Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Drittes Kapitel. Verrath im Lager.

Ohngefähr vierzehn Tage später näherten sich die handelnden Personen dieser Erzählung dem Ziele ihrer Reise d. h., sie erreichten die weiten Ebenen, welche sich zwischen der Mexikanischen Grenzstadt Tubac und der südlichen Grenze der Nordamerikanischen Freistaaten ausdehnen. Zu der Zeit, von welcher hier die Rede ist, kannte man die endlosen Flächen dieser Savanen, welche von dem Rio Gila nothdürftig bewässert werden, fast nur aus den Berichten der Jäger und Goldsucher. Beschwerden und Hemmnisse der größten Art treten dort dem Reisenden entgegen; der steinige Boden zeigt ihm fast nur Abgründe von ausgetrockneten Strombetten, die ihn auf seinem Wege hindern, ohne ihm oder seinem Pferde irgend welche Nahrung zu bieten, denn der Dammhirsch und der Büffel fliehen diese Einöde und nur sehr spärlich tauchen kleine Oasen von dürrem Grase auf. Selbst die Indianer wagen diese Wüste nur dann zu betreten, wenn der brennende Wind erstorben ist, der während eines Theils des Jahres in dieser grausigen Einöde sein Scepter schwingt.

Die Strahlen der Sonne fielen bereits schräg auf den gluthgetränkten Erdboden und die von einem rosigen Schimmer angehauchten Wölkchen am fernen Horizonte deuteten auf ihren baldigen Untergang, als eine aus etwa sechzig Reitern bestehende Karawane an einem von mächtigen Kaktuspflanzen umfriedeten Platz Halt machte. Dieser Hag, welcher auch einige, Eisenbaumgebüsche aufzuweisen hatte, lehnte sich an einen nur wenige Fuß hohen Hügel an, während nach Osten zu, in ziemlicher Entfernung, sich inmitten des Sandes ein dichtes, aus Gummi- und Eisenbäumen bestehendes Gehölz ausdehnte. Die Stille, welche sonst über diesem Theile der Savane lag, wurde heute durch das muntere und lebendige Treiben der angekommenen Reiterschaar unterbrochen, welche am Hügel ihr Lager aufschlug. Schwer beladene, von Saumthieren gezogene Wagen wurden ausgespannt und abgeladen. Man benutzte sie zu einem schützenden Festungswall, indem man durch eiserne Ketten ihre Deichseln mit einander verband und die leeren Räume durch übereinander geschichtete Bäume und Pferdesättel ausfüllte. Unterdessen hatte man im Innern des Lagers die Thiere an die Wagen gebunden, mit Wasser gefüllte Küchengeräthe herbeigeschafft und diese über Reisigbündel gehängt, welche man sodann anzündete.

Ein junger Büffelstier, welchen man gefesselt von einem der Wagen herbeischaffte, wurde geschlachtet und sofort zerlegt. Endlich begann auch eine Feldschmiede ihre Thätigkeit, Feuerfunken sprühten und der Ambos dröhnte unter schweren Hammerschlägen, die Hufeisen und Radschienen formten.

