimal so hoch wie 1704 Bodmer. So verwandelte sich dank der bis 1758 von ihm geleiteten Räumung der Schweline n bei Brügg und der Kanalisierung des Mooses von Nidau bis Port, sowie des Nidauer Städtchens, dies letztere glücklich in ein kleines Venedig. Eine während der Arbeit eintretende, überaus große Überschwemmung legte wie zum Hohn dar, was für feuftụụsig Chrone n geleistet worden sei. 16 Zum Überfluß und Überdruß sangen bis in die letzten Achtzigerjahre die Nidauer Frösche n, welche neben Fischen die Kanäle belebten, ihre Loblieder auf die ihnen so sehr zusagende neue Heimat.

1760 berief die Regierung den Walliser de Rivaz zum Studium der neuen Notlage. Dieser Wasseringenieur dachte an eine Tieferlegung des Bieler Sees, verbunden mit einem neuen geraden Zihlbett vom Pfeidwald (bei Brügg) bis Schwadernau zwecks Umgehung der dortigen Grienköpfe. Seine Pläne wurden — durch wen? — hin͜derḁ p’hackt (unterschlagen) und vernichtet. Die nämlichen Vorschläge Mirani’s von 1771, vermehrt durch den Vorschlag, den Schuttkegel der Schütz bei Nidau abzutragen, blieben ebenfalls ungehört; desgleichen die Pläne von Werkmeister Hebler (1775) und Lanz (1780). Ein leidenschaftlicher Hauptrufer der Opposition war der Landschreiber Abraham Pagan in Nidau. (Näheres über ihn in «Twann».) Der setzte zwei Jahre nach der neuen Landesnot vom März 1776 ( S. 91) es durch, daß unter seiner Leitung mit Hülfe großer schwerer Rechen einige Jahre 125 lang Grien aus dem Flußbett bei Brügg geschafft wurde, um die Mühli und Walki bei Brügg lahm zu legen. Kosten: 8015 Kronen. Natürlich ist auch das nụmmḁ n de n Mụ̈ụ̈s ’pfi̦ffe n gsi̦i̦ n.

Im großen Jahr 1789 griff Geometer Schumacher Bodmers Idee von neuem auf. Umsonst. 1801 wehrte unter der helvetischen Regierung immerhin ein gewaltiger Damm ( Däntsch) das fürchterliche Hochwasser zu Meyenried einige Zeit ab, indes von den 44,000 Franken, die 1811 für Kiesaushub bei Brügg ausgegeben wurden, ein guter Teil in die Taschen des Unternehmers Böhlen floß. 17

Als 1816 die ganze Gegend zwischen Entreroches und Solothurn wieder unter Wasser lag, häi n si du̦ z’Bern eene n o ch i n d’Hän͜d g’spöüt, für iez entligen öppis Rächts z’mache n. Allein auch (und erst recht) die Restaurations­regierung ließ es bei einigen kleinen Arbeiten bewenden. Selbst die 1818 vorgelegten Pläne der Oberstleutnante Karl Koch und Tulla, 18 welcher die Linthkorrektion projektiert hatte, von Professor Trächsel, sowie den Ingenieuren Oppikofer und Hauptmann erlebten die Schicksale der frühern großen Entwürfe. Ja, als 1823 nach einer neuen Überschwemmung ein seeländischer Abgeordneter in Bern eine Bittschrift überreichte, het mḁn e̥n aa ngschnạuzt: glạubet e̥r de nn, di Lụ̈t da̦ eene n sige n ’s weert, das s mḁ n söve̥l Gält für si geeb? 19

So het mḁ n geng uf d’s früsche n d’Sach la̦ n tscheedere n. Es brauchte Einen, der durch fortwährendes stü̦pfe n d’Lüt g’längwịịlet und an ’ne n g’rangget het, bis si’s ni̦mme hr’ häi n chönne n verrangge n: bis sie endlich, um den unermüdlichen Dränger und Mahner nicht mehr hören zu müssen, d’s Wasser, wo ’nen a nfange n i n d’s Mụụl ịịchḁ g’lü̦ffen isch, sich erst vom Halse, dann von den Knien und schließlich aus den Schuhen schafften.

Die Not des Landes schrie nach einem Mann, der sie als seine Not auf seine Schultern lud, und der mit der ganzen Größe seines Herzens, dem hellen Lichte seines Verstandes und der selbstlosen Hoheit seines Willens ihre Hebung zu seinem Lebenswerke machte.

 
1   Mül. 248; Anz. N. 8, 39; 1875, 615.   2   Schn. 32.   3  La Nicca bei Schn. 205.   4   Schn. 35.   5   Schlaffb. 1, 145.   6  Man denke an das Grundverbum zu «Zimmer», welches z. B. gr. démain lautet und allgemein «bauen» bedeutet ( Kluge 507.)   7  «Gnade» geht zurück auf idg. neth (neigen) und gelangte über den Begriff der Herablassung zu dem der Huld und Gunst. (Vgl. Kluge 177.)   8   Schlaffb. 1, 141; Urb. Mü. 47-49 (beides natürlich in Abschrift).   9   Schlaffb. 1, 145 f.   10  Ebd. 147-9.   11   Jahn KB. 11.   12  DMS. 26, 498.   13   Schn. 39.   14  Vortrag von Dr. J. H. Graf in Neuenstadt 1902.   15  Graf 3.   16   Schn. 70.   17   Sch. G. 5.   18   Schumacher 91 f.; Kal. Ank.   19   Sch. G. 6. (Inserisch.)  
 

Der Dokter Schniider.

(23. Okt. 1804 — 1880, Jan. 14. 1 )

Der Dokter Hans Ruedi Schnịịder chunnt vo n Mäie nried un d isch döört uụf̣g’wachse n. Das Mäie nried isch es Döörfli un d es äigets 126 chlịị ns Bụụre n-G’mäinli zwüsche n Gottstatt u nd Bụ̈ụ̈re n, u nd het o ch G’mäinschaft mit bee̥de n. Z’Breedig gange n (oder solli) d’Lụ̈t uf Bụ̈ụ̈re n. Aber wil das es alts, berüehmts Stedtli isch mit fürnähmme n Lụ̈t drinn, schicke n d’Mäie nrieder ihri Un͜derwịịsiger (Katechumenen) mit de n bụ̈ụ̈r’sche n Chläider u nd Holzbööde n lieber uf Gottstatt. Dört brụụche n si si ch min͜der z’schiniere n u nd fin͜de n lieberi Bekanntschaft mit de n Schụ̈ụ̈rer un d Orpun͜der u nd Saafnerer.

Deene n vo n Safnere n wohne n d’Mäie nrieder greedi gegenüber, u nd d’Zi̦hl häi n si zwüschen inne n. No ch nid lang gäit e n Flurbrügg d’rü̦ber. Aber zu Schnịịders Zịte n het mḁ n nummḁ n mit Wäidlige n chönne n zu n enan͜dere n choo̥ n, u nd das isch o ch flị̆ßig g’schee̥h n. Bsun͜ders z’Herbstzịte n häi n di junge n Bu̦u̦rsch enan͜dere n Wịsịte n g’macht für z’luege n, weel chi Öpfel u nd Bi̦i̦re n u nd Chi̦i̦rße n besser sịịgi. Da̦ het’s de nn richtig nid chönne n fehle n, das s mḁn o ch probiert het, wél che r stercher: die us däm groo̥ße Dorf Safnere n oder die us dem chlịịne n Dörfli Mäie nried. D’Mäie nrieder häi n’s män’gisch gnue g müeße n g’spü̦ü̦re n, das s ihrere n min͜der sịịgi u nd sị n verchlopfet u nd g’chnü̦tscht worte n öppis grụ̈ụ̈sligs. Aber äinisch, wo n es dụ o ch gar z’strụụb ’gangen isch, häi n d’Mäie nrieder e n Chriegslist ersinnet. A-neme n Daag, wo d’s Wasser ganz täüff isch gsi̦i̦ n, fahre n si uf ihrem Wäidlig gege n d’Safnerer zue. Die, nid fụụl, chöo̥me n ’ne n uf ihrer groo̥ße n Baarchchen etgeege n. D’Mäie nrieder ruedere n u nd ruedere n drụf los geegen e n Sandbank zue, wo nu̦mmḁ n si e g’chennt häi n. Döört häi n si ihrers chlịịne n, liechte n Fahrzụ̈ụ̈g hurti g us dem Wasser g’risse n u nd si ch dḁrmit i n mene n G’stụ̈ụ̈d versteckt. D’Safnerer fahre n richtig schön ŭ̦f der Sandbank ụụf un d e̥bstecke n (si e si n e̥bstoche n) u nd häi n nid g’wüßt, wo ụụs u nd wo̥raa n. Jez d’Mäie nrieder hai u̦f si mit Grien! Si häi nlsó gründlich mit de n Fi̦nden abg’rächnet, daß die si n froh g’si̦i̦ n, ihrer Fründe n z’weerte n, u nd das s es na̦ ch ’m Chrieg e n länge n Fri̦i̦de n g’gee ben het.

Dennzuma̦l het der Schnịịder Ruedi der Aa nfüehrer g’macht — der Bụụre nbueb als Primus inter pares. Si n Vatter isch Säiler g’si̦i̦ n u nd Wi̦i̦rt uf der Galeere n. (Das war die ehemalige Meienrieder Wirtschaft, das Stelldichein der Schiffleute und besonders der zum raseliere n [s. im Band «Twann»] herangezogenen Mannschaft.) Dä r Vatter Schnịịder het ḁ lsó gueti Säili (Seile) chönne n mache n für d’Schiff aa nz’bin͜de n, das s ’nḁ d’Schifflüt vo n Bern häi n welle n zúe ’nne n löo̥ke n. Aber är hed g’säit: Nääi, i ch gange n nid mit mịịne n drụ̈ụ̈ Mäitli a n d’Matte n ga̦ n wohne n! (Hụ̈t döörft er ieze n das ganz freeve̥li.) D’Mäie nrieder häin ihm daas höo̥ch aa ng’rächnet u nd häi n das g’schịịd Mannli zum G’richtssees g’macht.

