Theodor Fontane
Jenseit des Tweed
Theodor Fontane

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Ein Sonntag in Perth

Ein Sonntag in Schottland ist für den Reisenden wie ein Gewitter bei einer Landpartie. Man regnet ein, man kann nicht weiter, die gute Laune ist hin. Mit den Sehenswürdigkeiten Stirlings waren wir fertig und erschraken vor dem Gedanken, vierundzwanzig Stunden auf ein altes Times-Exemplar und eine schweigsame Table d'hôte angewiesen zu sein. Glücklicherweise erbarmte sich unser ein Frühzug, der uns, trotzdem es in Schottland keine Sonntagszüge gibt, gegen zehn oder elf Uhr vormittags nach dem alten, oft besungenen Perth führte.

Mit diesem Frühzug, der den Sonntag entheiligt, verhält es sich ähnlich wie mit dem Champagner auf der Tafel eines Türken, er geht nämlich unter einem andern Namen. Dieser Sonntagszug ist eigentlich ein Sonnabendszug. Das hat folgenden Zusammenhang. Die große Nordbahn, die England und Schottland von der Sohle bis zum Scheitel durchläuft, hat einen allabendlichen Schnellzug festgesetzt, versteht sich mit Ausnahme des Sonntags. Wer nun am Sonnabendabend in London einsteigt, um über Edinburg nach Perth und Aberdeen zu fahren, ist begreiflicherweise im Einklang mit Sitte und Gesetz; selbst die Kirchlichkeit eines Schotten kann keinen Anstoß daran nehmen. Ist es doch nicht seine Schuld, daß der Schnellzug nicht noch schneller fährt und der Sonnabend beim Sonntag borgen muß. Nur das Benutzen dieses Zuges, sobald er schottischen Grund und Boden berührt hat, ist natürlich verpönt; doch was wäre Fremden nicht erlaubt!

Wir waren nun also in Perth. Als wir aus dem Bahnhofsgebäude heraustraten und auf einen kahlen Platz blickten, auf dem sich Sonnenschein und Staubwolken um den Vorrang stritten, murmelte Freund B. vor sich hin: »Ein Sonntag in Perth scheint noch schlimmer als ein Sonntag in Stirling«, worauf ich nichts Besseres zu erwidern wußte als:

Schlimmer hier oder schlimmer dort,
Jedenfalls ein andrer Ort.

Als sich die Staubwolke gelegt hatte, lasen wir an der Giebelseite des Hauses »Mr. Pople's English Hotel«, und da wir soeben von einem echtschottischen Mr. Campbell kamen, so wählten wir, schon des Kontrastes halber, das englische Gasthaus, das in nächster Nähe vor uns lag. Mr. Campbell und Mr. Pople verhielten sich zueinander wie ihre Namen, der eine schroff, selbstbewußt, kriegerisch, der andere still, friedlich, gemütlich. Unsere Frage nach einem Zimmer wurde rasch bejaht und Koffer und Reisesack in eine Mansardenstube gebracht, an der die Aussicht der einzige Luxus war. Nach wenigen Minuten schon saßen wir wieder unten auf der Steinbank vorm Hause, lachend, fragend und plaudernd mit Wirt und Wirtin. Da hörte man denn manches bittre Wort. Die beiden Leute waren aus dem Süden, aus Devonshire, das der Garten Englands heißt und das so milde Luft hat, daß noch um Weihnachten herum das Land im Schmuck von Myrte und Lorbeer steht. Sie fühlten sich nicht heimisch in Schottland. Klima und Menschen waren ihnen zu rauh und der schottische Sonntag zu streng. »So kann es nicht bleiben; die Schotten fühlen es selbst; sie haben sich eine Rute aufgebunden, als sie den Forbes Mackenzie nach London schickten. Sonntagsfeier ist gut, aber schottische Sonntagsfeier ist nicht gut und ruiniert das Geschäft.« Es interessierte uns höchlichst, diese Engländer über schottisches Leben genau so sprechen und aburteilen zu hören, wie wohl Deutsche zu sprechen pflegen, wenn sie nach England kommen. »Steifheit, Geschäftigkeit, Scheinheiligkeit«, waren die Worte, die mehr denn einmal über die Lippen der guten Leute kamen, und besonders der jungen hübschen Frau sah man die Freude an, die sie empfand, sich einmal »ohne Gefahr« in unverhohlener Bitterkeit äußern zu können.

