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Viertes Kapitel.

Eine Beschreibung von Herrn Wilsons Lebensweise, tragisches Abenteuer mit dem Hunde, und andere Materien ernster Gattung.


Der Hausherr brachte eine frische Flasche, und Adams und er saßen einige Minuten schweigend, als Ersterer aufsprang und ausrief: »Nein, damit ist's nichts.« – Auf die Frage, was er damit meine, antwortete der Pfarrer, er habe eben gedacht, ob der vor kurzem verstorbene berühmte König Theodor etwa der Sohn gewesen sein möge, den Herr Wilson verloren habe, aber sein Alter könne dieser Annahme nicht entsprechen. – »Indeß,« fuhr er fort, »Gott fügt alles aufs beste, und Ihr Sohn kann dermalen ein großer Mann, ein Herzog oder so was sein, und Sie, ehe Sie sich's versehen, in Pracht und Glanz überraschen.« – Herr Wilson erwiederte, er getraue sich ihn unter Tausenden herauszufinden, denn die Mutter habe in der Schwangerschaft ein solches Gelüste nach Erdbeeren verspürt, daß er das Zeichen dieser Frucht auf seiner linken Brust habe. Aurora, die schöne junge Dame, erhob sich nun aus ihrem Bette, und begann mit Wangen, die von frischem muntern Leben blühten, wie jene der Miß – – Den Namen mag der Leser ergänzen, wie es ihm beliebt. mit süßem Thau, der von ihren quellenden Lippen herabperlte, ihren frühen Spaziergang über die östlichen Hügel, Phöbus aber, der galante Herr, schlich aus seines Weibes Schlafkammer der Schönsten nach, um ihr seine Huldigungen darzubringen; als Herr Wilson seinen Gast fragte, ob er mit ihm hinausgehen und sich seinen kleinen Garten ansehen wolle, wozu sich dieser gern verstand, und Joseph, der jetzt erst aus seinem Schlaf erwachte, dem er seit zwei Stunden während des letzten Theils der Erzählung des Wirthes sich überlassen, gesellte sich zu den Beiden. – Nicht Blumenstücken, nicht Springbrunnen oder Bildsäulen schmückten dieses Gärtchen; die einzige Zierde desselben war ein mit einer Hecke von Lambertsnußsträuchen eingefaßter kurzer Gang, mit einer kleinen Laube am Ende, wohin der Besitzer mit seiner Frau an heißen Tagen sich zurückzuziehen pflegte, indeß die Kinder die Eltern mit ihren Spielen vor derselben ergötzten. Aber wenn auch der Eitelkeit hier wenig Opfer dargebracht waren, so gab es dafür eine Menge verschiedenartigen Obstes und alles dessen, was für die Küche von Nutzen ist, mehr als genug also, um Herrn Adams zu erfreuen, der seinem Wirth zu dem geschickten Gärtner, der hier angestellt sein müsse, Glück wünschte. – »Sir,« antwortete Jener, »dieser Gärtner sieht vor Ihnen, denn was Sie hier sehen, ist lediglich meiner Hände Werk. Indem ich meinen Tisch versorge, bringe ich von der Arbeit zugleich einen guten Appetit mit. In der schönen Jahreszeit bin ich selten weniger als sechs Stunden täglich hier beschäftigt, und dadurch ist es mir möglich geworden, seit meines hiesigen Aufenthalts ohne Hülfe eines Arztes mich bei guter Gesundheit zu erhalten. Schon in der Morgendämmerung beginne ich hier meine Arbeit, während meine Frau die Kinder anzieht und das Frühstück zubereitet. Den übrigen Theil des Tages sind wir denn fast immer zusammen; denn erlaubt das Wetter nicht, daß sie mich hierher begleiten, so bleibe ich gewöhnlich bei ihnen im Hause; ich bin nämlich weit entfernt, mich der Unterhaltung mit meinem Weibe oder des Spiels mit meinen Kindern zu schämen, und kann, die Wahrheit zu gestehen, nicht finden, daß unser Verstand jenem des Weibes so weit überlegen ist, als vom leichtsinnigen Wildfang, vom schwerfälligen Geschäftsmann, und vom pedantischen Gelehrten mitunter behauptet wird. Was mein Weib betrifft, so kann ich wohl sagen, ich habe noch keinen Mann richtigere Bemerkungen über das Leben mit anmuthigeren Worten vorbringen hören; auch glaube ich, mag sich kein Mensch eines treueren oder redlicheren Freundes rühmen, als ich an ihr besitze. Und fürwahr, diese Freundschaft wird nicht nur durch mehr Innigkeit und Zartheit versüßt, sondern auch durch theuere Pfänder befestigt, als der engste Männerbund gewähren kann; denn was vermag uns stärker zu vereinigen, als unsere gemeinschaftliche Theilnahme an den Früchten unserer Umarmungen? Vielleicht, Sir, sind Sie nicht selbst Vater; in diesem Fall vermögen Sie nicht die Wonne mit zu empfinden, die ich meinen Kleinen verdanke. Würden Sie mich nicht verachten, wenn Sie mich auf der Erde liegen, und meine Kinder um mich spielen sähen?« – »Ehrfurcht würde mir der Anblick einflößen,« sagte Adams, »ich selbst bin Vater von sechs Kindern, und hatte deren elf am Leben, und ich kann sagen, nie habe ich eins gezüchtigt, außer in den Lehrstunden, und dann fühlte ich stets jeden Hieb auf meinem eigenen Hintern. Und was Sie von den Weibern sagen, ja, da habe ich's oft bedauert, daß meine Frau kein Griechisch versteht.