Der junge aufmerksame Leser hat sicherlich in dem Reitertrupp die Schaar der Abenteurer wiedererkannt, welche Don Estevan anführte. Von den achtzig Abenteurern, welche sich dem kühnen Spanier in Tubac angeschlossen hatten, waren, wie bereits gesagt, jetzt nur noch sechszig übrig; die andern hatte theils das furchtbare Klima, theils der Pfeil der Indianer getödtet, von welchen Söhnen der Steppe die Reisenden zu wiederholten Malen angefallen morden waren. Don Estevan ritt auf einem prächtigen Schweißfuchs langsam durch das Lager dem Hügel zu, auf welchem soeben sein Zelt errichtet wurde. Als kurze Zeit darauf an der Spitze des Zeltes eine Fahne emporflatterte, deren sechs goldene Sterne im himmelblauen Felde glückverheißend über das Lager strahlten, erschien auf der Stirne des Abenteurers eine Wolke des Mißmuths und stirnrunzelnd las er die Inschrift des kleinen Banners, den uralten Sinnspruch des Geschlechts der spanischen Grafen von Mediana: »Ich werde wachen!« Don Estevan schritt nachdenklich auf das Zelt zu; vor dem Eingange blieb er stehen und sein Blick streifte jetzt eine Hügelreihe, welche im Westen die Landschaft begrenzte. Hinter den Hügeln strömte ein Fluß und aus der Fluth tauchte eine, mit üppigem Grün bewachsene Insel auf, und eine Stunde westlich von der Insel theilte der Fluß sich in zwei Arme, ein mächtiges Delta bildend, in welchem das heißersehnte Eldorado – das Goldthal – lag. Dorthin hatte Don Estevan seinen Gefährten Cuchillo gesandt, um auszukundschaften, ob jene Jäger, die ihm die reiche Beute streitig zu machen drohten, dort bereits angekommen seien. Der dunkle Ehrenmann Cuchillo hatte allerdings die Richtung nach dem Delta eingeschlagen, war aber bald wieder umgekehrt, da es in seinem teuflischen Plane lag, die Unzahl der Goldsucher möglichst zu reduciren, um auf diese Weise einen desto größeren Antheil an der Beute zu bekommen. Und da konnte ihm nichts gelegener erscheinen, als ein Indianerlager, welches er alsbald in der Nähe witterte. Seine Absicht ging sogleich dahin, von den Indianern bemerkt und verfolgt zu werden. Auf diese Weise war es für ihn dann ein Leichtes, sie auf die Spur des Lagers zu bringen, welches Don Estevan und die übrigen Abenteurer beherbergte. Und zwar hatte dieser Indianertrupp sich im Schatten jenes Gehölzes gelagert, dessen wir bereits Eingangs des Kapitels Erwähnung thaten.

In einer kleinen Lichtung des Wäldchens glimmte ein Feuer, an welchem zehn kupferbraune Gestalten hockten – die Häuptlinge der zahlreichen Schaar. Einige von ihnen waren fast nackt, andere trugen Kleidungsstücke aus Leder, Mocassins und Tigerfelle, während von den Köpfen der vornehmsten dichte Büsche aus Adlerfedern herabnickten. Neben jedem der Häuptlinge lag ein lederner, mit Federn eingefaßter Schild, eine scharfe Lanze, der Tomahawk (die Streitaxt) und ein scharfes, blitzendes Messer. Der Kalumet (die Friedens-Tabakspfeife) ging feierlich von Hand zu Hand, ein sicheres Zeichen, daß sie soeben eine ernste Berathung pflogen. Und in der That fesselte eine wichtige Entdeckung ihre ganze Aufmerksamkeit; Einer nach dem Andern deutete nämlich mit dem Finger nach einem Punkte auf dem Horizont hin, woselbst die Augen eines Europäers nur ein krauses Wölkchen entdeckt haben würden, allein der scharfe Blick der Indianer nahm eine kleine Rauchsäule wahr, die aus dem Lager Don Estevans aufwirbelte. Noch waren die Rothhäute mit der Entdeckung beschäftigt, als ein indianischer Kundschafter die Nachricht brachte, daß oberhalb des Flusses, wo das Wasser eine kleine Insel bespült, drei Bleichgesichter versteckt seien.

»Gut,« sagte der Häuptling, worauf der Indianer, welcher seiner Schnelligkeit wegen der »Hirsch« genannt wurde, die Neuigkeit den im Walde lagernden Stammesgenossen verkündete.