Inzwischen war ein Führer für uns geworben worden, der es trotz der Sonntagsfeier auf sich nahm, uns durch die Straßen der Stadt und hinterher auf den Kinnoull-Berg zu führen, einen Hügel, der sich am andern Ufer des Tay erhebt und der schönen Aussicht halber berühmt geworden ist, die er über die Stadt, die Flußwindungen und jenen weiten Talgrund gewährt, in dem, wenn auch nur teilweise sichtbar, Scone, Dunsinan und der Birnamwald liegen, Namen, die jeden Macbeth-Leser geläufig sind.

Perth heißt in Chroniken und Liedern das alte Perth, gelegentlich auch das schöne Perth. Zum Überfluß hat Walter Scott noch ein »Schönes Mädchen von Perth« geschrieben und, wie ich nicht bezweifle, auch in andern Lesern die Vorstellung erzeugt, daß die reizend geschilderte Stadt kaum minder schön sein könne als das schöne Mädchen selbst. Wer mit so gesteigerten Erwartungen Perth betritt, wird einer Enttäuschung schwerlich entgehen, zumal wenn er, wie wir, an einem Sonntag dort eintrifft und statt des Lebens und der Buntheit der Straßen jener Totenstille begegnet, die ihm eine unwillkommene Gelegenheit bietet, die Häuser in ihrer charakterlosen Dürftigkeit zu sehen. Aber eine alte Stadt ist Perth unbestritten. Schon 1210 ward es durch die Überschwemmung zerstört, ein noch jetzt unvergessenes Ereignis, das in dem poetischen Reimwort fortlebt:

Shochie zum OrdieZwei Flüsse in der Nähe von Perth. spricht: sag an,
Wo ich dich wieder treffen kann?
Wir treffen uns wieder, hab acht,
Wo wir schon einmal uns trafen,
Zu Perth in der Nacht,
Wenn alle Menschen schlafen.

Perth war vor der Thronbesteigung der Stuarts ein Lieblingsaufenthalt der schottischen Könige, wiewohl sie keinen Palast in der Stadt besaßen. Sie pflegten in einem reichen Zisterzienserkloster abzusteigen, dessen Reichtum und Gastlichkeit es unnötig erscheinen ließ, noch einen königlichen Palast herzurichten. Das Zeitalter der königlichen Prachtbauten, der Stadt-, Jagd- und Lustschlösser, war damals noch nicht angebrochen, und das arme Königtum nahm noch nicht Anstand, bei dem reichen Klerus zu Gast zu gehen. Mit der Thronbesteigung der Stuarts verlor Perth den Charakter einer jeweiligen königlichen Residenz. Die Königssitze wurden südlicher verlegt, und an die Stelle von Dunkeld, Scone und Perth traten Linlithgow, Stirling und Holyrood. Nur ausnahmsweise und auf kurze Zeit nahmen auch die Stuarts noch ihren Aufenthalt in Perth, und von den sechs Jakobs, die in fast ununterbrochener Reihenfolge das Land beherrschten (nur Maria Stuart schiebt sich zwischen Jakob V. und Jakob VI. ein), wurde Jakob I. wirklich in Perth ermordet, während der letzte (Jakob VI.) den Anschlägen auf sein Leben wie durch ein Wunder entging. Diese Anschläge bilden die sogenannte 'Gowrie-Conspiracy', worauf ich weiter unten in aller Kürze zurückkomme.