127 Der Ruedi het glịị n (bald) la̦ n merke n, daß ’s us ihm o ch öppis rächts well gee n. Aber was? Das Chin͜d ist vo n Sächsne n d’s Jüngste n gsii n, u nd d’Mueter — Anna Schluep vo n Rütti bi Bụ̈ụ̈re n — isch früsch gstoorbbe n. Dḁrfü̦ü̦r ( en revanche) het si ch d’s Meedi (Magdalena), di eltist Schwester, sịịnere n mit abartiger Liebi aa ng’noo̥ n. Drum isch der Ruedi o ch so n es fründlichs Buebli worte n, wo si ch gäng z’erst für di an͜dere n g’wehrt het, göb für ihn sälber. Wo n er us der Schuel choo̥ n isch u nd ’nḁ der Vatter uf Les Ponts i n d’s Wältsche n ta̦a̦ n het, hed äär’s de n Lụ̈t döört gar Donners 2 guet chönne n. Wo n er achte ndzwänz’g Ja̦hr spööter (1848) im Neue nburgerpụtsch döört hed müeße n ga̦ n hälffe n Oor dnig mache n un d ämmel o ch bi Les Ponts vo̥rbii choo̥ n isch, het ’nḁ d’Frạu Robert, sị n alti P’hänsionsmueter, uf der Stell ummḁ g’chennt u nd g’rüeft: Eh, miṇ Ggott, das isch ja̦ ụ̈ụ̈se r Ruedi! 3

Dr. Schneider

Daß dä r g’weckt Bueb ämmel afḁngen e n gueti Schuel haa n müeß, isch bi’m Vatter en ụụsg’machti Sach g’sịị n. E n chlịịni g’mischti Schuel (kleine Gesamtschule) het Mäie nried scho n lang sälber. Aber der Ruedi het i n d’Stadtschuel z’Büüre n müeße n. «Sekundarschuel» het mḁ n An no̥ denn no ch nid chönne n seege n. Es hed mäiste ns nu̦mmḁ n äine r döört Schuel g’haa n, wo hed Pfăr rer g’studiert u nd no ch käi n Poste n g’fun͜de n. Üụ̈se r Schnịịder het äine nweeg dört vill g’lehrt; mi g’seht’s no ch us Rächnige n un d Ụụfsätz vo n der Zi̦t na̦a̦chḁ.

Aber daß de r Bueb öppis Höo̥chers söll weerte n, ist dḁrmit no ch nid g’säit g’si̦i̦ n. Der Vatter u nd d’s Meedi häi n im Si̦i̦n n g’haa n, e n Beck us ihm z’mache n. Das hätt ’ne n ’s richtig chönne n, de n Schifflüt zum Seewịị n o ch all Daag äigets früsches Broo̥t fü̦ü̦rḁ z’gee n! Weeder (indes), der Vatter het si ch doch du̦ an͜ders b’sinnt u nd der Bueb g’fra̦gt, was ihn dunki. «E n Ttokter!» säit dee r’.

128 Guet, der Vatter het mit e̥-neme n Abịtee̥gger z’Nidau g’akke̥rtiert u nd der Jung zúe n ihm ta̦a̦ n, das s e̥r d’s doktere n lehri. 4 Aber die zwöo̥ sị n schịịnt’s ụs enan͜dere n choo̥ n, u nd der Ruedi isch gḁ n studiere n a n der Akademịị z’Beern. E n Hochschuel het’s döört erst An no̥ Viere ndrị̆ßgi ’gee n. Dḁrfüür sị n a n der Akademịị gäng bloß öppḁ n um di füsz’g Medizinstudänten ummḁ g’si̦i̦ n, fast alli us der Schwiz. Un d ụ̈ụ̈se r Schnịịder Ruedi vo n Mäie nried het grad a lsó, wi e n chläi n spööter der Stämpfli Köbi vo n Schüpfe n, ung’schiniert töörffe n im geel be n halblịịnige n Bụụre nchuttli dḁrhee̥r choo̥ n u nd si ch z’dü̦ü̦r che nwägg zụụchḁ la̦a̦ n, wo öppis rächts isch z’luege n u nd z’loose n g’si̦i̦ n.

So het der Schnịịder drụf los g’studiert, daß d’Schwaarte n häi n g’chrachet. U nd zwar nebe n der Medizin o ch no ch Geologịị bi’m Studer Beerni. Das isch ihm du̦ für sị ns Kor räkzionsweerch öppḁ komód g’nue g choo̥ n! 5 Dḁrbịị isch er e n fröhliche r, heitere r Bu̦u̦rsch g’si̦i̦ n u nd het als Zofinger alles mitg’macht, wo n ĭhm di magere n Batze n vo n da̦häimen erlạubt häi n. — Scho n An no Viere ndzwänzgi het er e n guldigi Brịịsmedalje n überchoo̥ n für n en Arbäit über d’s impfe n. Aber du̦ isch er no ch drụ̈ụ̈ Ja̦hr uf Berlin, uf Göttinge n un d uf Barịịs. Nachhee̥r het er z’Bern d’s Exame n g’macht.

Du het er z’Nidạu d’Abitee̥g g’chạufft u nd si ch döört mit acht Dublone n (zu Fr. 22.85) Wartgält nebe’m Doktor Locher u nd nebe n zwöo̥ne n Gü̦tterlidökter ni̦i̦der gla̦a̦ n. Da̦ het’s iez g’häiße n, der Meere n (Mähre) i n d’s Auge n luege n! Gält het er e̥käi ns meh g’haa n. Aber es isch ämmel ’gange n; d’Lụ̈t sị n zúe n ĭhm.

Un d i n witere n Kräise n het mḁn o ch n e̥s Auge n uf ĭhn g’haa n. Är isch An no̥ Dreie nddrị̆ßgi Groo̥ßra̦a̦t worte n, un d An no̥ Achte nddrị̆ßgi isch er i n d’Regierig choo̥ n. Daa s isch du̦ hingeege n (wahrlich) e n großi Ee̥hr g’si̦i̦ n fü̦ü̦r ĭhn! Aber äär hed’s schweer g’noo̥ n u nd gar nid öppḁ begehrt, nu̦mmḁ n z’fụụlhun͜de n. Wi hed äär (1849) e̥-mene n Fründ g’schri̦i̦be n? «Die Stelle eines Regierungsrats und Direktors des Innern ist eine fürchterliche Arbeitsanstalt.»

U nd doch het dä r düechtig (höchst arbeitsame) Maa n nebe sị’r stränge n Beruefsarbäit u nd sịịne n Vatterpflichte n (s. u.) o ch no ch für an͜deri Sache n Zịt g’fun͜de n u nd g’noo̥ n. Jää, wen n äine r wi der Schnịịder Ruedi u nd wi der Bundesraat Schenk 6 bis um Mitternacht schaffet u nd am Moorgen äm feufi scho n ummḁ us de n Feedere n schlụ̈̆fft, 7 de nn ma g n e̥s mäṇ’gs ’gee ben’!

Torfmoos im Hochsommer

Gemalt von F. Brand

129 Der politisch Umschwung vo n An no̥ Äine nddrị̆ßgi, wo ihn het a n d’s Rueder g’stellt, ohni das s äär’s hed g’suecht g’haa n, het dä n jung Maa n begrị̆fflich 8 o ch starch hee̥ra gnoo̥ n. Aber är ist bi allem e n b’sunnene r Maa n ’bli̦i̦be n. «Freiheit mit Arbeit und mit gediegenem Fortschritt!» het’s bi n ihm g’häiße n. U nd da̦ draa n het e̥r si ch g’halte n. Schwindler het er ĭhm (sich) zeeche n Schritt vom Lịịb g’halte n, aber ehrlichi Flüchtlinge n wi der Mazzini 9 u nd b’sun͜ders der Mathy 10 hed är warm i n Schutz g’noo̥ n. Bee̥d Manne n si̦ n g’hetzti Wild g’si̦i̦ n, bis si sich äntlig häi n chönne n seedle n in Gränche n, «diesem Ort ungefüger Dorfmenschen, deren Häuptling der allmächtige Badbesitzer Vater Girard war, einst selber ein heimatloser Flüchtling.» Dem Mathy het er Arbäit zue g’haa n, wo n er het chönne n. Är het ihm g’hu̦lffe n das Blatt gründe n: « La jeune Suisse, die junge Schweiz, ein Blatt für Nationalität,» dụ̈̆tsch u nd französisch neben enan͜dere n ( en regard). Es isch vom 1. Häümoonḁt 1835 bis am 23. Häümoonḁt (Juli) 1836 gäng am Mi̦dwuchen un d am Samstḁ g z’Biel ụụsḁchoo̥ n. 11 Der Mathy isch d’Seel vom Blatt g’si̦i̦ n. Är het ĭhm (sich) fast d’Fingere n voor ab gschri̦i̦be n, wo an͜deri dütschi Flüchtlinge n sich als Vagante ng’schmäüs u nd Spione n zụụchḁ g’la̦a̦ n häi n. Vo n deene n het ’nḁ du äine r: der von Schmiel, de r Hălúngg, der Polizei verra̦a̦te n. Da̦ isch dä r sịịn u nd hoo̥chgebildet Maa n, wo du̦ spööter badische r Minister u nd di rächti Han͜d vom Großherzog worten isch, als Un͜dersuechungs­g’fangene r i n d’Hän͜d vo n mene n Roschi choo̥ n un d e n längi Zit i n der Schwiz umma tri̦i̦be n worte n.

