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Schluß

Frau von Borsdorf kam zu Madame König und rang nach der ersten Begrüßung die Hände. »Meine Doris ist mit ihrem Vormund ins Preußische gefahren, um vor dem bösen Könige wegen Entlassung des Monsieur August einen Fußfall zu tun. Die Tante schreibt durch die Botenfrau.«

Frau König ahnte nicht die Größe der Gefahr, aber sie wurde von tiefer Rührung ergriffen, daß Dorchen aus Neigung für den Sohn ein solches Wagnis auf sich genommen; alle anderen Pläne, die sie in der letzten Zeit wegen einer reichen Heirat gehabt hatte, schwanden dahin; sie fiel der Freundin um den Hals und sagte: »So wird durch unsere Kinder selbst offenbar, was lange unser Wunsch war.« Endlich stimmten die Mütter einmütig zusammen. Doch während sie die Zukunft der Kinder besprachen, fuhr ein Wagen vor, und nicht August, sondern Fritz und Dorchen knieten vor den Frauen und baten um den mütterlichen Segen; August aber stand ruhig beiseite und sah zu.

Als der erste Sturm der Überraschung vorüber war, nahm die Mutter den jüngeren Sohn beiseite und fragte in zärtlicher Teilnahme: »Wie wirst du das ertragen, armes Kind?«

»Mit vergnügter Seele«, versetzte August. Die Mutter sah ihn erstaunt an. »Ich war dem Dorchen niemals so gut wie der Bruder.«

Da wurde der Mutter leicht ums Herz: »Mir ist von der Majorin aus deiner Garnison etwas zugetragen worden. Bei euch ist jetzt eine reiche Partie, die angenommene Tochter des Magister Blasius. Der Mann hat früher schlecht an uns gehandelt, aber er soll sich in seinen alten Tagen sehr gebessert haben, auch bei dem Mädchen ist etwas mit der Herkunft nicht in Ordnung, und das wäre ja ein Hindernis. Aber sie hat eine gute Erziehung erhalten und es sind drei Häuser vorhanden. Man sagt, daß dein Hauptmann sich sehr um das Mädchen bewirbt. – Du könntest dann den Soldatendienst aufgeben und dich zur Ruhe setzen.«

»Ich bleibe Soldat, liebe Mutter«, antwortete August. »Wegen der gütigen Worte aber, mit denen Sie die Demoiselle erwähnten, küsse ich Ihnen dankbar die Hände. Morgen führe ich der Frau Mutter die Schwiegertochter zu.«

 

Neunzehn Jahre waren den Brüdern in ungetrübtem häuslichem Glück vergangen. Zwei Könige, denen sie den Eid geleistet, waren gestorben; der eine, welcher alle hochgewachsenen Männer zwingen wollte, seinem Staate zu dienen, und der andere, der alle Frauen und Töchter, welche ihm gefielen, für sich begehrte. Zwischen den Nachfolgern war der Krieg entbrannt. In dem zweiten Kampfe, den der junge König Friedrich von Preußen um den Besitz Schlesiens führte, hatte sich Kursachsen mit Österreich verbunden, und Fürst Leopold von Dessau zog mit einem preußischen Heere gegen Dresden heran. Bei Kesselsdorf erwarteten die Sachsen und Österreicher seinen Angriff. Das sächsische Leibregiment, welches jetzt »Regiment Königin« hieß, stand auf dem linken Flügel nach Kesselsdorf zu und der Hauptmann König hatte den Platz links von seiner Kompanie nahe den Grenadieren an der Flanke. Zweimal schlug das Regiment den Angriff der Preußen zurück. Als im dritten Angriff neue Reihen aus der schwarzen Wolke von Pulverdampf heraustraten, sah der Sachse die Uniformen des Regiments, welches sein verstorbener Freund, der General Vogt, geführt hatte. Ihm gegenüber trieb ein Major zu Pferde seine Kompanie mit geschwungenem Degen vorwärts. Ein Schuß traf das Pferd, daß es ausbrach, in wilden Sätzen bäumte und wenige Schritte vor der sächsischen Front zusammenbrach. In dem gestürzten Reiter erkannte August den alten Stubennachbar Brösicke, er sprang vor und umfaßte den Jugendfreund, ihn aus dem Gewühl zu retten. Da sank er selbst, in den Rücken geschossen, zu Boden. Als der Preuße sich über den Gefallenen neigte, sah dieser ihn mit freundlichem Blicke an und sagte im Sterben leise: »Es war eine sächsische Kugel!«

Am zweiten Feiertage der Weihnacht standen zahlreiche Relaispferde mit Bereitern und Postillionen vor dem Pfarrhofe eines großen märkischen Dorfes, um den siegreichen König Friedrich zu erwarten, welcher nach geschlossenem Frieden in die Residenz zurückkehrte. Auch die Beamten der Umgegend hatten sich eingefunden. Denn bei dem Pfarrhofe pflegte der Herr jedesmal anzuhalten, sooft er des Weges fuhr. Als der königliche Wagen herankam und der König während des Umspanns mit den Versammelten sprach, trat die Frau Pastorin neben ihren Gatten und bot auf der Tablette eine Erquickung. »Ist jemand gestorben?« fragte der König, dem das Trauerkleid der Frau auffiel, den Geistlichen.

»Mein Bruder blieb bei Kesselsdorf, er stand unter den Sachsen im Regiment Königin.«

»Das Regiment hat sich brav gehalten«, sagte der König. »Sind das alles Eure Kinder?« Er blickte über eine Gruppe von Knaben und Mädchen, welche von der offenen Hoftür mit großen Augen nach ihm hinsahen.

»Meine Kinder und die meiner lieben Schwägerin«, antwortete der Geistliche und wies auf eine Frau im Witwenkleide.

Der König wandte sich zu seinem Begleiter im Wagen: »Kennen Eure Liebden diese hohe Säule unserer Kirche?«

»Es ist der große Feldprediger, der früher im Regiment Markgraf stand.«

»Wissen Sie, wo wir ihn zuerst gesehen haben? – Es war bei dem seligen Könige im Berliner Schloß zur Zeit der Tragödie von Thorn.«


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