Der Hirsch war nämlich auf Kundschaft ausgesandt worden, um die Spur der Goldsucher wieder aufzufinden, welche die Indianer in Folge einer von Petro Diaz geschickt ausgeführten Bewegung seit einigen Tagen verloren hatten. Die Botschaft des Hirsches hatte auf alle Indianer einen mächtigen Eindruck gemacht, und die Häuptlinge beratschlagten über den zu fassenden Entschluß. Die Meinungen darüber waren getheilt. Der jüngste der Häuptlinge meinte, man müsse die Insel am Gilaflusse aufsuchen, und ein anderer widersprach. Endlich ergriff ein Mann von hohem Wuchse und dunkler Gesichtsfarbe, die ihm den Namen »Schwarzvogel« verschafft hatte, das Wort und sagte:

»Die Weißgesichter am Gilaflusse gehören nicht zu denen, welche wir zu verfolgen bemüht sind, denn sie kommen von Mitternacht, und nicht vom Mittag. Stets habe ich aber den Norden und Süden einander bekämpfen sehen, gleich den Winden, die aus diesen zwei Himmelsgegenden blasen. Senden wir daher an die drei Krieger auf der Insel einen Boten ab, damit sie sich mit uns gegen jene Krieger, welche die Wagen mitführen, verbinden und der Indianer sich über den Tod der Weißen durch die Weißen freue.«

Allein dieser Rath, der von der Klugheit und Menschenkenntniß des Schwarzvogels zeigte, fand keine beifällige Aufnahme, vielmehr wurde beschlossen, über die beiden Abtheilungen der Weißen zugleich herzufallen. Es sollten zwanzig Krieger sofort nach der kleinen Insel im Gilaflusse aufbrechen, und die übrigen hundert Krieger in der Richtung der aufsteigenden Rauchsäule abmarschiren. Ehe aber dieser Beschluß zur Ausführung gelangen konnte, gerieth das Lager der Indianer urplötzlich in eine wilde Aufregung. Die ausgestellten Wachposten hatten nämlich Cuchillo bemerkt, der sich von Westen her dem Gehölz näherte, und jetzt wie unschlüssig auf seinem Rosse stille hielt. Im Nu warfen sich zehn Indianer auf ihre ungesattelten Pferde und flogen pfeilgeschwind über die Ebene dahin. Cuchillo besaß aber gleichfalls einen schnellfüßigen Renner und so kam es, daß nach einer Stunde die Verfolger unverrichteter Sache wieder in das Gehölz zurückkehrten, höchst ärgerlich darüber, daß ihnen der Fremde entkommen war.

»Das wäre gelungen!« rief der schurkische Cuchillo vergnügt, als die Indianer ihre Verfolgung aufgegeben hatten, »jetzt wissen die rothen Teufel doch wenigstens, wo wir uns befinden, und werden gewiß binnen Kurzem einen Massenbesuch abstatten; wollen dann sehen, wie viel von den sechszig Mann unserer Expedition noch übrig bleiben. Fünf Mann, ein paar Wagen und ebensoviel Pferde und Maulthiere genügen, um die Schätze des Goldthals zu heben, und ich erweise ihnen nur einen Dienst, denn jedenfalls ist es besser, daß Wenige Alles haben, anstatt Alle wenig. So, und jetzt wollen wir uns etwas ausruhen.«

Damit legte er sich hinter einer kleinen Erhöhung des Bodens nieder, gewillt, den Weg zum Lager erst dann fortzusetzen, wenn sein geübtes Ohr ihm die Wiederkehr der Gefahr für ihn persönlich anzeigen würde.

Mittlerweile war der Abend hereingebrochen, die lichte Mondsichel stieg empor und ein erquickender Abendwind säuselte durch die Eisenbaumgebüsche des mexikanischen Lagers, welches jetzt im Mondschein einen wahrhaft malerischen Anblick darbot. Einige angezündete Feuer verbreiteten über den Boden einen matten, röthlichen Schimmer, der indessen, im Falle eines Angriffs, durch angezündete Reisbündel zu einer grellen Helle anwachsen konnte. Gruppen von Abenteurern, theils auf dem Boden lagernd, theils mit den Pferden und Saumthieren beschäftigt, die aus Trögen von Leinwand ihre Ration Mais fraßen, überließen sich gänzlich der Sorglosigkeit, wußten sie ja doch, daß Don Estevan, von seinem erhöhten Zelte aus, die Wache hielt.

