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Verfolgung

Es war am Nachmittag des vorigen Tages, als den Ufern des Rio Gila ein Reiter folgte, der den Boden mit aufmerksamen Blicken musterte Der Mann war von nervigen Körperformen, trug eine feine Saltillo-Sarape, Gamaschen von scharlachrotem Tuch und Mokassins von außerordentlich kunstreicher Arbeit. Sein Kopf war mit einer Art Turban bedeckt, durch den sich die glänzende Haut einer Klapperschlange wand.

Von Zeit zu Zeit blieb er halten und stieg auch wohl vom Pferd, wenn er im Zweifel war, ob er sich noch auf der richtigen Fährte befand. Es mußten zwei Männer sein, denen er folgte, denn wenn sich ihre Spur einmal dem Fluß näherte, so ließen sich in dem feuchter werdenden Boden zweifellos die Eindrücke von zwei Paaren verschiedener Füße erkennen.

Auf einmal blieb er überrascht halten. Die Spur wurde von der Seite her von den Huftritten eines Pferdes gekreuzt, das nach dem Fluß zu gelenkt worden war. Der Reiter überlegte, welcher Fährte er folgen sollte. Er war, wie man auf den ersten Blick sehen mußte, ein Komantsche und mußte einen ungewöhnlichen Mut besitzen, sich so allein mitten in das Jagdgebiet der ärgsten Feinde seines Stammes, der Apatschen, zu wagen.

Nach kurzem Nachdenken harte er sich entschlossen und lenkte auf den Fluß zu. An einer Stelle des Ufers hatte der Reiter sein Pferd abgesattelt und in den Fluß getrieben. Es mußte sehr ermüdet oder auch wohl krank gewesen sein. Dann war er in Richtung der Spuren der zwei Männer wieder davongeritten.

Das Gras, auf das der Sattel abgelegt worden war, lag noch tief niedergedrückt, und da, wo das Wasser den Schlamm des Ufers wusch, stand es noch schmutzig gelb in den Hufeindrücken des Pferdes. Dieses hatte den Fluß jedenfalls erst vor kaum fünf Minuten verlassen.

Der Komantsche gab seinem Tier die Sporen und beugte sich weit nach vorn nieder, um die Fährte während des sausenden Galopps nicht zu verlieren. Sie führte vom Strom wieder ab, und noch war er nicht lange geritten, so sah er den Verfolgten vor sich.

Dieser bemerkte ihn, schien aber hier mitten in der Apacheria keine Veranlassung zur Besorgnis zu kennen und hielt sein Pferd an. Erst als ihm der Verfolger so nahe gekommen war, daß er die Malereien auf seinem Gesicht erkennen konnte, wandte er sich und trieb sein Pferd zur schleunigen Flucht an.

Es war sehr mitgenommen und hinkte.

»Hund, Schakal, Kröte!« rief der Komantsche hinter ihm. »Der Apatsche fürchtet in seinem eigenen Land den Komantschen. Die Angst hat ihm das Herz zerfressen. Er kann nur Pferde rauben und fliehen!«

Er machte Miene, die mit silbernen Nägeln beschlagene Büchse von der Schulter zu nehmen, besann sich aber anders. Auf feindlichem Gebiet konnte ein lauter Schuß sein Verderben sein. So wickelte er den Lasso los, befestigte das obere Ende am Sattelknopf und wirbelte es dann mit der Rechten in langen Schlingen über dem Kopf.

»Wollen die Füße des Kojoten nicht stehenbleiben? Falkenauge, der Komantsche, will mit ihm sprechen!«

Auch dieser Zuruf brachte den Apatschen nicht zur Gegenwehr. Sein Pferd konnte sich mit dem seines Verfolgers in keiner Weise messen; schon war es ihm nur noch um wenige Längen voraus.

»Der feige Molch ist der einzige Pferdedieb, der Falkenauge entkommen ist, aber auch er wird ihm seinen Skalp geben und Schwarzvogel nicht erzählen von der ›starken Eiche‹, die der Hauch des Komantschen umgeworfen hat.«

Der Lasso pfiff durch die Luft und legte sich um den Oberkörper des Apatschen. Falkenauge nahm sein Pferd in die Zügel, riß es herum, und sofort flog der Verfolgte vom Pferde. Mit einem schnellen Sprung stand der Komantsche neben ihm und stieß ihm das Messer bis an das Heft in die Brust.

Dann faßte er das Haar des Getöteten mit der Linken und zog es scharf an – drei kurze, scharfe Schnitte, ein schneller, kräftiger Ruck – der Skalp war gelöst.

Nachdem er ihn vom Blut gereinigt hatte, hängte er ihn an den Gürtel; dann stieg er wieder auf und lenkte sein Pferd nach rechts hinüber, um die verlassene Doppelspur wieder aufzusuchen. Hätte El Mestizo nicht bereits Schwarzvogel Nachricht gebracht von dem Untergang der Schar der ›starken Eiche‹, so wäre dem Häuptling wohl kaum eine Kunde über ihr Schicksal zu Ohren gekommen, denn auch der letzte dieser Schar war jetzt, so nahe dem Ziel, unter der Hand Falkenauges gefallen.

Dieser fand die Spur bald wieder und folgte ihr bis zum Einbruch der Dunkelheit. Dann mußte er die Verfolgung aufgeben und ritt nach dem Fluß hinüber, um hier, wo das Pferd Futter und Tränke fand, das Nachtlager aufzuschlagen. Ein Feuer durfte er allerdings nicht anbrennen, solange er sich im Gebiet der Feinde befand.

Er hatte sich in die Satteldecke seines Pferdes gewickelt und ließ seine Gedanken zurückschweifen nach dem heimatlichen Wigwam, wo Mo-la weilte, die er liebte und um deretwillen er das große Wagnis unternommen hatte, die Skalpe Schwarzvogels und der beiden Wüstenräuber aus der Apacheria zu holen.

Da vernahm er das Dröhnen ferner Schüsse. Er horchte auf. Die Art und Weise des Schalls überzeugte ihn, daß ein jedenfalls sehr ernstes Gefecht stattfand. Er sprang auf, sattelte sein Pferd und ritt dem Büchsendonner entgegen.

Der Kampf währte nicht lange. Falkenauge näherte sich dem Schauplatz, als das Gemetzel bereits sein Ende erreichte. Die Wagenburg war in Brand gesteckt worden und das Feuer erleuchtete weithin die Ebene. Dennoch aber beschloß er, das Gelände möglichst genau zu erkunden. Er war überzeugt, daß die Apatschen die Expedition der Bleichgesichter vernichtet hatten. Ihr Tatendurst mußte dadurch erweckt worden sein, und vielleicht entschlossen sie sich schon heute im Siegesrausch zu einem Unternehmen, dessen Kenntnis ihm von Nutzen sein konnte. Er wußte, daß Mano-Sangriento und El Mestizo bereits zu ihnen gestoßen sein mußten, denn die verfolgte Spur hatte gerade auf den Kampfplatz zugeführt. Das war ein weiterer Grund für ihn, dieses Zusammentreffen möglichst zu belauschen oder wenigstens zu beobachten.

Zwischen zwei felsigen Bodenwellen, die durch ihre gegeneinander geneigten, scharfen Seiten eine kleine Schlucht bildeten, pflockte er sein Pferd an und schritt dem Schauplatz des Blutvergießens zu.

Im Bereich des Feuerscheins angekommen, wußte er sich mit der den Indianern eigenen Gewandtheit selbst hier unsichtbar zu halten. Er vermied die hellen, über die Ebene hinflackernden Lichtstreifen und hielt sich in den dunklen Schatten, die die Gestalten und Umrisse der brennenden Gegenstände in huschenden Wolken auf die Steppe zeichneten.

Er sah Baraja am Baum stehen und El Mestizo mit dem Häuptling verhandeln. Wo war Mano-Sangriento? Er sah dann den Mestizen mit den zwölf Indianern abziehen und folgte ihnen so weit, bis er sich über ihre Richtung im klaren war. Hierbei hatte er auch den Vater des Mestizen bemerkt und sich so weit in die Nähe der Apatschen geschlichen, daß einige ihrer Worte in sein Ohr gedrungen waren, die ihm sagten, daß sie nach den Nebelbergen wollten, um drei weiße Jäger zu überfallen.

Wer waren diese Bleichgesichter? Es konnten nur Feinde der Apatschen und also Freunde der Komantschen sein. Waren es vielleicht gar die drei berühmten Bleichgesichter, von denen Encinas während des Rittes von Tubac nach der Savanne gesprochen hatte? Er hätte sie gern gewarnt, aber er kannte die Nebelberge nicht und hätte die Männer vor der Ankunft der Apatschen unmöglich finden können.

Während er an all dieses dachte, war El Mestizo mit den Indianern im Dunkel verschwunden. Da regte sich etwas unter den nahen Bäumen, und eine Minute später galoppierte ein Pferd von dannen. Der Reiter hatte die Apatschen und ihren weißen Führer auch belauscht. Er konnte nur ein Feind von ihnen sein, sonst hätte er sich nicht vor ihnen verborgen gehalten, und da er in fast derselben Richtung mit ihnen fortsprengte, so war zu vermuten, daß auch er die Absicht hatte, die Weißen zu warnen.

Falkenauge schritt zurück in der Absicht, ihnen allen jedenfalls zu folgen, und kam gerade zur rechten Zeit in der Nähe des Kampfplatzes wieder an, um den Abzug der Apatschen zu beobachten.

