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Die Belagerung

Der gefangene Baraja lehnte am Stamm eines Eichenbaums, an den man ihn gebunden hatte. Er sah den Tod in seiner schrecklichsten Gestalt vor sich, denn eine Abteilung der Rothäute vollführte um ihn einen fürchterlichen Rundtanz. Andere hatten in der Erwartung, daß Schwarzvogel bald das Zeichen zum Beginn der Marter geben werde, die eisernen Beschläge von den brennenden Wagen gerissen und waren beschäftigt, sie glühend zu machen, um sie als Werkzeuge zu gebrauchen. Alle anderen, die sich keine solchen Gegenstände verschaffen konnten, spitzten Pfähle, schärften Messer oder schnitten Pflöcke, die dem Gefangenen ins Fleisch getrieben werden sollten.

Baraja stand schon jetzt alle Qualen eines schmerzhaften Todes aus. Er dachte an die schrecklichen Schilderungen des alten Benito und hätte jetzt dem Schützen für eine mitleidige Kugel gedankt, die ihn von einem langsamen Sterben erlösen konnte.

Einer der Indianer trat zu ihm. Eine große, vom Dolch eines Weißen herrührende Wunde ging über seine Brust von einer Seite bis zur anderen, und trotz des angelegten Rindenverbandes strömte das Blut noch daraus hervor. Er tauchte seinen Finger in das Blut und malte auf das Gesicht Barajas eine Demarkationslinie, welche von der Stirn bis herab zum Kinn reichte.

»Das Bleichgesicht wird mir die Hälfte seines Gesichts geben. Die halbe Stirn, das Auge und die Wange sind mein. Ich werde sie ihm herabreißen, wenn er noch am Leben ist.«

Ein anderer trat herzu.

»Der Skalp des Bleichgesichts gehört mir. Ich habe den Weißen gefangen!«

Er strich ihm mit dem Messer so nahe um den Schopf, daß Baraja die Spitze zu fühlen meinte.

Ein dritter funkelte ihn mit grimmigen Augen an.

»Wird das Bleichgesicht den Mut haben, den Todesgesang anzustimmen? Ich werde ihm die Zunge herausschneiden, wenn es schweigt!«

Ein vielstimmiges Geheul erscholl jetzt rundum. Es war ein Zeichen der Ungeduld. Die Wilden wünschten, daß ihnen ihr Opfer überliefert werde. Da erhob sich Schwarzvogel, um das Zeichen zum Beginn der Folter zu geben.

Aber noch sollte die Todesstunde Barajas nicht gekommen sein. Aus dem Dunkel der Nacht trat eine fremde Gestalt an das Feuer, an dem der Häuptling saß; sie trug die Kleidung der Papagos.

»El Mestizo!« rief Antilope, der an der Seite Schwarzvogels Platz genommen hatte.

»Ja, El Mestizo«, klang die stolze Antwort des Räubers. »Er kommt, um seine roten Brüder zu begrüßen.«

»Welcher Pfad sah die Füße meines Bruders!« fragte der Häuptling.

»Sein Pfad ging in das Land der Bleichgesichter, wo die Sohne der Apatschen Pferde fingen.«

Schwarzvogel horchte auf.

»Hat mein Bruder die Kinder der Apatschen gesehen?«

»Er hat sie gesehen und an ihrer Seite gekämpft. Die ›starke Eiche‹ ist gefallen und mit ihr alle Rotgesichter unter den Händen der Weißen.«

Es war eine schlimme Nachricht, die der Mestize brachte, aber kein Muskel im ehernen Gesicht des Häuptlings zuckte.

»Sie weilen beim großen Geist in den ewigen Jagdgründen. Schwarzvogel aber wird gehen zu den Bleichgesichtern und für jeden seiner Söhne zwanzig Skalpe holen. Mein Bruder blicke um sich; die Erde hat schon heute das Blut der Weißen getrunken, und nur einer blieb übrig und steht am Pfahl, um den Sieg der Apatschen mit seinem Schmerzgewimmer zu verherrlichen.«

El Mestizo blickte zu dem Gefangenen hinüber.

