Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Elftes Kapitel. Ein Besuch am Büffelsee.

Der Gang unserer Erzählung erheischt es, daß wir unsere beiden trauernden Freunde, Rosenholz und Josef, vor der Hand verlassen und unsere Aufmerksamkeit einem andern Schauplatze zuwenden. Wir wollen dem jungen Leser nur noch sagen, daß unsere Freunde, trotz des quälenden Hungers, der ihre Kräfte lahm legte, die Verfolgung fortsetzten und nicht eher ruhten, als bis sie eine Spur Fabians entdeckt hatten; das geschah aber erst viele Stunden später, in dem Augenblicke, wo die am Himmelsgewölbe prangenden Sterne, ähnlich den erlöschenden Kerzen eines Festes, im Morgennebel verschwanden.

Acht Tage, nachdem Don Estevan mit seinem Gefolge die Hacienda del Benado verlassen hatte, standen in dem Hofe derselben gesattelte Pferde und beladene Maulthiere und ihre Ausstattung deutete darauf hin, daß Don Augustin im Begriffe war, eine Reise anzutreten. Allerdings beabsichtigte der Hacendero mit seiner Tochter Rosarita nach einer vier Tagemärsche entfernten Tränke zu reiten, um daselbst eine Jagd auf wilde Pferde zu eröffnen, welches Vergnügen Don Augustin, als ein echter Mejikaner, nicht nur jedem andern vorzog, sondern das gleichzeitig auch seine Heerden um ein Ansehnliches vermehrte.

Anfänglich war Don Augustin unschlüssig gewesen, ob er sich soweit von seinem Grund und Eigenthum wagen sollte, da man indessen seit langer Zeit weit und breit keinen Indianer gesehen und der Hacendero somit keinerlei Gefahr für sich und Rosarita zu fürchten hatte, so machte er sich mit einem zahlreichen Gefolge von Vaqueros auf den Weg.

»Wir werden zwar einige Strapazen zu überstehen haben«, äußerte er zu seiner Tochter, »allein was wollen diese Mühen sagen, gegenüber dem prächtigen Schauspiel, das uns als Lohn erwartet.«

In Rosaritas Adern floß das Blut ihres Vaters und somit freute auch sie sich auf diese Jagd wilder Pferde, welche dem Mejikaner das ist, was dem Spanier das Stiergefecht.

Wirklich begegnete den Reisenden während ihrer ersten Tagereise nichts, was eine Veranlassung zur Besorgniß hätte geben können, ausgenommen, daß ihnen gegen Abend, als sie den Rastort für die Nacht fast erreicht hatten, zwei Reiter entgegen kamen, deren Aussehen ziemlich seltsam und auffallend war. Der eine der beiden Fremden stand in der Blüthe des kräftigen Mannesalters, der andere dagegen hatte weißes Haar. Ein mit einem Federbusche geschmücktes Käppchen bedeckte ihr Vorderhaupt, dagegen war das Haar beider mit einem ungegerbten Lederriemen auf dem Wirbel zusammengebunden. Ihr ganzer oberer Körper war in eine wollene Decke eingehüllt und auf der linken Schulter trugen beide zwei lange schwere Büchsen, deren Kolben mit kupfernen Nägeln beschlagen waren. Wiewohl die beiden Reiter den Reisenden keinerlei Hindernisse in den Weg legten, so warf doch der jüngere im Vorüberreiten der Tochter des Hacendero einen so bösartigen Blick zu, daß das Mädchen noch lange hernach nur mit Entsetzen daran dachte.

Don Augustin setzte mit seinem Gefolge den Weg fort und langte am Morgen des vierten Tages in der Nähe des Büffelsee's an, der sein Reiseziel war, und mit dessen Lage und Umgebung wir uns jetzt beschäftigen wollen.

Unweit der Nebelberge vereinigt sich der Rio Gila mit dem Red River, der, nachdem er Texas und das indianische Jagdgebiet der Comanchen durchflossen, auf welch' letzteren wir bald näher zu sprechen kommen, sich in den Meerbusen von Mejiko ergießt. Eine kurze Strecke von dem Punkte, welcher die rothe Gabel genannt wird, da dort die beiden Flüsse ineinander münden, dehnt sich ein großer, aus Cedern, Korkeichen und Sumach (Gerberbaum) bestehender Wald aus, während zwischen ihm und der rothen Gabel eine weite Ebene sich hinzieht, deren Graswuchs so üppig ist, daß ein Reiter auf seinem Roß kaum diese wogenden Graswellen überragt. Unweit vom Rande des Waldes und beschattet von dem hohen dunkelgrünen Laubdom, liegt der Büffelsee, dessen stiller Wasserspiegel von einem dichten Schilfsaume eingefaßt wird. Das kleine Wasserbecken hatte seinen Namen von den Büffeln bekommen, deren Lieblingstränke es ehedem gewesen war. Die wilden Thiere kamen jetzt nicht mehr dahin, sondern hatten die einsame Prairie zu ihrem Aufenthalte erwählt, dagegen tummelten sich an den Ufern des Büffelsees zahlreiche Heerden wilder Pferde und löschten dort ihren Durst.

An einem sonnigen Morgen hatte sich an dem Ufer des Büffelsees ein Dutzend Männer gelagert, von denen acht die Kleidung der Vaqueros trugen. Diese Letztern standen in dem Dienste Don Augustins und waren vorausgesandt worden, um die zur Jagd nöthigen Vorbereitungen zu treffen. Sie hatten auf der einen Seite des Sees eine große Anzahl von Bäumen gefällt und deren Stämme benutzt, um eine starke Umzäunung herzustellen. Die Stämme waren tief in den Boden eingerammelt und durch Riemen von Büffelfellen derart mit einander verbunden, daß sie selbst dem stärksten Drucke zu widerstehen vermochten. Der innere Raum der Umzäunung bildete eine Ellipse und ließ nur eine einzige schmale Oeffnung am Ufer frei. Das Pfahlwerk selbst war mit den Zweigen der gefällten Bäume bedeckt, um die wilden Pferde vor dem ungewohnten Anblicke nicht scheuen zu machen.

Unter den zwölf Männern, die an jenem Morgen am Büffelsee ihre Siesta hielten, befanden sich vier, welche nicht zu der Hacienda del Venado gehörten. Sie waren sozusagen ganz in Leder eingehüllt und ihre gebräunten Gesichter hoben sich nur wenig von ihrer Kleidung ab. Es waren Büffeljäger, welche sich von den Beschwerden ihres Gewerbes am Ufer des Sees ausruhten, und eine Anzahl frischer Büffelhäute, die in der Nähe auf Pfählen trockneten, zeigten an, daß die vier Männer sehr fleißig gewesen waren.

Die tiefe Stille, welche ringsum herrschte, wurde von Zeit zu Zeit durch das klagende Geheul einer großen Dogge unterbrochen, die im Grase lag. Der Herr des Hundes, einer der vier Büffeljäger und ein Mann von hohem Wuchs und kräftigem Körperbau, knieete eben vor einem Heiligenbilde, das eine Madonna vorstellte und an dem Stamme einer knorrigen Eiche angebracht war.

»Warum heult denn Dein Hund so jämmerlich, Encinas? Er wird doch nicht gar einen herumlungernden Indianer wittern«, rief ihm einer der Vaqueros zu, allein der Büffeljäger vollendete erst sein Morgengebet, ehe er zur Antwort gab:

»Nein, mein Junge, Oso heult nur nach seinem Gefährten, der mir leider im Kampfe mit den verwünschten Rothhäuten getödtet worden ist. Wenn ein Indianer hier herumschweifte, so würde Oso sein Haar sträuben und seine Augen würden leuchten, wie glühende Kohlen. Ist er ja doch abgerichtet, mit den wilden Indianern zu kämpfen. Ihr dürft also unbesorgt sein.«

»So habt Ihr also erst vor Kurzem einen Strauß mit den Rothhäuten zu bestehen gehabt?« fragte abermals der Vaquero, der sehr neugierig zu sein schien.