Auch ihnen folgte er. Sie schlugen die Richtung nach dem Fluß ein. Ihre Bewegungen verursachten soviel Geräusch und in ihrem Siegesübermut verhielten sie sich so laut, daß es ihm leicht wurde, stets hinter ihnen zu bleiben. Am Fluß angekommen, teilten sie sich. Der Haupttrupp traf Vorbereitungen, sich einzuschiffen, und Falkenauge erlauschte dabei zweierlei, nämlich daß Schwarzvogel von dem ›großen Adler‹ verwundet worden war und daß der Zug nach dem Büffelsee ging.

Der andere Trupp, der aus zehn Kriegern und ihrem Anführer Antilope bestand, wandte sich stromaufwärts. Auch ihm schlich Falkenauge nach, um zu erfahren, was diese Leute beabsichtigten. Sie wollten bei Anbruch des Tages die Spuren des ›großen Adlers‹, des ›zündenden Blitzes‹ und des ›Panthers des Südens‹ verfolgen.

Jetzt wußte er genug. Die drei Bleichgesichter in den Nebelbergen waren sicher die ›Häuptlinge der Wälder‹ mit Tiburcio, dem großen Pfadfinder. Vom Haupttrupp der Apatschen war für sie nichts zu befürchten, und ehe die elf anderen ihre Spur fanden, mußten sie gewarnt sein. Soviel aber war klar: El Mestizo und seine Begleiter konnten nicht wissen, wer die drei Weißen waren, die sie in den Nebelbergen aufsuchten, sonst hätte man nicht eine besondere Abteilung geschickt.

Er kehrte zu seinem Pferd zurück, das er erst nach längerer Zeit erreichte, da er bis zur Schlucht einen nicht unbedeutenden Weg zurückzulegen hatte. Zur Nachtruhe war jetzt keine Zeit. Er mußte nach den Nebelbergen, deren Richtung er ungefähr kannte. So stieg er auf und ritt in die Dunkelheit hinein.

Das Gelände stieg langsam und allmählich empor, und als er der Richtung, die El Mestizo eingeschlagen hatte, lange genug gefolgt war, sah er trotz der Finsternis eine dunkle Masse vor sich aufsteigen, in der er die Nebelberge vermutete. Er befand sich, ohne es zu wissen, so nahe an der Pyramide, daß er nur noch wenige Schritte zu reiten brauchte, um auf die Leiche des Pferdes zu stoßen, das der Kanadier unter Diaz und Don Esteban erschossen hatte, und somit den acht Apatschen in die Hände zu fallen, die El Mestizo als Wachen über die Ebene verteilt hatte.

Sobald er jedoch die dunkle Gruppe der Berge vor sich sah, ahnte er ein solches Zusammentreffen und lenkte seitwärts auf die Ebene hinaus, um die Berge zu umreiten und an ihrer nördlichen Abdachung zu betreten. Aber es war Nacht, und so konnte er seinen Weg unmöglich vor Anbruch des Tages fortsetzen. Er hobbelte daher sein Pferd an und legte sich zur Ruhe nieder.

So groß waren die körperlichen Anstrengungen gewesen, daß er erst erwachte, als bereits die Sonne den vierten Teil ihres Tageslaufes zurückgelegt hatte. Er sprang auf und bestieg sein Pferd.

Noch weiter in die Steppe hinausreitend, bog er in weitem Halbkreis, die Nebelberge immer zur Linken, um diese herum und gelangte so an den rechten Arm des Rio Gila. Er befand sich nun auf der Mitternachtsseite des Gebirges und wollte schon auf die Berge zulenken, als er auf dem Boden die Fährte zweier Reiter wahrnahm. Seine eigene Sicherheit gebot ihm, ihr unverzüglich zu folgen.

Auch sie führte nach den Bergen. Die niedergetretenen Halme hatten sich zwar bereits wieder erhoben, aber dennoch konnte sie kaum älter als eine Stunde sein.

Die Berge traten näher und näher. Die im Südosten stehende Sonne warf ihre Strahlen zwischen den einzelnen Felskanzeln hindurch und schmückte die Ostseiten mit goldenen Farben, von denen sich die düsteren Schatten der nördlichen Seite scharf abhoben. Oben an den Spitzen der Riesen aber hingen noch die Nebel, von denen sie ihren Namen hatten. Nur einige hundert Pferdesprünge weit von sich bemerkte der Komantsche nun zwei Menschen, von denen wenigstens der eine auch seinem Kommen mit Erwartung entgegensah. Er hatte sie bisher nicht sehen können, weil eine der zahlreichen Bodenwellen zwischen ihm und ihnen gelegen hatte.

Der erste von ihnen saß auf einem Feldstuhl, der zusammengelegt einen Gehstock bildete, vor einer Staffelei, die auch zusammengeschlagen werden konnte und dann einen nur sehr geringen Raum beanspruchte. Er war ganz in einen grau und blau gewürfelten Tuchstoff gekleidet und trug einen breitrandigen Panamahut tief hinten im Nacken. Seine Augen, die alle Augenblicke von den Bergen zur Staffelei und wieder zurück wanderten, waren mit einer großen, kreisglasigen, goldenen Brille bewaffnet, und seine Rechte, die den grauen Glacéhandschuh gerade abgelegt hatte, führte den Stift mit einer Sorglosigkeit, als befinde er sich im Atelier eines Malers in der Regent-Street zu London. Der Mann war jedenfalls einer jener englischen Sonderlinge, die sich im Vertrauen auf die Macht ihrer Regierung mit ihrem Spleen und all ihren Eigentümlichkeiten in die verborgensten Winkel selbst der entlegensten Länder wagen.

Der zweite, der das Nahen des Komantschen bemerkte, war von Kopf bis Fuß ganz in gegerbte Damhirschhaut gekleidet, die man in Mexiko Gamuza nennt, trug einen leichten, vielfach zerknitterten Filzhut auf dem Kopf und hatte nach Art der nordamerikanischen Trapper eine ganze Ausrüstung von nötigen Gegenständen an seinem Gürtel hängen. Die langrohrige Büchse in der Hand, betrachtete er den Nahenden mit scharfem Auge, und sagte dann, ohne sich nach dem Zeichner umzusehen:

»Sir William!«

»Master Wilson!«

»Es kommt ein Indianer!«

»Geht mich nichts an!«

»Es kann ein Feind sein!«

»Geht mich nichts an!«

»Aber es ist sehr wahrscheinlich, daß ein Kampf entsteht!«

»Geht mich nichts an! Ich bin in die Savanne gegangen, um zu zeichnen und den berühmten ›Renner der Prärie‹ zu fangen. Wir haben Kontrakt miteinander gemacht, nach dem Ihr Euren Lohn erhaltet und mich dafür vor allen leiblichen Gefahren zu behüten und bewahren habt. Der Rote ist also Eure Sache!«

»Aber ich kann Euch nur dann beschützen, Sir William, wenn Ihr meiner Leitung folgt!«

»Geht mich nichts an!«

»Der Kontrakt verpflichtet mich allerdings, die Gefahr auf mich zu nehmen, aber wenn ich ihr erliege, so seid auch Ihr verloren!«

»Geht mich nichts an!«

»Oh, es ist kein Feind, sondern ein Komantsche! Ihr könnt ruhig weiterzeichnen, Sir!«

»Das hätte ich auf jeden Fall getan«, antwortete der Engländer, während er mit der Linken die Enden seines Bartes streichelte und mit der Rechten den Stift in ruhiger Sorglosigkeit über das aufgespannte Papier führte.

Auch der Komantsche hatte, sich langsam nähernd, seine Büchse ergriffen. Er erkannte, daß es keine Apatschen, sondern zwei Bleichgesichter waren, von denen er wohl nichts zu befürchten hatte.

»Halt!« rief Wilson nun in jenem Kauderwelsch, das zwischen Indianern und Mexikanern überall geläufig ist. »Was tut der rote Mann hier auf dem Jagdgebiet seiner Feinde?«

»Ist mein weißer Bruder ein Freund der Apatschen?«

»Er ist ein Freund aller, die ihn ruhig ziehen lassen, und ein Feind aller derer, die seine Kugel schmecken wollen.«

»Wird er den Apatschen erzählen, daß er einen Sohn der Komantschen gesehen hat?«

»Er wird schweigen.«

»Dann wird mein weißer Bruder seinen Skalp behalten«, erklang die stolze Antwort, während der Indianer sein Pferd näher trieb.

Ein beinahe geringschätziges Lächeln glitt über die verwetterten Züge Wilsons.