»Erlaubt mir mein roter Bruder, mit dem Bleichgesicht zu sprechen?«

»Mein Bruder tue, was er will!«

Der Räuber der Savanne trat zu Baraja.

»Wie ist Euer Name?«

»Baraja.«

»Ihr gehört zu der Expedition, die ein gewisser Don Esteban von Tubac aus in die Apacheria geführt hat?«

»Ja.«

»Habt ihr Gold gefunden?«

Die Züge des Gefangenen erhellten sich. Er hörte aus der Sprache des Mestizen, daß dieser kein Indianer war und legte sich sofort einen Plan zur Rettung zurecht.

»Ja.«

»Wieviel?«

»Soviel, daß man ganz Sonora dafür kaufen könnte.«

»Caramba, Ihr spaßt am Marterpfahl!«

»Fällt mir gar nicht ein. Ich habe Gold gesehen, sage ich Euch, Stücke wie meine Faust, eine ganze Wagenladung. Ein Block ist dabei, mindestens so groß wie mein Kopf. Wollt Ihr es haben?«

»Teufel, ob ich will!«

»So macht mich frei! Für mein Leben verrate ich Euch die Bonanza.«

Der Mestize sah ihm ins Auge, als wolle er ihm mit diesem Blick bis in die tiefste Seele dringen.

»Ihr sprecht die Wahrheit?«

»Bei der heiligen Jungfrau, ja!«

»Und das Gold ist wirklich so massenhaft zu finden?«

»Ja.«

»Wer weiß noch von der Bonanza?«

»Drei Weiße, die sich jetzt dort befinden.«

»Drei? Ihre Augenblicke sind gezählt! Doch sagt, habt Ihr schon einmal von El Mestizo gehört?«

»Von El Mestizo und Mano-Sangriento, ja.«

»Ich bin El Mestizo. Nun wißt Ihr wohl, daß Euch bei mir noch Schlimmeres erwartet als bei den Apatschen, wenn Ihr versucht, mich zu betrügen?«

»Ich lüge nicht«, antwortete Baraja, den gefürchteten Menschen jetzt mit schreckerfülltem Blick betrachtend.

»Nun wohl, so werde ich versuchen, Euch frei zu bekommen!«

Er kehrte zu Schwarzvogel zurück.

»Schwarzvogel wird den weißen Mann nicht martern.«

»Er wird ihn martern.«

»Nein, denn El Mestizo sagt es. Mein roter Bruder wird das Bleichgesicht freigeben!«

Schwarzvogel erhob fragend sein dunkles Auge. Der Mestize war ein Mann, dessen Freundschaft selbst ein Apatsche ein Opfer bringen konnte, aber ein solches Verlangen hatte er doch noch nicht gestellt.

»Er wird sterben.«

»Ich werde meinem roten Bruder ein Lösegeld für ihn bezahlen.«

»Welches?«

»Viele hundert Pferde der Bleichgesichter samt den Hirten.«

»Er wird sterben.«

»Er wird leben, denn El Mestizo wird bezahlen noch mit dem Skalp des größten Komantschen, den die Savanne trägt.«

»Wie heißt der Hund von Komantsche?«

»Falkenauge.«

»Falkenauge?« Das Auge des Häuptlings blitzte grimmig auf, und auch Antilope konnte eine Bewegung der Überraschung nicht unterdrücken. »Spricht mein Bruder die Wahrheit?«

»Hat El Mestizo schon einmal eine Lüge gesagt?«

»Schwarzvogel glaubt seinem Bruder. Er wird den Skalp von Falkenauge erhalten?«

»Ja.«

»Und die Pferde und Hirten der Bleichgesichter?«

»Ja.«

»Wo wird er sie finden?«

»Mein Bruder gebe mir zwölf seiner Krieger, um den Skalp des Komantschen zu holen, und ziehe mit seinen Kriegern sofort nach dem Büffelsee, wo ich mit ihm zusammentreffen werde. Dort sind die Bleichgesichter mit ihren Herden.«