»Allerdings«, nickte Encinas, »und zwar mit den Apachen.« »Oh, erzählt, erzählt«, riefen jetzt auch die übrigen Vaqueros und rückten zusammen, um dem Büffeljäger Platz zu machen.

»Ich befand mich in dem Hause eines Freundes in Tubac und wir unterhielten uns gerade über das Schicksal einer Goldsucherexpedition, die von den Apachen angegriffen sein soll, als ein Abgesandter der Comanchen mich aufsuchte. Wie Ihr wißt, ist dieser Indianerstamm den Apachen feindlich gesinnt und zeichnet sich durch eine gewisse Ehrenhaftigkeit vor diesen aus. Der Indianer kam, um uns im Namen seines Häuptlings einen Tausch von Büffelhäuten gegen Glaswaaren, Messer und wollene Decken vorzuschlagen, und da sich zufällig ein herumziehender Krämer von Arispe bei meinem Freunde aufhielt und einen Vorrath von den Gegenständen mitgebracht hatte, nach denen die Comanchen so sehnsüchtig verlangten, so wurden wir alsbald handelseinig. Es machte mir Spaß, einmal das Lager der Comanchen zu sehen, und so trat denn ich, der Krämer und zehn andere kräftige Männer, unter der Führung des Abgesandten, den Weg an.«

»Ihr wart demnach im Ganzen dreizehn«, schaltete der neugierige Vaquero ein, »das ist eine böse Zahl, denn von dreizehn muß immer einer sterben.«

»Jawohl,« bestätigte Encinas, »zuweilen kann's auch mehreren passiren. Nachdem wir eine Zeit lang marschirt waren, äußerte der Comanche, der übrigens ein bildschöner, junger Krieger war und Brennstrahl hieß, zu dem Krämer, daß er in der Ebene die Spuren Rothhands und Mischbluts gesehen habe und man sich daher in Acht nehmen müsse. Ich hörte diese beiden Namen zum erstenmale und kümmerte mich daher nicht weiter darum, sondern ließ den auf seinem Pferde vorantrabenden Brennstrahl mit Augen und Nase die Einöde befragen. Auch war ich genöthigt, mit meinen beiden Hunden Oso und Tiger, die ich an der Leine führte und mit Maulkörben versehen hatte, mich von Brennstrahl etwas zurückzuhalten, denn die beiden Doggen waren, wie schon gesagt, auf Indianer dressirt und zeigten große Lust, über den Comanchen herzufallen. Wir ritten eben über eine weite Ebene, die mit mächtigen Baumwollstauden besetzt war, als Freund Brennstrahl plötzlich einen Schrei ausstieß und sich auf die andere Seite seines Thieres duckte. Im nächsten Moment kam ein Pfeilhagel daher geflogen und zehn von unsern Männern stürzten zu Boden. Rasch entschlossen, nahm ich meinen vor Wuth heulenden Hunden die Maulkörbe ab, und das war sehr gut, denn gleich darauf stürzten sieben oder acht Apachen aus dem Dickicht hervor und fielen über mich her. Ich aber, nicht faul, ließ sofort meinen Oso und Tiger los, die wie Löwen auf die Indianer einsprangen, und ich zog gleichfalls vom Leder. Na, der Kampf dauerte nicht lange, denn die beiden Doggen hatten reine Wirtschaft gemacht und ich weiß nur noch, daß wilde bemalte Gesichter mit funkelnden Augen an meinem Kopfe hin und her fuhren. Leider war mein armer Tiger von einem Lanzenstich der verwünschten Rothhäute getödtet worden.«

»Und der Comanche, half er Euch nicht?« fragte der neugierige Vaquero.

»Nur Geduld, mein Junge«, erwiederte Encinas lachend, »eines nach dem andern. Als ich wieder etwas zu Athem kam und mich umblickte, sah ich, daß zehn Schritte von mir ein verteufelt hitziger Kampf stattfand. Eine dicke Staubwolke hüllte jedoch die Streitenden ein und ich unterschied nur wallende Federbüsche, blitzende Lanzen, beschmierte Gesichter und funkelnde Augen. Endlich löste sich aber das Gewirr auf und Freund Brennstrahl sprengte heran, indem er sich wie ein Löwe schüttelte, der soeben einem Rudel Wölfen das Kreuz gebrochen hat.. Die Indianer aber stoben auseinander, wie die Fledermäuse vor dem Sonnenstrahle, und der Comanche sagte mir, daß Rothhand und Mischblut den Streich ausgeführt und sich mit den Apachen verbunden hätten, um die Waaren der weißen Männer zu rauben. Nunmehr erfuhr ich auch, wer die zwei Räuber der Einöde seien.«

Und nachdem der Büffeljäger das Signalement des würdigen Paars mitgetheilt hatte, fuhr er fort: »Der Comanche suchte mir gegenüber vergebens den indianischen Stolz zu unterdrücken, welcher seine Nasenflügel schwellte und seine Augen funkeln ließ, als er gleich darauf zu mir sagte, die Weißen werden jetzt wohl einsehen, daß man sich dem Brennstrahl wohl anvertrauen darf und daß er es für seine größte Ehre hält, ehrliche Menschen zu beschützen. – Zuverlässig! rief ich aus, und ich werde Eurer Rechtschaffenheit und Tapferkeit alle Gerechtigkeit wiederfahren lassen, wenn ich meinen Freunden heute Abend in Tubac unser Abenteuer mittheile. – Nachdem ich dem noch immer knurrenden Oso den Maulkorb angelegt hatte, kehrten meine verwundeten Freunde und der Krämer nach Tubac wieder zurück, da es nicht rathsam erschien, den Weg zu dem Lager der Comanchen weiter zu verfolgen. Brennstrahl rief mir noch nach, daß er die Wüstenräuber verfolgen werde, dann sprengte er davon und ich habe ihn seitdem nicht wieder gesehen.«

Am Rande des Waldes wurde jetzt ein Reitertrupp sichtbar, der sich nach dem Lagerplatze zu bewegte. Es war der sehnlich erwartete Hacendero mit seiner Tochter und den ihn begleitenden Vaqueros.

Don Augustin hob Rosarita selbst vom Pferde, musterte die von seinen Leuten getroffenen Anstalten und begab sich sodann in sein inzwischen aufgerichtetes Zelt, um ein wenig Siesta zu halten. Rosarita folgte ihm, nachdem sie sich zuvor überzeugt, daß die vier Büffeljäger, deren wildes Aussehen sie erschreckt hatte, keine Indianer waren.

Encinas und seine Gefährten plauderten noch ein wenig mit den ihnen befreundeten Vaqueros, indem sie sich von dem Reichthume Don Augustins unterhielten, und standen eben im Begriffe aufzubrechen und ihre Pferde zu satteln, als der Hacendero mit seiner Tochter wieder aus dem Zelte trat.