»Oho! Ist mein roter Bruder ein so großer Krieger? Hundert Komantschen und zweihundert Apatschen würden sich vergebens bemühen, mein Haar zu erhalten.«

»Dann ist das Bleichgesicht ein Liebling des guten Geistes, denn Falkenauge bekommt den Skalp eines jeden Mannes, wenn er ihn haben will!«

»Falkenauge?« Der verächtliche Zug verschwand und machte einem Ausdruck der Freude Platz. »Ich habe von Falkenauge, dem Komantschen, vernommen; er hat ein treues Auge, ein mutiges Herz und einen starken Arm. Was tut er in der Apacheria?«

»Er will die Skalpe von Schwarzvogel, dem feigen Häuptling der Apatschen, und das Fell der ›Teufel der Savanne‹, die dort in den Bergen sind.«

»Die ›Teufel der Savanne‹? Sang-mêlé und Main-rouge? Sind diese Schurken hier?«

»Sie sind in den Nebelbergen, um den ›großen Adler‹, den ›zündenden Blitz‹ und Tiburcio, den Pfadfinder, zu töten.«

»Alle Wetter, die ›Herren der Wälder und Prärien‹ sind in diesem verteufelten Lande? Ich muß sie sehen und ihnen beistehen! Sir William!«

»Master Wilson!«

»Erlaubt, daß ich Euch hier Falkenauge, den tapfersten Komantschen vorstelle!«

»Geht mich nichts an! Ich habe zu zeichnen!«

»Es sind drei berühmte Männer in den Bergen, die von zwei ebenso berüchtigten Schuften verfolgt werden.«

»Geht mich nichts an!«

Der sonderbare Mann hatte sich noch nicht umgedreht, um ein Auge auf den Indianer zu werfen. Er zeichnete mit der größten Seelenruhe weiter.

»Wir müssen sie retten!« drängte der nordamerikanische Westmann, der es unternommen hatte, diesen Sonderling durch die Savanne zu führen und vor allen Gefahren zu bewahren.

»Sie sind drei gegen zwei und brauchen keine Hilfe.«

»Aber ich möchte sie kennenlernen!«

»Geht mich nichts an! Wenn dieses Bild fertig ist, reiten wir weiter nach dem Rio Gila zu, wohin sich der ›Renner der Prärie‹ gewandt haben soll. Basta!«

»Schenkt mir nur einige Sekunden, Sir William!«

»Geht nicht. Ich halte mich genau an unseren Kontrakt; darin steht nichts von drei berühmten und zwei berüchtigten Männern, die Ihr kennenlernen müßt!«

Der Westmann gab seinen Versuch auf.

»Mein roter Bruder sage dem ›großen Adler‹, wenn er mit ihm spricht, daß Wilson, der Montanamann, ihn grüßen läßt!«

»Falkenauge wird ihm den Namen nennen, den seine Ohren hörten. Bleibt mein Bruder mit diesem seltsamen Mann lange hier?«

»Vielleicht!«

»So halte er die Büchse bereit. Die ›Teufel der Savanne‹ haben zwölf Apatschen bei sich, und elf andere rote Schakale werden vom Fluß kommen, um sich mit ihnen zu vereinigen.«

»Wo hat der Stamm Schwarzvogels sein Lager?«

»Er führt keine Zelte mit sich. Eine Schar Bleichgesichter ging in die Nebelberge, um Gold zu suchen; Schwarzvogel hat sie alle vernichtet, als die Sonne im Westen schlief, und ist dann mit seinen Kriegern nach dem Büffelsee.«

»Was tut er dort?«

»Er will die Herden und Skalpe der Bleichgesichter holen.«

»Wird ihm mein roter Bruder folgen?«

»Falkenauge wird suchen den ›großen Adler‹, bei dem der Pfadfinder ist, der nach dem Büffelsee gehen wird, wenn er hört, daß Schwarzvogel dort seine weißen Freunde töten will. Falkenauge wird ihn begleiten.«

Das Gesicht Wilsons hellte sich auf.

»So werden die ›Herren der Wälder‹ auch nach dem Büffelsee gehen?«

»Falkenauge denkt es!«

»So wird mein roter Bruder auch mich dort treffen«, versprach er halblaut und in der für den Engländer wohl unverständlichen halbindianischen Mundart. Und lauter fügte er hinzu: »Kennt Falkenauge den Mustang, den man den ›Renner der Prärie‹ nennt?«

»Falkenauge hat von ihm gehört. Es ist ein Schimmelhengst, den keine Hand zu fangen vermag. Seine Augen sprühen Feuer, seine Nüstern blasen Dampf, seine Mähne schleift zur Erde, und seine Hufe schlagen Funken aus dem Felsen. Er ist schöner noch als die junge Squaw im Wigwam des Indianers und schneller als der Sturm zwischen den Bergen. Er kommt wie der Gedanke und ist verschwunden wie der Strahl des Blitzes, dem kein Auge zu folgen vermag.«

»Man sah den Hengst in den Ebenen gegen Mittag.«

»So wird er nach den Ufern des Rio Gila und an den Büffelsee gehen, wo im Schatten des Waldes der Mustang lieber trinkt als am offenen Ufer des Flusses.«

»Sir William!«

»Master Wilson!«

»Dieser Komantsche will zum Büffelsee –«

»Geht mich nichts an!«

»Er wird dort etwas höchst Seltenes und Kostbares finden.«

»Geht mich nichts an!«

»Nämlich den ›Renner der Prärie‹, der zum Rio Gila kommen wird.«

Im selben Augenblick war der Engländer von seinem Stuhl auf, drehte sich herum, faßte die goldene Brille mit Daumen und Zeigefinger der Linken und betrachtete den Indianer mit Blicken, aus denen ein immer größeres Wohlgefallen sprach.

»Well, Master Wilson, fragt ihn, ob das auch wahr ist!«

»Er hat es mir soeben versichert.«

»Ist ihm zu glauben?«

»Ohne Zweifel! Er ist der berühmteste, tapferste und aufrichtigste Komantsche, den die Savanne trägt.«

»Gut, wir gehen direkt von hier nach dem Büffelsee!«

»Und Eure Zeichnung?«

»Wird gleich fertig sein!«

Er sah Falkenauge noch einmal scharf an. Die schöne, wild-elegante Erscheinung, die dieser mit seinem prachtvollen Pferd bildete, äußerte auf seinen künstlerischen Sinn eine unwiderstehliche Anziehungskraft.

»Master Wilson, fragt ihn, ob ich sein Bild malen darf!«

Der Westmann wandte sich zu dem Komantschen, der sein Pferd bis vor die Staffelei getrieben hatte und mit erstaunten Blicken die darauf befestigte Zeichnung mit den vor ihm ausgebreiteten Höhen der Nebelberge verglich.

»Was sieht mein roter Bruder?«

»Der weiße Mann ist ein großer Zauberer. Kann er etwa auch die Gestalt eines Menschen festhalten, daß sie nicht stirbt?«

»Soll er diejenige meines roten Bruders festhalten?«

»Wer wird sie bekommen?«

»Er wird sie zweimal festhalten und einmal wird sie mein Bruder erhalten. Er kann sie mit in sein Wigwam nehmen und sie der Squaw seines Herzens schenken.«

Falkenauges Augen leuchteten auf.

»Er mag die große Medizin beginnen!«

»Was sagt Falkenauge dazu?« fragte der Engländer.

»Er sagt ja, unter der Bedingung, daß auch er ein Bild bekomme.«

»Er soll es haben! Stellt ihn mit dem Pferd so, daß ich ihn rechts vor der Sonne habe!«

Wilson ergriff das Pferd des Komantschen beim Zügel und gab ihm die Stellung, die dem Wunsch des Engländers entsprach. Falkenauge rückte sich in die stolzeste Haltung, die ihm möglich war; William steckte neues Papier auf, ergriff den Stift – und die sonderbare Sitzung begann, mitten in der Apacheria und umgeben von den Gefahren der furchtbaren Steppe.

Das erste Bild steckte der Engländer in seine Mappe, jedoch das zweite erhielt der Komantsche. Er berührte das Papier mit den Fingerspitzen und betrachtete das Bild mit einer Scheu und doch zugleich mit einem Entzücken, als halte er das höchste Gut der zeitlichen und ewigen Jagdgründe in den Händen.

»Uff!« machte er in tiefem Kehllaut seinem Herzen Luft. »Das ist Falkenauge, der Komantsche, und«, so setzte er im stillen hinzu, »Mo-la, die Blume der Savanne, wird ihn bekommen!«

Er stieg ab, löste den Sattel und befestigte das Bild zwischen diesem und der Schabrake in der Weise, daß es keinen Schaden leiden konnte.

Der Engländer hatte sich bereits wieder mit der Vollendung seiner Landschaft beschäftigt und zeigte für alles andere keine Aufmerksamkeit.

»Wann wird mein weißer Bruder beim Büffelsee sein?«

»Das wissen wir jetzt noch nicht«, antwortete Wilson.

»Kennt mein Bruder die Büffelinsel?«

»Ich habe sie noch nicht gesehen, denn meine Heimat liegt vom Lande der Komantschen viele Tagereisen nach Mitternacht. Aber ich werde sie finden, wenn es notwendig ist, daß ich sie suche.«

»Die Pferde meines Bruders sind jung und kräftig; wenn er jetzt fortreitet, wird er dort sein, ehe sich die Sonne zum zweitenmal senkt. Er wird unterwegs viele Inseln zählen; wenn er die siebente erreicht, so sieht er die Büffelinsel. Dort warten zehn Krieger der Komantschen auf Falkenauge. Mein Bruder sage ihnen, daß die Apatschen kommen und hinter ihnen der Komantsche mit den ›Häuptlingen der Wälder‹.«

»Werden die Apatschen nicht eher dort sein als ich?«

»Nein. Sie müssen in ihren Kanus den großen Bogen des Rio Gila folgen, mein Bruder aber hat zwei schnelle Pferde. Die Söhne der Komantschen mögen die Hunde der Apatschen vorüberlassen und sich ihnen nicht zeigen.«

»Ich werde ihnen diese Botschaft ausrichten.«

Falkenauge zog das Messer und schnitt einen der kunstvoll aus Stachelschweinsborsten gearbeiteten Knöpfe von seinen Gamaschen.