»Wann soll er dort sein?«

»Nach vier Sonnen.«

»Mein Bruder soll den Gefangenen erhalten. Er nehme zwölf Krieger der Apatschen und ziehe fort. Nach vier Sonnen wird Schwarzvogel mit seinem ganzen Stamm am Büffelsee sein, um ihn zu treffen.«

Als El Mestizo sich entfernte, fuhr Schwarzvogel, zu Antilope gewendet, fort:

»Schwarzvogel ist verwundet; er kann nicht gehen und nicht reiten. Er wird seine Krieger auf den Kriegskanus nach dem Büffelsee führen.«

»Wollte er nicht die drei weißen Jäger verfolgen?«

»Die ›Häuptlinge der Wälder‹ sind stark und klug. Sie werden am Wasser hinabgehen und von den Apatschen erreicht werden. Antilope, mein Sohn, nehme zehn meiner Krieger zu sich, um auf ihren Spuren zu bleiben. Am Büffelsee wird Schwarzvogel ihn erwarten.«

Während der gewandte und scharfsinnige Häuptling auf diese Weise schnell seinen Feldzugsplan entwarf, trat El Mestizo zu Baraja und durchschnitt mit dem Messer seine Fesseln.

»Ihr seid frei, für jetzt aber mein Begleiter. Der geringste Versuch der Flucht kostet Euch das Leben.«

Die Wilden wollten ihre Unzufriedenheit über die Befreiung des Gefangenen zu erkennen geben, beruhigten sich aber, als sie hörten, welch ein Preis ihnen dafür bezahlt werden sollte.

El Mestizo suchte sich nun zwölf kräftige Krieger aus und zog mit ihnen davon. Schwarzvogel versammelte beim verlöschenden Schein der Feuer die anderen und wandte sich mit ihnen dem Strom zu. Die Stätte, die der Schauplatz eines längeren, barbarischen Festes hatte werden sollen, war in kurzer Zeit verlassen.

In einiger Entfernung vom Lager stieß El Mestizo auf seinen Vater, der hier auf ihn gewartet hatte. Die Unterredung zwischen beiden wurde von Diaz belauscht, und dieser jagte dem Goldtal zu. Allein die Nacht war finster, und das stolpernde Pferd Cuchillos so müde, daß sein Ritt nicht die gewünschte Schnelligkeit erreichte. Zudem verirrte er sich mehrmals in der Dunkelheit. Daher kam er nur einige Minuten vor den Indianern bei der Pyramide an.

Währenddessen hatten die drei Jäger unter abwechselndem Wachen einen Teil der Nacht durchschlafen. Eben weckte der Kanadier Pepe, um ihm die Wache zu übergeben, als er das Geräusch nahender Hufschläge vernahm.

»Ein Reiter, Pepe! Wer mag das sein?«

»Wohl ein Flüchtling aus dem Lager. Wir haben ja das Schießen gehört. Vielleicht sind die Roten Sieger, und die Goldsucher fliehen nun nach allen Seiten.«

»Er hält gerade auf uns zu.«

Wirklich kam der Reiter bis hart an die Pyramide. Hier hielt er sein Pferd an.