»Was hast du denn, Oso?« rief Encinas seiner Dogge zu, die abermals zu heulen begann, »ist ein Indianer in der Nähe?«

»Indianer?« wiederholte Rosarita erschreckt, »sind denn schon welche hierher gekommen?«

»Oh nein, Señorita«, beruhigte der Büffeljäger und machte einen linkischen Kratzfuß, »mein Hund da ist zur Bekämpfung der Indianer abgerichtet und wittert jede Rothhaut schon von weitem. Wie Sie sehen, ist er jetzt wieder ruhig, das beste Zeichen, daß sein Instinkt ihn getäuscht hat, mir wollen jetzt – uns wieder auf die Büffeljagd begeben und haben daher die Ehre, uns von Ew. Gnaden zu verabschieden.«

Während Encinas seinem jungen Freunde, dem neugierigen Vaquero die Hand schüttelte, flüsterte Rosarita ihrem Vater angelegentlichst etwas ins Ohr. Er zuckte zuerst die Achsel, warf aber dann einen Blick väterlicher Zärtlichkeit auf das Gesicht seiner Tochter und wandte sich mit den Worten an den Büffeljäger:

»Ihr habt wohl schon manchen Kampf mit den Indianern gehabt und kennt ihre Kriegslisten?«

»Will's meinen, Señor«, antwortete Encinas, »hab' erst vor fünf Tagen einen Strauß mit diesen verwünschten Rothhäuten ausgefochten.«

»Und wo war das?« fragte Don Augustin weiter.

»Unweit von Tubac.«

»Also kaum zwanzig Stunden von hier?« rief Rosarita erschrocken.

»Mein Töchterchen hier«, lächelte der Hacendero, »fürchtet sich nämlich ganz erschrecklich vor den Indianern, besonders da wir auf unserer Reise einem seltsam aussehenden Paare begegnet sind.« Er hielt einen Augenblick in seiner Rede inne, küßte Rosarita auf die Stirne und fuhr fort: »Wie viel verdient Ihr wohl täglich bei Euerm gefährlichen Handwerk?«

»Je nun«, antwortete Encinas, »wenn man so einen Tag in den andern rechnet, können wohl zwei Piaster herausspringen.«

»Würdet Ihr Euch wohl unserer Jagd anschließen und bei uns bleiben, wenn ich Euch und Euren Genossen für den Tag drei Piaster zahle?«

»Herzlich gern«, riefen die drei Büffeljäger wie aus einem Munde.

»Außerdem«, fuhr Don Augustin fort, »darf sich jeder von Euch unter den gefangenen Pferden eins nach seinem Geschmack auswählen.«

»Gott's Blitz!« rief Encinas hoch erfreut, »es ist ein wahres Vergnügen, einem so großmüthigen Herrn, wie Señor sind, zu dienen.«

»Nun denn, mein Kind«, wandte sich der Hacendero an seine Tochter, »ich hoffe jetzt, daß bei achtundzwanzig Vaqueros und vier so wackern Jägern Deine Furcht verschwinden wird.«

Statt aller Antwort umarmte Rosarita den gütigen Vater, worauf man begann, die letzten Vorbereitungen zur Pferdejagd zu treffen, da die Stunde herannahte, wo die seit langer Zeit von ihrer Tränke abgehaltenen wilden Pferde den Ufern des Sees sich nähern konnten. Die Pferde der Büffeljäger wurden wieder abgesattelt, die Relaispferde in den Corral (Umzäunung) getrieben und von den Ufern des Sees Alles entfernt, was die wilden Pferde erschrecken konnte. Nur zwei Pferde blieben gesattelt, die besten Renner, welche von jenen Vaqueros geritten wurden, deren Geschicklichkeit im Lassowerfen man kannte. Sie verbargen sich mit ihren Pferden innerhalb des Corrals, unweit der freigelassenen Oeffnung, die im Nothfalle durch lange bewegliche Stangen geschlossen werden konnte. Don Augustin nahm mit Rosarita am Eingange des Zeltes Platz, dessen Vorhang sie vor den Augen der wilden Pferde verbarg, ohne ihnen selbst jedoch die Aussicht auf den See zu versperren; die Vaqueros und Büffeljäger dagegen stellten sich dem Wege gegenüber auf, den die wilden Pferde stets einschlugen, um zur Tränke zu gelangen.

Die Sonne war bereits hinter den Bergen verschwunden und der Schein des Abendroths färbte die Gewässer des Sees. Die weißen Kelche der Wasserlilien glühten in dem purpurfarbigen Lichte und die Waldvögel begannen, da der See mit seinen Umgebungen von den Menschen verlassen schien, ihr Abendlied zu singen.

Mehrere Minuten verstrichen in dieser friedlichen Ruhe, da ließ sich in der Tiefe des Waldes ein dumpfes Krachen vernehmen, welches dem geübten Ohre Don Augustins das Nahen der wilden Renner verkündete. Statt aber, gleich dem Getöse einer Lawine, anzuwachsen, wie es geschieht, wenn zwei- bis dreihundert Pferde zur Tränke sprengen und der Boden unter ihren Hufen erbebt, hörte das ferne Geräusch plötzlich auf. Ohne Zweifel war dem wilden Trupp das veränderte Aussehen des Waldes, dessen eine Strecke man, wie wir wissen, gelichtet hatte, schon von fern aufgefallen und schreckerfüllt machten die Thiere Halt, indem sie ein durchdringendes Gewieher ausstießen. Bald aber krachte das Niederholz von Neuem und am Saume der Lichtung tauchten ein halbes Dutzend Pferde auf, die kühner gewesen waren, als die andern; sie hoben ihre Köpfe mit den schnaubenden Nüstern und den glänzenden Augen in die Höhe, während ihre Mähnen im Abendwinde wallten – im nächsten Augenblick aber sprangen fünf von ihnen wieder zurück und verschwanden, wie ebenso viele Blitze, in dem grünen Waldesdom. Der sechste Renner dagegen blieb stehen und reckte seinen schönen Hals verlangend nach der erfrischenden Fluth des Sees. Don Augustin und Rosarita, sowie die in ihrem Hinterhalte lauernden Jäger, vermochten nur schwer einen Ausruf der Bewunderung zu unterdrücken, denn dieses Thier, das so verlangend nach der Tränke strebte, gehörte zu den schönsten, welche je die Prairie durchstreiften. Seine Farbe mahnte an frisch gefallenen Schnee und die stolze Haltung trug den Stempel einer wilden Majestät. Ein glänzender Schwanenhals saß auf einer breiten, überaus kräftigen Brust, zwischen den beiden wildfunkelnden Augen zitterte auf der Stirne ein weißer Haarbüschel und ein voller Schweif peitschte unausgesetzt die sehnigen Beine.

»Bei der heiligen Jungfrau!« flüsterte Encinas dem neugierigen Vaquero zu, der an seiner Seite stand, »es ist der weiße Renner der Prairien.«

»Der weiße Renner der Prairien?« wiederholte sein junger Freund, »was ist das?«

»Ein Schimmel, dem man nur selten nahe kommen kann, und der sich nie fangen läßt.«

»Ah bah!« rief der Vaquero mit etwas lauterer Stimme als nöthig war. »Ihr wollt mir da etwas weiß machen.«

»Still ... erschreckt das Pferd nicht – es macht jetzt einige Sätze und nähert sich dem See!«

Ein paar Augenblicke später stand das edle Thier dicht am Ufer. Bebend fuhr es zurück, als der crystallhelle Wasserspiegel sein Bild zurückwarf. Dann verlängerte es den zierlichen Hals und stellte so vorsichtig seine zwei Vorderbeine ins Wasser, daß auch nicht die geringste Schlammwolke die Klarheit desselben trübte.

»Jetzt oder nie muß man ihm den Lasso überwerfen,« flüsterte der junge Vaquero.

»Ich weiß nicht,« entgegnete kopfschüttelnd der Büffeljäger, »aber fast immer passirt Dem etwas, der den Renner der Prairien fangen will.«

Das edle Thier kniete jetzt im Wasser nieder und zog in langen, gierigen Zügen das kühlende Naß ein, wobei es von Zeit zu Zeit den Kopf lauschend in die Höhe hob.