Wi der Schnịịder si ch söttigne n Manne n hed aa ng’noo̥, so isch er o ch für di g’fangene n Freischeerler vo n 1845 ịị ng’stan͜de n. Aber vom Freischaare nzuug sälber, wo der Ochse nbäi n im alte n Stadthuus z’Nidạu het z’seeme ntrummet, hed äär nụ̈ụ̈t welle n.

Dḁrfü̦ü̦r isch er für di inneren Angeläge nhäite n i’ n Strick g’hanget, so starch er het chönnen u nd möge n. Är het g’schri̦i̦ben un d g’redt wege n der U̦u̦swanderig (1846-50) und für de n Freihandel, het 1848 u nd 1851 (d’s sälb Ma̦l i n London) di schwịzerischi Industrịị-Ụụsstellig g’läitet. 130 1856 het ihm der internazional Kongräß i n Brüssel 12 e n Médalie n verehret.

Aber denn (damals) isch er dụ scho n lang nị-mme̥ hr a n der Regierig g’si̦i̦ n. Wo’s An no̥ Füfzgi umg’schlaage n het, isch der Schnịịder fü̦ü̦rig (überflüssig) worte n. Als Berner häi n si ’nḁ nụ̈ụ̈d meh chönne n brụụche n — aber du̦ als Äidgenoß wohl! Scho n 1843 isch er nebe’m Neuhụụs vo n Biel a n d’Tagsatzig choo̥ n gsi̦i̦ n, u nd 1848 het ’nḁ der Oberaargạu als Nazionalra̦a̦t g’wehlt. Da̦ het er du̦ für d’E ntsumpfungs­weerch, wo mer de nn no ch äxtra ( S. 134 ff.) dḁrvo n wäi n reede n, mit si’r ganze n Chraft chönne n i n d’s G’schir rn li̦gge n. 13

U nd doch isch er du als zweue ndsächzgjehrige r Maa n de n Lüt döört o ch z’altne r gsi̦i̦ n. Es isch ihm i n der chu̦u̦rzööt mige n Politik ’gange n wi an͜dere n altne n Lụ̈̆t oo ch: si häi n ’nḁ un͜der d’s alt Ịịse n g’heit. Mi het ’nḁ 1866 i’ n Nazionalra̦a̦t o ch nü̦mme n g’wehlt. Iez het er dụ der Groo̥ßra̦a̦t (das Mandat als Großratsmitglied) o ch grad ab’gee ben. Aber e n Maa n, wo si̦’r Leebszị̆t d’s Schrịịbpult het lieber g’haa n weder d’Rĕdnerbühni; e n Maa n, wo no ch als höo̥chste r n Äidgenoß (Tagsatzungs­präsident 1847) nụ̈ụ̈d hed g’chennt weder schaffe n u nd schaffe n; e n Maa n, däm d’s Vatterland alles u nd sị n P’härson nụ̈ụ̈t isch g’si̦i̦ n: dee r isch ohni Groll i n d’s Privatleebe n z’rugg, groo̥ß wi der Ruedolf von Erlach, wo sị ns Schwärt bi Lạupe n het ụụs’dienet g’haa n.

U nd für de n Schnịịder het’s erst du rächt z’tüe n ’gee n! Am glịịche n Mittág, wo n er vernoo̥ n het, är sịg als Regierungsra̦a̦t dḁrvó n g’heit worte n, hed äär a n si’r Hụsdü̦ü̦r im ụssere n Bollwärk Nummero 263b 14 im erste n Stock sịs Teefeli ụụsg’hänkt: Dr. J. R. Schneider, Arzt und Wundarzt. Sprechstunde: 1-2 Uhr. Un d es het si ch bịị n ĭhm erwahret: Wen n ä̆i n Dü̦ü̦r zue gäit, so gäit en an͜deri ụụf. Är het z’tüe n g’haa n fü̦ü̦r u nd g’nue g. Alles het zu dem g’schickten u nd fründlichen alte n Maa n welle n. U nd nid lang isch es ’gange n, so isch er Inseldokter (Arzt am Inselspital in Bern) worte. Das isch er drị̆ßg volli Jạhr lang ’blịịbe n, u nd dämm Amt hed äär Ja̦hr ụụs Ja̦hr ịị n der ganz g’schlaage n Daag g’widmet.

D’ E ntsumpfung ist dennzuma̦l du̦ g’sicheret g’si̦i̦ n: är het d’Chatz dür ch de n Bach g’schläikt g’haa n. Är hed richtig g’mäint, är erleebi’s ni̦mme̥ hr. Aber dier (ihr) vilicht! het er zu sịịne n Chin͜d g’säit. Un d iez? Wi vo n me̥ne n Beerg aachḁ het er sị ns Leebe nsweerch chönnen überluege n vo n denen Unglücksja̦hr aa n, wo über si ns Mäie nried ii n’broche n 131 sịi n. Är het si ch z’ru̦ggb’sinnt an An no̥ Sächszechni ( S. 91) un d erst rächt a n d’s Achte ndzwänzgi, wo d’s Wasser z’mitts i n der Nacht de n brav ält Wü̦ü̦rze ngreeber Toni bi’m schwelle n het furtg’risse n. Da̦ het er g’schwoore n, käi n rüejigi Stun͜d meh z’haa n, bis das Uug’hụ̈ụ̈r der mönschliche n Macht mües folge n. 15 U nd si̦i̦der het er als rächte n Berner nid lu̦gg g’la̦a̦ n, bis d’s Werk ämmel i n der Hạuptsach isch fertig g’si̦i̦ n. So het er de n Übername n «Sumpfschnịịder», wo n ĭhm der Nassauer Fürspräch u nd Profässer Snell aa ng’hänkt het, 16 mit Ee̥hren ụụfg’leese n u nd ’träit.

Je̥z het es si ch für de n rị̆ff alt Maa n no ch um ene n Sumpf i n an͜derem Si̦i̦n n g’handlet. D’Insel (der Inselspital) het scho n denn gäng u nd ggäng z’weeni g Platz g’haa n. Aber der Schnịịder het g’wüßt, wie mache n. We nn so n en arme r Tụ̈ụ̈fel sü̦sch o ch gar nienen isch aa nchoo̥ n (nirgends Unterkunft fand), so het si ch no ch der Papa Schnịịder sịịner erbarmet. Wen n äine r am steerbbe n g’si n isch u nd si ch d’Inseltü̦ü̦r voor ĭhm zueta̦a̦ n het, so het der Schnịịder g’luegt, ob äär öppḁ no ch i n sị́’r Abtäilig chönn un͜derḁ schlụ̈̆ffe n. Käi n Müej isch ĭhm z’vill g’si̦i̦ n u nd käi n verdrü̦ssigi Sach e n z’wi̦i̦deri Sach. Ihm isch es aber o ch zum groo̥ße n Däil z’verdanke n, daß d’Zahl vo n den Inselbett zwüschen 1831 und 1900 vo n 115 uf 387 g’sti̦i̦gen isch, un d 1870 i n der kantonale n Nootfallstu̦u̦be n uf 245.

An no̥ n Achtzähhundert­nụ̈ụ̈ne ndfüfzg häi n si der Schnịịder zum Presidänt vo n der medizinisch-chirurgische n G’sellschaft vo n Bern g’macht. Da̦ het er en iederi Sitzig mit e̥-me̥ne n Vortrag ịị ngläitet, wo n er flị̆ßig het g’studiert g’haa n. Zum Bịịspi̦i̦l über die Chrankhäit vo n de n Zünthölzliarbäiter i n Frutige n (die Phosphornekrose). Dḁrbịị het er o ch chönne schaarffi Witze n mache n. 1863 häi n im Große n Ra̦a̦t e̥s baar (einige) g’suecht dü̦rḁz’drücke n, das s mḁ n d’s doktere n frei geebi. Da het der Schnịịder g’schri̦i̦be n: He nu, so machet’s, wenn nu̦mmḁ n d’Schwindler g’str̦a̦aft chöo̥me n! 17 Aber wenn der wäit d’«Naturärzt» mit de n padentierte n Dökter glịịch stelle n, so machet de nn o ch, das s es Naturfürspräche n gi bt, u nd Naturpfar rer, u nd Naturoberrichter u nd Naturkommandante n.

Aber wi hätt o ch n e n söttige r (solcher) Maa n dee nweeg (so) chönne n für ihre r Sächs schaffe n, wen n äär nid sit dem achte ndzwänzgiste n 132 Ja̦hr e n söttigi Stützi a n si’r Frạu g’ha n hätt! Lucie Marie Dunand häißt si. Ihrḁ Vatter isch us dem Gänferbiet g’sịị n, aber un͜der dem (erste n) Napolion als Konscribierte r dür ch Ängländer z’Hamburg (wi mḁ n säit) uusg’schiffet worte n. Vo n dört häi n ’nḁ sini Wanderunge n uf Schŏpfoo ( Chaux-de-Fonds) g’füehrt. Da̦ hed äär es schöns Uhre ng’schäft ’gründet un d isch e n rịịche n Maa n worte n. Aber bi allem het är öppis Feisters b’halte n un d ist e n sträng konservative r Royalist g’si̦i̦ n, wo sich erst spa̦a̦t mit sị’m Tochtermaa n verständiget het. Dḁrfü̦ü̦r ist di Lụ̈ssịị es heerzigs Frạueli gsi̦i̦ n, un d ihri Seel e n täüffe n, täüffe n See̥, wo der Maa n tụụsig u nd tụụsig Sorge n u nd Verdruß drinn het chönne n versänke n. Un d nid nụmmḁ n daas: si het ihrers ganz schön 18 Wịịberguet dem Maa n für si ns groß Leebe nsweerk g’opferet. U nd was nid i n dene n Sü̦mft (Sümpfen) vom Seeland verlochet worden isch, für daß di iezige Moosbesitzer ’s tụụsigfach umma̦ chönnen uusḁgraabe n, das het di Schwindeldiräktion 19 vo n der Owétschbahn g’frässe n, wo 1857 als «Ostwestbahn» ist g’gründet worte n. Der Schniider isch eebe n 1859 Verwaltungsra̦a̦ts­bresidänt worte n u nd het si ch dḁrmit das Kumplimänt vo n mene n Fründ erworbe n: Mi mues di̦i̦ ch drụ̈ụ̈ Ma̦a̦l b’schị̆sse n, göb dẹ n äinist ụụfhöörst, e̥-mene n Mönsch z’fast z’trạue n!