Perth ist alt und hat eine schöne Lage am Tay, der, ungefähr 1000 Fuß breit, der Längsseite der Stadt entlang fließt. Die beiden Hauptstraßen, High-Street und South-Street, laufen senkrecht auf den Fluß zu und sind in der Nähe desselben nicht ohne malerischen Reiz. Da, wo die Straßen, kaum 100 Schritt voneinander entfernt, auf den Kai stoßen, der sich am Tay hinzieht, konzentriert sich das wenige, was Perth von Sehenswürdigkeiten besitzt. Hier, zwischen den beiden Straßen, steht vor allem die alte, an historischen Erinnerungen überreiche Kirche von St. John, die, der landesüblichen Ermordungen an Altar und Altarstufen zu geschweigen, vor allem dadurch eine Berühmtheit erlangt hat, daß die schottische Bilderstürmerei (infolge einer John Knoxschen Predigt) eben hier ihren Anfang nahm. Kaum hundert Schritte von der Kirche entfernt, da, wo High-Street auf den Flußkai ausmündet und einen baumbepflanzten Platz bildet, steht eine Statue Walter Scotts, die die dankbare Stadt dem Dichter des »Schönen Mädchens von Perth« errichtet hat. Was wüßte die Welt von Perth, wenn jenes Buch Sir Walters ungeschrieben geblieben wäre! Mit Rücksicht auf diesen Umstand hätte die Statue wohl besser ausfallen dürfen; eigentlich ist nichts hübsch an ihr als ihre Aufstellung. Von schönen Linden eingefaßt, High Street vor sich und den schönen Strom im Rücken, vergißt man um des hübschen Bildes willen, das sie bietet, was dem Bildwerk selber fehlt. Rechts und links neben demselben stehen ein paar russische Kanonen, Trophäen von Sebastopol her und wahrscheinlich von jenem Hochlandsregimente erbeutet, das in Perth in Garnison liegt. Überall im Lande begegnet man diesen und ähnlichen Siegeszeichen – den einzigen Früchten eines teuer bezahlten Krieges.

Weiter flußabwärts, da, wo South-Street auf den Tay stößt, erhob sich in alten Tagen Gowrie-House, der Schauplatz jenes Mordversuchs, der unter dem Namen der Gowrie-Konspiration bekannt geworden ist. Das Haus ist seit ungefähr fünfzig Jahren niedergerissen, und die Kommunalgebäude (Polizeiamt und Stockhaus), die sich jetzt an der Stelle desselben erheben, teilen in Erscheinung und Geschichte das Prosaische der ganzen Gattung. An Gowrie-House erinnert nichts mehr als ein gegenübergelegenes Bier- und Brandyhaus, das durch Abbildung der betreffenden Mordszene (im Stil unserer Jahrmarktsbilder) die Traditionen des Orts und die Vorteile des Geschäfts gleichzeitig im Auge behält. Es gibt immer noch Naturen, die sich am liebsten da zu Tische setzen, wo die Luft nach Blut riecht.

Die Geschichte der Gowrie-Verschwörung selbst ist die folgende. Jakob VI. (damals noch sehr jung) war von Lord Gowrie zu einer Jagdpartie geladen worden und auf Schloß Ruthven erschienen. Noch andere Lords waren zugegen: Lord Mar, Lord Lindsay, Lord Glamis und deren Anhänger. Der König bemerkte bald, daß man mehr oder minder Schlimmes gegen ihn vorhabe, und machte Miene, das Schloß zu verlassen. Als er sich der Tür näherte, stellte sich Lord Glamis vor dieselbe und rief ihm zu, indem er ihm den Ausgang verwehrte: »Männer verstehen sich auf Kinder, aber nicht Kinder auf Männer.« Hierbei hatte der Angriff sein Bewenden. Jakob VI. indes war nicht der Mann, solche Beleidigung zu vergessen, und zwei Jahre später, vielleicht weil man des Lord Glamis nicht habhaft werden konnte oder weil man in Lord Gowrie den eigentlichen Urheber des ganzen Vorfalls sah, fiel das Haupt des letzteren auf dem Mole-Hill bei Stirling-Castle. Sechzehn Jahre später machten die Söhne Lord Gowries, die bis dahin in selbstgewählter oder erzwungener Verbannung (in Padua) gelebt hatten, den Versuch, den Tod ihres Vaters zu rächen. Sie drangen, instigiert durch andere Unzufriedene, auf den König ein, wurden aber entwaffnet und folgten ihrem Vater in den Tod.