»Und wenn der Teufel in dem Pferde stecken sollte, ich muß es haben,« rief der ebenso neugierige als vorwitzige Vaquero, beugte sich auf den Sattel seines Rosses nieder und galoppirte, den ledernen Lasso schwingend, auf den Renner der Prairien zu. Dieser machte einen Schreckenssprung und stürzte an's Ufer zurück; schon durchschnitt der geworfene Lasso pfeifend die Luft, da glitt das Pferd des Vaquero infolge des zu heftigen Anlaufs aus und rollte mit seinem Reiter in den See hinab.

»Was hab' ich gesagt?« rief Encinas, durch diesen Unfall in seinem Aberglauben bestärkt. »Da seht nur, wie das ungreifbare Roß sich von der Schlinge losmacht.«

Und in der That schüttelte das edle Thier, während es mit der Schnelligkeit des Windes davonflog, den Lasso von sich ab. Da eilte ein zweiter Vaquero dem flüchtigen Thiere nach, weder der Baumstämme, noch der niedern Aeste achtend, an denen sein Pferd vorübersprengte. Bald lag er auf dem Sattel, bald hing er an den Flanken seines Roßes und glitt auf diese Weise, gleich einer Schlange, unter den Aesten und zwischen den Baumstämmen dahin, bis er und der weiße Renner der Prairien den Augen der staunenden Zuschauer entschwunden waren.

Unter Hurrah und Jubelgeschrei kamen sämmtliche Jäger jetzt aus ihrem Hinterhalt hervor, denn das Schauspiel, welchem sie beigewohnt, war allein fast so viel werth, als wenn zwanzig wilde Pferde gefangen worden wären. Auch der neugierige Vaquero rappelte sich mit triefenden Haaren und von Schlamm besudelten Kleidern aus dem See heraus und zog ein sehr verlegenes Gesicht, als sein Freund, der Büffeljäger, ihm die tröstenden Worte zurief:

»Ihr könnt noch von Glück sagen, so leichten Kaufs davon gekommen zu sein. Ich wünsche aufrichtig, daß Euerm Kameraden nichts Schlimmeres passirt, denn man sieht diejenigen, welche den weißen Renner der Prairien so weit verfolgen, nie wieder zurückkehren.«

Da es jetzt gewiß war, daß eine stattliche Anzahl von wilden Pferden sich in der Nähe befand, so schickte Don Augustin einen Trupp Vaqueros in die Ebene und den Wald ab, mit der Weisung, wahrend der Nacht in weitem Umkreise den Büffelsee zu umstellen und allmälig näher zu rücken, um die wilden Pferde zu nöthigen, die Lichtung des Waldes zu betreten. Sodann ertheilte der Hacendero Befehl, Wachtfeuer anzulegen und das Abendessen zu bereiten.

Die Dämmerung senkte sich jetzt auf die Oberfläche des Sees herab und verwischte die rothen Tinten, welche das Abendroth zurückgestrahlt hatte; aus der crystallnen Fluth stiegen Nebel auf, die Sänger des Waldes gingen zur Ruhe, nur der Abendwind fächelte noch liebkosend das Laub der Bäume.

Rosarita hatte eben mit Encinas ein sehr ernstes Gespräch geführt und sich, nachdem er ihr sein Scharmützel mit den Apachen erzählt, angelegentlich erkundigt, ob er über das Schicksal der Goldsucherexpedition, sowie über den Verbleib eines jungen Mannes, Namens Tiburcio Arellanos, nichts Näheres vernommen habe, als plötzlich eine seltsame Erscheinung das Auge des furchtsamen Mädchens fesselte und sich ihren rosigen Lippen ein Schrei des Schreckens entwandt, welcher Don Augustin und alle im Lager Anwesenden an ihre Seite rief. Das bleiche Mädchen deutete mit zitternder Hand nach dem Walde hin, an dessen Saume eine Gestalt mit wunderlichem Kopfputz und tätowirter Haut auftauchte.

Don Augustin sah sofort, daß es ein Indianer war, und eilte dem Zelte zu, um sein Gewehr zu holen.

»Nur ruhig,« rief jetzt der Büffeljäger, »Señorita braucht keine Angst zu haben, denn der Fremde ist ein Freund von mir, dem ich, wie Sie kurz zuvor aus meinem Munde vernommen, sehr zu Danke verbunden bin.«

Damit ging er auf den Indianer zu. Es war ein junger Krieger von edler, kräftiger Gestalt, und einem leichten, stolzen Gange. Seine breiten Schultern, sowie seine Brust waren nackt, während sich um seine Hüften ein buntgefärbter Mantel schlang, wie ihn die Mejikaner zu tragen pflegen. Gamaschen von scharlachrothem Tuche bedeckten seine Beine und wurden durch Bänder von Thierhaaren über den Knieen festgehalten. Die Füße waren mit Halbstiefeln von ungegerbtem Leder bekleidet, an denen allerlei Zierrath hing. Auf seinem Kopfe, der mit Ausnahme eines kurzen Haarbüschels, welcher gleichsam einen Helmbusch bildete, glatt rasirt war, saß eine Art schmaler Turban, aus zwei um die Stirne gewundenen Halstüchern bestehend. Das Gesicht des jungen Kriegers hätte unbedingt als schön gelten können, wäre es nicht durch die gräuliche Malerei entstellt worden. Ueber dem feinen, kühn geschnittenen Munde und der römischen Nase thronte eine hohe Stirne, welche einen tapfern und rechtschaffenen Character bekundete.

Unbesorgt und ruhig nahte sich der indianische Krieger, und als er die vor Schrecken bleiche Rosarita sah, begann er in einem geradezu ritterlichen Tone:

»Hat es heute Morgen an den Ufern des Sees geschneit oder sprießen hier die Wasserlilien aus dem Boden des Waldes empor?«

Diese blumenreiche Sprache, sowie der freundliche Ernst, mit welchem der junge Krieger Rosarita anblickte, verscheuchten deren Angst, und sie wollte schon etwas erwiedern, als Encinas mit der Frage hervortrat:

»Was giebt es? ... Bringt mein Freund Brennstrahl irgend eine üble Nachricht? Ist er etwa einem Apachen auf der Spur?«

»Oh nein,« lächelte der Comanche verächtlich, »in diesem Falle würde ein Krieger von meinem Stamme sicherlich die Peitsche in der Hand gehabt haben.«

Da der Indianer dem Büffeljäger versprochen hatte, die Spur der beiden Wüstenräuber zu verfolgen, und Encinas wußte, daß Brennstrahl nicht der Mann war, einen solchen Plan aufzugeben, so fragte er ihn, ob er sonst nichts Bemerkenswerthes gesehen habe.

»Unter den Spuren der Weißen, die hierher an den Büffelsee gekommen sind, habe ich auch jene Rothhands und Mischbluts gefunden, und ich nahete mich Euerm Lager, um Euch aufzufordern, auf der Hut zu sein.«

»Wie?« rief Encinas unruhig, »diese Spitzbuben sind auch hier?«

»Was sagt er?« fragte Don Augustin, sich der Gruppe nähernd.

»Nichts von Belang,« antwortete Encinas und flüsterte dann dem Comanchen zu: »Welche Absicht können Rothhand und Mischblut wohl haben, hierher zu kommen?«

Der junge Krieger warf einen flüchtigen Blick auf Rosarita und gab dann in ebenso leisem Tone zurück:

»Sie kommen wegen der Seeblume, die so weiß ist, wie gefallener Schnee. Denn den beiden habgierigen Hunden verlangt nach einem reichen Lösegelde, das der reiche Vater für die geraubte Tochter zahlen soll. Allein Brennstrahl hat geschworen, den Tod Derjenigen zu rächen, die seinem Wort vertraut hatten, und er wird auch über die Seeblume wachen. Er folgt jetzt, nachdem er seinen Freund benachrichtigt, von Neuem den Spuren nach, die er einen Augenblick verlassen hat.«

Während der junge Krieger mit schlichter Einfachheit diese Worte sprach, drückte er dem Büffeljäger die Hand und entfernte sich ebenso schweigend, wie er gekommen war. Als er hinter den Bäumen verschwand, fragte Don Augustin den Büffeljäger, was der junge Wilde mit seinen Redeblumen habe ausdrücken wollen, und Encinas hielt mit seinen Erklärungen nicht zurück. Allein Don Augustin war ein Mann, dessen Jugendzeit unter fortgesetzten Kämpfen gegen die Indianer verstrichen war, und sein kriegerischer Stolz hatte, ungeachtet des zunehmenden Alters, sich eher vermehrt, als vermindert.

