Gabriel Ferry
Der Waldläufer – Für die reifere Jugend bearbeitet
Gabriel Ferry

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Sechstes Kapitel. Von der Nemesis ereilt.

Gar rauh und beschwerlich war der Weg, welcher sich vor unsern Wanderern aufthat; der weiße Sandboden, welcher anfangs für ihre Füße eine weiche Unterlage abgegeben hatte, hörte nur zu bald auf und tiefe Krümmungen und ausgetrocknete Flußbetten traten an seine Stelle; mächtige Eichen strebten zum Himmel empor und der Nordwind führte ein dumpfes Rauschen mit sich, das von den Wasserfällen herrührte, die in unzähliger Menge von den Nebelbergen hinab in jähe Schluchten stürzten.

Der arme Gayferos begann zu stöhnen, denn die mühevolle Wanderung vermehrte die Schmerzen seiner Wunde. Da außerdem die Lage und das Dasein des Goldthales für ihn ein Geheimniß bleiben sollte, so beschlossen Rosenholz und Josef, ihn in einem geschützten Verstecke zurückzulassen.

Es läßt sich denken, daß der arme Teufel mit schwerem Herzen in diese Trennung willigte, und nur das feste Versprechen der drei Freunde, sobald als möglich zurückzukehren, vermochte ihn zu beruhigen. Nachdem Rosenholz ihn noch ermahnt hatte, Niemandem, auch Don Estevans Schaar nicht, seine, sowie der Gefährten Anwesenheit zu verrathen, setzte das Kleeblatt die Wanderung fort, und es währte nicht lange, so verschwanden die drei Jäger in den Krümmungen des Thales.

Noch kämpfte der junge Tag wider die letzten Reste der Nacht, als von der entgegengesetzten Richtung her ein einsamer Reiter der Nebelkette zuritt. Er schien Eile zu haben und sah sich öfter scheu um, als fürchte er von irgend Jemandem verfolgt zu werden, und wenn er dann wieder den Blick den Nebelbergen zuwandte, gewann es den Anschein, als ob sein Herz unter dem beengenden Einflusse eines schlechten Gewissens ängstlich schlage.

Wie konnte es bei dem schurkischen Cuchillo, den der Leser in dem einsamen Reitersmann wieder erkennt, auch anders sein? Mußte er nicht befürchten, daß trotz des Kampfgetümmels seine Flucht aus dem Lager von einem Derjenigen bemerkt worden war, die er verrathen und feig im Stiche gelassen? Und mußte er nicht klopfenden Herzens sich den Nebelbergen nahen, in deren düsterer Einsamkeit er einst einen rechtschaffenen Mann meuchlings ermordet hatte? Nur die unbegrenzte Habgier vermochte die Stimme seines bösen Gewissens zeitweilig zum Schweigen zu bringen und verlieh ihm den Sieg über die Feigheit, die sonst seinem Charakter eigen war, und unausgesetzt trieb er das Pferd an. Mitunter freilich vermochte er den düsteren Erinnerungen seiner schwarzen Seele nicht zu widerstehen und dies geschah, wenn er an Plätzen vorüberkam, die ihn an den ermordeten Marcos Arellanos mahnten. Dieser Fall trat ein angesichts eines Hügels, an dem er an der Seite seines Opfers geruht, – und dann bei einem höheren Punkte, wo er und der greise Gambusino erwartungsvoll die Kette der Nebelberge betrachtet hatten. Der Wind pfiff durch das wirre Haar Cuchillo's und das Gewieher seines Pferdes weckte in der Einöde tausende von Echo's, welche wie der letzte Seufzer des ermordeten Arellanos klangen. Ein kalter Schweiß bedeckte Cuchillo's Stirn und sein Herz drohte zu zerspringen, allein die nicht zu bezähmende Goldgier riß ihn vorwärts, vorwärts den Nebelbergen zu, deren Schätze ihn zu einem unermeßlich reichen Manne machen sollten.

Endlich verschwand auch er in der wilden Thalschlucht und die jetzt am Himmel prangende Sonne beleuchtete auf der ganzen weiten Ebene kein lebendes Wesen. Da – es mochten zwei Stunden verflossen sein, tauchten endlich vier Reiter auf, in denen wir alsbald Don Estevan und Pedro Diaz mit ihren Begleitern erkennen, welche, wie wir wissen, bei Anbruch der Morgendämmerung das Lager der Goldsucher verlassen hatten, um nach Cuchillo auszuspähen. Don Estevan hatte, da von dem Schurken weit und breit nichts zu sehen war, die Verfolgung schon aufgeben wollen, als Pedro Diaz einen Gegenstand am Boden erblickte; er bückte sich und fand, daß es ein kleiner, lederner Mantelsack war, den er alsbald für jenen Cuchillo's erkannte. Jetzt konnten die Reiter nicht länger mehr zweifeln, daß der Feigling sich im Goldthale befinde, und damit er sicher in ihre Hände falle, beschlossen sie, sich der Felspyramide von zwei Seiten zu nähern. Zu diesem Zwecke trennten sich die Reiter, indem Don Estevan mit Diaz seinen Weg mit verdoppelter Eile fortsetzte, ihre Begleiter aber sich westwärts wandten, um von da aus in's Goldthal zu gelangen. –

Die Nebelberge beherbergten jetzt verschiedene Personen, welche Gottes Gerechtigkeit in diese Wüste geführt, um dort über die Schuldigen Gericht zu halten. –

Rosenholz, Josef und Fabian waren tüchtig ausgeschritten und dem geheimnißvollen Felsenlabyrinthe schon ziemlich nahe gekommen; der Morgennebel wogte an den Spitzen der Berge hin und her und die zackige Gestalt derselben verlieh ihren Silhouetten am sich erhellenden Himmel die Form seltsamer Thürme und Zinnen. Dichte Schatten, die gleich schwarzen Riesenbändern auf beiden Seiten der Nebelberge sichtbar waren, deuteten tiefe Schluchten an, welche der nagende Zahn der Zeit allmälig geschaffen hatte. Auf dem rechten Ufer des an dieser Stelle nicht sehr breiten Rio-Gila bemerkten die drei Wanderer eine einzeln stehende Felspyramide, deren Gipfel eine prächtige Rundsicht versprach und unseren Wanderern die Möglichkeit bot, sich um so leichter in dieser Wildniß zurecht zu finden.