Wir kehrten nun Gowrie-House den Rücken, passierten die schöne Brücke, die über den Tay führt, und schritten zwischen Kreuzdornhecken und Roggenfeldern immer bergan, dem Kinnoullhügel zu, der sich, mit Laubholz und Tannen dicht bestanden, an der Ostseite der Stadt erhebt. Der Aufgang zum Hügel war der strengeren Sonntagsfeier halber mit einem Schlagbaum abgesperrt, was soviel heißt, als wir mußten einen Schilling bezahlen, um das Gewissen des wachthabenden Waldhüters zu beschwichtigen. Ziemlich erschöpft kamen wir oben an und nahmen auf einem großen Steintisch Platz, dessen Sandsteinplatte ein paar hundert eingekratzte Namen trug. Wie viel Federmesserklingen waren hier der Eitelkeit geopfert worden!

Das landschaftliche Bild, das sich uns bot, war hübsch genug, ohne etwas Besonderes zu sein. Das nach Norden hin liegende Macbethland entzog sich, wenigstens in seinen Einzelheiten, noch durchaus unserem Auge, und wir waren auf die üblichen Führerversicherungen angewiesen: »Dort hinter jenem Hügel liegt Schloß Glamis, dort Schloß Dunsinan.« Unsere Mienen ließen dem unsrigen keinen Zweifel darüber, daß wir ziemlich enttäuscht waren, und bestimmten ihn rasch zu der Frage, ob wir noch geneigt seien, das Wallaceschloß und die Wallacehöhle zu sehen. Unser Ja wurde nach so trüben Erfahrungen natürlich an allerhand Bedingungen geknüpft, und erst nachdem uns mehrfach die Versicherung gegeben war, daß es nah sei, gaben wir unsern Tischplatz auf, um einer andern Kuppe des Hügels zuzuschreiten.

Hier fanden wir denn das ehemalige (überdies wenig beglaubigte) Wallaceschloß, das jetzt als Bier- und Vorratskammer dient, wenn an schönen Sommertagen die »schönen Mädchen von Perth« auf den Kinnoullhügel hinausziehen, um daselbst mit ihren Brüdern und Bräutigams bei Reifen- und Zeckspiel den flüchtigen Reiz eines schottischen Sommers zu genießen. Was die Wallacehöhle angeht, so mußten wir uns mit der Versicherung unseres Führers begnügen, daß sie vom Fuß des Berges aus trefflich zu sehen sei und daß er uns eigens hinabführen wolle, wenn wir seinen Worten mißtrauten. Wir erschraken vor diesem Anerbieten so sehr, daß wir durch ein stillschweigendes Übereinkommen diesen Punkt nicht wieder berührten und fest entschlossen schienen, jede fernere Enttäuschung ohne Murren zu tragen. Aber etwas wollten wir wenigstens von unsern Strapazen haben, und einzelne Feldsteinstücke aus dem alten Wallaceschloß herausbrechend, dessen Felsenkeller jetzt nur noch dem Perther Bier zugute kommen, fingen wir an, zu allerhand Wurfexerzitien mit Fallberechnung zu schreiten. Weithin flogen die Steine, »ein, zwei, drei, vier«, zählten wir in Sekundenpausen, dann schlug unten der Stein auf, und in den Tannen drunten schien es lebendig zu werden. Als hätten wir die heilige Mittagsruhe des Waldes unterbrochen, wurden allerhand Klagetöne laut, und ein Adler stieg auf, höher und höher, bis er endlich über unsern Häuptern schwebte und unser Spiel zu mustern schien. Dann, als wisse er, woran er sei, sank er mit ausgespannten Flügeln wieder in die Tiefe nieder, langsam und lautlos, wie er aufgestiegen war.

Wir traten nun unsern Rückweg an, machten im Schatten einer Quelle Station, erlabten unsere Zunge, die fest am Gaumen klebte, durch einen frischen Trunk und saßen endlich wieder auf der Bank vor dem Gasthause, wo uns vier Stunden zuvor die junge Devonshire-Frau zu Mitwissern ihrer Geheimnisse und ihrer schottischen Antipathien gemacht hatte. Der Gang auf die Kinnoullhügel hatte uns nicht besonders befriedigt, aber hungrig hatte er uns gemacht, und das ist ein Segen, den man nicht unterschätzen soll. Eine halbe Stunde später meldete uns der Kellner: »If you please, Gentlemen, dinner is ready«, und wir traten nun in das kühle, luftige Eßzimmer, wo wir heute die einzigen Gäste waren. Alles atmete Gemütlichkeit, und selbst der Kossuth in Husarenuniform, der als Pendant neben dem Bildnis von Queen Viktoria hing, konnte dem paradiesischen Behagen keinen Abbruch tun, das keinen Krieg und keine Gegensätze kennt.