»Mein Bruder zeige ihnen diese Eichel, und sie werden wissen, daß er ein Freund Falkenauges ist!« Er bestieg sein Pferd.

»Der Komantsche sagt Dank seinen weißen Brüdern für die große Medizin, die sie ihm gegeben haben. Er wird ihnen seinen Arm leihen in jeder Not und Gefahr!«

Im kurzen Galopp ritt er davon, den Bergen zu. Aber, schon an ihrem Fuß angekommen, hielt er plötzlich sein Pferd an. Er hatte weit unten und gegenüber der ersten Bergeskanzel einige dunkle Punkte bemerkt, die sich zu bewegen schienen. Waren es Menschen oder Tiere? Er mußte es wissen und ritt furchtlos, doch die Büchse schußfertig in der Hand, auf sie zu.

Je näher er kam, desto deutlicher erkannte er sie. Es waren fünf Apatschen. Sie mußten zu den elf Indianern gehören, die abgeschickt waren, die Spuren der ›Häuptlinge der Wälder‹ zu suchen. Jedenfalls hatte sich der Trupp geteilt. Sechs Indianer waren diesen Spuren direkt gefolgt und fünf umgingen die Berge, um die Weißen von hinten zu nehmen.

»Diese Apatschenhunde werden sehen und überfallen Wilson, den Montanamann, und das Bleichgesicht mit vier Augen. Aber Falkenauge wird seine weißen Brüder erretten und die Kojoten zwingen, ihm zu folgen.«

Die Zeichnung, die der Lord angefertigt hatte, wurde schon jetzt durch diesen Edelmut bezahlt, mit dem der Komantsche beschloß, die Apatschen von ihrer Richtung abzulenken.

Er nahm sein Pferd kurz und jagte, den Bauch seines Tieres beinahe an der Erde, auf sie zu. Sie hatten ihn ebenso gut bemerkt wie er sie und erhoben ein fürchterliches Geheul, als sie in ihm einen Komantschen erkannten.

Fünf Büchsen richteten sich auf ihn und fünf Schüsse krachten, aber keiner traf, da er sich, einen Bogen schlagend, jetzt noch außer Schußweite hielt. Aber ehe noch einer der Feinde wieder laden konnte, riß er sein Pferd herum, flog auf sie zu und feuerte. Der zweite stürzte tot vom Pferd. Falkenauge warf die Büchse über und nahm den Tomahawk zur Hand.

»Hier ist Falkenauge, der Komantsche!« dröhnte seine siegesfreudige Stimme.

In vollem Lauf schoß sein Tier auf das Pferd des ersten, ihm am nächsten haltenden Apatschen zu. Brust an Brust prallten sie zusammen. Es war ein kühnes Indianerstück, – und es gelang. Das Tier des Apatschen stürzte auf die Hinterschenkel und im selben Augenblick knirschte der hoch geschwungene Tomahawk seinem Reiter tief in den Schädel.

Auch das Pferd des Komantschen war unter dem Zusammenstoß erschüttert worden; er aber saß fest, zog es empor und herum und jagte von dannen, von den drei anderen mit wütendem Geschrei verfolgt.

Im Jagen lud er wieder. Ihre Schüsse hatten ihn gelehrt, daß seine Silberbüchse weiter trug als ihre Gewehre. Als er geladen hatte, wandte er sich um. Auch sie luden. Sofort brachte er sein Tier zum Stehen, zielte und schoß. Das vorderste stürzte. Falkenauge jagte wieder davon und lud. Die zwei Übriggebliebenen folgten ihm. Immer zurückblickend, um die Entfernung zu messen, hielt er sich nur wenige Schritte außerhalb ihres Schußbereichs.

Ein Schuß krachte hinter ihm und noch einer; keiner von beiden traf. Da zog er sein Pferd wieder herum und jagte ihnen gerade entgegen. Mitten im Galopp zielend, schoß er den hintersten vom Pferd, faßte die Büchse beim Lauf und führte im Vorübersprengen von unten herauf einen so fürchterlichen Hieb gegen das Maul des Pferdes, das der vorderste ritt, daß das Tier sich hoch aufbäumte, sich überschlug und den Reiter unter sich begrub.

Zwar sprang es wieder auf, doch ehe der Apatsche sich in die Höhe zu richten vermochte, kniete der Komantsche über ihm und stieß ihm das Messer in die Brust.

Er ganz allein hatte, ohne nur die geringste Verletzung zu erhalten, in zehn Minuten fünf Apatschen besiegt.

Von einem der Toten zum anderen reitend, löste er ihnen die Skalpe, die er an seinem Sattel befestigte. Noch war er mit dem letzten beschäftigt, als er zwei Reiter mit einem Packpferd auf sich zukommen sah. Es war der Engländer mit seinem Westmann.

Beide erkannten ihn und kamen ohne Zögern herbei.

»Die weißen Männer haben die Büchsen sprechen hören und sind gekommen, um zu sehen, wer geschossen hat?« fragte Falkenauge.

»So ist es«, antwortete Wilson, während er mit Staunen auf die fünf frischen Skalpe blickte.

»Fünf Hunde der Apatschen wollten ihren Weg zu dem Ort nehmen, an dem sich meine weißen Brüder befanden. Ich habe ihnen die Haare genommen«, äußerte der Komantsche einfach.

Der Lord riß den Mund auf, ergriff die goldene Brille mit Daumen und Zeigefinger der Rechten und meinte:

»Goddam, ein ganzer Kerl, ein Kerl, beinahe wie ein Englishman!«

Dann drehte er sein Pferd herum und ritt davon.

»Sir William!« rief Wilson.

»Master Wilson!« antwortete er.

»Wir müssen uns bedanken!«

»Geht mich nichts an! Unsere Sicherheit und der Dank dafür ist nach dem Kontrakt Eure Sache«, erwiderte der Sonderling, ohne sich nur umzusehen.

»Der Komantsche braucht nicht den Dank seiner weißen Brüder; er braucht nichts als seine Büchse!« sagte Falkenauge stolz.

»Mein roter Bruder ist ein großer Krieger und hat ein gutes Herz. Der Montanamann wird den Komantschen auf der Büffelinsel erzählen von der Tapferkeit ihres kühnen Bruders!«

Er reichte ihm die Hand und folgte dem Engländer.

Die Pferde der Gefallenen hatten das Weite gesucht. Falkenauge ritt auf die Spur zurück, die die Apatschen hinterlassen hatten. Er folgte ihr in größter Eile, denn er hatte viel Zeit verloren und mußte auf die sechs Indianer treffen, noch ehe sie den ›großen Adler‹ erreichten.

Er gelangte bald an die Stelle, an der sich die elf geteilt hatten. Er zählte die Fußeindrücke und fand, daß wirklich sechs sich geradewegs nach den Nebelbergen gewandt hatten. Da von hier an der Boden felsig wurde und die Fährte der Jäger nur schwer aufzufinden gewesen war, hatte der Ritt der sechs wahrscheinlich nicht die gleiche Schnelligkeit erreicht wie der der fünf anderen. Diese hatten das Gebirge umgehen sollen, und vielleicht hatten aus diesem Grunde die sechs eine Rast gehalten, um ihnen die nötige Frist dazu zu geben.

Diese Vermutungen schienen richtig zu sein, denn wirklich erblickte Falkenauge schon nach kurzer Zeit sechs Reiter, die langsam und am Boden suchend, einer hinter dem anderen, vor ihm herritten. Sie schienen die Gegend hinter sich für völlig sicher zu halten, denn keiner von ihnen fand es nötig, sich einmal nach rückwärts umzusehen.

Es war höchste Zeit zum Handeln, wenn es ihm gelingen sollte, sie von den Spuren der Jäger abzubringen.

Er nahm die Büchse herab und spornte sein Pferd an. Es flog im Galopp dahin; in einer Minute schon befand er sich in Schußweite. Da aber hörten sie den Hufschlag hinter sich und drehten sich um.

Gellend ließ er den Kriegsruf der Komantschen erklingen.

Sein Pferd stand; seine Büchse donnerte, die Kugel riß einen der Feinde vom Pferd, und schon jagte der kühne Indianer auf demselben Weg, den er gekommen war, wieder zurück.

Ein Geheul der Wut und Überraschung erscholl hinter ihm, und ein kurzer Blick zurück zeigte ihm, daß sie ihm mit aller Schnelligkeit ihrer Pferde folgten.

Er sprengte, wieder ladend, immer geradeaus auf den Gila zu, schonte aber dabei die Kräfte seines Pferdes, so daß die Apatschen ihm immer näher kamen, jedoch ohne ihn in Treffweite ihrer Büchsen zu bringen. Es lag in seiner Absicht, daß sie ihre Tiere für überlegen halten sollten. Dadurch spornte er ihren Eifer an und zog sie mit um so größerer Sicherheit von den Nebelbergen fort.

Am Fluß angekommen, ließ er sein Pferd wieder ausgreifen. Er folgte dem Ufer und gelangte an die Stelle, der gegenüber die schwimmende Insel gelegen hatte. Auf den ersten Blick sah er, daß hier ein Kampf stattgefunden hatte. Abgeschossene Zweige lagen am Boden, und zahlreiche Spuren von indianischen Mokassins ließen ihn hoffen, daß seine eigene Spur nicht so leicht aufgefunden werden könnte.