Noch waren die Freunde hundert Schritt von dem Fuße der Felspyramide entfernt, als ein starker Windstoß den Nebelvorhang zerriß und den Gipfel bloslegte, so daß nur einige Dunstflocken an dem Blätterwerk der Gesträuche hängen blieben oder wie kleine Kobolde auf- und abwärts hüpften, um sich vor den feurigen Pfeilen zu schützen, welche die Morgensonne eben herabsandte.

Rosenholz und seine Gefährten erblickten jetzt auf dem seltsamen Felskegel zwei verkümmerte Tannen und zwischen ihnen das gebleichte Skelett eines Pferdes, welches noch mit seinen ehemaligen rothen Zierrathen behangen war. Damit Sturm und Unwetter dem Skelett nichts anzuthun vermöchten, hatte man zu beiden Seiten in den Fußboden Stäbe eingerammelt, auf denen Menschenhaare im Morgenwinde flatterten; diese milden Trophäen bekundeten, daß dieser Felsen das Grab eines berühmten indianischen Häuptlings berge. Ein Wasserfall, welcher vom Felsen mit donnerndem Gebrause in einen endlosen Abgrund herabstürzte, führte Milliarden blitzender Staubperlen in die Luft, die sich hinter dem Gebein des indianischen Schlachtenpferdes zu einem duftigen Regenbogen zusammensetzten.

Wahrend die drei Jäger den Fuß der seltsamen Felsbildung umwanderten, deutete Fabian auf eine kleine Bucht, deren Wasserspiegel von Schilf und breitblättrigen Wasserpflanzen fast ganz bedeckt war.

»Wir sind am Ziele,« sagte ernst der Jüngling, »denn das enge Thal, welches sich zwischen dem Felskegel und der stillen Bucht hinzieht, muß nach der Beschreibung des alten Arellanos das Goldthal sein.«

»Bin fest überzeugt davon,« entgegnete Josef mit erzwungenem Spotte, »denn ich habe in meinem ganzen Leben nichts Unheimlicheres gesehen, als diese Schluchten hier, und wenn es wahr ist, daß das Gold zu den meisten Verbrechen auf dieser Welt Anlaß gegeben hat, so kann ich's dem Satan nicht verdenken, daß er hier in dieser Wildniß, die so viele Schätze bergen soll, sein Absteigequartier genommen hat. Wahrhaftig, man könnte sich hier fast fürchten.«

»Sie haben recht,« sagte Fabian, dessen blühende Gesichtsfarbe einer gewissermaßen feierlichen Blässe Platz gemacht hatte. »Der Ort stimmt düster; vielleicht ist genau hier der unglückliche Marcos Arellanos ermordet worden, – allein Wind und Regen haben jedwede Spur verwischt und die Stimme der Wüste bleibt stumm und sagt mir nicht, ob mein Verdacht gegen jenen Cuchillo gerechtfertigt ist.«

»Geduld, mein Kind,« ergriff jetzt Rosenholz das Wort, »Gott ist gerecht und läßt oft Spuren, die man schon längst verwischt glaubt, wieder erstehen, und die Stimme der Wüste sich wider den Schuldigen erheben. Vergiß über jenem Cuchillo auch nicht den Mörder Deiner Mutter, der mit seiner Reiterschaar gar bald in dem Goldthale anlangen wird, wohin ihn die Habsucht treibt. Thue, was Dein Herz Dir angiebt, mein Kind, nur entscheide Dich und sage uns, ob wir den Feind hier erwarten oder unsere Taschen mit Gold füllen wollen, um dann wieder die Wohnungen der Menschen aufzusuchen.« Diese letzten Worte begleitete der Canadier mit einem Seufzer.

»Ich vermag mich nicht zu entschließen,« antwortete Fabian, »denn ich fühle, daß ich willenlos bin und eine unsichtbare Hand meine Schritte leitet, wie an jenem Abend, wo mich ein Zufall zu Euerm Feuer führte. Warum setzte ich mich und Euch so großen Gefahren aus, um in's Goldthal zu gelangen, trotzdem ich nicht einmal weiß, was ich mit dem todten Metalle anfangen soll?«

Hier unterbrach ein heiserer Schrei die Rede Fabians und vermischte sich mit dem Rauschen des Wasserfalls. Dieser Schrei schien aus dem indianischen Grabmal zu kommen, weshalb denn auch die drei Freunde überrascht in dieser Richtung hinblickten. Allein auf der Spitze der Felspyramide zeigte sich kein lebendes Wesen. »Wer weiß, ob es wirklich die Stimme eines Menschen gewesen ist,« flüsterte der abergläubische Josef, indem er sich bekreuzte.

»Halloho!« rief jetzt der Canadier und deutete auf den Boden, »hier sind die Fußspuren eines Weißen und ich möchte darauf schwören, daß er vor nicht mehr als zehn Minuten hier gewesen ist.«

Man folgte jetzt aufmerksam den Spuren, die nach einer Hecke von Baumwollsträuchern und von dort dem Felsplateau zuführten. Da aber der Boden mit zahlreichen Steinen bedeckt war, so hörten die Fußspuren bald auf und Rosenholz schlug vor, daß er und Josef die Runde um den Felsen machen sollten, Fabian aber als Wachtposten an Ort und Stelle bleiben solle.

