Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Und das Ende von der Geschichte?

Es ist bald erzählt ... Ein freundlicher, Sommerabend war angebrochen und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne rötheten die sanft sich kräuselnden Wellen am felsigen Gestade des biscayischen Meerbusens. Zuweilen fiel das verklärende Licht auch auf ein hölzernes Kreuz, das, von Moos und Epheu überzogen, in der Nähe der Bucht auftauchte. Und einzelne Strahlen verirrten sich sogar bis zu den Zinnen des stolzen, alterthümlichen Schlosses, welches das Felsplateau krönte.

Auf dem Balkon stand eine kleine Menschengruppe; schweigend blickte sie auf das heitere Landschaftsbild, welches aber dennoch die Wehmuth ihrer Herzen nicht zu bannen vermochte.

Der junge stattliche Mann, an dessen Schulter sich eine zarte Frauengestalt schmiegt, ist unser Fabian, der jetzt seine junge Gattin, Rosarita, sanft auf die Stirn küßt. Und die beiden kräftigen Männergestalten, die links und rechts von ihnen stehen und die Blicke unverwandt auf das Meer zu ihren Füßen gerichtet haben, wer würde nicht in ihnen den alten, treuen Canadier und den von ihm unzertrennlichen Josef erkennen? Als sie damals, der Einladung Don Augustins folgend, mit dem von den Strapazen ermatteten Fabian in die Hacienda eintraten, hatten sie nicht geahnt, daß sie viele Monate lang daselbst verweilen würden. Weder Rosenholz noch Josef merkten etwas von der zärtlichen Neigung, welche Fabian für Rosarita im Herzen trug, und waren daher sehr überrascht, als der Hacendero eines Tages die Verlobung des jungen Paares feierte.

Rosenholz fiel einer melancholischen Stimmung anheim, denn er wußte jetzt, daß Fabian nicht mehr mit ihm die Prairien durchziehen würde, und so fühlte er sich abermals seines Kindes beraubt. Fabian aber errieth seine Gedanken und wußte bald, wie hier am Besten zu helfen sei. Um aber Rosenholz für seinen Plan besser zu gewinnen, hielt er es für gut, ihn zuvor seiner gewohnter Lebensweise auf kurze Zeit zu entreißen.

Dieser Absicht kam eine gewisse Sehnsucht fördernd entgegen, welche in Fabians Herzen sich zu regen begann. Er wünschte nämlich, noch einmal die Heimstätte zu sehen, wo er als ein glückliches Kind seine ersten Jahre verlebt, – noch einmal das Meer zu schauen, ans dessen Wellen er in schwachem Boote an der Seite seiner armen, ermordeten Mutter dem Verderben ausgesetzt gewesen war. Nachdem der Priester seinen Bund mit Rosarita eingesegnet hatte, theilte er Rosenholz und Josef seine Absicht mit und beide willfahrten gern seinem Wunsche, ihn und Rosarita nach der spanischen Heimat zu begleiten. Es fiel Fabian nicht schwer, den Nachweis zu führen, daß er der rechtmäßige Erbe der Grafen von Mediana sei, und nachdem die ganze Angelegenheit auf dem Wege des Gesetzes geordnet, begab sich die kleine Gesellschaft nach dem Schlosse, wo wir sie wiedergefunden haben.

Die Erinnerung lebte hier in den drei Männern mächtig wieder auf. Schaudernd gedachte Fabian, beim Blick in das Balkonzimmer, jenes entsetzlichen Abends, wo er mit seiner Mutter von unheimlichen Gestalten ergriffen und fortgebracht worden war. Und Josef erbebte, als sein Blick sich zur Bucht herabsenkte und er sich der grausigen Nacht erinnerte, die er dort dereinst verlebt. Auch Rosenholz fühlte sich sonderbar ergriffen, denn sein Auge glaubte jetzt die Stelle entdeckt zu haben, wo er im Nachen einst sein liebes Kind gefunden, und indem er in raschem Fluge die langen Jahre der Trennung an sich vorüber ziehen ließ und der Furcht und Hoffnung gedachte, die in seinem Herzen gekämpft, da fühlte er, daß er jetzt doch ein glücklicher alter Mann sei, und dankbaren Herzens blickte er zum rosigen Abendhimmel hinauf. »Es ist ein schönes Fleckchen Erde,« unterbrach er endlich das Schweigen, mit seiner Rechten auf die Landschaft deutend.

»In den Wäldern Amerikas gefällt es mir doch besser,« antwortete Josef und blickte auf Fabian.

»Das sag' ich auch,« rief dieser, »habe ich ja dort ein liebendes Weib und zwei väterliche Freunde gefunden. Und deshalb kehre ich mit Euch wieder nach meiner neuen Heimat zurück, vorausgesetzt, daß Ihr Besitz ergreift von dem Ruheplätzchen, das der Vater meiner Rosarita in unserer Abwesenheit für Euch errichten ließ.«

»Oh, Fabian,« erwiderte Rosenholz mit gebrochener Stimme, »vermag ich ja doch nicht mehr ohne Dich zu leben, und mein innigster Wunsch ist, in Deiner Nähe zu bleiben, und ... und ...«

»Und mit Josef und einer guten Büchse kleine Streifjagden unternehmen zu dürfen,« vollendete der alte Waffengefährte, »und da Don Fabian dagegen sicherlich nichts einzuwenden haben wird, so ist die Sache abgethan.«

Und die drei Freunde drückten sich schweigend die Hand, während Rosarita sich inniger an ihren Gatten schmiegte.

Wenige Wochen darauf verschwand das hölzerne Kreuz an der Meeresbucht für immer, um einem imposanten Marmorkreuze Platz zu machen. – – –

Und nun noch einen letzten Blick nach dem fernen Westen!

In der Hacienda del Benado leben glückliche Menschen, und in dem schönen Parke springen zwei Kinder, ein Mädchen und ein Knabe, jubelnd umher; häufig verlassen sie aber auch das schützende Heim, schlüpfen durch die hohe Gartenpforte und rufen zum Walde hinüber:

»Sind die beiden Großonkels da? ... Dürfen wir kommen?«

Dann ertönt es gewöhnlich von einer mächtigen' Baßstimme zurück: »Nur immer heran, Ihr kleines Volk!« Und lachend und in die Händchen klatschend, läuft das Pärchen dem Walde zu, an dessen Rande sich jetzt ein Farmerhaus erhebt, genau an der Stelle, wo Fabian dereinst zwei treue Freunde gefunden hat. Dort hausen zwei alte, glückselige Junggesellen, denen der junge Leser eine freundliche Erinnerung bewahren möge. Sind es ja doch unsere lieben Freunde, Josef und der Waldläufer.


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