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Achtes Kapitel.

Höchst merkwürdige Abhandlung des Herrn Abraham Adams, worin er als Politiker auftritt.


»Ich versichere Sie, Sir (sagte der Pfarrer, indem er den Jäger bei der Hand faßte), es thut mir von Herzen wohl, einen Mann von Ihrem Schrot und Korn kennen zu lernen; denn obgleich nur ein armer Dorfpfarrer darf ich mich doch erkühnen zu sagen, daß ich ein ehrlicher Mann bin, und nichts unrechtes thun würde, wenn ich auch dadurch Bischof werden könnte; ja, wenn mein Loos mir auch noch nicht Gelegenheit zur Darbringung eines so edlen Opfers gewährte, so bin ich doch schon, dem Himmel sei Dank, in dem Fall gewesen, um des Gewissens willen zu leiden, denn ich hatte, ohne Ruhm zu melden, Verwandte, die in der Welt etwas vorstellten; namentlich einen Neffen, der ein Ausschnitthändler und dabei Alderman einer Gilde war – ein guter Junge, der in seiner Jugend unter meiner Aufsicht stand, und bis zu seinem Sterbetage, glaube ich, Alles gethan haben würde, was er mir an den Augen absehen konnte. Es mag freilich eitel von mir erscheinen, daß ich von dem Einfluß rede, den ich auf einen Alderman gehabt, aber Andere haben die Sache auch aus diesem Lichte betrachtet. So ließ der Pfarrer, dessen Vikar ich früher war, mir, als grade eine Parlementswahl bevorstand, sagen, falls ich meine Stelle behalten wolle, müsse ich meinen Neffen dahin vermögen, daß er einem gewissen Obersten Hurtly, einem Herrn, von dem ich bis dahin in meinem Leben noch nichts gehört hatte, seine Stimme gebe. Ich antwortete dem Pfarrer, ich hätte über meines Neffen Stimme keine Macht (Gott verzeih mir diese Lüge!) er werde sie, hoffe ich, nach seinem Gewissen geben, und diesem zuwider etwas von ihm zu verlangen, könne ich mich nicht entschließen. Er ließ mir dagegen sagen, ich möchte keine Ausflüchte machen, er wisse, daß ich schon zu Gunsten des Gutsbesitzers Sickle, meines Nachbarn, mich bei meinem Neffen verwendet hätte, und das kann ich wirklich nicht läugnen, denn es war zu einer Zeit, da die Kirche in Gefahr stand, und alle rechtschaffenen Leute selbst nicht wußten, was uns Allen widerfahren würde. Hierauf ließ ich ihn kecklich wissen, wenn er glaube, ich hätte einem andern mein Wort gegeben, so beleidige er mich durch den Vorschlag, es zu brechen. Mich kurz zu fassen, ich und mein Neffe blieben standhaft auf Sickle's Seite, der denn auch gewählt wurde, und so verlor ich meine Stelle. – Nun gut, Sir, glauben Sie wohl, daß dieser Sickle je das Wohl der Kirche bedachte? Ne verbum quidem, ut ita dicam; in Zeit von zwei Jahren versorgte ihn die Regierung mit einem einträglichen Staatsamt, und seitdem lebt er in London, wo er, wie man mir gesagt hat (aber Gott behüte mich, es zu glauben), mit keinem Fuß in die Kirche kommen soll. Ich, Sir, blieb lange Zeit ohne Pfründe, und lebte ganze vier Wochen von einer einzigen Leichenpredigt, die ich für einen kranken Collegen hielt, aber dies sei nur nebenbei gesagt. Endlich, als Sickle seine Stelle hatte, trat Oberst Courtly abermals unter den Wahlcandidaten auf; und wer war nun mehr auf seiner Seite, als Sickle selbst; derselbe Sickle, der mir damals in den Kopf gesetzt, der Oberst sei ein Feind sowohl der Kirche als des Staates, hatte jetzt die Keckheit, meinen Neffen bei dieser Gelegenheit um seine Stimme anzusprechen; und der Obrist selbst bot mir die Feldpredigerstelle in seinem Regiment an, die ich aber zu Gunsten des Sir Oliver Hearty ausschlug, der uns zuschwor, er werde seinem Vaterlande Alles aufopfern, und ich glaube, er wird es auch gethan haben, nur mit Ausschluß der Jagd, der er so eifrig ergeben war, daß er während fünf Jahren nur zweimal das Parlement besuchte, und überdem das eine Mal, wie ich mir habe sagen lassen, nicht den Mund öffnete. Uebrigens war er doch ein braver Mann, und der beste Freund, den ich je gehabt habe, denn