Die beiden Jäger entfernten sich und ließen Fabian mit seinen sonderbaren Gefühlen, die ihm im Herzen flutheten, allein. Das Goldthal, von dessen Eroberung er wiederholt geträumt hatte, befand sich nun in seiner Nähe und dennoch fühlte er sich nicht glücklich. So singen gar oft im menschlichen Leben uns ferne Stimmen von Glück und Ruhm, und wir folgen den lockenden Tönen und versuchen, uns ihnen zu nähern, und wenn wir endlich am Ziel zu stehen scheinen, so zeigt es sich, daß Glück und Ruhm entflohen sind, – und so verfließt unser Leben unter tausenderlei Wünschen, indem wir ohne Unterlaß jene verführerischen und ewig fliehenden Melodien verfolgen. Das kostbare Metall hatte für Fabian seinen Werth verloren und sein Herz sagte ihm, daß es edlere Leidenschaften gäbe, als jene, dem Mammon nachzujagen. Er gedachte der treuen Liebe, mit welcher der alte Canadier an ihm hing, und der herrlichen Zufriedenheit, welche die Brust seiner beiden Gefährten erfüllte. Und dazwischen hinein ertönte wiederum eine mahnende Stimme, welche ihn an seine Pflicht erinnerte, den Mord seiner Mutter und seines Pflegevaters zu rächen, und eine andere Stimme rief ihm zu, daß alle Herrlichkeiten des irdischen Lebens nur Trugbilder seien, gegenüber jener Seligkeit, die uns dereinst erwartet, wenn die Fittige der Seele sich loslösen von dem zerbrechlichen Körper und sich emporschwingen zur himmlischen Heimat. Während diese Gedanken und Gefühle Fabians Herz durchzogen, schritt er, ohne es zu wissen, auf das dichte Gebüsch der Baumwollenstauden zu, deren Aeste er jetzt zurückschlug, – allein welches Schauspiel bot sich urplötzlich seinen Augen dar! Das bläuliche Halbdunkel, das bisher noch über dem Thale geschwebt, schwand vor der Sonne und unzählige Blitze begannen jetzt emporzusprühen, aber nicht aus drohenden Wetterwolken, sondern aus Tausenden und Abertausenden von Kieseln, durch deren Tonhüllen jenes gediegene Gold lugte, wie es die Bäche aus dem Schooß der Erde herauswaschen und in die Ebene herabspülen. Vor Fabians Augen lag der reichste Schatz ausgebreitet, den je eines Menschen Blick gesehen, ein Schatz, den Jahrtausende gezeitigt hatten. Und noch einmal fühlte der Jüngling den Zauber, den der Anblick des Goldes auf unser schwaches Herz ausübt, der bessere Mensch behielt aber in Fabian die Oberhand und der Schwindel, der ihn angesichts dieser Reichthümer befangen, wich.

»Aus diesem Abgrund da unten kann sich nur der böse Geist erheben,« rief es in dem Herzen des Jünglings, »denn Gottes Engel weilen auf den Höhen, die zum Himmel führen!«

Einige Minuten später rief er seinen beiden Gefährten, und Rosenholz und Josef waren bald an seiner Seite.

»Haben Sie ihn gefunden?« rief der Letztere.

»Den Schatz wol, aber nicht den Menschen, dessen Fußspuren wir verfolgen,« antwortete Fabian mit einem ernsten Lächeln, »da sehen Sie selbst.« Mit diesen Worten schob der Jüngling von Neuem das Geäst zurück, welches den Schatz verhüllte.

»Was?« rief Josef erstaunt, »diese funkelnden Steine da unten?«

»Sind reines Gold, sind jene Schätze, welche noch Niemand gesehen, ein verirrter Indianer vielleicht ausgenommen, für welchen diese Reichthümer keinen größeren Werth hatten, als gemeine Kiesel. Nicht wahr, mein Freund, das Gold übt trotz der Einsamkeit, in welcher Sie seit Jahren gelebt, einen mächtigen Reiz auf Sie aus? Was würden Sie wol mit all' dem Golde anfangen?«

»Was ich damit anfangen würde?« wiederholte Josef verblüfft, da die unverhoffte Frage ihn nicht wenig in Verlegenheit setzte. »Ja, was meinst Du, Rosenholz, was könnten wir wol mit dem Golde anfangen?«

»Je nun,« antwortete der Canadier trocken, »wir könnten unsere Büchsen mit einem goldenen Laufe zieren und es würde für einen Apachen außerordentlich schmeichelhaft sein, wenn wir zu ihm sagten: Rothhaut, die Kugel, die Dir soeben den Kopf zerschmettert hat, kam aus einem Laufe von massivem Golde.«

Josef fühlte den Spott, drückte dem treuen Freunde herzinnig die Hand und sagte: »Hast recht, alter Bursche, 's ist Alles nur dummes Zeug und das verwünschte Gold nur der Speck, womit der Teufel uns arme Mäuse fängt.« Und nach diesen Worten begannen beide Jäger herzlich zu lachen und Fabian stimmte unwillkürlich mit ein. Das Krachen eines Schusses jedoch, welcher an den Felswänden mehrfaches Echo fand, gab ihren Gedanken schnell eine andere Richtung. Die drei Jäger sahen sich erstaunt an, dann sagte Josef endlich: »Der Schuß kann uns nicht gegolten haben, denn nirgends ist eine Spur von Rauch zu sehen.«