Aber das alles het der bode nlose n Liebi u nd Treui vo n dér Frạu nụ̈ụ̈d g’schadt. Si ist nu̦mmḁ n um so inniger mit ihrer Familie z’seeme ngwachse n: ihrem Maa n u nd si’r gäisteschranke n Schwester, un d ihrne n Chin͜d: zwöo̥ Söhn u nd si̦i̦be n Döchtere n. Vo n «Frạu Regierungsra̦a̦t» u nd settige n T’hitle n het si nu̦mma n gar nụ̈ụ̈t möge n g’chööre n; si het nụ̈ụ̈d begehrt z’sịị n weder e n tụ̈tschi Stauffachere n u nd e n römischi Cornelia.

Si het dem Werk von ihrem Maa n neben ihrem Gält o ch no ch ihri G’sundhäit g’opferet. Der Su̦mft het ere n Skorbut bbra̦a̦cht, u nd dür ch d’Aa nstrengig von ihrnen Auge n het si a n Netzhụtablöösig ’glitte n feuf Ja̦hr, bis si 1889 g’stoorbben isch.

Ihri letsti gueti Zit het si no ch a n d’Pfleeg vorn Maa n g’wändet, wo i nfolg vo n sinen Aa nsträngige n an͜derthalbs Ja̦hr isch un͜derliibschrank gsịị n. Sächse nddrị̆ßg Wuche n het mḁn ihm g’wachet, u nd drei Wuche n lang het er dụ no ch ịịr r g’redt. Der Dokter Dättwyler, sị n Dochtermaa n, Assistänt u nd Nachfolger, und der Theodor Kocher vo n Bụ̈ụ̈re n, iez dä r berüehmt Chirurgii-Profässer, na̦ ch däm di alti Inselgaß 133 z’Bern der neu Name n Theodor Kocher-Gasse träit, häi ’nḁ g’hulffe n pflege n. Un d är het albḁ i n sinen Schmeerze n g’säit: O, i ch bi n so z’fri̦i̦de n mit ’ne n! sị n si e’s ächt mit mier oo ch?

Aber so lang er no ch n e̥s Gli̦i̦d het chönne n rüehre n, het er si ch z’seeme ngnoo̥ n un d isch ụụf ga̦ n schaffe n. Es isch ĭhm no ch äi ns am Heerze n g’leege n: d’G’schicht vo n der E ntsumpfung, daß si de nn spööter nid schlächt darg’stellt weerti. Är het sịner Notize n u nd sịner Lesefrücht, wo n er si̦t sị’r Juget mit erstụụnlichem Flịịß g’sammlet u nd wunderbar schön g’oordnet g’ha n het, erleese n u nd het sine n Döchtere n «das Seeland der Westschweiz» diktiert, wo mier hie so vill zitiere n. Dḁrna̦a̦ ch het er am G’schri̦i̦bne n g’fielet u nd g’fielet, bis das s es das wunderbar tiefgründig u nd gedanke nriich Weerk worten isch.

Es ist d’s Testamänt vo n mene n Maa n, vo n däm mit Rächt u nd schön g’säit worten ist: Schicksalsschläge haben ihn getroffen, aber nicht gebeugt; sein Herz blieb allezeit voll Ideale.

Am siibenzeeche nte n Jäner 1880 het mḁ n ’nḁ us dem Hụụs a n der Spitalgaß 40, wo n er die letste n paar Moonḁt gwohnt isch, ụụsḁ’träit. D’Lịịcht (die Leichenfeier) ist grụ̈ụ̈slig e n äi nfachi g’si̦i̦ n, u ndr äi nfach Grabstäi n redt bloß vom «gewesenen Inselarzt». Dḁrfü̦ü̦r häi n d’G’mäin de n vom Seeland «den Rettern aus großer Not» dür ch di Bildhauer Lanz, Laurenti u nd Bocchetti un͜der de n Bäüm uf dem Inseli z’Nidau es würdig äi nfachs Dänkma̦a̦l g’setzt un d am 18. Wịị nmonḁt 1908 un͜der groo̥ßer Betäiligung vom Seeländervolch bis ụụchḁ zum Bundesra̦a̦t Müller vo n Nidau ịị ng’weiht. E n Spitzsụ̈ụ̈le n us wị̆ßgraauem Jurachalch, meh weder feuf Meter höo̥ch, zäigt dem Schnịịder sị n fịịn u nd schaarff g’schnitt’ne n Chopf mit dem leebe nswarmen Uusdruck u nd de n dür chgäistigete n Zü̦ü̦g vo n sị’m G’sicht mit der Naase n, wo so etschlosse n vorspringt u nd den Auge n, wo so äige n lächle n. Un͜der Schniiders Bild ist d’s Halbrelief vom La Nicca ( S. 135) i n Stäi n ịị ngla̦a̦ n. Der Sockel isch g’schmückt mit Wasserroo̥se n, Bịms (Binsen) u nd Röhrli (Schilf) und «ein alter, behäbiger Frosch sitzt vergnüglich auf einem großen Seerosenblatt». 20

Am Gibelfäld vom Lin͜de nhof, wo der Notar Wyß z’Lyß (s. u.) als Musterguet in e n versumpfti Wildnis bi Woorbe n het ịịchḁ gstellt, dö̆rt stan͜de n di Wort über e̥-mene n sinnvolle n Doppelbild vom Gehri: Der Lindenhof ist eine Frucht der Seelandsentsumpfung, ein Denkmal zu Ehren des Patrioten Dr. Joh. Rud. Schneider und aller übrigen Männer, die an dem großen Werke gearbeitet haben.

 
1  Vgl. BB. V, 241-253: Biographie von Dr. Bähler.   2  Nicht mehr als Fluch empfunden.   3   Eh, grand Dieu, c’est notre Ruedi!   4   Bähl. 10 f.   5   Schn. 4.   6  Nach der Biographie von Dr. Kummer.   7  Bemerke: schlụ̈̆ffe n, g’schloffe n oder g’schlü̦ffe n.   8  Bemerke: (be-)grị̆ffe n, (be-)grị̆fflich, aber: der Begri̦i̦f.   9  Der 1808-72 lebende Rechtsgelehrte Giuseppe Mazzini von Genua, Verfasser von «Glaube und Zukunft». Nach Vereitelung der Grenchener Generalversammlung eines etwa dreihundertköpfigen Geheimbundes, der als «das junge Deutschland» von der Schweiz aus das deutsche Volk «von seinen fürstlichen Erdengöttern befreien» wollte, ward Mazzini mit andern fremden Flüchtlingen gefangen und ausgewiesen und der als «Robert» zubenannte Gymnasiallehrer Ernst Schüler von Bern, Leiter des Zentralausschusses, verhaftet und entsetzt. Till. F. 1, 840 ff.   10  Karl Friedrich Wilhelm Mathy (burgundisch statt Mato) lebte 1807-68; vgl. seine Biographie von Gustav Freytag (Leipzig, 1870).   11  Ein Bogen in größtem Format.   12   Congrès international des réformes donanières am 22. bis 24. September.   13  Wie das alle Kräfte aufbietende Roß.   14  Heute Nr. 23.   15  Der Bieler Maler August Kunz nahm dieses Ereignis zum Ausgangspunkt für sein Festspiel zur Verherrlichung des Schneiderschen Entsumpfungswerks, dessen fünfmalige Aufführung in vollbesetzter Festhütte dem Schützenfest in Büren vom Sommer 1910 ein einzigartiges Gepräge verlieh.   16   Bähl. 22; Lg. 112.   17  Mit «kommen» (wie it. venire) konstruiert man das Passiv in Vinelz, teilweise im Laupen-Amt, und in Guggisberg. Vgl. «Twann».   18  Sogar mit unbestimmtem Artikel sagte der Inser: es guet Wiibervolch; es neu Dach; es alt Huus; es donnerwätter es toll Huus; es voll Faß u. dgl. Vgl. das unflektierte Adjektiv im alten Deutschen, wie es im heutigen Englischen ausschließlich gilt.   19   Bähl. 81 f.   20  Aus dem hübschen Aufsätzchen einer Schülerin des Sekundarlehrers Christian Marti in Nidau, welcher dort 1910 gestorben ist.  
 

 

Die Juragewässerkorrektion.

Hier, wo ihr steht, war Sumpf. Ihr, Enkel, dankt es den Vätern,
Daß sie die Gegend des Fluchs schufen in Segen euch um. 1

I.