vermöge seines Einflusses auf den Bischof verschaffte er mir meine frühere Vicarstelle wieder, und schenkte mir überdies noch acht Pfund Sterling aus seiner eigenen Tasche, um mir dafür eine Priesterkleidung und Hausgeräthe anzuschaffen. Wir gaben ihm unsere Stimmen, so lange er lebte, denn er starb schon einige Jahre darauf. Nach seinem Tode wendeten sich aufs neue Mehrere an mich, denn Jeder kannte den Einfluß, den ich auf meinen guten Neffen hatte, welcher jetzt eine Hauptperson in der Gilde geworden war, und Sir Thomas Borby, der des seeligen Sir Oliver Gut gekauft hatte, trat als Wahlcandidat auf. Er war damals noch jung und eben von seinen Reisen zurückgekehrt. Ich hörte ihn gern über Angelegenheiten sprechen, von denen ich meinestheils nichts verstand, und hätte ich über tausend Stimmen gebieten können, sie wären alle sein gewesen. Ich gewann meinen Neffen für ihn, er wurde gewählt, und füllte seine Stelle im Parlement trefflich aus. Er soll stundenlange Reden gehalten haben, und wie ich höre, sehr ausgezeichnete; aber er konnte dennoch das Parlement nie auf seine Seite bringen: Non omnia possumus omnes. Er versprach mir eine bessere Stelle, der gute Herr, und ich glaube, daß ich sie erhalten hätte, aber es kam wieder ein Unglück dazwischen, nemlich seine Gemahlin hatte dieselbe Stelle, ohne daß er's wußte, schon vorher einem Andern versprochen. Diesen Umstand erfuhr ich freilich erst später, denn mein Neffe, der etwa vier Wochen vor Erledigung jener Pfarrei mit Tode abging, hatte mir immer versichert, sie könne mir nicht entgehen. Seit dieser Zeit war der arme Sir Thomas immer so mit Geschäften überhäuft, daß er mich gar nicht mehr vor sich lassen konnte. Vielleicht mochte auch seine Gemahlin es verhindern, indem ihr mein Anzug für die vornehmen Herrschaften, die bei ihr speisten, nicht gut genug schien. Ich muß ihm jedoch zum Ruhme nachsagen, er war nie undankbar; seine Küche und auch seinen Keller habe ich immer für mich offen gefunden, und manchen Sonntag nach meinen Predigten – denn ich predige in vier Kirchen der Gemeinde – habe ich mich mit einem Kruge von seinem besten Doppelbier erquickt. Seit meines Neffen Tode ist der Wahleinfluß in andern Händen, und ich bin nicht mehr von demselben politischen Ansehen, wie vormals. Ich habe jetzt keine Talente mehr für den Dienst meines Vaterlandes darzubieten, und wem nichts verliehen ist, von dem kann nichts verlangt werden. Bei allen schicklichen Gelegenheiten, wie bei einer bevorstehenden Parlementswahl zum Beispiel, lasse ich einige passende Stellen in meine Predigten einfließen, wie ich mit Vergnügen höre, dem Sir Thomas und den andern ehrenwerthen Gutsbesitzern aus der Nachbarschaft keineswegs unangenehm ist; auch haben sie mir alle schon seit fünf Jahren versprochen, meine Ordination für meinen Sohn zu erwirken, der nunmehro fast dreißig Jahr alt ist, ungemein viel gelernt hat, und Gott sei Dank einen unbescholtenen Lebenswandel führt, aber der Bischof will ihn nicht ordiniren, weil er nicht auf der Universität gewesen ist. Freilich kann bei der Zulassung zum heiligen Amte nicht zu vorsichtig verfahren werden, doch ich hoffe, mein Sohn wird nie so handeln, daß er irgend einem Stande zur Schande gereichen könnte, sondern vielmehr, wie ich mich vor ihm bemühte, seinem Gott und seinem Vaterlande nach besten Kräften zu dienen suchen, ja, wenn es sein muß, sein Leben für dasselbe hingeben. In diesen Grundsätzen, das kann ich sagen, habe ich ihn auferzogen, so daß ich meine Pflicht gethan, und in dieser Beziehung mir nichts vorzuwerfen habe. Auch hoffe ich das Beste von ihm, und wenn es der Vorsehung gefallen sollte, ihn dereinst ebenso, wie vormals seinen Vater, mit politischem Ansehen zu bekleiden, so kann ich verbürgen, daß er seine Talente eben so redlich anwenden wird, wie ich es gethan habe.«


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