»Nach meinem Dafürhalten,« meinte Rosenholz, »kam der Schuß von dem Gipfel der Felspyramide; leider ist die Plattform wieder in Nebel eingehüllt. Wollen das Ding aber einmal genauer untersuchen und direkt darauf losgehen.« Damit spannte er den Hahn seines Gewehrs und schritt tapfer voran, während Josef und Fabian ihm folgten. Die steilen Felswände waren zwar mit Gesträuch bewachsen, welches das Emporklimmen erleichterte, dennoch mußte das Unternehmen der Jäger ein gefährliches genannt werden, da der dichte Nebel nicht errathen ließ, wie viele Feinde ihnen etwa gegenüberstehen könnten. Oben angekommen, fanden sie aber die Plattform leer, denn eine gute Weile vorher war schon eine für sie unsichtbare Person in die Bucht gehuscht. Mit großer Vorsicht entfernte sie die schwimmenden Blätter der Wasserlilien, formte aus ihren glänzenden Scheiben eine Art Dach, und blieb unter demselben regungslos stehen. Diese Person war Cuchillo. Nachdem er das Goldthal erreicht und sich von dem Vorhandensein der Schätze überzeugt, hatte er sein Pferd in eine ziemlich tiefe Schlucht geführt und es an einem riesigen Busche angebunden, um es jedwedem Späherblicke zu verbergen. Dann begann er die Pyramide zu ersteigen, und als er fand, daß er in der Einöde allein sei, wandte er seine Blicke zufällig dem Wasserfalle zu. Ein wunderbares Funkeln, welches unmöglich den in der Sonne glitzernden Wasserstäubchen zugeschrieben werden konnte, erregte Cuchillo's Aufmerksamkeit, und ein Schrei entrang sich seiner Brust, als er jetzt einen durch die hundertjährige Wirkung des Wassers bloßgelegten Goldblock erblickte, der, von dem feuchten Staube der Cascade unablässig gewaschen, in seinem vollen Glanze erschien. Es zog ihn mit Gewalt zum Wasserfalle hin und vor Begierde, den glänzenden Reichthum ganz in der Nähe betrachten zu können, beugte er sich in liegender Stellung, so weit es nur irgend möglich, über den Felsvorsprung hinaus, nicht achtend der Traufe von dem über ihn hinwegschießenden Wasserfall, und nur unverwandten Blickes nach dem Golde, dem geliebten Gegenstände seiner heißen Sehnsucht stierend.

Cuchillo's Freude grenzte an Wahnsinn, ebenso aber auch die Wuth, welche sich seiner bemächtigte, als er plötzlich durch ein starkes Geräusch aus seiner Verzückung aufgeschrekt wurde und zu gleicher Zeit zwei Reiter um den Felsvorsprung herumkommen sah, in denen er Kameraden aus dem Lager Don Estevan's erkannte. Er wollte mit Niemandem die unermeßlichen Schätze theilen, daher war sein Entschluß rasch gefaßt; er zielte bedächtig, schoß dann seine Feuerwaffe ab – und schwer getroffen sank ein Reiter auf den Hals seines Pferdes herab. Den Andern ergriff bei diesem ganz unerwarteten Ueberfall ein panischer Schrecken. Er faßte nur noch rasch das Pferd seines verwundeten Gefährten an den Zügeln und ehe noch Cuchillo zum zweiten Male geladen hatte, war er bereits nebst seinem todten Kameraden den Blicken des Mörders entschwunden.

Die Wuth und Bestürzung des schurkischen Cuchillo nahm in heftigster Weise zu, als er bald darauf noch drei andere Männer bemerkte und nicht nur Fabian, sondern auch die beiden furchtbaren Tigerjäger, deren Bekanntschaft er an der Poza gemacht, erkannte. Er wankte betäubt zurück, denn der Gedanke, abermals das Goldthal unverrichteter Sache verlassen zu müssen, erschien ihm schrecklich. Indessen hatte sich zwischen ihn und die drei Jäger der Nebel geschoben; dennoch vernahm sein scharfes Ohr, daß seine Feinde sich anschickten, den Felsen zu ersteigen. Rasch ließ sich Cuchillo an dem entgegengesetzten Abhang hinab; es blieb ihm nichts übrig, als in der Bucht sich zu verstecken. Nachdem er es gethan, gelangte er zu dem Entschlusse, vorläufig im Wasser zu bleiben ...

Da unsere drei Freunde die Plattform der Pyramide leer fanden, waren sie nach kurzer Rast schon wieder im Begriff, in die Ebene hinabzusteigen, als ein heranjagender Windstoß die Nebel zertheilte und einen freien Blick in's Thal gestattete. Das Bild der Wüste lag in seiner ganzen düstern Pracht vor ihnen, – dürre Ebenen, auf denen Sandwirbel kreisten, und Licht und Stille überall. Plötzlich kam aber doch ein wenig Leben in die regungslose Landschaft hinein. Auf der Ebene nämlich, welche unsere Freunde kurz vorher durchwandert hatten und deren Ende den Eingang zum Goldthal bildete, tauchten zwei bewaffnete Reiter auf.

Mit gespannter Aufmerksamkeit blickten unsere drei Freunde in die Ebene, bis die beiden Reiter soweit herangekommen waren, daß Rosenholz ihre Kleidung und Hautfarbe zu erkennen vermochte.

»Sie gehören dem mejikanischen Lager an,« brummte er vor sich hin, »und scheinen es eilig zu haben, denn sie lassen ihre Pferde tüchtig ausgreifen – Donner und Wetter!« unterbrach der Canadier den ruhigen Fluß seiner Rede, »der eine Reiter ist – so war ich lebe – jener Don Estevan, oder richtiger: Don Antonio de Mediana, der Mörder Deiner armen Mutter, mein Kind, – sein böser Stern führt ihn in unsere Hände!«

»Don Antonio de Mediana?« wiederholte Fabian in hohem Grade aufgeregt. »Irren Sie sich auch nicht, mein Vater?«

»So wahr als ich nicht blind bin!« erwiederte der alte Jäger etwas beleidigt.

»Dann weiß ich, daß es Gottes Finger war, der mich – wider meinen Willen – in diese Einöde trieb,« sagte Fabian in gehobener Stimmung. »Wie sieht jener Reiter aus, der den Mörder meiner Mutter begleitet?«

»Je nun,« meinte Rosenholz achselzuckend, »das Beschreiben ist eben meine Sache nicht. Der Fremde reitet einen prächtigen Rothbraunen – und hat Goldborten am Filzhute – und – und einen recht teufelsmäßig edlen Gesichtsschnitt.«

»Das kann nur Pedro Diaz sein,« bemerkte Fabian, »der einzige Ehrenmann im Gefolge Don Estevan's.«

»Laßt doch das viele Schwatzen sein,« brummte Josef, aus dessen Augen es unheimlich leuchtete, »handelt lieber und rückt mit mir dem schurkischen Don Estevan auf den Leib.«

Unmittelbar nach diesen Worten richtete sich Rosenholz in seiner ganzen Höhe empor und stieß einen Schrei aus, welcher etwas Orkanähnliches hatte.