Der Anführer der Karawane hielt eben mit Pedro Diaz ein sehr ernstes Zwiegespräch, das sich um das lange Ausbleiben Cuchillos drehte.

»Sollte er von den Apachen überrascht worden sein?« warf Don Estevan auf. »Ich hörte vor ungefähr einer Stunde einige Schüsse, die mich über sein Schicksal beunruhigten.«

»Ich habe sie auch vernommen,« entgegnete Diaz, »allein sie kamen von Norden her, während das Goldthal, wohin sich Cuchillo recognoscirend begeben, im Westen liegt. Bei dieser Gelegenheit ersuche ich Sie, Don Estevan, mir zu gestatten, einem Verdachte Ausdruck zu verleihen; ich schmeichle mir, infolge meiner vielen Erfahrungen und Beobachtungen die Menschen zu kennen, und somit konnte mir der feige Charakter jenes Cuchillo nicht lange verborgen bleiben, umsomehr wunderte ich mich über seinen ungewohnten Muth, die Gegend bis zum Goldlager zu durchstreifen. Sein unnatürlich langes Ausbleiben aber erweckt meinen Verdacht.«

»Ich muß Ihnen gestehen,« erwiederte Don Estevan, »daß auch mir ähnliche Gedanken gekommen sind, und dies war der Grund, weshalb ich einen Boten nach ihm aussandte.«

»Ah, unsern wackern Gayseros,« schalt der Mejikaner ein. »Ich möchte ihn nicht lange entbehren, denn er ist der Tüchtigste unserer Mannschaft.«

Ohne auf diesen Lobesausspruch weiter zu achten, fuhr Don Estevan fort: »Verirrt kann sich Cuchillo unmöglich haben, da die Rauchsäule ihm die Stelle unseres Lagers verkündet.«

»Sie haben ihm dieses Zeichen zugestanden,« sagte Diaz seufzend, »obgleich ich nicht damit einverstanden war, da es für uns, gegenüber dem scharfen Auge der Indianer, leicht zum Verräther werden kann; hoffen wir, daß –«

»Was ist das?« unterbrach Don Estevan die Rede des Gefährten, »sehen Sie doch, die Thiere lassen ihren Mais stehen und spitzen die Ohren.«

»Möglich, daß der Abendwind ihnen die Witterung eines Jaguars entgegenträgt,« gab Diaz nach kurzer Pause zur Antwort.

»Könnte es nicht auch die Nähe von Indianern bedeuten?«

»Kaum,« kopfschüttelte Diaz, »in diesem Falle würden sie stampfen und zusammenschauern, denn die Thiere haben einen ungemein feinen Geruch und erkennen ihre Herrn.«

»Sie mögen recht haben, mein Freund. Die Pferde fressen jetzt auch wieder. Lassen Sie uns einen Gang durch's Lager thun.«

Diaz erklärte sich bereit und Beide begaben sich bis zu den ausgestellten Schildwachen, welche mit der Büchse im Arme langsamen Schrittes auf- und niedergingen. Auf Befragen Don Estevans erklärten sie, kein verdächtiges Anzeichen bemerkt zu haben, und in der That lag die Savane ruhig da. Der Spanier kehrte mit seinem Begleiter auf die Anhöhe zurück; kaum waren sie aber vor dem Zelte wieder angelangt, als ein dumpfes Schnauben der Maulthiere von Neuem ihre Aufmerksamkeit erregte.

»Caramba!« wetterte Don Diaz, »die rothen Teufel streifen wirklich in der Nähe umher!« Gleichzeitig ließ sich ein gellendes Wiehern aus der Tiefe der Ebene vernehmen, begleitet von einem weitschallenden Alarmruf, den ein mit verhängtem Zügel heransprengender Reiter ausstieß.