Er ließ sein Pferd ins Wasser gehen, nahm Büchse und Pulverhorn hoch und schwamm stromab, den Verfolgern entgegen. Zwar wurde er vom Ufergesträuch genügend verdeckt; dennoch war sein Unternehmen beinahe tollkühn, denn wenn er bemerkt wurde, so befand er sich so gut wie wehrlos in den Händen seiner Verfolger.

Doch diese waren zu eifrig, als daß sie seinen Plan hätten erraten können. Er hörte sie nahen; sie sprengten draußen an den Büschen und an ihm im Galopp vorüber. Sofort brachte er sein Pferd wieder ans Ufer und durchbrach die Büsche. Noch war der letzte nicht so weit fort, daß er ihn nicht mit seiner Kugel hätte erreichen können, da hob er das Gewehr; – eine einzige Sekunde des Zielens –, der Schuß ertönte, und der Apatsche stürzte vom Pferd.

Wieder erklang der Siegesruf der Komantschen; aber schon galoppierte sein Pferd längs des Flusses zurück.

Ein grausiges Wutgeheul brach aus den Kehlen der vier getäuschten Wilden. Sie rissen ihre Pferde herum und jagten, ohne dem Gefallenen nur einen Blick zu schenken, hinter Falkenauge her.

Nachdem Falkenauge wieder geladen hatte, maß er die Entfernung zwischen sich und den Verfolgern. Sie genügte für sein Vorhaben. So sprang er vom Pferd, das sofort wie eine Mauer stand, trat hinter das Tier, so daß ihm der Leib Deckung gewährte, und legte die Mündung der Silberbüchse in die Sattelhöhlung.

Die Apatschen stutzten und zügelten ihre Tiere.

»Falkenauge, der Komantsche«, rief er ihnen entgegen. »Welcher Schakal will ihm den Skalp nehmen?«

Ein nochmaliges Geheul erscholl als Antwort, als sie den Namen des tapfersten Ihrer Feinde vernahmen. Sie sahen ihn außerhalb der Tragweite ihrer Gewehre und glaubten, daß auch sie von seiner Kugel nicht erreicht werden könnten.

»Die Apatschen werden seine Haut abziehen und sein Herz den Geiern zur Speise geben«, rief einer von ihnen. »Ihre tapferen Brüder sind hinter ihm und werden ihn fassen!«

»Die Brüder der Hunde sind tot. Fünf Skalpe hängen am Sattel des Komantschen, und fünf Pferde suchen ihre Reiter hinter den Bergen!«

Sie erkannten die Skalpe und erhoben ein noch furchtbareres Geheul als vorher.

»Der Mörder wird ihnen folgen in das Land der Schatten«, brüllte dann einer und erhob die Büchse.

Der Schuß blitzte auf, aber die Kugel erreichte Falkenauge nicht.

»Die Apatschen sind alte Weiber; sie haben nicht gelernt zu schießen. Der Komantsche wird ihnen zeigen, wie man Hunde trifft!«

Auch seine Büchse donnerte, und der Indianer, der geschossen hatte, stürzte, mitten in die Stirn getroffen, zu Boden.

Wären sie jetzt auf ihn losgesprengt, so hätte er fliehen müssen. Der Grimm aber ließ sie nicht zur ruhigen Überlegung kommen. Sie schossen ihre Büchsen ab, trafen aber ebenfalls nicht.

Das war es, was er beabsichtigt hatte. Im Nu saß er auf und stürmte auf sie los. Mitten im Galopp, traf er den einen der letzten drei Feinde in die Schulter. Die Anstrengung des Ritts und Aufregung des Kampfes hatten sein Blut in Wallung gebracht, so daß er im Reiten nicht mehr sicher zu zielen vermochte.

Die Büchse umkehrend, holte er zum Hieb aus; da aber blieb sein Pferd an einer Wurzel hängen und stürzte; Falkenauges Büchse flog weit fort, und bevor er sich aufzuraffen vermochte, erhielt er einen Schlag auf den Kopf, der ihn betäubte.

Als ihm die Besinnung wiederkehrte, sah er sich an Händen und Füßen gebunden am Boden liegen, und die beiden unversehrten Apatschen waren beschäftigt, den Verwundeten zu verbinden.

»Der Komantsche versteht nicht zu reiten; er ist ein Knabe, der vor dem Roß zittert«, höhnte einer, der sein Erwachen bemerkte. »Die Söhne der Apatschen werden ihre Brüder rächen und ihn martern zwei Sonnen lang!«

Er warf, ohne zu antworten, dem Sprecher einen Blick voller Verachtung zu und schloß dann die Augen. Dennoch aber bemerkte er alles, was um ihn her vorgenommen wurde.

Während der Verwundete zu seiner Bewachung zurückgelassen wurde, bestiegen die beiden anderen ihre Pferde, um die drei Gefallenen herbeizuholen. Da der erste noch im Bereich der Nebelberge lag, so dauerte es lange, bis sie zurückkehrten. Es waren mehrere Stunden verflossen, als sie wieder erschienen, und er schloß daraus, daß sie auch nach den hinter den Bergen Gefallenen gesehen hatten.

Einer der Apatschen warf einen düsteren und doch bewundernden Blick auf den Gefangenen.

»Der Komantsche ist ein Hund, aber ein Hund, der den Panther zerfleischt. Seine Tapferkeit soll durch große Martern geehrt werden!«

Auch jetzt antwortete Falkenauge nicht. Der Apatsche stieß ihn mit dem Fuß an.

»Kann der Hund nicht antworten, wenn Antilope zu ihm spricht?«

»Die Mücke, die sich Antilope nennt, wird Falkenauge nicht stechen. Sie kann keine Marter erfinden, die des Komantschen würdig wäre!« erklang es im verächtlichsten Ton.

»Er soll so viele Schmerzen leiden, daß er heult wie ein altes Weib und vergißt, seinen Todesgesang anzustimmen!«

Mit Hilfe ihrer Messer gruben die Apatschen unter den Weiden des Ufers ein Grab für die drei Toten und legten sie hinein. Dann setzten sie sich am Rand des Grabes nieder und stimmten die Totenklage an, in der sie die Tugenden der Gefallenen rühmten. Da jeder von ihnen einzeln an die Reihe kam, so dauerte diese Feier sehr lange, und als die Grube zugeworfen wurde, war die Dämmerung bereits hereingebrochen.

Nun wurden Äste und dürres Zweigholz gesammelt, um das Lager- und Marterfeuer anzubrennen. Falkenauge beobachtete diese Vorbereitungen mit unerschütterlicher Ruhe. Er fürchtete den Tod nicht, doch spähte er mit Aufbietung all seines Scharfsinns nach einer Gelegenheit, sich zu befreien.

Die beiden Holzhaufen waren errichtet und sollten angebrannt werden; da aber stellten die Apatschen fest, daß ihnen ihre Punks Präriefeuerzeug fehlten. Einer der Toten war damit begraben worden. So befahl Antilope dem anderen unverwundeten Wilden, einen hohlen Baum zu suchen und faulenden Zunder herbeizubringen. Er selbst schnitzte, während dieser sich entfernte, die beiden Holzteile, die ein indianisches Feuerzeug bilden, und saß dabei mit dem Rücken halb zu ›Falkenauge‹ gekehrt.

Jetzt war die einzige Möglichkeit zur Rettung gekommen. Der Komantsche lauschte auf die Schritte des sich Entfernenden und ließ, als sie verklungen waren, noch einige Minuten verstreichen. Dann aber schnellte er sich trotz seiner Fesseln empor, faßte Antilope mit den gebundenen Händen von hinten, riß ihn zu Boden, drückte ihm mit der Last seines Körpers Kopf und Schultern zur Erde und wand ihm das Messer aus der Hand. Das Heft mit den Zähnen erfassend, löste er mit einem einzigen Schnitt die Fesseln seiner Hände, packte den Apatschen mit der Linken bei der Kehle, während er mit der Rechten die Riemen, die seine Füße zusammenhielten, durchschnitt und stieß dann dem Feind das Messer tief in die Brust.

Diese Tat hatte kaum drei Sekunden in Anspruch genommen, so daß weder Antilope noch der Verwundete dazu gekommen waren, einen Laut auszustoßen.

Jetzt sprang der letztere trotz seiner Wunde empor und öffnete schon die Lippen, um den abwesenden Krieger zu warnen, da aber hatte ihm Falkenauge auch schon die Hände um den Hals geklammert und riß ihn zur Erde. Der Indianer verlor den Atem und die Besinnung. Der Komantsche mußte seine Absicht haben, ihn nicht zu töten. Er trat zwischen die Büsche und schlich mit unhörbaren Schritten der Richtung zu, in die sich der letzte Apatsche entfernt hatte. Nach einiger Zeit duckte er sich am Stamm einer Weide nieder, um zu warten.

Es dauerte nicht lange, so hörte er seine eiligen Schritte. Er ließ ihn halb vorüber, faßte ihn dann von hinten und riß ihn nieder.

»Welcher Hund kann Falkenauge martern? Er wird den Apatschen reiten lehren bis hinüber ins Land der Geister!«

Ein Stich und drei Schnitte –, er hielt den Skalp des toten Gegners in seiner Hand.

Jetzt kehrte er zu dem Betäubten zurück, band ihm Hände und Füße und begann dann das Grab zu öffnen. Er mußte die drei Skalpe der Besiegten haben und nahm dann auch die Kopfhaut Antilopes.