In dem ereignisreichen Umschwungsjahr Äine ndrị̆ß’g (1831) gründeten einige Männer des Amtes Nidau nach Schnellschem Muster 2 den dortigen Schutzverein zur Wahrung der Volksrechte. Als nun aber im nämlichen Jahr der 1824 erstellte Schụ̈ụ̈ßkanal zwischen Mett und Bielersee, welcher Biels Umgebung vor den Ablagerungen des Flusses sichern sollte, sich durch die neue Überschwemmung als jämmerliches Stückwerk erwies, da erklärte der Handelsmann Gabriel Schmalz: Sichere r Grund u nd Bboode n isch ụ̈ụ̈ses érst Rächt!

Das het ’zoge n. Der Schutzverein gestaltete sich um zur E ntsumpfungs­kumission und stellte sich unter die Führung Dr. Schneiders. Der entfaltete sofort eine lebhafte Tätigkeit. Er erwirkte sich am 27. Februar 1833 die sehr verbindlich gehaltene Zustimmung der Berner Regierung und versicherte sich der Mithülfe von Männern wie Dr. Anker in Ins und Amtsschreiber Bühler in Erlach, Amtsrichter Stauffer in Gampelen, Tierarzt Huber in Büren. Trotz einem sehr stürmischen Wetter versammelten sich am 13. März 1833 in Murte n bei 120 Personen, darunter 4 vo n der Regierig u nd 3 Groo̥ßrööt.

Zündend wirkten hierauf Zschokkes «Schweizerbote» vom 2. Mai 1833, Schneiders in diesem Buch so oft zitierte «Gespräche» von 1833, und die S. 129 besprochene «Junge Schweiz», welcher neben Schneider auch Männer wie Louis Grosjean, Ernst Schüler und Neuhaus in Biel, Landammḁ n Funk in Nidau, Weingart, Hubler, Ochsenbein zu Gevatter stunden.

Die neue Überschwemmung vom Januar 1834 rief den Versammlungen vom 19. Oktober in Murten und vom 26. Oktober in A arberg. Da ließ man durch den Wasserbaumeister Lelewel Tullas Plan erneuern, durch möglichste Trennung von Aare und Zihl die Zurückstauung der letztern gegen die Seen zu verhüten. Der Plan wurde zwar nicht ausgeführt; er hat aber doch mit seinem Weitblick und seiner Großzügigkeit jeden fernern Gedanken an ungenügende Lokalkorrektionen 3 aus dem Felde geschlagen und dem genialen Projekt La Nicca, die Aare in den Bielersee abzuleiten, zu dessen schließlicher Durchführung die Wege geebnet.

 
1  Von Riva, bei Schn. 71.   2   Till. F. 1, 344.   3   Schn. 66.  
 

II.

La Nicca

Richard La Nicca (16. August 1794 - 1883, 21. August) 1 ist der Spross eines bereits 1367 zu Chur eingebürgerten und dann auch auf dem Heinzenberg heimischen Geschlechts Marugg. 2 1383 erscheint zu Chur ein Hans Marugg, genannt Nick. Der Zuname, welcher aus Nicolaus gekürzt ist und rätisch Nicca lautet, wird als ursprünglicher Geschlechtsname der Ehefrau zu deuten sein. Als solcher mit «La» behaftet 3 (wie auch wir z. B. die Fäisli, die Fäislinḁ sagen), verblieb der Name dem sich abzweigenden und selbständig werdenden Geschlecht La Nicca 4 oder einfach Nicca. Aus den stillen und bescheidenen Leutchen erwuchsen dem Bündnerland eine Reihe Pfarrer. Als solcher diente auf verschiedenen Pfründen auch der Vater des seinen, intelligenten, willensfesten, aber durch den länge n Stäck seines Dorfschulmeisters in Entsetzen gejagten Richard. Der Vater gab daher seinen sechsjährigen Eltiste n nach Masein, wo derselbe in kurzer Zeit vom Un͜deriste n der Oberist worden isch, und den Fünfzehnjährigen in die Kantonsschule Chur, wo er anfänglich mit seinem altväterischen Zopf («die Zü̦pfe n», die Trü̦tsche n) auf den blühend blonden Locken (Chrụụsle n) die Spottsucht herausforderte. Zwischen beiden Schulzeiten stählte er seinen Mut in der Überwindung schroffer Felsen und gefährlicher Hochwasser des Rheins. Auf solch schreckhaften Wegen suchte und erlangte er später, nachdem er in Italien ein Schweizerregiment geführt und seine in Tübingen erlangten mathematischen Kenntnisse durch das Studium oberitalienischer Tiefbauwerke vertieft hatte, die reiche und feine Oberstentochter Ursula Fischer. Zur Hochzeit knatterten die Minen im «verlornen Loch» der eben von ihm gebauten Viamalastraße. Nach bloß zweijährigem Eheglück studierte er weiter in München und wurde darauf Oberinschinöör des Kantons Graubünden. Indes seine neue Ehefrau, Cäcilie Hösli († 1854), des schönen Heims zu St. Margareten bei Chur waltete und jede Heimkehr des Mannes und Vaters zu einem Fest machte, betätigte nun La Nicca seine allerorten überlegene Kraft im Osten 136 und Westen der Schweiz. Nachdem er dieselbe 1840 in seinem neuen Plan zum Linthwerk glänzend erprobt, anerbot ihm (am 12. September 1840) die Vorbereitungs­gesellschaft der Jura­gewässer­korrektion deren Oberleitung. Er nahm sie am 6. Oktober an und arbeitete, obwohl viele schwierige, aber ehrenvolle Aufgaben dazwischen fielen, in an͜derthalb Ja̦hr sein geniales Projekt (s. u.) aus. Bundesrat Schenks und Dr. Schneiders «beinahe kindliche Freude» über Anerkennungen wie die der Obersten Fraisse und Dufour (des nachmaligen Generals) entschädigten den feinfühligen Mann für die nun wie Wurfgeschosse gegen ihn geschleuderten Bemängelungen hämischer und unberufener Kritiker.

Berufungen selbst aus Deutschland ablehnend, hat La Nicca sich bis 1882 der Oberleitung der Juragewässer­korrektion gewidmet und als 87jähriger Greis durch die schlicht sachliche Beschreibung dieses Werkes 5 unbewußt und ungewollt sich selber ein Denkmal aufgerichtet. Bis ans Ende geistig klar, stets ohni Spiegel lesend, außer in der schweren Erkrankung nach dem Tode seiner zweiten Frau nie das Bett hütend, überschritt er die Schwelle des neunzigsten Jahres. Am letzten Lebensabend ließ der große Mathematiker und Techniker sich Lavaters «Herr der Tage und der Nächte» vorlesen, tat einen ruhigen Schlaf, überstand einen kurzen Beengungsanfall und starb.

 
1  Über sein «Leben und Wirken» schrieb seine Tochter. Frau Bänziger, an der Hand nachgelassener Papiere ein schönes Buch (Davos, 1896)   2  Nach Muoth, Über bündnerische Geschlechtsnamen I, 23. Erwahrt sich die von Muoth bestrittene, aber von La Niccas Tochter behauptete czechische Herkunst des Geschlechts, so könnte dieses durch die Gegenreformation, welche mit dem dreißigjährigen Krieg anhob, zur Auswanderung nach dem reformierten Bündnerland getrieben worden sein. (Prof. Dr. Bähler, Pfarrer in Thierachern.)   3  Vgl. Lamartine, La Rochefoucauld, Lafayette, La Fotaine, La Harpe, La Bruyère, La Marmora usw.   4  Wie leicht das vor der streng polizeilichen Zivilstandsordnung möglich war, zeigen die noch in sie hinein reichenden oberländischen Geschlechts­erteilungen nach der Mutter. (Z. B. oberhaslisch Egger statt Gertsch.)   5   Schn. 175-208.  
 

III.

Das 1842 von La Nicca aufgestellte, aber wegen ungünstiger Aufnahme durch die nichtbernischen Kantone wieder fallen gelassene Projekt 1 wollte die ganze Talebene von Entreroches und von Peterlingen bis Solothurn vor Überschwemmung sichern, entsumpfen, kultivieren und mittelst einer Wasserstraße dem Verkehr erschließen. Unter Schneiders Mitwirkung wurde dann der vereinfachte Plan entworfen, die drei Juraseen z’vertäüffe n (tiefer zu legen) und d’Aar i’ n Bieler See z’läite n, die mittleri und un͜deri Zi̦hl, sowie die Brue̥ije n zu kanalisieren.