»Und wären es ihrer zehn,« sagte er, »so würde es eine Schande sein, sich wegen solcher Spitzbuben zu beunruhigen oder in seinem Vergnügen stören zu lassen. Im Uebrigen haben wir ein zahlreiches Gefolge und ich rathe keinem dieser beiden Schurken, sich uns zu nahen.«

»Jetzt erkläre ich mir übrigens Oso's Gebell,« äußerte der Büffeljäger, »er hatte Feinde und Freunde zu gleicher Zeit gewittert. Als Brennstrahl vorhin herankam, hat er sich nicht gerührt, denn er kennt ihn jetzt und weiß, daß er uns freundlich gesinnt ist. Dagegen beweist sein Heulen, daß feindliche Indianer hier herum streichen. Oh, Señor, der Hund hat einen Instinct, wie man ihn nur selten wiedertrifft.«

Er nahm seine Büchse zur Hand, pfiff dem treuen Hunde und durchstrich mit ihm die Umgegend des Büffelsees. Nach einer guten Stunde kehrte er an's Wachtfeuer wieder zurück und berichtete dem Hacendero, daß er weit und breit keinerlei verdächtige Anzeichen getroffen habe.

Beruhigt zog sich nunmehr Don Augustin mit Rosarita in das Zelt zurück. Der Büffeljäger aber setzte sich zu seinen Gefährten, die sich um das Wachtfeuer gelagert hatten, und begann das versäumte Nachtessen nachzuholen.

»Ihr habt also nichts Neues in der Umgegend gesehen,« fragte der neugierige Vaquero seinen ältern Freund, welcher stumm verneinte, da er jetzt den Mund nur öffnete, um zu essen. »Ich bin trotz alledem noch unruhig,« fuhr der junge Hirte nach kurzer Pause fort, »denn Francisko, der dem weißen Renner der Prairien nachsetzte, ist noch immer nicht zurück.«

»Wie kann Euch das wundern!« entschloß sich endlich Encinas zu antworten, »habt Ihr doch beinahe selbst den Hals gebrochen, und so etwas geschieht stets, wenn Jemand die Kühnheit begeht, das Prairieroß zu verfolgen.«

»Ei nun,« brummte der junge Vaquero ärgerlich, »wäre mein Pferd nicht so hitzig gewesen, so wäre es nicht ausgeglitten, und wäre es nicht ausgeglitten –«

»So wäret Ihr nicht gefallen, ganz richtig. Aber Euer Thier ist nun einmal ausgeglitten und damit Punktum.«

»Ah bah! das ist auch schon Andern vor mir passirt.«

»Ganz richtig; mit dem weißen Renner ist es aber eine ganz eigenthümliche Geschichte, und wenn Ihr, wie ich, die Prairien des Westens besucht hättet, so würdet Ihr auch wissen, daß seit vielen Jahren alle Vaqueros von Texas vergebens versucht haben, den sonderbaren Renner zu erreichen, daß er Hufe hat, härter als Feuerstein, daß er, wenn man ihn aus der Ferne verfolgt, schnell verschwindet und daß, wenn man auf seiner Fährte bleibt, Niemand den Verfolger jemals wiedergesehen hat.«

»Wenn aber, wie Ihr sagt, die Vaqueros von Texas sich schon seit vielen Jahren abmühen, des weißen Renners habhaft zu werden, so muß doch das Thier eine hübsche Zahl von Jahren auf dem Buckel haben,« äußerte wichtig der junge Hirt.

»Allerdings,« gab Encinas zurück, »denn dieser Schimmel ist so an fünfhundert Jahre alt.«

»Lüg' Du und der Teufel!« riefen die übrigen Vaqueros und der Aelteste fügte hinzu:

»Da sieht man gleich, wie Ihr den Mund voll nehmt, Büffeljäger, hab' ich mir ja doch sagen lassen, daß es noch keine dreihundert Jahre seien, seit die Spanier überhaupt die ersten Pferde nach diesen Prairien gebracht.«

»Ei, was!« schrie der junge Grünschnabel, dem das Märchen anfing zu gefallen, »was wollen bei einem solchen Alter lumpige zweihundert Jahre heißen! Dreihundert Jahre sind schon ein Wunder und ...«

Hier unterbrach das Gebell Oso's das Gespräch und einige Minuten später ritten zwei Männer aus dem Walde in die Lichtung hinaus. Der Erste schien von dem sonderbaren Bilde, das der Büffelsee jetzt darbot, überrascht zu sein, denn er zügelte sein Pferd und betrachtete die am Wachtfeuer lagernden Gestalten.

»Thun Sie Ihre Pflicht!« rief er in englischer Sprache seinem Begleiter zu, dessen Pferd mit Mantelsäcken, einem Zelte und einer übergroßen Schachtel beladen war.

»Meine Pflicht ist schon gethan,« lautete die Antwort, »und Ew. Lordschaft sind hier vollkommen in Sicherheit.«

Der zweite Reisende ritt, mit seiner langen Büchse auf der Schulter, direct auf das Wachtfeuer zu und bat in ziemlich schlechtem Spanisch um Erlaubniß, sich an der Seite der Mejikaner niederlassen zu dürfen. Natürlich wurde ihm dies gewährt und während er abstieg und sein Pferd von dem übermäßigen Gepäck befreite, langte auch Seine Lordschaft an, lüpfte gegen die Vaqueros und Büffeljäger ein wenig seinen hohen Hut und stieg schweigend vom Pferde. Sein Anzug, sowie sein Gesicht, das ein röthlichblonder, langer Backenbart zierte, ließen sofort den Engländer erkennen. Sein Reisegefährte war ein Amerikaner und stand, trotzdem Sir John sein Pferd selbst absattelte, offenbar im Dienste des vornehmen Engländers.

Se. Lordschaft hob jetzt einen neben dem Mantelsacke auf dem Boden liegenden Gegenstand auf und fragte die Vaqueros in gebrochenem Spanisch: »Gehört wohl dieser Hut zu Ihnen?«

»Caramba!« rief der alte Vaquero, »das ist ja der Hut, den Francisko noch vor einigen Stunden trug!« Er machte jetzt die Runde und Alle erkannten das Eigenthum des Vaquero, dessen Rückkehr man erwartete.

»Was hab' ich Euch gesagt!« erklang es jetzt triumphirend von des Büffeljägers Lippen. »Wehe dem, der den weißen Renner der Prairien zu scharf verfolgt!«

»Oh,« rief Sir John electrisirt aus, »ich verfolgen thun diesen Renner vom Lande Texas bis hierher; uo ist er?«

»Heute Abend war er hier am See und löschte seinen Durst,« entgegnete Encinas.