»Wer seid Ihr und was wollt Ihr?« rief der überraschte Spanier zurück.

»Wer wir sind?« polterte der Waldläufer, »die Herren dieses Ortes, da wir zuerst hier angelangt sind. Die zweite Frage, was wir wollen, ist eben so schnell beantwortet. Wir wollen nämlich, daß Don Estevan sich auf Gnade oder Ungnade ergebe, damit wir ihm ein Gesetz der Wüste in's Gedächtniß zurückrufen, nämlich: daß Blut wieder Blut fordert.«

»Wahrscheinlich ein Wahnsinniger, dem der Anblick der hier verborgenen Schätze das Gehirn verrückt hat,« äußerte Diaz zu dem Spanier. »Ich denke, es wird das Beste sein, der Unterhaltung mit einem Schusse ein schnelles Ende zu machen.«

»Nein,« rief Don Antonio, wie wir von jetzt ab den spanischen Edelmann nennen wollen, »laßt mich vorerst sehen, wer Lust verspürt, einen Mann, wie ich, das Gesetz der Wüste lehren zu wollen.«

»Ich werde es thun!« erklang es jetzt von Fabians Lippen, indem er und Josef sich gleichfalls aus ihrem Versteck erhoben.

»So wahr ich lebe,« rief Don Antonio mit vor Wuth und Überraschung bebender Stimme, »wiederum derselbe junge Mensch, der sich erfrecht, meine Pläne zu durchkreuzen.«

»Und ich will es ebenfalls thun,« schrie Josef, »ich, der nun schon seit einer Reihe von Jahren Ihre Schritte verfolgt und dem Himmel dankt, endlich einmal eine alte Rechnung berichtigen zu können.«

»Wer seid Ihr?« fragte der spanische Edelmann verächtlich, da er den ehemaligen Küstenwächter nicht wieder erkannte.

»Ich bin Pepe, der Schläfer, der seinen Aufenthalt in Ceuta nicht vergessen hat, wie der gnädige Herr da unten!«

Ein jäher Schreck durchzuckte Don Antonio und er warf unruhige Blicke umher. Wol vermochten die hohen Felsen, die auf einer Seite das Goldthal umschlossen, ihn vor dem Feuer der Jäger zu schützen, allein sein empörter Stolz ließ es nicht zu, eine schmähliche Flucht zu ergreifen, und so rief er denn zurück:

»Wohlan, rächt Euch an einem Feinde, der es verschmäht, den natürlichen Schutz der Felsen aufzusuchen, – legt Euere Flinten an und schießt.«

»Das würde schon längst geschehen sein,« erwiederte Josef kalt, »wenn wir nicht die Absicht hegten, Ew. Gnaden lebendig zu fangen. Wir rathen daher Ihrem Begleiter ernstlich, sich gutwillig zurückzuziehen und Sie Ihrem Schicksale zu überlassen.«

»Ich werde mich nie einer solchen Feigheit schuldig machen,« schrie Diaz. »Den Platz mit seinen Schätzen wollen wir räumen, da Ihr zuerst hier waret, Don Estevan aber wird sich mit mir zugleich zurückziehen.«

»Thut mir leid, es kann aber nicht sein,« antwortete der sarkastische Josef, »wir müssen den Mann, den Sie Don Estevan zu nennen belieben, in unserer Gewalt haben.«

»Widersetzen Sie sich nicht der Gerechtigkeit Gottes,« fügte Fabian hinzu, »Sie sind ein Ehrenmann, Don Diaz, und können unmöglich mit einem Menschen gemeinschaftliche Sache machen, an dessen Händen das Blut der Unschuld klebt.«

»Wir geben fünf Minuten Bedenkzeit,« brummte Rosenholz, »dann werden unsere Büchsen und das gute Recht zwischen uns entscheiden.«

Statt einer Antwort erhob Don Antonio seine Büchse und zielte auf Fabian, sofort aber deckte Rosenholz mit seinem riesigen Körper den Bedrohten und legte sein Gewehr so entschlossen an, daß der Spanier einsehen mußte, er sei bei der geringsten feindseligen Bewegung verloren. In diesem gefährlichen Augenblick flüsterte Diaz seinem Gefährten zu:

»Nur eine schleunige Flucht kann Sie retten, Don Estevan. Setzen Sie sich in Ihrem Sattel fest, – nehmen Sie Ihr Pferd zusammen und halten Sie sich dicht an meiner Seite, ich werde suchen, Sie mit meinem Körper zu decken.«

Don Antonio sah ein, daß der Mejikaner recht habe und gab daher seinem Rosse die Sporen, während Diaz behend von seinem Pferde auf das des Gefährten hinübersprang und diesen mit seinem Rücken deckte.

Fabian und Josef glitten jetzt rasch den steilen Felsen herab, während Rosenholz mit seiner Büchse den Sprüngen des davoneilenden Pferdes folgte. Er sah ein, daß er Diaz, welcher außer dem Pferde das einzige Ziel darbot, unmöglich opfern konnte, wollte er sich nicht eines unnützen Mordes schuldig machen, zumal der spanische Edelmann trotz alledem entkommen würde; daher galt es jetzt, den Kopf des Pferdes zu treffen. Nur einen Moment bog das edle Thier den Hals ein wenig seitwärts, da krachte schon ein Schuß und das Pferd stürzte tödtlich getroffen mit seinen beiden Reitern zu Boden. Noch halb betäubt von der Heftigkeit des Falles, hatten Don Antonio und Pedro Diaz sich kaum erhoben, als auch schon Fabian und Josef, mit der Büchse in der Hand und dem Dolche zwischen den Zähnen, auf sie zugesprungen kamen. In ziemlicher Entfernung folgte ihnen mit Riesenschritten der Canadier, von Neuem seine Feuerwaffe ladend.