Währenddessen war der Besinnungslose wieder zu sich gekommen. Falkenauge trat zu seinem Pferd, das man an einem Baum befestigt hatte und nahm aus der kunstvoll geflochtenen Satteltasche einen aus Fischgräten gefertigten Angelhaken, der an einer Schnur von Pflanzenfasern befestigt war. Damit trat er zu dem Gefesselten.

»Die Apatschen sind nicht klüger als die Frösche im Schlamm des Teiches. Sie suchen nach Punks und fragen nicht, ob der Komantsche Feuer habe. Sie haben Falkenauge zehn Skalpe gegeben, und den elften verschmäht er, damit der verwundete Schakal lebe, um seinen Söhnen und Brüdern vorzuheulen von den Taten des Komantschen. Aber ein Zeichen wird er geben, daß der Skalp ihm gehöre!«

Er faßte den Verwundeten beim Haar und zog ihm mit dem Messer eine doppelte Schnittlinie um den Kopf. Dann nahm er alles, was ihm gehörte, wieder zu sich, fügte seiner Habe die Munition und den Proviant der Apatschen bei und warf sodann ihre sämtlichen Waffen weit in den Fluß hinein. Dann erst durchschnitt er die Fesseln des Gefangenen und legte ihm die Angel in die Hand.

»Der Apatsche wird von seiner Wunde hier festgehalten werden. Er mag Fische essen und auf die Rückkehr der Seinen warten, um ihnen zu sagen, daß Falkenauge mitten im Lande der Feinde gewesen ist und elf Skalpe erworben hat in einer halben Sonne. Howgh!«

Er bestieg sein Pferd und schlug die Richtung nach den Nebelbergen ein, die vor diesen Zwischenfällen sein Ziel gewesen waren. Zwar war es nun vollständig dunkel, aber er kannte die Lage der Berge und hoffte auch Gelegenheit zu finden, auf die ›Häuptlinge der Wälder‹ zu treffen.

Bald sah er die finstere Masse des Gebirges zu seiner Linken liegen. Er behielt die eingeschlagene Richtung bei. Da auf einmal drang ein weithin donnernder Ruf in sein Ohr.

»Fabian!«

Er blieb halten und lauschte.

»Fabian, mein Kind, mein Sohn!«

Das war eine Stimme, wie sie kaum einer menschlichen Kehle entstammen konnte.

»Fabian!« brauste es nach einer längeren Pause zum drittenmal durch die lautlose Nacht; dann blieb es still.

Dieser Ruf kam von keinem Indianer, wie die Sprache deutlich zeigte. Sollte er vielleicht aus der Brust des ›großen Adlers‹ stammen, wie die Stärke der Stimme vermuten ließ?

Furchtlos, aber mit wachen Sinnen, ritt der Komantsche weiter. Schon vernahm er das Rauschen des Wasserfalls: da klang es ihm entgegen:

»Halt! Wer naht?«

»Ein Freund der Bleichgesichter!«

»Ein Indianer, der unser Freund sein will? Wie ist sein Name?«

»Mein weißer Bruder nenne erst den seinen!«

»Die roten Männer nennen mich den ›großen Adler‹, und hier ist noch einer, den sie den ›zündenden Blitz‹ nennen.«

»Uff! Der Komantsche hat sie gesucht schon seit zwei Sonnen!«

»Ein Komantsche? Hier in der Apacheria?« fragte Pepe ungläubig. »Mein roter Bruder sage, wie er heißt!«

»Die Freunde und Feinde der Komantschen sagen Falkenauge zu ihm.«

»Falkenauge! Santa Lauretta, Bois-rosé, wenn das wahr ist, so ist dies der richtige Mann, den wir gebrauchen können. Mein roter Bruder steige ab und erzähle uns, wie er auf den Gedanken kam, uns zu suchen!«

Die Jäger senkten ihre Büchsen, und der Komantsche schwang sich vom Pferd. Es war ein wunderbares Ereignis, dieses Zusammentreffen der drei berühmten Männer mitten im Gebiet der Feinde und im Dunkel der Nacht. Die beiden Weißen reichten dem Indianer in biederer Weise die Hand. Er selbst besaß eine stattliche Größe, aber er mußte emporsehen, um dem Kanadier ins Gesicht zu blicken.

»Mein roter Bruder wußte, daß wir in den Nebelbergen waren?« fragte dieser.

»Die ›Häuptlinge der Wälder‹, die ›Teufel der Savanne‹ und zwölf Hunde der Apatschen. Wo sind sie?«

»Tot!« antwortete Bois-rosé einfach. »Will mein Bruder ihre Skalpe haben?«

»Seit die Sonne gerade über seinem Haupt stand, hat Falkenauge zehn Skalpe gelöst und einen gezeichnet. Er trägt nur Häute, die er selbst erworben hat!«

»Elf Kopfhäute!« rief Pepe. »Mein Bruder erzähle!«

Der Komantsche begann seinen Bericht, den die beiden Jäger trotz der außerordentlichen Aufregung, in der sie sich befanden, ruhig anhörten. Er sprach nicht von seinen Taten, aber sie hörten zwischen seinen kurzen, einfachen Worten hervor, was er gewagt und auch für sie getan hatte, und waren voll Bewunderung und Dankbarkeit für ihn. Er war ein stolzer und hochherziger Abkömmling jener bronzenen Gestalten, die einst die Savannen beherrschten und nur durch die Berührung mit den Weißen entnervt und verlästert werden konnten.

Als er geendet hatte, erzählte auch Bois-rosé von den Ereignissen der letzten Tage. Das plötzliche Verschwinden Fabians bildete den Schluß seiner gedrängten Darstellung. Dann schwieg er und wartete, bis Falkenauge seine Meinung aussprechen werde. Dieser ließ nicht lange auf sich warten.

»Die ›Teufel der Wälder und Prärien‹ werden den großen Pfadfinder nicht töten, sondern ihn den Apatschen geben; sie führen ihn nach dem Büffelsee.«

»So müssen wir sofort nach dem Büffelsee aufbrechen!« meinte der hitzige Dormilón.

»Meine Brüder werden warten, bis der Morgen erscheint, der alle Spuren beleuchtet.«

»Unser Freund Falkenauge hat recht«, stimmte der Kanadier bei. »Mich treibt es wohl noch heftiger fort als dich, Pepe; aber die Klugheit gebietet uns, aus den Spuren zu lesen, was wir zu tun haben.«

»Und meine Brüder dürfen das Grab des Häuptlings nicht betreten, bis die Sonne kommt, damit ihr Fuß nicht auf die Zeichen stoße, die sie sehen wollen!«

»Richtig! Pepe, wir sind bereits unvorsichtig gewesen. Laßt uns drüben nach der Anhöhe gehen und dort warten, bis der Tag anbricht!«

Es war eine schreckliche Nacht, die die beiden vor Grimm und Erwartung zitternden Männer nun zubrachten, während der Komantsche schlief. Keiner sprach eine Klage aus, aber jeder wußte von dem anderen, daß er bereit war, sein Leben und alles an die Befreiung des Gefangenen und an die Bestrafung der Räuber zu setzen.

Endlich erhellte sich der Osten, und wie in jenen Gegenden der Abenddämmerung schneller als bei uns die Nacht folgt, so wurde auch der erste Morgenschein rasch zum lichten Tag. Der Komantsche erwachte, und nun machten sich die drei Männer an die Untersuchung der Felspyramide.

Sie erklommen die eine Seite, die der Anhöhe gegenüberlag, und fanden gleich beim Betreten der Plattform das Messer, das Main-rouge entfallen war.

»Ein fremdes Messer«, rief Pepe. »Kein Zweifel, Fabian ist überfallen worden!«

»Und hat sich wacker gewehrt«, fügte der Kanadier grimmig hinzu. »Es sind mehrere gewesen, denn so stark der Mestize auch ist, Fabian ist gewiß nicht schwächer und unbeholfener als er. Der Kampf hat sich hinüber bis zum anderen Rand gezogen, da sie drüben hinabgestürzt sind, wie das Messer Fabians beweist, das wir dort gefunden haben.«

»Aber seine Büchse lag diesseits unten!« wandte Dormilón ein.

»Das beweist nur die Richtigkeit meiner Ansicht. Er hat leider statt zu schießen, die Angreifer mit dem Kolben empfangen wollen, und dabei ist ihm die Büchse aus der Hand geglitten. Schau, Pepe, was der Komantsche da bringt!«

Falkenauge hatte über den Rand der Plattform hinabgeblickt und einen Gegenstand ergriffen, der unweit davon hängengeblieben war. Es war der Federbusch eines der beiden Räuber.

»Die Federn von El Mestizo«, entschied er. »Der Komantsche hat sie gesehen, als er mit den Pferdedieben kämpfte.«

Die ganze Böschung hinab zeigte eine breite Spur, wo die Männer herabgerollt waren. Die drei stiegen ihr nach. Der steinige Boden gab unten keinerlei Anhaltspunkte. Das scharfe Auge des Indianers durchsuchte jeden Zollbreit der nahen und ferneren Umgebung und blieb auf dem Wasser des Sees haften. Die gestrigen Schüsse hatten von den Büschen oben auf dem Felsen einige Äste losgetrennt, die herabgestürzt waren und auf dem Wasser lagen. Sie wurden von den Blattpflanzen festgehalten; einer von ihnen aber schwamm auf einer pflanzenfreien Stelle, und auf ihn war der Blick des Komantschen gerichtet. Er streckte die Hand aus.