Als das Dessert aufgetragen wurde, Orangen und eingemachte Früchte, vermehrte sich unsere Tischgesellschaft. Zwei Herren traten ein mit den sonnverbranntesten Gesichtern, die ich mein Lebtag gesehen habe, und beide insoweit in einer Art Mauserungszustand, als die alte Gesichtshaut noch wie Flaum und Schuppen auf ihrem Antlitz lag. Es waren Engländer, höchst harmlose Leute und, wie wir bald erfuhren, sogenannte fishing-gentlemen. Wie weit ihr eigentlicher Anspruch auf den »Gentleman« reichte, lassen wir ununtersucht, aber die Angelpassion stand unbestritten bei ihnen fest. Diese Passion, die immer in England zu Hause war, herrscht jetzt mehr denn je. Wer nicht reich genug ist, einen Wildpark zu halten oder weite Strecken Landes (namentlich in Schottland) als Jagdgrund zu benutzen, dem bietet sich wenig Gelegenheit zur Ausübung eines höheren Sports. Dies mag Ursache geworden sein, daß sich die der Nation eigentümliche Waidmannslust einen andern Ausweg gesucht und zur Verallgemeinerung der Angelpassion geführt hat. Die Eisenbahnen haben wahrscheinlich auch das ihrige dazu beigetragen, diese Neigung zu unterstützen. Gleichviel, alljährlich um die Sommerzeit begeben sich Hunderte, vielleicht Tausende von Engländern ins schottische Hochland, um daselbst vierzehn Tage oder vier Wochen lang eine Art Angelkampagne durchzumachen. Bei vielen ist es die bloße Passion, bei andern kommt Erwerb und Gewinnsucht mit ins Spiel. Der Fisch, um dessen Fang es sich dabei handelt, ist beinahe ausschließlich die Forelle, die, soviel ich weiß, in verschiedenen Arten, als Bach-, als See- und Lachsforelle, sich in den Bergwässern Schottlands findet. Die Mehrzahl der Jäger begibt sich an den schönen Loch Lomond, der am südlichsten gelegen ist und nebenher allerhand Komfort bietet. Die eigentlichen Fishing-Gentlemen aber verschmähen den Loch Lomond, wie ein Gemsjäger eine Hasenjagd verschmäht, und begeben sich über den Kamm der Grampians und den Kaledonischen Kanal hinaus bis hinauf zu dem stillen, tief schwarzen See von Roßshire und Inverneß, um dort im Norden des Landes ihre Angelschnüre auszuwerfen. Ein Stück Haferbrot, gedörrtes Fleisch und eine Flasche mit Whisky in ihrem Reisesack, so verbringen sie dort oben Tage und Nächte in dem flachen Fährboot, das abwechselnd am Ufer oder auf der Mitte des Sees liegt, und nur der Hochländer oder der Händler gesellt sich zu ihnen, der flußabwärts die Beute bis zum nächsten Hafen und von dort auf die Marktplätze der großen Städte führt. Die beiden Gentlemen, die an unserem Tische Platz genommen hatten, kamen aus Inverneßshire, wo sie am Loch Neß und Loch Oich tagelang die Angelrute in der Hand gehabt und an guten Tagen fünfundzwanzig Dutzend Lachsforellen gefangen hatten, die kleineren am Ufer, die größeren in der Mitte des Sees. Ich multiplizierte im stillen 25 x 12 und kam zum erstenmal in meinem Leben zu der Betrachtung, daß auch das Angeln ein Vergnügen sein könne. Dreihundert Lachsforellen in zehn oder zwölf Stunden, das ist wie der Fischzug des Petrus, und es mag in der Tat ein Vergnügen gewähren, wenn fast von Minute zu Minute der schwimmende Kork auf der Oberfläche des Wassers zittert und im nächsten Augenblick der silberne Leib der Lachsforelle im Glanz der Sonne blinkt.


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