»Oh!« rief Sir John abermals entzückt, »uer mir bringt das ueiße Schimmel, den ich gebe tausend Piaster, denn ich habe geschworen, ohne dieses Uunder nicht zu kehren zurück in mein Vaterland. Uer will verdienen tausend Piaster?«

Die Vaqueros schüttelten sammt und sonders die Köpfe und der Grünschnabel rief:

»Ich thät's nicht für eine Million, denn ich weiß nur zu gut, daß sie Einen nichts nutzt, wenn man den weißen Renner zu fangen sucht, dessen unbeschlagene Hufe den Kieselsteinen Funken entlocken.«

»Oh yes,« gab Sir John lakonisch zurück, »morgen werden Sie mir die Spur von das ueiße Roß zeigen und ich werde es verfolgen, ganz allein.«

»Ich rathe Ihnen lieber, Herr Fremder, das zu unterlassen,« mischte sich jetzt Encinas in's Gespräch, »denn bei diesem Vergnügen giebt's Gefahren ohne Ende.«

»Gefahren?« wiederholte Sir John lächelnd. »Oh, ich habe meinen Jägersmann hier dafür bezahlt, daß er alle Gefahren von mir fortthut; ich habe mich gar nicht um Gefahren zu kümmern.«

»Ja,« nickte der Kentuckyer phlegmatisch, »ich habe die Gefahren Sr. Lordschaft übernommen.«

Encinas blickte die beiden Käutze überrascht an, welche sich, ohne ein Wort weiter zu sprechen, der Länge nach auf das Gras hinstreckten.

Nach einigem Geflüster und einigem Gekicher folgten die Vaqueros und Büffeljäger ihrem Beispiele, und alsbald herrschte ringsum die tiefste Stille.

Bei dem ersten Grauen des Tages befand sich jedoch wieder Alles auf den Beinen, und um diese Zeit war es, wo ein Reiter mit entblößtem Haupte und von Dornen zerrissenem Gesicht daher gesprengt kam. Sein Anzug trug die Spuren einer wilden, ungestümen Verfolgung an sich, und in der That war es Niemand anders, als der Vaquero Francisko, den seine Kameraden bereits als einen Verlornen betrauerten. Selbstverständlich wurde sein Pferd sofort von den Freunden umzingelt und er mit einer Menge von neugierigen Fragen bestürmt. Ein Jeder freute sich schon insgeheim auf eine grauenhafte Geschichte, ja, der neugierige junge Hirte war fest überzeugt, daß der weiße Renner der Prairien sich plötzlich gegen Francisko gekehrt und ihn in reinem Spanisch angeredet, und war begierig, zu erfahren, ob der Schimmel eine tiefe oder hohe Stimme gehabt habe. Der Bericht jedoch, den Francisko gab, entsprach diesen Erwartungen durchaus nicht. Das seltsame Roß hatte ihn so weit von dem Büffelsee hinweggelockt, daß er, als der verfolgte Schimmel schließlich aus seinem Gesichtskreise entschwunden war, nolens volens die Nacht in der offenen Prairie zubringen mußte, um seinem erschöpften Thiere einige Ruhe zu gönnen. Dann war er zu seinen Gefährten gestoßen, die, wie wir wissen, die Weisung hatten, die Querencia (Lieblingsweideplatz) der wilden Pferde zu umkreisen, um die scheuen Thiere mehr und mehr gegen den Büffelsee zu drängen. Dieser wahrheitsgetreue Bericht entnüchterte allerdings die abergläubischen Vaqueros, trotz alledem blieben sie dabei, daß Francisko einer furchtbaren Gefahr entgangen sei und deßhalb als ein frommer Mejikaner seinem Schutzpatron eine Kerze weihen müsse, da er ihn vor den Fallstricken des Teufels bewahrt habe. Francisko begab sich jetzt in das Zelt des Hacendero, um dort seinen Bericht zu wiederholen und hinzuzufügen, daß sich während der Nacht der Kreis der Treiber bedeutend verengt habe und man am Abend auf einen reichen Fang hoffen könne.

Sir John, welcher in Begleitung seines Gefährten Wilson dem Hacendero seinen Besuch abgestattet hatte, richtete eine Menge Fragen an den muthigen Vaquero, die natürlich alle den weißen Renner der Prairien betrafen, sowie die Richtung, welche das Wunderpferd eingeschlagen.

»Ich geben tausend Piaster, uenn Sie mir das Schimmel fangen,« äußerte Sir John zu Francisko, da aber demselben jegliche Lust zu einer weitern Verfolgung vergangen war, so brach der Engländer mit seinem Leibgardisten allein auf, und ehe Beide unter den Bäumen verschwanden, kehrte sich Sir John auf seinem Rosse um, schwenkte seinen hohen Hut und rief zu den Mejikanern zurück: »Rule Britannia!«

Während des Tags wurde in dem mejikanischen Lager wacker gearbeitet, die Umzäunung an den schwächeren Stellen doppelt verrammelt, das Zelt des Hacendero bei Seite gebracht und die zahmen Pferde vom See und dem Corral entfernt. Als die Sonne sank, zogen sich die anwesenden Vaqueros hinter Baumstämme und Büsche zurück, während die vier Büffeljäger hinter den Pallisaden des Corral Posto faßten, um die Oeffnung mit Hilfe der langen, schweren Stangen zu schließen, sobald der Trupp der wilden Pferde im Corral angelangt sein werde. Diese Aufgabe war jedenfalls die gefährlichste, da ein Augenblick hinreichen konnte, die kühnen Männer unter die Hufe der Pferde zu bringen.

Ueber einen Canal, durch den das Wasser des Büffelsees abfloß, hatte man eine grob gezimmerte Brücke geschlagen und unter dem von den Baumästen gebildeten grünen Bogengange stellten sich Don Augustin und Rosarita auf; sie waren hier vor jeder Gefahr sicher und konnten den Schauplatz vollständig übersehen.

Wiederum herrschte an den Ufern des Büffelsees die größte Stille und mit gespannter Erwartung sah ein Jedes dem Nahen der Cavallada (Trupp wilder Pferde) entgegen. Alsbald tönte aus der Ferne ein schrilles Pfeifen herüber und kündete den Jägern am See an, daß die Treiber sich bereits in Bewegung gesetzt hatten. Nach einer kleinen Weile vernahm man in den Tiefen des Waldes ein mächtiges Gewieher, dessen Stärke andeutete, daß es eine ansehnliche Zahl von wilden Pferden sei, die ihren Weg zum Büffelsee nahmen. Das ferne Getöse nahm rasch zu und wuchs endlich zu einem Brausen an, welches alle Bewohner des Waldes erschreckte. Schaarenweise erhoben sich die Vögel von den Gipfeln der Bäume, Eulen flatterten, geblendet von dem Tageslicht, taumelnd in der Luft herum und fliehende Hirsche brachen durch das Gebüsch. Im Walde begann es zur krachen und die jungen Bäume schienen unter den Tritten der wild daher galoppirenden Pferde zu stöhnen. Unsere Sprache hat keine Worte, um einen vollständigen Begriff von dem entsetzlichen Dröhnen zu geben, welches die dunkeln Gewölbe des Waldes erzittern machte, als ob eine Legion von Teufeln heulend darunter herangaloppire. Die Lawine, welche donnernd herabrollt, das Wasser, welches die Dämme durchbricht, der angeschwollene Gebirgsbach mit seinen hundert Brandungen bleiben hinter jenem Getöse weit zurück, das jetzt losbrach, als der grüne Waldvorhang sich an hundert Orten spaltete. Aus jeder dieser Oeffnungen blickten eine Anzahl scheuer Pferdeköpfe heraus, mit vor Schrecken flammenden Augen, rothen Nüstern und wallenden Mähnen. Dann drangen sie aus dem Walde hervor und indem sie sich vereinigten, wogten die edeln Thiere durcheinander wie ein wildbewegtes Meer, über welchem, gleich Wellen, die sich schäumend brechen, flatternde Mähnen und Schweife sich hin und her bewegten und schwenkten. Und dicht hinterher sprengten die Vaqueros, mit flammenden Augen und lautem Geschrei, während sie ihre Lassos in der Luft schwangen. In dem Augenblicke, wo das bewegliche Meer der wilden Pferde, ungewiß über die Richtung, die sie einschlagen sollten, sich trennte, sprangen zwölf Vaqueros, die Hüte schwenkend, pfeifend und ein wildes Geschrei ausstoßend, auf die sich auflösende Schaar zu, der Gefahr nicht achtend, von zweihundert Pferden zu Boden getreten zu werden. Vor- und rückwärts gedrängt, machten die Pferde einen Augenblick Halt. Der ganze Erfolg der Jagd war dahin, sobald die Pferde nach rechts oder nach links zu auswichen, denn dann wurden sowohl die berittenen als die Vaqueros zu Fuße zertreten und zermalmt, wie die Kornähren unter dem Dreschflegel.