»Sehen meine Brüder, ob dieser Ast festliegt oder schwimmt?«

»Er schwimmt!« stellte der Kanadier sogleich fest.

»Ja«, bestätigte jetzt auch Pepe, »er bewegt sich, und zwar nach dem Felsen hin. Das Wasser muß einen unterirdischen Abfluß haben. Aber was soll uns das nützen?«

»Falkenauge weiß, daß die ›Teufel der Savanne‹ oft bei den Hunden der Apatschen weilen. Noch kein Auge hat sie auf einem Pferd erblickt, und dennoch sind sie schnell von einem Ort zum anderen. Darum denkt der Komantsche, daß sie ein Kanu haben, das sie in den Bergen versteckt halten, wo niemand es sucht. Doch meine Brüder wollen die Spur der Räuber sehen!«

Er musterte die Gegend. Der Angriff war von der Höhe des Berges aus erfolgt, und so war zu vermuten, daß sie mit ihrem Gefangenen zunächst dorthin zurückgekehrt seien. Hinauf aber führte kein anderer Weg, als der durch die Schlucht, den auch Cuchillo, Baraja und Oroche benutzt hatten.

Ohne sich weiter mit der Untersuchung des Bodens aufzuhalten, eilte der Komantsche voran und die beiden Jäger folgten.

Er war noch nicht weit emporgestiegen, so blieb er stehen und deutete auf einen Gegenstand, der an einem Eisenholzstrauch hängengeblieben war.

»Ein Stück vom Gürtel Fabians!« rief Bois-rosé. »Wir sind auf der richtigen Fährte. Vorwärts!«

Falkenauge eilte voran. Nicht der geringste Gegenstand, so klein und unbedeutend er auch sein mochte, entging seinem von frühester Jugend auf geübten Blick, obgleich er so schnell vorwärts schritt, daß die beiden Jäger besorgt wären, es könne irgend etwas Wichtiges ihrer Aufmerksamkeit entgehen. Er bog sofort in den Pfad ein, der am Rand der Höhe hinführte. Hier sah Falkenauge die Verwüstung, die gestern die Kugeln der Jäger angerichtet hatten. Die Leichen der getroffenen Indianer lagen zwischen abgerissenen Ästen. Doch der Komantsche schien sich nicht um sie zu kümmern, sondern eilte vorwärts, als sei er der Untrüglichkeit eines Gedankens gewiß, der seine Schritte lenkte.

Trotz dieser Eile nahmen die beiden Waldläufer sich Zeit, den gefallenen Apatschen ihre Munition zu nehmen, was El Mestizo wohl vergessen hatte. Pulver und Blei sind für die Steppe notwendige und kostbare Güter, von denen man gar nicht genug bei sich führen kann.

Der Komantsche stieg drüben auf der anderen Seite des Berges nieder, wo auch Baraja und Oroche hinabgelangt waren, als sie das Pferd Cuchillos suchten. Er bog dann seitwärts zwischen die Felsen hinein. Dort legte er sich zur Erde nieder, blickte sich forschend um und lauschte aufmerksam Dann sprang er auf.

»Das Wasser des Sees flüstert unter ›Falkenauge‹; er wird seiner Stimme folgen!«

Von Zeit zu Zeit wieder lauschend, schritt er langsam zurück, bog bald rechts, bald links ab und blieb dann vor einer Öffnung halten, die wie ein Tor in den Felsen führte. Dort bückte er sich nieder.

»Uff!« klang es befriedigt. »Die Seele des Komantschen hat die Wahrheit geahnt. Meine Brüder mögen ins Wasser blicken!«

Sie traten näher und sahen nun, daß sie einen verborgenen Kanal vor sich hatten, durch den der See sein Wasser dem Rio Gila zuschickte. Die Wellen des Kanals waren nicht tief und so kristallhell, daß man den Boden deutlich sehen konnte, in dessen weichem Niederschlag sich die Abdrücke von vier Füßen zeigten, deren Spitzen in das Dunkel des Kanals hineinführten.

Der Komantsche entledigte sich seiner Mokassins und Gamaschen und stieg hinab, um den Fußstapfen zu folgen. Schon nach einigen Minuten kehrte er zurück, ein Stück Büffelhautriemen in der Hand.

»Das Kanu der Räuber hat an diesem Riemen gehangen, den sie mit der Schärfe des Messers zerschnitten haben.«

Der Riemen war so fest in den Felsen gekeilt gewesen, daß El Mestizo gezwungen worden war, ihn zu zerschneiden. Von dem zurückgebliebenen Ende stammte das Stückchen, das der Kanadier jetzt in seiner Hand hielt, um die Schnittfläche zu untersuchen. Sie war noch frisch und bewies zur Genüge, daß der Schnitt erst während der vergangenen Nacht getan worden war.

»Aber es sind die Spuren von nur vier Füßen!« meinte Pepe.

»Der große Pfadfinder wurde getragen«, antwortete der Indianer. »Meine weißen Brüder mögen die Lage der Spuren betrachten!«

Wirklich ging aus dem Bild der Eindrücke hervor, daß sich der zuerst Eingestiegene umgewandt haben mußte, um eine Last in Empfang zu nehmen.

»Dieser Kanal führt in den Rio Gila. Es ist sicher, daß die Räuber nach dem Büffelsee gehen. Wir brauchen darum ihren Spuren nicht unmittelbar zu folgen, sondern können die vielen Windungen des Flusses abschneiden«, schlug Bois-rosé vor, der vor Begierde brannte, die Räuber zu erreichen. »Wir müssen sie haben, bevor es ihnen gelingt, mit den Apatschen zusammenzutreffen.«

»Mein Bruder sei ruhig«, tröstete Falkenauge. »Auf der Büffelinsel harren zehn tapfere Krieger der Komantschen auf Falkenauge. Sie werden sich vor den Hunden der Apatschen verbergen, die Räuber der Wüste aber nicht vorüberlassen. Meine Brüder mögen kommen, damit Falkenauge sein Pferd hole. Er wird ihnen zwei Tiere der toten Apatschen fangen, damit sie nicht zu laufen brauchen auf ihren Füßen, die nicht so schnell sind wie die Hufe des Mustangs.« –

An diesem Morgen und ungefähr um dieselbe Zeit, in der Falkenauge erwacht war, näherten sich von Norden her zehn Gestalten dem Ufer des Rio Gila. Sie waren nicht beritten, und ihre Bemalung ließ erkennen, daß sie Komantschen waren. Hintereinander gehend, trat immer einer in die Fußstapfen des anderen. Dies geschah mit einer solchen Sorgfalt und Genauigkeit, daß ein sehr geübtes Auge dazu gehörte, zu erkennen, daß die Spur nicht von nur einer Person herrührte.

Außer dem Voranschreitenden trugen alle neben ihren Waffen große Stücke Baumrinde auf dem Rücken, ein Zeichen, daß sie eine Stromfahrt vorhatten. Denn diese Rindenstücke konnten zu nichts anderem bestimmt sein, als mit Harz und Baumfasern zu Kanus verbunden zu werden.

Es waren die zehn Krieger, die der ›kluge Fuchs‹ abgesandt hatte, um Falkenauge an der Büffelinsel zu treffen.

Der vorderste Krieger verfolgte seinen Weg mit einer Überzeugung und Genauigkeit, als befände er sich nicht in der wilden Steppe, sondern auf der Verkehrsstraße eines zivilisierten Landes. Tatsächlich erreichten sie den Rio Gila gerade an der Stelle, die der Büffelinsel gegenüberlag.

Ein stolzes Lächeln spielte über das ernste Gesicht des Führers, als er sich nun umwandte.

»Uff! Wer vermag den Pfad so genau zu legen wie Bisonmähne, der Komantsche?«

Wirklich trug der Sprecher ein so reiches, dichtes Haar, das ihm weit über die Schultern herabwallte, daß er diesen Namen gewiß zu Recht trug.

Nach kurzer Beratung wurden die Lasten abgelegt, und die Truppe zerstreute sich, nur einen Wächter zurücklassend, auf der Insel und den beiden Ufern, um sich zu überzeugen, daß sich kein feindliches Wesen in der Nähe befand. Als die Männer wieder zusammentrafen, hatte keiner etwas Beunruhigendes entdeckt. Bisonmähne trat daher hart an das Wasser und legte beide Hände an den Mund.

»O – hiii, o – hiii!« ließ er den Ruf der Komantschen stromauf- und stromabwärts erschallen. Aber es erfolgte keine Antwort.

»Falkenauge ist noch nicht hier, doch er wird kommen; seine Hand tut stets, was sein Mund verspricht. Meine Brüder mögen die Rinde verbergen und sich am Wasser verstecken, daß kein Feind sie zu sehen vermag!«

Es dauerte nicht lange, so hätte selbst das schärfste Auge nicht ohne genaue Untersuchung die Anwesenheit der Komantschen bemerkt.

Ihre Geduld sollte allerdings auf eine harte Probe gestellt werden. Der Tag verging, der Abend mit der Nacht ebenso, und der nächste Morgen brach an, ohne daß sich etwas gezeigt hätte, was ihrer Aufmerksamkeit wert gewesen wäre. Endlich am Nachmittag erklang Pferdetrab.