« – Wilson antwortete lächelnd, er habe nicht etwa sagen wollen, daß die seinige mehr wisse, als was zur Kinderzucht und zur Wirthschaft gehöre; »vielmehr versichere ich«, fuhr er fort, »meine Henriette ist eine treffliche Hausfrau und möchte es mit vielen Wirthschafterinnen in den vornehmsten Häusern, was Kochen und Einmachen betrifft aufnehmen; freilich sind ihr jetzt diese Künste fast entbehrlich, doch ist der Apfelwein, den Sie gestern beim Abendessen so rühmten, von ihrer eigenen Fabrik, so wie alle Liqueurs in meinem Hause, nur für das Bier zu sorgen fällt mir anheim.« – »Und es ist so vortrefflich, bemerkte Adams, als ich es je getrunken habe.« – »Wir hielten früher eine Magd,« fuhr Jener fort, »seit aber meine Mädchen heranwachsen, will die Mutter sie zur Arbeit gewöhnen; denn da sie dereinst wenig Mitgift zu erwarten haben, so möchten wir sie nicht über dem Stande erziehen, für den sie wahrscheinlich bestimmt sind, noch sie einen wenn auch anspruchlosen, doch rechtlichen Mann verschmähen oder in Armuth bringen lehren. Eigentlich wünschte ich, daß ein Mann von meiner Denkart und Liebe zur Zurückgezogenheit ihnen zu Theil würde; denn ich weiß aus Erfahrung, daß der heitere ruhige Lebensgenuß, dessen Quell die Zufriedenheit ist, in dem geräuschvollen wilden Treiben der Welt nicht bestehen kann.« – Diese Ansichten wollte er noch ferner entwickeln, als die Kinder, die eben aufgestanden waren, auf ihn zuliefen, und ihm einen guten Morgen wünschten. Vor den Fremden waren sie scheu, doch das älteste sagte dem Vater, die Mutter und die junge Dame seien auch schon aufgestanden, und das Frühstück stehe bereit. Jetzt gingen sie zusammen ins Haus, wo Herr Wilson über die Schönheit der durch den Schlaf erquickten und in einem neuen Anzuge erscheinenden Fanny erstaunte. War aber seine Bewunderung ihrer Schönheit groß, so waren seine Gäste nicht weniger entzückt von der Zärtlichkeit, die sich in den Benehmen der Gatten gegeneinander, wie gegen die Kinder darlegte, und von der letzteren artigem aber doch muntern Betragen. Des Pfarrers gutgeartetem Gemüth gefiel hier Alles, die freundliche Bereitwilligkeit, jedem Wunsch ihrer Gäste zuvorzukommen, die Emsigkeit, womit man das Beste, was nur das Haus vermochte, herbeizuschaffen suchte, mehr aber noch des trefflichen Ehepaars mildthätiger und menschenfreundlicher Sinn, wovon während des Frühstücks sich ihm ein paar Beispiele darboten, indem Frau Wilson zu einer kranken Nachbarin gerufen wurde, wohin sie sich mit herzstärkenden Tropfen begab, die sie zum Besten Hülfsbedürftiger selbst zubereitet hatte; ihr Mann aber in den Garten ging, um einen andern Nachbar mit etwas zu versorgen, das er für den Augenblick bedurfte, denn Alles, was sie besaßen, theilten sie gern mit Hülfsbedürftigen. Die Gesellschaft saß noch äußerst vergnügt und heiter zusammen, als sie einen Flintenschuß hörten, und gleich darauf hinkte ein Hündchen, der ältesten Tochter Liebling, über und über blutig herein, und schmiegte sich seiner Gebieterin zu Füßen. Das arme etwa elfjährige Kind brach bei dem Anblick in Thränen aus, und jetzt trat ein Nachbar mit der Kunde ein, der junge Squire, des Gutsbesitzers Sohn, habe im Vorbeireiten auf den Hund geschossen, und dabei geschworen, er wolle den Herrn desselben gerichtlich belangen, weil er einen Jagdhund halte, was er ausdrücklich im Kirchspiel untersagt habe. Das von dem Kinde auf den Schooß genommene Hündchen starb, dem Mädchen die Hände leckend, nach einigen Minuten. Die Kinder erhoben Geschrei und Wehklagen, und selbst Fanny konnte ihre Thränen nicht zurückhalten. Indeß die Eltern die Kleinen zu beruhigen suchten, ergriff Adams seinen Knittel, und würde dem Squire nachgesetzt haben, wenn Joseph ihn nicht zurückgehalten hätte. Seine Zunge vermochte er jedoch nicht im Zügel zu halten – er sprach mit großem Nachdruck das Wort »Schlingel« aus, erklärte, der Bube verdiene mehr den Galgen als irgend ein Straßenräuber, und wünschte, ihn züchtigen zu dürfen. Die Mutter führte ihre Tochter, die den todten Liebling jammernd auf dem Arme trug, aus der Stube, und der Vater erzählte nun, dies sei schon das Zweitemal, daß der Squire dem armen Thier nach dem Leben getrachtet habe, auch habe dasselbe schon einmal eine gefährliche Wunde von ihm erhalten. »Dies geschah lediglich aus Bosheit,« fügte er hinzu, »da dieses Hündchen, das kaum so groß wie eine Faust ist, in den sechs Jahren, da die Tochter es gehabt, sich nicht fünfzig Schritt vom Hause entfernt hat.« – Er sagte, er habe durch nichts ein solches Benehmen verschuldet; der Vater des Squire sei aber zu reich, als daß man sich mit ihm in einen Prozeß einlasse könne, dabei auch allgemein als ein Tyrann bekannt, denn er habe nicht nur allen Nachbarn die Hunde todtgeschossen und die Flinten genommen, sondern er schone auch keine Hecken, und reite Getreide und Gemüse nieder, als sei er auf der Landstraße. – »Ich wollte nur, ich könnte ihn einmal in meinem Garten erwischen,« rief Adams, »ob ich ihm schon lieber einen Ritt durch mein Haus, als eine solche unnatürliche Grausamkeit, wie diese da, verzeihen wollte.«