»Vorwärts, Kinder, nicht nachgelassen!« rief Don Augustin, und sprang, von seinem Eifer fortgerissen, bis zum Ufer des Sees.

Ein rasendes Geschrei bildete die Antwort, dann stürzte das Pferd, welches, an der Spitze der Cavallada, seine feurigen Augen auf den mit grünen Zweigen bedeckten Zaun und die daselbst angebrachte Oeffnung geheftet hatte, mit gesenktem Kopfe in dieser Richtung vorwärts, und ihm nach wälzte sich der ganze Trupp der geängstigten Thiere.

»Hurrah! Wir haben sie!« jauchzten die Vaqueros, und das Jubelgeschrei nahm noch zu, als die vier Büffeljäger durch die Zwischenräume der festverzapften Balken aus dem Corral hinausglitten.

Einige Secunden verflossen, bevor die stolzen Thiere der Wälder ihre Gefangenschaft gewahr wurden und sich in einen Zaun von Baumstämmen eingeschlossen sahen. Dann aber brach, gleich einem Geschmetter von hundert Trompeten, ein Gewieher wüthenden Schmerzes los; erschreckte Köpfe fuhren hin und her, funkelnde Augen sprühten Feuer und überall erblickte man verschlungene Körper, die sich kreuzten oder in die Höhe sprangen. Das wüthende Schnauben der gefangenen Pferde wurde jetzt durch Encinas donnernde Stimme unterbrochen, welche rief:

»Er ist darin! Er ist darin!«

»Wer? ... Wer?« schallte es von allen Seiten fragend zurück.

»Der weiße Renner der Prairie!«

Und der Büffeljäger hatte sich nicht getäuscht, das edelste und schönste, das zornigste und schnellste, das Roß von untadelhaftester Weiße war mit den übrigen im Corral gefangen. Das prachtvolle Thier sprang von einem Ende seines Gefängnisses zum andern und warf in seinem Zorne alle Pferde zu Boden, die den Anprall seiner mächtigen Brust nicht vermeiden konnten. Auf diese Weise entstand bald ein weiter offener Raum, in welchem es herumstampfte und sein wildes Gewieher hören ließ, während seine weiße Mähne auf- und niederwallte.

»Himmel und Hölle!« schrie Encinas plötzlich, »das Teufelspferd will über die Schranken springen!« Und er stürzte auf die betreffende Stelle zu; indessen war es schon zu spät. Der Kreis, der sich um den Renner der Prairie geöffnet hatte, gestattete ihm, einen Anlauf zu nehmen; einer weißen Lilie gleich, durchschnitt das edle Thier pfeilartig die Luft und wenige Augenblicke später war es in dem grünen Dom des Waldes verschwunden.

Ein Wuthgeschrei der Vaqueros und Büffeljäger donnerte hinter ihm her und Encinas rief: »Zweifelt Ihr jetzt auch noch daran, daß in diesem Thiere der Teufel steckt?«

Es erfolgte keine Antwort, denn ein Jeder war davon überzeugt; auch hatte Niemand Zeit, darüber nachzudenken, denn innerhalb des Corrals ging es sehr lebhaft zu. Der freie Raum füllte sich wieder und die gefangenen Pferde stürzten von einem Ende zum andern. Eine dicke Staubwolke wirbelte empor, denn die Mehrzahl der wüthenden Thiere wühlte mit ihren Hufen den Boden auf, und zuletzt stürzten einige der gefangenen Pferde, als Opfer ihrer ungestümen Leidenschaften, wie vom Blitze getroffen auf den Boden hin, von dem sie sich nicht mehr erhoben. Die Wuth machte nunmehr der Bestürzung Platz und dem tollen Springen folgte eine düstere Unbeweglichkeit, – das beste Zeichen, daß die wilden Prairiebewohner besiegt waren. Zu ihrer völligen Unterwerfung gehörte indessen noch mehr, d.h. der Hunger mußte sie zähmen, ehe man daran denken durfte, die gefangenen Thiere mittelst zahmer Stuten nach den Weideplätzen der Hacienda zu verbringen. Dazu waren aber mindestens fünf bis sechs Tage erforderlich und die ganze Aufmerksamkeit der Vaqueros mußte sich jetzt darauf richten, die Fortschritte der Zähmung zu verfolgen und nicht die Pferde dem Hungertode verfallen zu lassen. Mithin blieb Don Augustin nichts anderes übrig, als sich am Büffelsee so häuslich niederzulassen, wie es der abgelegene, wildromantische Ort eben gestattete.

Die Nacht breitete abermals ihren schwarzen Mantel über die Erde aus, allein sie gestaltete sich zu einer festlichen für die siegreichen Vaqueros, welche eine jener Heldenthaten ausgeführt hatten, von denen man lange Zeit in den Savanen spricht. Don Augustin, hocherfreut über den reichen Fang, ließ unter seine Leute eine starke Ration catalonischen Branntweins austheilen, und mit großem Behagen schlürften die Vaqueros und Büffeljäger das berauschende Getränk, nachdem sie sich um ein mächtiges Wachtfeuer gelagert hatten, an dem ein ganzes Reh briet. Natürlich gab heute ein Jeder seine Heldenthaten zum Besten, Encinas aber, der Büffeljäger, bildete die Hauptperson und er mußte noch viel erzählen von dem weißen Renner der Prairie, bis endlich die Sterne am Firmamente die mitternächtliche Stunde anzeigten und ein Jeder sich in seine Wolldecke hüllte und in das dichte Gras hinstreckte, unbesorgt um die verdächtigen Spuren, welche von Brennstrahl in der Nähe des Büffelsees bemerkt worden waren. – –

Wir könnten jetzt zu unsern beiden Freunden Rosenholz und Josef zurückkehren, wenn wir nicht noch ein Weniges von fünf Personen zu berichten hätten, welche an dem nächsten Abende, der auf die so eben beschriebenen Scenen der Pferdejagd folgte, in getrennten Gruppen den rothen Fluß aufwärts gingen. Von dem Orte an gerechnet, wo sich diese verschiedenen, über einen Raum von etwa einer halben Stunde zerstreuten Personen befanden, waren bis zum Büffelsee zwei gute Tagemärsche, bis zum Goldthale dagegen nur einer.