Glücklicherweise fand dann das endlich angenommene Projekt verständnisvolle Ausführung durch den eidgenössischen Oberbauinspektor von Salis, den Oberinschinöör Gustav Bridel von Biel (1826 bis 1884) und dessen Nachfolger Karl von Graffenried. Diesem blieb namentlich die Erstellung des Hagneckkanals vorbehalten, mittelst dessen die Aare von der Rappe nflue (zwischen Radelfingen und Aarberg) nach dem Hagni (zwischen Lüscherz und Täuffelen) und über das Strandgebiet des Bielersees hinaus in diesen hinein geleitet wurde. Fast i n mene Senkel (rechten Winkel) empfängt der See in der Mitte seiner Nordostflanke an der Stelle seiner größten Breite den Aa npụtsch des 7300 m langen, an der Sohle 60 m breiten und um 1,4 ‰ fallenden Kanals, der im 900 m langen Hagneckdurchstich das 137 Gefäll auf 3,75 ‰ erhöht und die Sohle auf 36 m verengt. 2 Diesem kleinen See mit bloß 42,2 km² Oberfläche, der obendrein mit einer Spiegelschwankung 3 bis zu vollen 2,83 m diejenige des Neuenburgersees buchstäblich auf die Dezimalwaage setzt ( S. 88), einen solchen Wasserschwall zuzusenden! Da̦ mues er ja̦ ü̆berg’heije n wi di chochchigi Milch us der Pfanne n! So und anders höhnten die Gegner ( S. 138) La Niccas. Der Mann aber wußte es besser, und vor ihm schon viele Fachgenossen. Hatten nicht bereits alte Berner die Lütschine im Brienzersee, die Kander im Thunersee, die Linth im Wallenstattersee «lahm und zahm gemacht»? Hatte nicht unterhalb des letztern vor 1783 die wilde Maag (der «Mattenbach») sich verheerend in die Linth ergossen, 4 um als «Linth-Maag», Lindmag, 5 Limmat, badnerisch Limmig, 6 dem Zürchersee zu entfließen? Da planierte der bescheidene und tüchtige Berner Geometer Hauptmann Andreas Lanz von Rohrbach (1740 bis 1803) 7 das Linthwerk in der Gestalt, wie der herrliche Eidgenosse Hans Konrad Escher von der Linth unter unzähligen Hemmnissen es bis zu seinem Tod (9. März 1823) durchführte, und wie es 1828 glücklich vollendet wurde. Auch La Nicca hatte dem Werk zwanzig Höhenjahre seines Lebens gewidmet. Um so näher lag es ihm, die schon von Tulla, 1816 von Oberst Karl Koch und in anderer Weise von Mathey projektierte Ableitung der Aare in den Bielersee im Hagneckkanal zu verwirklichen. Längst kannten ja Wasserbaukundige die «Retentionskraft» der Moore, Gletscher und Seen, d. i. deren Vermögen, in großem Ausmaß ’s Wasser z’bhalte n. Und zwar ist diese Kraft bei dem kleinen Bielersee mit Hilfe des durch den Zihlkanal mit ihm verbundenen Neuenburgersees so groß, daß er die höchstmögliche Wassermasse von 1500 m³ in der Sekunde aufzunehmen und dafür bloß zirka 810 m³ zu entlassen imstande ist. 8 So viel und noch viel mehr faßt aber mit Leichtigkeit der Nidau-Büren-Kanal mit seiner Uferkantenweite von 96 m, seiner Sohlenbreite von 66 m, seiner größten Tiefe von 8 m in der Mitte der Sohlenausschalung und seinem Gefäll von 0,2 ‰. Bereits während seiner Erstellung, im Jahr 1873, senkte sich der Bielersee um etwa 2,40 m. So konnten denn 1874 durch den Zihlkanal mit 31 m Sohlenbreite, 4,80 m Normaltiefe und 0,14 ‰ Gefäll der Neuenburgersee auf den heutigen Mittelstand, und der Murtensee durch den Broyekanal mit dessen Breite von 16,20 m und dessen Gefäll von 0,14 ‰ um 1,80 m gesenkt werden.

 
1   Schn. 176.   2  La Nicca bei Schn. 178 f.   3   Schn. 68.   4  Täubner.   5  Tschachtlan.   6  691 Lindimacus, 1245 Lindemage, 1530 Lintmagt.   7  Über ihn: Biographien für Kulturgeschichte der Schweiz von Dr. Rudolf Wolf (Zürich, 1860). III, 357-372.   8   Schn. 207 f.  
 

IV.

So die Grundzüge des Werks. Wie einfach erscheint es uns nun, da wir es in seiner Vollendung überblicken! Und doch ging seiner Ausführung eine lange peinliche Wartezeit voraus, in welcher Schneider die ganze Energie des bernischen nụ̈ụ̈t na̦a̦ ch la̦a̦ n ins Feld führen mußte. Zunächst regte sich gegen jegliche Entsumpfung überhaupt der ganz gemeine, schmutzig Eigennutz. Reiche wollten das abträglicher werdende Moos nicht mit Armen teilen, 1 Moosanwohner nicht mit entferntern Gemeindebürgern, die zu besserer Geltendmachung ihrer Rechte gelockt wurden. 2 Die gefürchteten Kosten machten La Niccas erstes Projekt so verhaßt, daß 1839 Oberstleutnant von Sinner und Fürsprech Ochsenbein beim Begehen des Entsumpfungsgebiets tätlich bedroht wurden: mi isch mit Mistgablen uf si los. 3 Burgerräte von Büren und von Nidau 4 häi n ta̦a̦ n wi d’Tụ̈ụ̈fle n, wie schon 1773. 5 Ja der alte Schneider selbst mußte noch 1866 in öffentlicher Versammlung ĭhm la n wü̆est seege n. 6 Ochsenbein ward aus dem überzeugten Anhänger La Niccas 1864 ein demagogischer Bekämpfer, der freilich durch Ingenieur Kocher eine feine und schlagfertige Widerlegung erfuhr. 7 Besonders gehässig äußerte sich der Waadtländer Aymon de Gingins-La Sarraz, 8 während andere Waadtländer und Freiburger alli Chöste n häi n g’luegt de n Berner ụụfz’salze n. 9 Eine ruhig sachliche Gegnerschaft La Niccas, nicht aber der Korrektion als solcher, entfalteten Männer wie Hugi ( S. 84) und Friedrich Zehnder 10 von Gottstatt (1850 und 1852).

Um so treuere Freunde fand La Niccas Plan unter der großen Mehrzahl der Männer, bei denen es schon 1833 geheißen hatte: iez mues öppis ga̦a̦ n! Gemeinde um Gemeinde, sowie wohlhabende Geistliche des Seelandes (worunter Zehnder), und hochsinnige Berner Patrizier 11 hatten damals Aktien gezeichnet. 1839 war die Vorbereitungs­gesellschaft gegründet worden, an welcher sich u. a. der angesehene Lehrer und Spitalgutsverwalter Alexander Stucki in Ins beteiligte, und die am 29. September 1839 unter dem Regierungs­statthalter Jakob Probst von und zu Ins sich konstituierte. (Diesem Mann von seltener und selbst in seiner engern Heimat viel zu wenig bekannter Geistesgröße widmen wir im Band «Twann» ein eigenes Kapitel.) 1843 trat nach langem Schwanken die Berner Regierung auf La Niccas Seite über.

Da hemmten die konfessionellen und politischen Kämpfe, sowie neu auftauchende Projekte die Ausführung des Werkes, bis endlich Männer wie die Regierungsräte Weber, Stockmar, Kummer, Rohr, und wie der 139 Bundesrat Schenk ’s häi n g’macht z’rücke n. Am 25. Juli 1867 het der Bund feuf Mil lione n g’sproche n und damit auch die beteiligten Kantone g’stü̦pft, das Ihrige zu tun.

Statthalter Probst

18. Mai 1769 — 1844 Juli 15.

Am 18. August 1868 wurde mit dem ersten Spatenstich der Hagneckkanal in Angriff genommen, und am 18. August 1878 sollte d’s erst Aare nwasser dḁrdü̦ü̦r ch lạuffe n. In eigenwilliger Durchkreuzung des chronologischen Zirkels begann es aber damit am Tag vorher, um den zu festlicher Eröffnung versammelten Herren der Bauleitung und der Regierung noch ein letztes Mal zu zeigen, das s ääs de nn äige ntlich gäng no ch Mäister sịịg. Mit solcher Mäisterschaft verband aber die vernunftlose Naturgewalt eine Höflichkäit, die den an Ehrenbezeugungen doch sehr gewöhnten Menschen nid e̥ma̦a̦l z’Si̦i̦n n choo̥ n isch. War doch der Tag des vorzeitigen Aareeinbruchs zugleich der Geburtstag des Aarebezwingers La Nicca! Ein eilig und geschickt angelegtes Faschinenwerk het aber doch dem Wasser der Mäister ’zäigt.

Erst am Boort des Durchstichs, dann auf der prächtigen (allerdings in der Folge zweimal unterspülten und drittmals erneuten) Hagnibrügg, welche einzig unter all den Korrektionsbrücken nicht einen us dem Schu̦blade n usḁzogne n «Ladenartikel» darstellt, schaute auch unser Dr. Schneider dem Lauf der gezähmten Wasser zu. I ch g’seh’s de nn ni̦mme̥ hr, aber vị̆li̦cht erläbit dier’s dee nn! hatte er (vgl. S. 130) seinen Kindern erklärt. Doch, da stand ja der Vierund­siebzig­jährige, die Rechte gestützt auf den Knopf des zwischen die Knie geklemmten Panamarohres. Unter dem Schopf des Panamahuts aber qualmte der Rauch einer ordinären länge n Grangßong (Grandson-Zigarre). Fritz, lueg, i ch rạuke n! rief er dem Sohn entgegen, der ihm eben eine ausgesuchte Havanna darreichen wollte. Galt sie doch dem Mann, der angesichts der furchtbaren Meyenrieder Katastrophe von 1828 ( S. 131) als Jüngling g’schwore n het, e̥käi ne Siggaare n meh aa nz’rüehre n, bis 140 d’Aar i’ n Bielersee̥ la̦uffi! Der erste Stumpe n seit fünfzig Jahren blieb freilich auch der letzte: är het ĭhm nid guet ’ta̦a̦ n. Um so erhebender war für den Mann der Überblick des erschlossenen Jurageländes ( S. 23) und der innere Überblick einer fünfzigjährigen Geschichte, der er den Stempel seines Geistes aufgedrückt.

 
1   Schn. S. 22.   2  Ebd. 24.   3   Bähl. 37.   4   Schn. S. 122.   5   Schwzrfrd. 1817, 55.   6   Bähl. 37.   7  Ebd.; Schn. 155 ff.   8   Schn. S. 168.   9  Ebd. 164.   10  Ebd. 122.   11  Ebd. 54.  
 

V.

Für Schneider durfte das Korrektionswerk (welches z’längsem und z’bräitem darzustellen wir uns versagen müssen) vollendet heißen — für sein Nachgeschlecht nicht.