Da die heitere Unterhaltung durch diesen Vorfall, wobei die Gäste ihrem gütigen Wirth von keinem Nutzen sein konnten, unterbrochen worden, und die Mutter beschäftigt war, das arme Mädchen zu trösten, das ein zu gutes Herz hatte, um so bald über den plötzlichen Verlust seines kleinen Lieblings, mit dem es noch vor kurzem gespielt, sich zu beruhigen, und da Joseph und Fanny sich nach der Heimath sehnten, damit jene vorläufigen Einleitungen zu ihrem Glück, auf denen Adams bestanden hatte, baldmöglichst veranstalten werden könnten, so machten sie sich jetzt zur Fortsetzung ihrer Reise bereit. Der Hausherr bat sie dringend, wenigstens das Mittagsmahl noch bei ihm einzunehmen, da er aber fand, daß sie sich nach Hause sehnten, so rief er seine Frau herbei und die Reisenden schieden nun nach den gewöhnlichen Ceremonien gegenseitiger Verbeugungen und Knickse, die angenehmer zu schauen als zu schildern sind, indem Herr Wilson und seine Frau ihnen von Herzen ein glückliche Reise wünschten und sie eben so herzlich für die freundliche Bewirthung dankten. Sie traten dann ihren Weg wieder an, und Adams erklärte, dies sei die Art und Weise, wie die Menschen im goldenen Zeitalter gelebt hätten.

 

Ende des zweiten Theils.



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