»Es ist Cuchillo!« rief Don Estevan beim Anblick des Reiters, der scheinbar in höchster Erregung das Lager erreichte und mit dem Schreckensrufe: »Zu den Waffen! die Indianer kommen!« durch die Oeffnung der Verschanzung stürzte.

Eine grenzenlose Verwirrung entstand. Die auf dem Boden ruhenden Abenteurer fuhren jäh empor und eilten dem Orte zu, wo die Gewehre zusammengesetzt waren. Der allgemeine Schrecken theilte sich auch den Pferden und Maulthieren mit, sie zerrten an ihren Halftern, daß sie Gefahr liefen, zu ersticken, – einen so entsetzlichen Eindruck machten die Söhne der Steppe auf sie. Bald jedoch legte sich die entstandene Unruhe und ein Jeder nahm den Posten ein, welchen ihm Don Estevan schon im Voraus angewiesen hatte. Unterdessen schritt Cuchillo auf das Zelt Don Estevans zu, um diesem Bericht zu erstatten.

Derselbe war sehr kurz und schien sowohl dem Spanier als auch Pedro Diaz äußerst unwahrscheinlich; indessen äußerten sie sich jetzt nicht weiter darüber, sondern warfen nur einander einige bedeutsame Blicke zu. Ein Wachtposten meldete jetzt Don Estevan, daß die Streifreiter der Indianer sich bereits in nächster Nähe zeigten. Diese Nachricht gestattete keinen Verzug mehr.

»Geschwind die Reisigbündel angezündet,« rief Don Estevan mit weithin schallender Stimme, »wir müssen unsere Feinde zählen können.«

Sofort flammte ein heller Feuerschein auf, welcher das Lager und dessen nächsten Umkreis grell erleuchtete. In diesem Lichte tauchten in der Ferne, gleich unheimlichen Schatten, die Vorreiter der Indianer auf, in wilder Eile hin und her jagend. Gleichzeitig beleuchteten die prasselnden Flammen die eng aneinander geschlossenen Truppen der Abenteurer, welche mit der gespannten Büchse im Arm den Angriff der Indianer erwarteten, wahrend ihnen zur Seite die gesattelten Pferde standen, um sogleich bei der Hand zu sein, sei es nun behufs eines Ausfalls oder zur Flucht. Die Stille der gespanntesten Erwartung hatte ihre Schwingen über das Lager gebreitet, aber auch in der Ebene draußen war's unheimlich still geworden und die düstern, langgestreckten Schatten jagten nicht mehr über sie dahin. Schon begannen einige der Abenteurer sich der Hoffnung hinzugeben, daß die Wüstensöhne, von der Kampfbereitschaft der Mexikaner entmuthigt, sich zurückgezogen hätten; allein dieses Schweigen da draußen war nur jene Stille, welche dem Ausbruche eines verheerenden Orkans vorauszugehen pflegt.