Die am weitesten vom Büffelsee entfernten Personen waren zwei Männer, welche in einem leichten Boote aus Birkenrinde den Fluß hinauffuhren. Trotz seiner gebrechlichen Bauart war das Canoe mit mannigfachen Gegenständen, wie Pferdesätteln, Decken, Waarenballen und Waffen so schwer beladen, daß seine obern Ränder fast die Spiegelfläche des Wassers berührten. In den beiden Ruderern aber erkennen wir sofort den lieblichen Rothhand und den ebenso liebenswürdigen Mischblut wieder. Die Fracht ihres Bootes setzte sich aus den Waarenvorräthen zusammen, die sie unlängst dem Handelsmanne aus Arispe geraubt hatten. In Folge dieses heimtückischen Ueberfalls war die ganze Umgegend von Tubac in Allarm gerathen und die beiden Räuber mußten eiligst aus dieser Gegend entfliehen. Um indessen unerkannt zu bleiben, hatten sie sich der Tracht der Papagosindianer bedient, welche längs des Rio Colorado und am Golfe von Californien hausen, und in diesem Kostüm waren sie Don Augustin und seiner Tochter auf ihrem Wege nach dem Büffelsee begegnet. Bei dem Anblick Rosaritas war in dem Mestizen sofort der Gedanke aufgetaucht, sich ihrer zu bemächtigen und dem zärtlichen Vater ein erkleckliches Lösegeld abzupressen. Da der Augenblick jedoch für die Ausführung dieses teuflischen Planes dem Mestizen nicht günstig schien, so beschloß er, mit seinem Vater zunächst die geraubten Gegenstände in Sicherheit zu bringen, dann aber sich mit den Apachen zu vereinigen und mit ihrem Beistande den Plan auszuführen.

Zum richtigen Verständniß für den Leser müssen wir bemerken, daß die Kahnfahrt, von welcher jetzt die Rede ist, ein paar Tage vor der Belagerung im Goldthale stattfand.

Obschon die Gegenströmung des Flusses, welcher hier zwischen grünen Hügeln hindurch fließt, eine ziemlich starke war, so gelang es den gewandten Ruderern dennoch, das Canoe rasch vorwärts zu bringen.

»Was mich beunruhigt,« brummte jetzt Rothhand, »das sind die Spuren des Comanchen, welche wir zu zweien Malen in der Nähe der unsern gefunden haben.«

»Mag Brennstrahl zehntausendmal hier herumirren,« erwiderte lachend der Sohn, »was thut's? Der Schwarzvogel wird sich nur freuen, wenn er den ungeleckten Burschen in seine Gewalt bekommen kann; unser Freund vergißt die Niederlage nicht, die der Comanche ihm vor Jahresfrist bereitet. Ich freue mich, daß Brennstrahl so übermüthig hier herumstolzirt, der Schwarzvogel wird ihn schon noch tanzen machen.«

Nach kurzer Zeit tauchte vor Vater und Sohn eine kleine grüne Insel aus dem Flusse auf, bei deren Anblick die Ruderer ihre Anstrengungen verdoppelten. Es war die sogenannte Büffelinsel, ein kleines Eiland, welches inmitten des Rio Gila gelegen ist. Während das Canoe darauf losfuhr, verfolgte ein, durch die grünen Hügel des rechten Ufers gedeckter Indianer dieselbe Richtung zu Fuß. Ehe das Boot noch die letzte Krümmung des Flusses erreichte, welche es noch vom Büffelsee trennte, hatte der Indianer bereits seine Kleidung und Waffen in seinen aus Büffelfell bestehenden Mantel gewickelt und war in den Fluß hineingegangen, dessen Strömung er mit seinen kräftigen Armen durchschnitt. Ein paar Minuten später hatte der Indianer, in welchem der junge Leser Brennstrahl bereits vermuthet haben wird, das Ufer der Büffelinsel erreicht und verschwand schnell hinter ein grünes Versteck, von wo aus er Alles ungesehen beobachten konnte.

Bald nachher langten Rothhand und Mischblut gleichfalls an, sie banden das Boot an einem der Weidengebüsche fest, stiegen aber erst dann an's Land, nachdem sie eine große Wolldecke auf dem Erdboden ausgebreitet hatten, da ihnen Alles daran gelegen war, keinerlei Spuren im Grase zurückzulassen.

Rothhand machte sich hierauf sofort an die Arbeit, indem er mit seinem Messer in den Rasen einen Kreis von etwa zwei Schritt Durchmesser beschrieb. Sodann stach er mit einer Schaufel den Rasen aus, und sammelte die Erde in einem Sacke. Mischblut kam mit einer Hacke herbei, um seinem Vater zu helfen, und so entstand alsbald eine Grube, deren Raum hinreichend groß war, um alle die im Kahne befindlichen Gegenstände und Waffen zu bergen. Die Fracht wurde nunmehr der Erde übergeben, die Grube wieder ausgefüllt und zu guter Letzt sorgfältig die ursprüngliche Rasendecke darüber gebreitet, so daß keine Spur das unterirdische Waarenmagazin verrieth.

Hierauf setzten die beiden Wüstenräuber in ihrem entlasteten Birkenkahn die Fahrt in der Richtung der Nebelberge weiter fort.

Als das scharfe Auge Brennstrahls die beiden Ruderer nicht mehr sah, trat er aus dem Versteck hervor und sagte mit großer Befriedigung:

»Nun wohl, ihre schurkische Seele liegt hier begraben, deßhalb werden sie bald wieder zurückkehren.«

Der Comanche setzte von Neuem durch den Fluß und schlug den Weg ein, den er gekommen war. Nach Verlauf einer kleinen halben Stunde betrat er eine Schlucht, in welcher er sein Pferd angebunden hatte, das ihm freudig entgegen wieherte. Brennstrahl streichelte es liebkosend, schwang sich auf seinen Rücken und sprengte davon. Da tauchten plötzlich in der Ebene zwei Männer auf, und da die Erfahrung dem indianischen Krieger sagte, daß er es jedenfalls nur mit zwei friedlichen Reisenden zu thun habe, so galoppirte er auf dieselben zu. Bei der Annäherung des Indianers rief der eine der beiden Fremden, indem er sich behaglich auf einem Feldstuhl niederließ und einer großen Schachtel alle Utensilien eines Malers entnahm: »Uilson – Gefahr!«

»No, Sir,« gab der Beschützer Sir John's zurück, »der Fremde gehört zu den Comanchen, die gegenwärtig mit unserer Regierung im Frieden leben, wir haben somit nichts zu befürchten.«

»Oh yes, – ist gut,« bemerkte Sir John und begann augenblicklich die sich vor seinen Blicken ausbreitende Landschaft zu zeichnen.

Brennstrahl war jetzt herangekommen und vom Pferde gestiegen, mit seiner Hand andeutend, daß er nur friedliche Absichten hege.

Sir John zeichnete ununterbrochen weiter.

»Wohin geht mein junger Freund?« fragte Wilson, indem er Brennstrahl die Hand schüttelte.

»Der Comanche geht zu seinen Brüdern, um sie auf die Spur eines Feindes zu leiten. Was machen meine weißen Brüder hier in der Prairie?«

»Uir reiten spazieren,« gab Sir John trocken zur Antwort.

»Die Jagdgründe Rothhands, Mischbluts und der Apachen sind voll Gefahren,« stellte Brennstrahl in eindringlichem Tone vor.

»Oh, thut nichts,« versetzte Sir John, »geht Uilson an.«

»Nun denn, ich habe meine weißen Brüder gewarnt,« sagte Brennstrahl kurz und schwang sich wieder auf sein Pferd, um davon zu galoppiren.

»Oh ... brrr!« rief die auf ihrem Stuhle sitzende Lordschaft, indem sie ihr rechtes Bein in die Höhe zog. »Sie müssen bleiben, ... Sie sind ein schönes Gentleman, uas ich malen uill.«

Es läßt sich denken, daß der Comanche den Sinn der Worte des Engländers nicht verstand und ihn verwundert anstarrte.

»Sehrr gut so,« nickte Sir John beifällig, »viel Feuer im Blick ... Oh gut so!«

Der Indianer aber, welcher bisher noch nie mit einem Maler zusammengetroffen war, wandte sich unwillig ab und sprengte davon und der Zornesruf Sir John's: »Oh, Sie dummes Rothhaut!« erstarb ungehört in der Einöde.


 << zurück weiter >>