Vorerst brachte neben der unmittelbar guten Folge: der Herabsetzung des Wasserspiegels und damit dem Wegfall der Überschwemmungen, das Korrektionswerk den Anwohnern noch große Lasten. Die waren insofern zu den Chöste n herangezogen worden, als sie den Mehrwert ihres Grundeigentums als Kostenanteil häi n müeßen ịị nzahle n. Dieser Mehrwert betrug ungefähr vier Millionen Franken. Es ergab sich daraus die Folge, daß die Kosten des gesamten Werks ungefähr je zu n eme n Drittel vom Bund, vom Kanton und vom beteiligten Grundeigentum getragen werden mußten.

Der Mehrwert verteilt sich aber auf das ganze Entsumpfungsgebiet ganz nid glịịchlig. Am schweerste n wurden naturgemäß die eigentlichen Moosdöörfer betroffen. So mußte Gals 238,000, Gample n 371,000, Eiß 768,000 Franken bezahlen. Die Summen sollten in zehn Jahresraten abgetragen werden. Und das bedeutete vorläufig eine Ausgabe, ohni das s mḁn öppis dḁrfü̦ü̦r g’ha n het. Das trocken gelegte Moos gab i n der Eersti nicht nur keinen größern Ertrag, sondern sogar min͜der weder vorhee̥r. Bis es einigermaßen kultiviert war, het’s ebe n richtig no ch Ja̦hr ’brụụcht! Zudem hatte man den Fehler gemacht, die endgültige Festsetzung des Mehrwerts und die Verteilung auf die einzelnen Grundstücke bis nach Vollendung des ganzen Werkes zu verschieben. Da diese Vollendung jahrzehntelang auf sich warten ließ, wurden die Zustände unhaltbar: es het ni d-mme̥ hr soo̥ chönne n ga̦a̦ n. Der Große Rat mußte einschreiten und neue Grundlagen für die Liquidation des Korrektionswerkes schaffen. Er tat es im Dekret vom 3. März 1882. Bei der Beratung derselben legte Finanzdirektor Scheurer in seiner klaren Vortragsweise dar, wi d’Sach sịịg:

Nicht nur die Größe der Mehrwertschatzungen, die jeder Grundeigentümer zu bezahlen hat, ist für ihn lästig. Was hauptsächlich lästig ist und die Kalamitäten im Seeland, den ökonomischen Niedergang 141 dieses Landesteils, die massenhaften Liquidationen daselbst hervorgerufen hat, das ist der Umstand, daß die Grundeigentümer nid wüsse n, was si schull dig sịị n! Deshalb hat das beteiligte Grundeigentum in Handel und Wandel gar keinen Wert mehr. Es gilt nụ̈ụ̈t meh, un d es wott’s niemmer! Niemand kauft ja Land, auf dem eine Last liegt, die man in ihrer Ausdehnung nicht kennt. Aus gleichem Grunde lassen die Grundstücke sich nicht verpfänden: es wott niemmer Gält drụf gee n. Es ist deshalb ein Minimum der Forderung, und es entspricht der ersten Billigkeit und Staatsraison, daß man den Leuten so schnell wie möglich ausrechnet, was sie schuldig sind, fü̦r daß si chönni zahle n! Und das um so mehr, weil der Mehrwert gar nid da̦ isch! Bei kultivierten Grundstücken freilich, die früher überschwemmt wurden und nun nicht mehr überschwemmt werden, ist der Mehrwert sófort da. Aber im eigentlichen Moosland — und das ist das Hauptterrain, das in Frage steht — kommt (wie bereits bemerkt) der Mehrwert erst den künftigen Generationen zugut. Die jetzige hat nur den Nachteil davon. D’Lụ̈t chönne n ni̦ d-mme̥ hr Lische määije n, denn die ist abgestorben. Sie können nicht vo n hü̦̆t uf moo̥rn jedes Stück Moos mit Heert oder Mist überführen, denn das chost Gält! Abgesehen davon, daß ma n nid e̥ma̦a̦l Lụ̈̆t hätt für’s enan͜dere n na̦a̦ ch (sofort) z’mache n. Sie haben also vorderhand nur Schaden davon, weil sie große Summen zahlen müssen, ohne daß ein wirklicher Mehrwert da ist. Wenn unter solchen Umständen das Land tief darnieder liegt; wenn Liquidation sich an Liquidation reiht; wenn, wo früher in zehn Jahren nicht zehn Geltstage oder Ganten vorgekommen sind, nun in einem Jahre hunderte vorkommen; wenn Tausende von Grundstücken in den letzten Jahren an Gantsteigerungen gebracht worden sind, ohne verkauft werden zu können, so nimmt’s äim’ nid wun͜der!

Das neue Dekret schrieb vor, es seien zunächst die Mehrwertschatzungen endgültig festzustellen und auf das Grundeigentum zu verteilen. Den Eigentümern wurde eine Frist von 25 Jahren eingeräumt zur Tilgung ihrer Mehrwertbeiträge. Im fernern übernahm der Staat die noch ungedeckten Kosten und zugleich d’s ganz Un͜dernehme n mit Aktiven und Passiven, sowie den auf eine Million Franken erhöhten Schwellenfonds.

Seit jenem Dekret ging die Entwicklung des Unternehmens durchaus regelmäßig vor sich. Die Unsicherheit mit ihren schweren Folgen schwand; die jährlichen Zahlungen wurden geleistet, und heute ist die ganze Mehrwertschuld bis auf einige hundert Franken getilgt. Daß 142 aber jetzt ein wirklicher Mehrwert vorhanden ist, zeigen die Bodenpreise. Vor drị̆ßg Ja̦hr war das Moosland sozusagen unverkäuflich; vor zwänzg Ja̦hr noch wurde für die Juchart etwa 400 Franken bezahlt. Heute gilt gut gelegenes Land im Moos 1500 und mehr Franken die Jucharte. 1

Aber im Fortgang des Werkes selber isch no ch iez lang nid alls, wi’s sịị nlltt! Mier stan͜de n no ch mitts drinn i n der Arbäit. Seit 1912 können endlich die durch Ingenieur Wolf von Nidau umgebauten Nidauer Schläüse n richtig funktionieren; aber die in La Niccas Plan inbegriffene Korrektion der Aare zwischen Büren und Solothurn läßt noch auf sich warten. 2 Die außerordentliche Seespiegelsenkung hat die Uferwände ihres vom Wasserdruck gewährten Schutzes beraubt; dieser muß durch rationelle Uferverbauung ersetzt werden. Im Miste nlach eene n si n si draa n, und am Bielersee wird mḁn o ch dra nhi n müeße n. Sonst fällt das dem See mit Mühe und Kosten abgerungene Land dem «Zahn» des Wassers wieder zur Beute, und die Schiffe häi n Müej z’länte n. 3

Die mit einem Aufwand von fast achtzĕche n Mil lione n 4 den drei Seen abgewonnenen 31,6 km² und die dem Sumpf entrissenen 137 km² kulturfähigen Landes mit einem Mehrwert von wenigstens drị̆ß’g Mil lione n 5 wären ebenfalls halb verloren, wenn nicht seit dreißig Jahren die Binnenkorrektion ständig arbeitete. Aus dem der Koräkzion zur Verfügung stehenden Schwellenfonds einer Million Franken werden die dem Staat Bern gehörenden Binne ngreebe n — die Biene nkanäl um Ägerten — regelmäßig g’rụụmt oder ’putzt. Das ermöglicht nicht bloß die nötigen Wasserableitungen nach den Flußkanälen der Broye und Zihl, sondern auch eine richtige Regulierung des Wasserstandes je nach dem Untergrund und dem Nutzpflanzenbestand. Streuerieder z. B. werden durch Wasserstauung möglichst lange im Nasse n erhalten, während richtige Entwässerung das Moor zu einem ausgezeichneten Acker- und Gartenland gestalten hilft. Entwässerter Moorboden schlückt d’s Reege nwasser a lsó ggläitig ịị n, das s mḁn uf der Stell na ch ’m Reege n ummḁ cha nn ga̦ n z’Acher ga̦a̦ n u nd hacke n, während es auf gleich behandeltem höherm Boden nid wo lltt hööre n dräcken u nd chnätte n. Welchen Vorteil ferner das Moosland in trockenen und heißen Hochsommern mit seinem allzeit feuchten 143 Untergrunde bietet, lehrte das Jahr 1911 am Bestand der Naturwiesen. Während der verbrannte Rasen höherer Lagen roo̥t wi ne n Ziegel ụụsg’seh n het, het daas uf dem Moos g’gruenet wi im Früehlig.

Es handelt sich also um ein richtiges karnaale n, ein tsonollā oder chenollā, wie ein Patois sagt. Während nämlich «der» (oder selten «die») römische cănālis als Röhre und später als Halbröhre im Welschen sich als Chenal, Chenau 6 usw. neben Zenal, Zinal, Tsinal 7 usw. fortsetzt, tut es dies in den deutschen Lehnformen als kánăli, kanel, Chänel (so heißt in Tschugg das den Chänelbach [Mŭ̦lle n- oder Mühlibach] speisende Gelände), aber auch im technischen Fremdwörterschatz als «Kanal». Hieraus machten die Anwohner und Bewohner des Entsumpfungslandes sozusagen emphatisch Kărnaal, 8 woneben vereinzelt Knaal zu hören ist. Muster solcher Karnääl zeigten ihnen die von der Korrektions­gesellschaft erstellten und unterhaltenen Seekanäle oder Einmündungskanäle 9 bei Sugiez (500 m), Fäälbạum (1400 m), Roothụụs (-ụ̆́-) (1200 m) und St. Johannse n (200 m). Sie liegen so tief, daß sie noch bei einer Wasserstandssenkung um einen Meter nid uf d’s Trochene n cheemi. Daneben unterhält d’Ko rräkzion auch eine Reihe Binnenkanäle. Für weitere Kreise seien bloß Namen erwähnt wie: der Hauptkanal (11,400 m) und der Sịte nkanal (6000 m); der Feisterhenne n- (3000 m), der I̦i̦slere n-(5000 m), der Seebode n- (4000 m), der Ziegelhütte n-, der Stiere nbụ̈ụ̈n de n-Ka(r)naal. 10 Durch sein Benennungsmotiv interessant ist der Name Suezkanal. So heißt bei den Tschuggern erst für z’G’spaß, dann u̦s G’waanig der durch Länge und Tiefe stattliche, aber allerdings auch chöstlig (kostspielige) Kanal, der sich zwischen ihren Feldern und ihrem Waldteil hinzieht.