»Wir wollen uns bis auf den Tod vertheidigen«, rief Diaz, sein langes, scharfes Messer hervorziehend, während Don Antonio das Gewehr auf Fabian anlegte. Da aber sauste eine Kugel, von Rosenholz entsendet, heran und zerschmetterte den Büchsenlauf. Don Antonio verlor das Gleichgewicht und stürzte auf den Sand; mit Blitzesschnelle stürzte Josef auf ihn zu, riß ihm den langen wollenen Gürtel vom Leibe und band damit des Spaniers Hände und Füße. Schon stand der heldenkühne Diaz bereit, sich auf Josef zu werfen, aber jetzt eben langte der Canadier bei seinen beiden Gefährten an und vertrat jenem mit seiner gefürchteten Schußwaffe den Weg.

»Stehen Sie zurück, Don Diaz,« rief Fabian mahnend, »der spanische Edelmann ist unserem Richterspruche verfallen und keine Macht der Erde vermag ihn zu retten.«

»Oh, Ihr elenden Lügner,« donnerte der Mexikaner mit zornsprühenden Augen. »Ihr wollt nur die Schätze dieses Goldlagers allein besitzen und darum Don Estevan, als den Anführer einer stattlichen Truppe, aus dem Wege räumen.«

»Nicht so, Señor,« erwiderte Fabian mit einem bitteren Lächeln, »mögen die Goldsucher kommen und dieses reiche Lager hier bis auf das letzte Atom ausbeuten, – mir soll es recht sein. Ich verlange nichts, als über Ihren Gefährten den Richterspruch zu fällen, wozu ich ein Recht habe. Nehmen Sie dort auf jenem umgestürzten Baumstamm Platz und leihen Sie mir für einige Augenblicke ein aufmerksames Ohr.« In den Worten, sowie in dem ganzen Benehmen des Jünglings lag eine so feierliche achtunggebietende Würde, daß Pedro Diaz unwillkürlich gehorchte

»Herr Graf von Mediana,« begann Fabian, indem er sich seinem Oheim näherte, »ich darf wohl annehmen, daß auch Sie wissen, wer ich bin.«

»Wahrscheinlich ein Abenteurer ohne Herkunft und Namen,« antwortete mit verächtlichem Lächeln der Spanier, »vielleicht sogar ein Mörder, denn Ihre Art und Weise, arglose Reisende zu überfallen, läßt keine andere Annahme zu.«

Ein edler Unwille zuckte über Fabian's Gesicht, dennoch unterdrückte er jede bittere Gegenrede und wandte sich zu Josef mit den Worten: »Sagen Sie dem Menschen, welcher mir einen Namen gegeben, den er allein verdient, – sagen Sie ihm, wer ich bin.«

Die düstere Miene des ehemaligen Miquelets, sowie seine augenscheinlichen Anstrengungen, die Wuth und den Haß beim Anblicke des spanischen Edelmanns zu dämpfen, erfüllten letzteren mit schlimmen Ahnungen und er schauerte zusammen.

Josef begann jetzt: »Ich hatte in einer stürmischen Dezembernacht des Jahres 1808 die Wache am Gestade des biscayischen Meerbusens, wo das Stammschloß der spanischen Grafen von Mediana sich erhebt. Da langte in einem Kahne ein Marineoffizier an, mit dem ich in einige Streitigkeiten gerieth, da er mir unlautere Absichten zu haben schien; leider ließ ich mich von dem hohen Herrn zum Stillschweigen bereden und nahm einen werthvollen Ring als Sündenlohn an. In derselben Nacht wurde die junge Gräfin von Mediana ermordet und ihr kleines Söhnchen den Wellen preisgegeben. Jenes hilflose Kind war jener Jüngling hier, den die Vorsehung trotz aller Gefahren und Stürme zum Manne reifen ließ, damit jenem elenden Mörder ein Richter und Strafvollstrecker erwachse. Der Mann aber, welcher das entsetzliche Verbrechen begangen und den schluchzenden kleinen Knaben – seinen Neffen also, unbarmherzig den stürmischen Meereswogen preisgab, ist Niemand anders, als Don Estevan, der sich soeben auf einem abenteuerlichen Zuge nach den Goldfeldern Mejikos befindet und in diesem Augenblicke gebunden vor meinen Füßen liegt. Weiter hab' ich nichts zu sagen, der Mörder aber soll mich Lügen strafen, wenn er es vermag.«

Während Josef's Anklage hatte Cuchillo leise und vorsichtig sein Versteck in der Bucht verlassen und ähnelte, von Wasser und Schlamm triefend, einem jener bösen Geister, denen der indianische Aberglaube diese Seen und Berge als Wohnung anweist. Keine der anwesenden Personen bemerkte indessen den Banditen, da die Feierlichkeit des Augenblicks ihre Aufmerksamkeit gänzlich in Anspruch nahm.

»Was haben Sie zu Ihrer Vertheidigung anzuführen?« fragte jetzt Fabian mit erhobener Stimme den spanischen Edelmann, in dessen Seele die Gefühle des bösen Gewissens mit jenen des Stolzes stritten, und so schwieg er denn unbeugsam und düster. Da erhob sich Diaz und trat zwischen die Richter und den Angeklagten.

»Erlaubt,« begann er mit ruhiger, fester Stimme, »daß ich ein Wort zu Gunsten des Angeklagten mir erlaube. Don Estevan hat auf mich stets den Eindruck eines tapferen und unerschrockenen Cavaliers gemacht, und schon deshalb halte ich ihn des Verbrechens, dessen er beschuldigt wird, für unfähig. Allein zugegeben, er habe den Mord verübt, so entsteht die Frage, ob Ihr das Recht habt, ihn zu richten. Nach den Gesetzen dieses Landes dürfen allerdings die nächsten Anverwandten das Blut des Schuldigen fordern, – wer aber beweist, daß dieser Jüngling hier in der That der Sohn der ermordeten Gräfin von Mediana ist?«