Der aus seinem Schilfversteck hervorlugende Wächter Bisonmähne erkannte zwei Weiße, die mit einem Lastpferd am Ufer entlang geritten kamen. Gegenüber der Büffelinsel blieben sie halten. Der eine von ihnen ritt bis hart ans Wasser heran, legte, wie gestern der Führer der Indianer, die Hände wie ein Sprachrohr an den Mund und rief:

»Hallo, Komantsche!«

Sofort stand Bisonmähne mit angeschlagener Büchse vor ihm.

»Woher weiß das Bleichgesicht, daß der Komantsche hier ist?«

»Von Falkenauge«, antwortete lächelnd über die Schlagfertigkeit der Weiße.

»Kann mir mein weißer Bruder dies beweisen?«

»Hier!«

Wilson gab den Stachelschweinsknopf dem Komantschen. Dieser betrachtete das Zeichen genau.

»Mein weißer Bruder ist ein Freund der Komantschen. Wo hat er Falkenauge gesehen?«

»An den Nebelbergen. Er läßt den Kriegern der Komantschen sagen, daß er kommen wird mit dem ›großen Adler‹, dem ›zündenden Blitz‹ und dem großen Pfadfinder. Vorher aber werden kommen die Söhne der Apatschen, um nach dem Büffelsee zu gehen; meine roten Brüder sollen sich vor ihnen verbergen und sie vorüberlassen.«

»Die Worte meines Bruders werden Gehorsam finden. Wohin werden die beiden Bleichgesichter sich wenden?«

Da kam auch der Lord herbei.

»Master Wilson, was habt Ihr mit diesem Mann zu verhandeln?«

»Ich habe ihm eine Botschaft von Falkenauge auszurichten.«

»Geht mich nichts an! Macht, daß wir vorwärts kommen!«

»Ich muß doch mein Wort halten!«

»Geht mich nichts an! Von der Botschaft steht nichts in unserem Kontrakt.«

Er lenkte sein Pferd wieder um.

»Wir gehen nach dem Büffelsee«, antwortete Wilson auf die Frage des Komantschen. »Hat mein roter Bruder etwas von dem weißen ›Renner der Prärie‹ gehört?«

»Er ist in den Jagdgründen der Komantschen gesehen worden.«

»Sir William!« rief der Westmann. »Hört, was dieser Krieger sagt!«

»Geht mich nichts an!« klang es zurück.

»Auch der ›weiße Renner‹ nicht?«

Sofort warf der Sonderling sein Pferd wieder herum. »Was ist mit ihm?«

»Er ist in den Jagdgründen dieser roten Krieger gesehen worden.«

»Wann?«

Der Führer des Engländers verdolmetschte dem Komantschen diese Frage.

»Einen Tag, bevor Bisonmähne die Hütten der Komantschen verließ: vor drei Sonnen.«

»Und wohin wird er gegangen sein?« fragte der Lord begierig, als er die Antwort englisch hörte.

»Bisonmähne denkt, daß er gehen wird an den Rio Gila oder an die Tränken des Büffelsees.«

»An den Büffelsee wird er gehen, Sir William«, übersetzte Wilson.

»Dann fort! Goddam, ich muß ihn haben!«

»Wollen wir nicht bei diesen Männern ein wenig ausruhen? Ich muß ihnen von Falkenauge erzählen!«

»Geht mich nichts an!« klang es; dann war der Liebhaber des weißen Renners hinter den Büschen verschwunden.

»Falkenauge hat in zehn Minuten fünf Apatschen getötet!« konnte Wilson noch kurz berichten; dann eilte er dem Engländer nach.

Es wurde unter den Komantschen wieder eine kurze Beratung gehalten, darauf verschwand jeder in seinem Versteck.

Der Tag verging, und es wurde Abend. Tiefes Dunkel herrschte unter und zwischen den Bäumen, die an beiden Ufern des Stromes ragten, aber die Wellen schillerten in geheimnisvollen Lichtern, und so konnte nichts geschehen, was die verborgenen Komantschen nicht sofort hätten bemerken müssen.

Da klangen ferne, taktmäßige Ruderschläge den Fluß herab, und kurze Zeit später erkannten die verborgenen Lauscher ein Kriegskanu, das, gefüllt mit Apatschenkriegern, zwischen ihnen und der Insel vorüberruderte. Ihm folgte ein zweites, ein drittes und zuletzt noch ein viertes. Jedes dieser langen Boote hatte an seinem Steg ein loderndes Harzfeuer, dessen Flammen das Fahrwasser hell erleuchteten und Strom und Bäume mit düsteren Farben überfluteten.

Die Komantschen hatten sich gemäß dem Befehl abwartend verhalten, obgleich sie trotz ihrer geringen Anzahl den Apatschen großen Schaden hätten zufügen können.

Die Nacht verging und ebenso der Morgen. Die Sonne hatte den dritten Teil ihrer Bahn vollendet, da erklangen wieder Ruderschläge. Ein Rindenkanu nahte, in dem zwei Männer saßen, die mit aller Anstrengung ruderten, so daß das kleine Fahrzeug wie von Dampfkraft getrieben den Strom herabflog. Der eine von ihnen trug einen Federschmuck, wie ihn die Papagos zu tragen pflegen; der andere hatte um seine dunklen Haare nur einige Lederriemen geschlungen. Zwischen ihnen saß in halb liegender Stellung ein junger Mann mit müdem, abgespanntem Gesichtsausdruck. Die Komantschen sahen, daß seine Hände und vielleicht auch seine Füße gefesselt waren.

Wer waren diese drei Bleichgesichter? Waren es die ›Häuptlinge der Wälder‹ mit dem großen Pfadfinder, von dem der Nordamerikaner gesprochen hatte? Wohl schwerlich. Bisonmähne wußte nicht, wie er sich verhalten sollte, und bevor er dazu kam, einen Entschluß zu fassen, war das Kanu bereits an der Büffelinsel vorüber.

Der Gefesselte hatte einen schnellen, eigentümlichen Blick auf die Insel geworfen, an die das Wasser allerlei Stämme und sonstiges Holzwerk angeschwemmt hatte, und da – das Boot befand sich in gleicher Höhe mit der Insel – schnellte er plötzlich auf, tat einen Sprung, und die Wasser des Stroms schlugen über ihm zusammen.

Zwei laute Flüche erschollen. Die beiden Männer zogen die Ruder ein und ließen den Kahn treiben, um mit wutvollen Augen alle Bewegungen des Wassers zu beobachten. Mit den schnell ergriffenen Büchsen in der Hand saßen sie im Kanu, bereit, den Flüchtling zu töten, sobald er an der Oberfläche erschien.

Aber er erschien nicht. Die Männer ruderten bis an die Insel zurück, wo sie landeten. Keiner sprach ein Wort, aber nicht das kleinste Blättchen auf der breiten Oberfläche des Stroms entging ihren spähenden Augen.

»Der Kerl ist ersoffen!« meinte endlich der jüngere von ihnen. Es war El Mestizo.

»So sind wir ihn los«, antwortete Mano-Sangriento. »Es war überhaupt unnütz und ärgerlich, daß du ihn mitschlepptest.«

»Still, Alter! Schwarzvogel hätte viel für ihn gegeben, und nun bringen wir nicht einmal seinen Skalp. Aber tot ist er auf jeden Fall, denn so lange kann er sich nicht unter Wasser halten, und gelandet ist er weder hüben noch drüben; davon bin ich überzeugt. So mag er denn zum Teufel sein; die beiden anderen werden dennoch folgen und uns in die Hände laufen! Schwarzvogel muß längst voran sein. Vorwärts, daß wir ihn erreichen!«

Sie ergriffen die Ruder wieder und setzten die unterbrochene Fahrt von neuem fort.

Bisonmähne hatte die Büchse ergriffen und schon beabsichtigt, mit einem Schuß das Zeichen zu ihrer Vernichtung zu geben, aber da besann er sich. Die Komantschen befanden sich mit den Bleichgesichtern im Frieden, und er wußte nicht, was Falkenauge zu solch einer schnellen Tat sagen werde. So entkamen die Räuber der Wüste dem sicheren Tod, der ihnen drohte, ohne daß sie es wußten.

Wohl eine halbe Stunde war seit ihrem Verschwinden vergangen, da wurde es drüben am anderen Ufer lebendig. Drei Reiter erschienen; es waren zwei Weiße und ein Indianer.

»O – hiii!« rief der letztere so laut, daß es bis herüber zu hören war, und sofort tauchten die zehn Komantschen aus ihren Verstecken auf.

»Falkenauge wird hinüber zu seinen Brüdern kommen; sie mögen am Ufer bleiben!« befahl er.

Dann lenkte er mit seinen zwei Begleitern in das Wasser.

Da wurde es auf einmal an der Spitze der Insel unter den angeschwemmten Stämmen lebendig; der Gefesselte, der vorhin aus dem Kanu ins Wasser gesprungen war, arbeitete sich trotz seiner Bande an Land und rief, die von einem Riemen umschlungenen Hände ausstreckend:

»Vater, Pepe Dormilón!«

Der Kanadier fuhr wie ein Blitz auf.

»Fabian, mein Kind, mein Sohn!«

Er riß den aus dem Wasser ragenden Kopf seines schwimmenden Pferdes nach der Insel herüber. Auch Pepe und der Komantsche folgten ihm.

»Santa Lauretta, er ist's, er ist's wahrhaftig! Hin zur Insel, Bois-rosé, hin, und wenn das ganze Wasser von Thunfischen wimmelte.«

Einige Augenblicke später landeten sie; die Fesseln Fabians wurden zerschnitten, und die Freunde lagen sich glücklich in den Armen. –


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