Noch war keine Viertelstunde verstrichen, als die Savane von einem Geheul erdröhnte, das den erschreckten Mejikanern wie die Posaunen des jüngsten Gerichts in die Ohren gellte, und gleichzeitig zeigten sich apachische Krieger in der vom Monde erleuchteten Ebene. Ein Pfeil fuhr zischend durch die Luft und durchbohrte die Brust eines der Goldsucher. Jetzt durchsprengte die Vorhut den Lichtkreis in der unmittelbaren Nähe des Lagers und die zuckenden Flammen des Feuers warfen grelle Streiflichter auf die wuthverzerrten, rothbemalten Gesichter der Indianer. Ihre wild im Winde flatternden Haare, sowie die Riemen, die massenhaft zum Schmuck an ihnen hingen und während des raschen Galopps gleich Schlangen um die Reiter sich schlängelten, und endlich ihr trotziges herausforderndes Geschrei versetzte gar manchen der Mexikaner in Schrecken und Angst. Alles dies war jedoch nur das Vorspiel zu dem blutigen Drama, das nun beginnen sollte. Das Kriegsgeheul der Apachen schwoll orkanartig an und die Erde bebte unter den Hufschlägen der regellos einherstürmenden Pferdeschaar, welche den Kugelregen nicht zu achten schien, der aus dem Lager kam. Von drei Seiten wurde das letztere durch die Apachen eingeschlossen. Währenddem vernahm man inmitten des Gebrülls den Knall wohlgezielter Schüsse von der Anhöhe herab; und jedes Mal sank ein Apache von seinem kleinen Rosse. Pedro Diaz war der kampfesdurstige Schütze, auf den der Anblick der verhaßten Rothhäute wirkte, wie die rothe Farbe, auf den Stier, und nur mit vieler Mühe widerstand er der Versuchung, sich durch eine jener Heldenthaten auszuzeichnen, welche seinen Namen den Indianern so furchtbar gemacht hatten. Uebrigens brauchte der muthige Mexikaner nicht lange nach einem offenen Kampfe zu dürsten, denn die Apachen stürmten die Wagen, hinter denen die Schaar Don Estevans sich postirt hatte, und ein mörderisches Handgemenge begann. Der kampfesmuthige Diaz schien sich zu vervielfältigen, denn er tauchte bald hier, bald dort auf und stets war er zur Stelle, wenn es galt, einen der Mexikaner dem über seinem Haupte schwingenden Tomahawk zu entreißen. Dieser Fall war auch jetzt wieder eingetreten und der todesmuthige Diaz zog einen der kräftigsten Indianer mit so unwiderstehlicher Gewalt vom Pferde herab, daß der Apache mitten in das Lager stürzte. Noch berührte er aber den Boden nicht, als schon das Schwert des kühnen Abenteurers das Haupt des Wilden vom Rumpf getrennt hatte – eine Heldenthat, die von den Mexikanern mit jauchzendem Hurrah aufgenommen wurde.

Da die Schützen bei dem Handgemenge entbehrlich wurden, so eilten die bisher auf dem Hügel postirten Abenteurer jener Ecke der Verschanzung zu, wo Don Estevan und Cuchillo kämpften, denn Hilfe bringende Mannschaft that dort Noth; zwar handhabte der Spanier sein vortreffliches englisches Doppelgewehr mit großer Geschicklichkeit und erlegte wohl ein Dutzend der andringenden Feinde, trotz alledem würde er auf die Dauer dem überlegenen Gegner nicht zu widerstehen vermocht haben, zumal ihm Cuchillo nur eine schwache Hilfe leistete. Dieser Feigling, welcher der Anstifter all' dieses Unheils war, dachte mehr auf seine eigene Sicherheit. Während die Abenteurer mit den Apachen auf Tod und Leben rangen, kam er nicht von der Seite seines Pferdes, das den Bewegungen seines Herrn mit dem Verstände des klügsten Hundes folgte. Von Zeit zu Zeit warf ihm Don Estevan einen scharf beobachtenden Blick zu, dann gab sich der Schurke den Anschein, als folge er mit besorgter Miene den Wechselfällen des Kampfes. Plötzlich taumelte er jedoch und sank, wie tödtlich verwundet, in einiger Entfernung von den Wagen schwerfällig nieder. Don Estevan bemerkte es, er spürte jedoch keine Lust, ihm zu Hilfe zu eilen, sondern murmelte verächtlich: »Ein Feigling weniger!« Dagegen lief das Pferd des Gefallenen zu ihm hin und gab durch Schnauben seine Theilnahme zu erkennen. Der Kampf nahm jetzt Don Estevans Aufmerksamkeit vollständig in Anspruch und er hatte Cuchillo alsbald vergessen. Dieser jedoch hob leise den Kopf empor und warf einen lauernden Blick umher, und nachdem er die Ueberzeugung gewonnen, daß er unbeobachtet sei, kroch er leise unter der Wagenreihe durch, auf der dem Angriffe entgegengesetzten Seite. Sein treues Pferd folgte ihm abermals. Außerhalb des Lagers angekommen, richtete er sich schnell auf und schwang sich mit einem Lächeln düsterer Freude auf das Roß, dann drückte er dem Thiere den Sporn in die Seite und jagte, einen weiten Bogen um das Gehölz beschreibend, aus welchem die Indianer hervorgebrochen waren, in die Finsterniß hinaus.

