Henry Fielding
Die Geschichte des Tom Jones / Theil II
Henry Fielding

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Viertes Kapitel.

Enthält verschiedene merkwürdige Dinge.

Sobald als Herr Allworthy nach Hause kam, nahm er Blifil bei Seite und machte ihn nach einigen einleitenden Worten mit Herrn Western's Antrage bekannt, fügte auch gleichzeitig hinzu, wie angenehm diese Verbindung ihm selbst sein würde.

Die Reize Sophiens hatten nicht den geringsten 95 Eindruck auf Blifil gemacht: nicht etwa, daß sein Herz schon über ihn verfügt gehabt hätte, noch daß er für die Schönheit ganz unempfänglich oder den Frauen abgeneigt gewesen wäre; aber seine Neigungen waren von Natur so gemäßigt, daß er sie, sei es nun durch Philosophie-Studium oder durch irgend eine andere Methode, leicht zu beherrschen im Stande war; und was die Leidenschaft betrifft, von der wir im ersten Kapitel dieses Buchs gehandelt haben, so war nicht die geringste Spur davon in seinem ganzen Wesen anzutreffen.

Allein ob er gleich von dieser Leidenschaft, für welche Sophien ihre Tugenden zu einem würdigen Gegenstande machten, ganz frei war, so besaß er doch dafür einige andere in desto vollerem Maße, und diese versprachen sich in dem Vermögen der jungen Dame reichliche Befriedigung. Sie waren Habsucht und Ehrgeiz, und beide theilten sich in die Herrschaft seiner Seele. Er hatte mehr als einmal an den Besitz dieses Vermögens als an etwas sehr Wünschenswerthes gedacht und ihn nie ganz aus dem Gesicht verloren; allein seine Jugend sowohl wie die der jungen Dame, und, was eigentlich die Hauptsache war, der Gedanke, daß Herr Western wieder heirathen und noch mehr Kinder bekommen könnte, hatte ihn von einer zu eiligen oder eifrigen Bewerbung zurückgehalten.

Dieses letztere und wichtigste Bedenken trat jetzt sehr in den Hintergrund, da der Antrag von Herrn Western selbst herkam. Er antwortete daher Herrn Allworthy, ohne sich eben lange zu besinnen, daß das Heirathen ein Gegenstand wäre, an den er noch nicht gedacht hätte; er wäre jedoch von seiner väterlich-freundlichen Sorge für ihn so gerührt, daß er sich in allen Stücken nach seinen Wünschen fügen würde.

Allworthy besaß ein lebhaftes Temperament, und seine 96 gegenwärtige gemessene Ruhe verdankte er wahrer Weisheit und Philosophie, keineswegs einem ursprünglich phlegmatischen Wesen; denn er war in seiner Jugend sehr feurig gewesen und hatte eine schöne Frau aus Liebe geheirathet. Er war daher nicht sonderlich erbaut von dieser kalten Antwort seines Neffen; auch konnte er es sich nicht erwehren, einiges zu Sophiens Lobe zu sagen und seine Verwunderung auszudrücken, daß ein junger Mann der Gewalt solcher Reize widerstehen könne, wenn er nicht durch eine frühere Neigung dagegen geschützt würde.

Blifil versicherte ihn, daß so etwas bei ihm nicht der Fall wäre und ließ sich in so weisen und religiösen Betrachtungen über Liebe und Ehe aus, daß er auch einen Vater zum Schweigen gebracht haben würde, der weit weniger dazu geneigt gewesen wäre als sein Oheim. Am Ende war der gute Mann zufrieden, daß sein Neffe, weit entfernt irgend einen Einwand gegen Sophien zu haben, jene Achtung gegen sie hegte, die in verständigen und tugendhaften Gemüthern die sichere Grundlage der Freundschaft und Liebe ist. Und da er nicht zweifelte, daß der Liebende in kurzer Zeit seiner Geliebten auch bald angenehm werden würde, so versah er sich für alle Parteien einer sehr glücklichen Zukunft aus einer so passenden und wünschenswerthen Verbindung. Mit Herrn Blifil's Bewilligung schrieb er daher am andern Morgen an Herrn Western und meldete ihm, daß sein Neffe den Antrag sehr dankbar und mit Freuden angenommen hätte und dem Fräulein, sobald ihr sein Besuch angenehm sein würde, seine Aufwartung zu machen gedächte.

Western war hocherfreut über diesen Brief und ließ sogleich eine Antwort zurückgehen, in der er, ohne seiner Tochter ein Wort davon zu sagen, denselben Nachmittag zur Eröffnung der Bewerbungsscene festsetzte.

97 Unmittelbar darauf suchte er seine Schwester auf, die er damit beschäftigt fand, Herrn Supple die Zeitungen vorzulesen und zu erklären. Dieser Erklärung mußte er, obgleich, wie sich bei seinem stürmischen Wesen denken läßt, mit großem Widerstreben gegen eine Viertelstunde anhören, ehe ihm zu sprechen erlaubt ward. Endlich fand er jedoch eine Gelegenheit, der Lady zu sage, daß er ihr Dinge von großer Wichtigkeit mitzutheilen habe, worauf sie erwiederte: »Bruder, ich bin ganz zu Deinen Diensten. Die Sachen stehen so gut im Norden, daß ich nie in besserer Stimmung war.«

Nachdem sich der Geistliche entfernt hatte, erzählte ihr Western alles was geschehen war und wünschte, daß sie Sophien davon unterrichten möchte, was sie denn auch bereitwillig und gern übernahm, obgleich ihr Bruder es vielleicht diesen günstigen Aussichten im Norden, über die sie so sehr erfreut war, ein wenig mit zu verdanken hatte, daß er keine Bemerkungen über seine Fortschritte zu hören bekam; denn diese waren allerdings ein wenig zu eilig und ungestüm.


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