»Ich beweise es!« ergriff nunmehr der Canadier das Wort, »denn ich war es, der das arme, auf den Wellen treibende Kind dem sicheren Tode entriß und es auf das Schiff rettete, dem ich als Matrose angehörte. Zwei Jahre kam der kleine Fabian nicht von meiner Seite und die Züge eines Sohnes können in das Gedächtniß eines Vaters nicht tiefer gegraben sein, als die Fabians in das meinige. Wahr ist's, daß ein schlimmes Schicksal uns auf eine Reihe von Jahren wiederum trennte, dennoch erkannte ich in dem Jünglinge den kleinen hilflosen Knaben wieder, und zwar mit Hilfe eines Losungswortes, das ich in der Stunde der Trennung seinem jugendlichen Gedächtnisse eingeprägt hatte.« Nachdem der alte Jäger den weitern Vorgang wahrheitsgemäß mitgetheilt hatte, fuhr er tief bewegt fort: »Wohl gehört mein Zusammentreffen mit Don Fabian zu den seltsamen Fügungen, welche der Mensch gewöhnlich als Zufall zu bezeichnen pflegt, allein ich frage Sie, kann unser Herrgott, der dem verheerenden Winde, dem verwüstenden Strome und dem wandernden Vogel das Samenkorn anvertraut, sobald er eine entlegene Insel im Ocean damit befruchten will, kann dieser Herrgott nicht ebenso leicht zwei Menschen wieder zusammenführen, um seinem ewigen Gesetze der Vergeltung Nachdruck zu verschaffen?« Das biedere Gesicht des Canadiers, sowie seine mit vieler Wärme gesprochenen Worte wirkten mächtig auf den ehrlichen Pedro Diaz und es blieb ihm nur noch übrig, an Josef die Frage zu richten, ob er in dem Pflegesohn des Gambusino Arellanos den rechtmäßigen Erben der Gräfin von Mediana wiedererkannt habe.

»Man müßte nie die Mutter Don Fabians gesehen haben, um auch nur einen Augenblick zweifeln zu können,« antwortete Josef bestimmt. »Uebrigens möge Don Antonio mich Lügen strafen.«

Der spanische Edelmann legte die Hand auf's Herz und athmete schwer, dann erwiderte er stolz:

»Es ist wahr, jener Jüngling gehört zu meinem Blute, und ich kann und will es nicht läugnen, denn die Lüge ist eine Tochter der Feigheit.«

Schweigend kehrte Diaz auf seinen Platz zurück, ließ den Kopf sinken und sagte nichts mehr.

»Don Antonio,« begann Fabian nunmehr, »Sie haben mich mit diesen Worten als einen Nachkommen des Geschlechts der Mediana anerkannt. Sie haben das Blut meiner armen Mutter vergossen um schnöden Gewinnes willen und mir dadurch die grausame und doch so heilige Pflicht auferlegt, das begangene Verbrechen an Ihnen zu rächen. Denn was verlangt das Gesetz der Wüste?«

»Aug' um Auge – Zahn um Zahn – Blut um Blut!« erklang es dumpf aus dem Munde der beiden Jäger.

»Der Herr läßt seiner nicht spotten,« murmelte Don Antonio vor sich hin, indem er der Worte gedachte, welche Fabian's unglückliche Mutter ihm zugerufen, als sie vergebens sein hartes Herz zu rühren versucht hatte: »Ich prophezeihe Euch, daß die Gerechtigkeit Gottes, die Ihr jetzt zu verspotten wagt, am äußersten Ende der Welt, ja selbst in den entlegensten Einöden, die noch nie eines Menschen Fuß betreten hat, Euch erreichen und einen Ankläger, Richter und Henker erwecken wird.«

Pedro Diaz, welcher einsah, daß nunmehr jede Hoffnung entschwunden sei, näherte sich dem spanischen Edelmanne, ergriff seine Hand und sagte: »Ich will für das Heil Ihrer Seele beten, Don Antonio! – Lassen Sie mich jetzt von Ihnen scheiden.«

»Gehen Sie mit Gott, der Ihre Treue lohnen möge,« antwortete der Spanier bewegt, »vergessen Sie meinen unglücklichen Fürsten nicht, und vollenden Sie, statt meiner, das Werk, welches Ihr Vaterland auf jene geistige Stufe erheben soll, die ein jeder civilisirter Staat einnehmen muß.«

»Ach,« rief der Mejikaner schmerzlich, »die Ausführung eines solchen Werkes wäre nur einem Mann, wie Sie es sind, möglich gewesen! In Ihrer Hand hätte ich ein mächtiges Werkzeug abgeben können, während ich jetzt meiner Ohnmacht anheimfalle; mit Ihnen erlischt die Hoffnung meines Vaterlandes.« Und mit einer Thräne entfernte sich schweigend der edle Abenteurer, indem er auf sein Pferd zuging, das ihm gefolgt war und in der Nähe weidete. Er nahm den Zügel in die Hand und schritt langsam der Stelle zu, wo der Fluß sich gabelförmig theilte, indessen Don Antonio bleichen Antlitzes, aber ruhig und gefaßt sein Schicksal erwartete.

Ueberrascht blickte er auf, als Fabian jetzt seine Fesseln durchschnitt und zu ihm sagte:

»Sie haben schwer gesündigt, Herr Graf von Mediana, und nur Gott allein vermag Ihnen zu vergeben. Er hat Sie in meine Hände geliefert und es mir überlassen, das vergossene Blut meiner armen Mutter zu rächen. Allein es ist mir in diesem Augenblicke, als ob die Stimme der Verklärten an mein Ohr schlüge und mir sagte: du darfst das Henkeramt an deinem Oheim nicht ausüben; und wenn auch das Gesetz der Wüste dir dieses Recht ertheilt, so gedenke, daß Don Antonio das Verbrechen in deinem Heimatlande begangen hat, wo man jenes starre Gesetz nicht kennt, sondern einzig und allein nach den Worten des Herrn, unseres Gottes handelt, der da spricht: die Rache ist mein, ich will vergelten ... Also ziehet Eures Weges, Don Antonio, und möge Gott dereinst Euch gnädig sein.«

»Was!« – schrie der rachsüchtige Josef, »der Elende soll frei ausgehen?« Mit diesen Worten wollte er auf den starr vor sich hinblickenden Spanier zustürzen, allein des Canadiers Hand hielt ihn heftig zurück, während er selbst ausrief:

»Josef ... wir Beide haben während unseres Lebens in der Wüste vergessen, daß wir Christen, und keine Heiden sind. Laß dieses edle Beispiel, das mein Herzensfabian uns giebt, nicht wirkungslos an Dir vorübergehen. Sei ein Christ, mein alter Freund, und unterdrücke die zornige Leidenschaft in Deinem Herzen.«

Die Augen Josefs blickten finster, die mahnenden Worte des Canadiers waren aber trotzdem nicht spurlos verhallt, denn er wandte sich von Don Antonio ab und murmelte: »Nun wohl, so mag der Teufel selbst seine Seele holen!« Und als ob dieser Ausspruch augenblicklich in Erfüllung gehen sollte, erdröhnte von der Seite der Bucht her ein Schuß, welcher den spanischen Edelmann sofort zu Boden streckte. Ein kurzer Schrei entrang sich seinen Lippen, dann zeigten seine gebrochenen Augen, daß das Leben aus seinem Körper entflohen sei. Die drei Freunde aber standen tief erschüttert da und dachten nicht daran, dem unsichtbaren Schützen nachzuspüren, der sich zu Don Antonio's Richter aufgeworfen hatte. Es war dies auch nicht nothwendig, da Diaz, welcher in einiger Entfernung sein Pferd hatte anhalten lassen und so der Zeuge aller Vorgänge geworden war, auf das Bestimmteste wußte, daß die heimtückische Kugel von dem nicht minder heimtückischen Cuchillo herrührte. Der Mejikaner hatte den Schurken am jenseitigen Ufer hinschlüpfen und dann feuern sehen. Langsamen Schrittes, den Zügel seines Pferdes um den Arm geschlungen, näherte sich der ehrliche Pedro den drei Jägern, indem er einen tiefernsten Blick auf den in seinem Blute schwimmenden Antonio warf.

»Wir sind im Hafen gescheitert,« begann er im Tone bitteren Schmerzes, »und zwar einzig und allein durch die Schuld jenes Verräthers, der den Grafen von Mediana aus dem Hinterhalt erschossen hat.«

»Was meinen Sie damit?« rief Fabian. »Sollte Cuchillo ...«

»Dieser Verräther,« vollendete Diaz, indem er mit dem Kopfe nickte, »der auch Sie zweimal zu ermorden suchte, war unser Führer auf dem Weg nach dem Goldthal.«

»So hat also Cuchillo Ihnen das Geheimniß verkauft?«

»Der arme Don Antonio,« fuhr Diaz fort, »theilte mir erst vor Kurzem mit, auf welche Weise Cuchillo das Vorhandensein des Schatzes und den Ort, der ihn birgt, erfahren hatte. Der Bandit mordete seinen Gefährten, welcher den Schatz zuerst entdeckt gehabt.«

»So waren meine Ahnungen also doch richtig,« seufzte Fabian, »jetzt nur noch eine Frage, Señor: besitzt Cuchillo den Schimmel, welcher mit dem linken Vorderfuße strauchelt, schon lange?«

»Ueber zwei Jahre, wie er mir gesagt,« entgegnete Pedro Diaz und schnallte den Sattelgurt seines Pferdes fester, das er hierauf bestieg.

Rosenholz ergriff jetzt die Hand des Abenteurers und sagte: »Ich sehe Sie ungern scheiden; erstens, weil ich Sie in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft liebgewonnen habe, und sodann, weil ich in Ihnen, dem erbitterten Feinde der Indianer, einen Kameraden gefunden, dessen Gesellschaft ich hoch geschätzt hätte.«

»Meine Pflicht ruft mich in das Lager zurück, das wir leider verlassen haben,« entgegnete Diaz, »indessen nehmen Sie die Versicherung, daß ich Ihre und Don Fabians edelmüthige Handlungsweise nie vergessen und Niemandem jene Reichthümer entdecken werde, welche das Goldthal birgt.«

»Thun Sie das Letztere immerhin,« sagte Fabian mit einem wehmüthigen Lächeln, »denn ich mag dieses Gold nicht, an welchem schon jetzt, wo noch keine sterbliche Hand es berührt hat, mehr Blut klebt, als jemals die das Thal überschwemmenden Flüsse abwaschen können. Ich bin fest entschlossen, bei meinen beiden Freunden zu bleiben und mein Leben in der Wüste zu beschließen; der falsche Glanz der Städte, der aus dem Menschen ein habgieriges Unthier macht, widert mich an und die freie, unendliche Wüste soll fortan meine Heimath sein.«

»Fabian ... Herzenskind!« rief der alte Canadier mit gurgelnder Stimme und feuchtem Auge, »durch dieses Wort machst Du mich überglücklich und so lange das närrische Herz da drinnen in der Brust schlägt, will ich Dich schirmen, wie nur ein liebender Vater sein Kind zu schirmen vermag. Komm her, Du meine Welt, hier sind ein paar offene Arme, fülle sie aus!«

Der Jüngling sank an die Brust des treuen alten Mannes und beide hielten sich innig umschlungen. Nicht ohne Rührung blickte der ehrliche Diaz auf diese Gruppe, und es war, als ob seine Lippen einen Segenswunsch flüsterten; er wandte schnell sein Pferd und sprengte davon.

In nicht allzu weiter Entfernung folgte ihm jedoch ein Reitersmann; es war Cuchillo, der nach dem Schusse von Neuem sein Versteck in der Bucht aufgesucht und das Gespräch zwischen Diaz und Fabian vernommen hatte. Ein tödtlicher Haß gegen den Mexikaner erfüllte sein schurkisches Herz und er schmiedete einen seinem teuflischen Charakter würdigen Plan, der darin bestand, Diaz zu folgen und ihn unterwegs zu erschießen; er glaubte dadurch zwei Fliegen auf einen Schlag zu tödten, indem er einen Feind weniger hatte und sicher sein konnte, nicht von den Mannschaften Don Antonio's im Goldthale überrascht zu werden. Was die drei Jäger anlangte, so gedachte er sie gleichfalls mit Hilfe seiner Büchse gelegentlich aus dem Leben zu schaffen.


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