Hinter ihm tobte der Kampf und es war noch nicht abzusehen, auf welche Seite sich der Sieg neigen werde, zumal es an einem Punkte der Verschanzung den Apachen gelungen war, in's Lager einzubrechen. Unter den Mexikanern herrschte eine entsetzliche Verwirrung und man sah nichts, als ein Durcheinander von menschlichen Körpern, die sich umschlungen hielten, während darüber die Federbüsche der apachischen Krieger flatterten, die gewaltsam mit ihren Pferden sich einen Weg durch diesen Knäul zu bahnen suchten. Der Sieg der Indianer schien gewiß, da plötzlich aber schloß sich die auf einen Augenblick durchbrochene Linie der Mexikaner wieder, wodurch den in das Lager eingedrungenen Apachen der Rückzug abgeschnitten wurde. In diesem Augenblicke stürzte Diaz herbei, mit Blut und Staub bedecktem Gesicht und zerrissenen Kleidern, um hier den Entscheidungskampf auszufechten, und wahrlich er kam zur rechten Zeit, denn innerhalb des engen Raumes der Verschanzung rasete ein indianischer Häuptling, welchen die Seinigen die »Pantherkatze« nannten, wild und muthig wie ein Kriegsgott; keiner der Mexikaner vermochte ihm Stand zu halten und ängstlich wich man vor ihm zurück.

»Hieher, Diaz!« schrie das bedrängte Häuflein, »schnell, schnell, oder wir sind verloren!«

Als der Häuptling den Namen Diaz hörte, begann er zu stutzen; seine Augen schienen Flammen zu sprühen und er zog seine Lanze zurück, um seinen Todfeind zu durchbohren, der mit geschwungenem Degen herbei eilte. Plötzlich bäumte sich aber das Pferd des Indianers hoch auf und stürzte zu Boden. Diese augenblickliche Rettung hatte der kühne Pedro seinem Gefährten Estevan zu verdanken, der von der andern Seite sich genähert und mit seinem Messer dem Pferde die Sehnen des einen Hinterbeins durchschnitten hatte. Der apachische Häuptling stürzte gleichfalls zur Erde, wobei ihm seine zurückgezogene Lanze entglitt. Mit einer wahren Blitzesschnelle bemächtigte sich Diaz der Waffe und stieß die Spitze derselben in die nackte Brust seines Gegners. Obgleich tödtlich verwundet, ließ der Apache dennoch keinen Schrei hören, auch verloren seine Augen nichts von ihrem stolzen drohenden Ausdruck, bis endlich der Tod sie umflorte. Mit dem Falle der Pantherkatze war der Kampf entschieden, da sein Tod den Muth der Apachen gebrochen hatte. In ebenso wilder Eile, wie sie gekommen, zogen sich die wilden Söhne der Steppe zurück, und nur noch einmal sandten sie aus der Ferne einen Hagel von Pfeilen dem Lager der Mexikaner zu, ohne indessen besonderen Schaden anzurichten. Die Hufschläge ihrer Rosse verhallten und in die Savane war ihre ursprüngliche Stille wieder zurückgekehrt. Beim Scheine der wieder angezündeten Lagerfeuer bemühten sich die Mexikaner, ihre Verschanzungen an den Stellen, wo sie durchbrochen waren, sorgfältig auszubessern. Dann legten sich die erschöpften Abenteurer, ohne das Innere des Lagers von den Leichnamen zu befreien, auf den feuchten blutgetränkten Boden nieder, um von den Anstrengungen des Kampfes auszuruhen. Und inmitten der feierlichen Stille der Nacht beleuchtete der Mond diejenigen, die nur einen kurzen Schlaf hielten, sowie jene, welche nicht mehr erwachen sollten. Der heldenkühne Diaz schnarchte gleich einem Bären.