Als obrigkeitliches Werk begegnete uns S. 119 ff. der 1646 erstellte Aarbergerkanal, der noch 1714 als der «Canal» schlechthin «zum Wegführen von Moosheu aus der Gemeinde Ins nach dem Welschen» 11 erwähnt wird. An ihm liegt die Kanalmühli (s. u.). Kurzlebig wie er, waren auch Binnenkanäle aus dem 18. Jahrhundert, deren nicht wenige nunmehr als unbrauchbar aufgefüllt werden. Andere, wie der Bị̆nị̆tsch als Fortsetzung der Bi̦i̦bere n ( S. 27) bedürfen dringend der Erneuerung. Ihr Hauptmangel ist zu geringes Gefälle, zu große Tiefe und Breite. Der letztere Fehler, nun großenteils behoben durch 144 Schlammsammler, wie z. B. im Else nholz und in de n Lü̦schimatte n bei Brüttelen, haftete auch den ersten Korrektionskanälen an, weil e̥s den im Akkord arbeitenden Erstellern dra n gg’leege n gsi̦i̦ n isch, möglichst viel des einbedungenen Torfraubes einzuheimsen. Die schlechten Böschungen ( Boort, talus) berasten sich nicht, stürzten bald ein ( sị n z’seeme ngheit) und brachten neue Versumpfung. Die Witzwiler Strafanstalts­verwaltung ließ daher neben den alten Kanälen neue graben, hielt sie bloß 0,8 bis 1,2 m bräit und 50 bis 100 m von enan͜dere n.

Daneben gibt es nun Gemeinden wie Schu̦gg ( S. 143) und Eiß, Flurg’nosse nschafte n wie Gals und Brügg-Mett-Orpun͜d, Entwässerungs­gesellschaften wie Erlḁch-Mu̦lle n-Schu̦gg, welch letztere si ch z’seeme ntüe n, um versumpfte Bezirke z’dreniere n und d’Greebe n z’rụụme n, letzteres durch verdinge n, wenn nicht im G’mäinweerch. In Angriff nahm oder nimmt man so das Glausit bei Erlach, den Bäumlisacher, die Lochmatte n, die Hööhiachere n usw. Als Gräben ( Greebe n) kommen in Betracht: der Schwarzgrabe n (4800 m), der Münz- oder Mu̦u̦nie ngrabe n (kurz: d’Münz), der Neugrabe n, der Groschan- ( Grosjean)- Grabe n zu Treiten, der Bruedersgrabe n zu Ins, der Läng-, Else n-, Schweeli-, Steege nmatte n-, Mettel-, Tromgrabe n (1549), der chrumm oder der Wahl- (1723) oder Waale ngrabe n (1549). Der letztere scheidet zwischen Müntschemier im Amt Erlach und dem welschen 12 Wistenlach. 13 Eine Weiderechtsgrenze ist auch der Trom-, 14 d. h. Quergraben, sowie der Treitener Scheidgrabe n. Vgl. dagegen den Seiten- oder Kollateralgraben nahe der Zihlbrücke.

Innerhalb der Gemeindemarchen galt es durch Gräben Privateigentum zu schützen. Das Müntschemierer Urbar ist voll von solchen Bestimmungen und Vorbehalten, auf deren Wiedergabe wir verzichten.

Auf die Breite solcher Gräben deutet ihr gelegentlicher Namenswechsel mit «Kanal». So im Schwarzgraabe n, im Erlacher Stadtgrabe n (1726), 15 in den Vorflutgreebe n 16 als den S. 143 erwähnten Seegräben.

Bei Landeron

Ausdrücklich ein «wahren» und «wehren» bedeutet «das» 17 oder der Wuer, alt die wuore 18 und (vgl. die Häusergruppe an der Limmat in Zürich) die Wüere. Abzuwehren gilt es auch hier sowohl Übertritte der Regen- und Schmelzwasser aus ebenen Wiesen, wie von Verletzern 145 des Besitzrechtes. So stooßt 1708 ein Matten im Brühl an den andern Bandwuhr ( Bannwuer vgl. S. 72), 1801 eine andere an den Fauggerswuer. Sorgsame Landwirte erneuern daher auch diese leicht überschreitbaren Gräben allwinterlich mit der Wuerachs oder (gleichbedeutend) dem Wuerflueg. 19

Auf häufig betretenen Stellen muß der offene Abzugsgraben durch Röhreneinlagen ersetzt werden. Eine solche Acke n (1780: Akten als Umdeutuug aus aquaeductus), deren Ake nhohl (eiserne Verbindungsstücke zwischen den irdenen Röhren) man noch um 1865 in Wileroltigen holen mußte, charakterisierte z. B. 1778 das Aktenächerli zu Müntschemier. Ein weitverzweigtes System solcher Röhren fordert das treniere n (drainieren, rassagni, rassani), wie z. B. die Besitzer der Lumpen-, Sand-, Spitzäcker und Allbrachmatten zu Erlach es 1911 vornehmen.

Das Verbauen einreißender Wasser heißt wie anderwärts schwelle n. 1700 ist von der Schwelle ( Schweelli) in Mullen die Rede, aber in dem Sinn, daß sie (gleich dem Mühliwuer) das gestaute Wasser auf das hohe Mühlrad leitet. An einem Dammstück an der alten Zihl liegt der Tentschacher. 20 Matten und Mattenstücke sind der Müntschemier-Tentsch und d’s chlịịn Tentschli bei der Kanalmühle. Zu Treiten gehören auch die g’meine n Tentsche n. Statt des vergessenen «Däntsch» sagt man heute der Walm oder Damm, das Wälmli oder Dämmli. Von hervorragender sachlicher Wichtigkeit ist die Erhöhung der Dämme zwischen der Walpertswil- und Hagnibrügg im Jahr 1913.

Einen Gegensatz zum Erdaushub zwecks Wasserab- oder auch -zuführung ( S. 142) bildet das Aufschütten wässeriger Plätze bis zu gesicherter Trockenlegung. So schafft man an der Nordseeküste die Wurten als Baugrund. Bern hat seine «Schütti», das Seeland seine Bü̦ü̦rine n. Von Reben in den Bührenen zu Twann ist 1779, von Rebbührenen zu Neuenstadt 1557 die Rede. Der Bischof von Basel besaß die letztern und vermehrte sie (1633), mußte sie aber der Stadt Bern mit 18 Saum Weißwein verzehnten. 21 Eine Bü̦ü̦ri am Jolimont besaß um 1574 Rudolf Marti. 22 Zu Erlach und Lüscherz gibt es je ein Gut i n der Bü̦ü̦ri (zu bü̦ü̦re n, svw. heben), zu Lüscherz auch eine Matte, das Bü̦ü̦reli genannt. Neuenstadt und Landeron haben heute ihre levées, 146 und zu Vinelz gehört eine Lääve̥ne n, deren Hersteller gleich dem der Erlacher Bü̦ü̦ri zum Lohn seines Fleißes sein Vermögen eingebüßt hat. 23

 
1  Regierungsrat Scheurer, Vater und Sohn.   2  Vortrag von alt Regierungsrat Scheurer zu Ins am 16. Okt. 1910.   3  Intelligenzblatt.   4  Genau: Fr. 17,740,103.82   5  Nach Ingenieur Albert Dänzer-Ischer in Bern in der einläßlichen Zuschrift vom 8. November 1911 und dem gedankenreichen Aufsatz «Technische Entsumpfung in den Nummern 3 und 6 des Berner Schulblattes vom 20. Januar bis 10. Februar 1912.»   6   Jacc. 83.   7  Das Walliser Hüttendorf in einer Gumm ( combe) über Conthey: Jacc. 534 f. 94.   8  Vgl. kartolisch, norddeutsch Karnickel u. dgl.   9   Schn. 194; Kell. W. 21.   10  Vgl. für technisch Genaueres: Schn. 204.   11   EB. A 771.   12  Vgl. Walch. Wahle, welsch in Gb. 272.   13   Urb. Mü. 16.   14  Ebd. 17.   15   EB. A 301.   16   Kell. W. 21. Sie waren erstmals von Regierungsrat Scheurer vorgesehen.   17  Vgl. mhd. WB. 3, 804-515.   18  Ebd. 825 f.   19  «Wuerpflug» als Wuhraxt ist vielleicht ursprünglich etwa wie «der Flueg im Äcke n chehre n» ( Lf. 99), eine sarkastische Hindeutung auf das mühsam tiefe Einschneiden in die Erde, das eigentlich der Pflug leisten sollte, aber begreiflich nicht kann.   20  Vgl. Lf. 65.   21  NB. 1, 569 (19. Aug. 1633).   22   SJB. B 581.   23  Die sachliche Zuverlässigkeit dieses Abschnitts verdanken wir der gütigen Schlußdurchsicht des Herrn Oberingenieur von Gaffenried.  
 

Im Erlach-Brüel


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