Noch stand der Mond am westlichen Horizont, als eine Hand sich auf seine Schultern legte und ihn so lange rüttelte, bis er erwachte.

Es war Don Estevan, der vor ihm stand.

»Was giebts?« fuhr der Mexikaner auf.

»Ich habe einige Worte mit Ihnen zu sprechen,« entgegnete der Spanier, »folgen Sie mir in mein Zelt.« Dort angelangt, streckte Don Estevan den Finger seiner rechten Hand aus und sagte: »Da drüben liegen die Nebelberge, Senor, und wir werden morgen an ihrem Fuße unser Lager aufschlagen – wenn nicht ein einziger Mensch unsere kühnen Hoffnungen vernichtet.«

»Cuchillo!« entwandt sich unwillkürlich den Lippen des Mexikaners. »So ist mein Verdacht also doch nicht ungegründet gewesen!«

»Der Angriff dieser Nacht hat ihn vollständig bestätigt,« entgegnete Don Estevan, »und ich kenne jetzt den Grund seines langen Ausbleibens; wir sind ihm der Theilnehmer an der Expedition zu viele, und so lockte er uns die Apachen auf die Fersen.«

»Die Pest über den Schurken!« rief Diaz entrüstet, »laßt uns über ihn Standrecht halten und seine teuflische Seele der Hülle zusenden.«

»Um dies zu ermöglichen, müssen wir vor Allem im Besitze seiner werthen Person sein,« entgegnete der Spanier im ironischen Tone.

»So ist er entflohen?« polterte Diaz.

»Ich habe den Burschen während des Kampfes nicht aus den Augen gelassen, bis ich ihn scheinbar tödtlich verwundet zu Boden fallen sah. Als ich aber im Laufe der Nacht jedem einzelnen Todten in's Angesicht leuchtete, bemerkte ich, daß Cuchillo nicht unter ihnen war.«

»Ohne allen Zweifel, der Schuft ist entflohen,« rief Diaz in höchster Aufregung, »und wir müssen ihm rasch und unverzüglich nachsetzen.«

»Es wird nicht schwer halten, seine Spur zu finden, denn der Spitzbube kann nirgends anders sein, als auf dem Wege nach dem Goldthale.«

»Ihre Ansicht ist auch die meinige,« entgegnete Don Estevan, »wählen Sie zwei tapfere, erprobte Reiter aus, die uns auf unsern Streifzug, den wir in einer Stunde unternehmen werden, begleiten sollen und dann sagen Sie unsern Leuten, daß wir zu viert eine kleine Recognoscirung in der Nähe unseres Lagers zu machen gedenken. Für jetzt gute Nacht.«

Während Diaz die Befehle seines Anführers vollzog, warf Don Estevan sich auf sein Feldbette, um dem Tagesanbruch und der Verwirklichung seiner Pläne entgegenzuwachen.

Eine Stunde später erschien Diaz und meldete, daß die Pferde gesattelt seien.

»Fragen Sie doch eine der Schildwachen,« flüsterte Don Estevan dem Mexikaner zu, »ob Gayferos zurückgekommen ist.«

Diaz wiederholte die Frage des Anführers bei dem nächsten Wachtposten, allein dieser schüttelte den Kopf und entgegnete düster:

»Ich glaube kaum, daß der arme Junge zurückkehren wird; die verwünschten Rothhäute werden ihn wohl ermordet haben.«

»Ich fürchte, der Mann hat Recht,« flüsterte Diaz halblaut Don Estevan zu, der in diesem Augenblicke verdrießlich seinem Pferde die Sporen gab und an der Seite des muthigen Mexikaners, gefolgt von zwei der Tüchtigsten aus dem Reste der Mannschaft, den Nebelbergen zutrabte.


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