»Señor Bois-rosé, Señor Pepe, Don Fabian!«

»Ah, Señor Diaz, Ihr!« antwortete der Kanadier, der den Rufenden an der Stimme erkannte. »Was gibt es, daß Ihr so unerwartet zurückkehrt?«

»Ich muß euch warnen. Die Indianer sind Herren der Ebene; nur ich und Baraja, der zum Lager zurückgekehrt war, sind entkommen. Er hat euch verraten, und die Wilden sind hart hinter mir, die Bonanza zu nehmen.«

»Teufel, dann ist es am besten, wir gehen ihnen aus dem Weg.«

»Das könnt ihr nicht, denn ihr seid nicht beritten, und sie können nur noch wenig entfernt sein.«

»So kommt herauf zu uns. Unsere Festung werden sie nicht bekommen!«

»Das kann ich nicht. Ich muß sofort zum Büffelsee, um Don Agustín Pena zu warnen, der dort mit seinen Leuten von den Apatschen überfallen werden soll.«

»So reitet, reitet, Señor Diaz«, rief Fabian, der während des Gesprächs erwacht war. »Reitet, daß Ihr hinkommt und grüßt den Haciendero und – seine Tochter von mir! Wir werden Euch schleunigst folgen, sobald wir von hier fortkönnen.«

»Wieviel Rote sind es?« fragte Pepe.

»Nur zwölf. Die anderen sind nach dem Büffelsee, wie ich vermute.«

»Nur zwölf? Mit ihnen werden wir fertig!«

»Es sind zwei Männer bei ihnen, die wie Papagos gekleidet gehen.«

»Werden sie auch kennenlernen!«

»Dann viel Glück, Señores, und scharfe Kugeln. – Adiós!«

Er riß sein Pferd herum und sprengte im Galopp davon.

Da erscholl aus der Gegend, in der das Pferd des Indianertöters lag, der Schrei eines Schakals.

»Das Viehzeug hat schon seine Beute gefunden«, bemerkte Pepe.

»Glaubt Ihr?« wandte Fabian ein. »Mir scheint, der Laut kam nicht aus der Kehle eines Tiers, sondern eines Menschen.«

»Das ist möglich, mein Sohn«, sagte Bois-rosé. »Deine Ohren sind jünger als die unsrigen und unterscheiden also genauer. Vielleicht ist einer der Roten vorangeschlichen, um zu erkunden, ob sie ohne Gefahr nahen können.«

»Was sie vermögen, können wir auch!« meinte Pepe.

Und schon beim letzten Wort war er über den Rand verschwunden.

»Pepe, bleib!« warnte Bois-rosé mit halblauter Stimme, aber er konnte von dem schnellen Miquelete bereits nicht mehr vernommen werden.

Dieser glitt so leise wie möglich an der Wand der Pyramide hinab und kroch dann mit Anwendung aller Vorsicht der Gegend zu, aus der der Schrei erklungen war. Er gelangte glücklich bis in die Nähe des toten Pferdes und bemerkte, daß Fabian sich nicht getäuscht habe.

Drei Männer standen, miteinander verhandelnd, abseits, während die Indianer nahe dem Kadaver hielten. Dormilón benutzte einige daliegende Felsenstücke, um so nahe zu kommen, daß er ihr Gespräch belauschen konnte.

»Also wo befindet sich die Bonanza?«

»Das Goldtal lag jenseits der Anhöhe da drüben. Die Jäger aber haben seinen ganzen Inhalt in das Indianergrab gebracht.«

»Dann führt unser Weg über ihre Skalpe! Sie befinden sich auf dem Felsen dort?«

»Ja. Ich sah, wie sie sich dort oben für die Nacht einrichteten!«

»Sie ahnen nichts von unserem Kommen, werden aber eine Wache ausgestellt haben. Ich kenne diese Gegend sehr genau, denn hinter diesen Bergen ist der Aufbewahrungsort für unser Kanu, wenn wir uns in der Apacheria befinden. Drei tapfere Jäger könnten die Pyramide gegen einen ganzen Indianerstamm verteidigen, wenn sie nicht von der Höhe dort angegriffen werden, von der das Wasser herabstürzt. Wir müssen diese daher gewinnen, bevor die Jäger eine Ahnung von unserer Anwesenheit bekommen; hier lassen wir nur eine Sicherheitswache zurück, damit sie nicht nach dieser Seite ausbrechen können, bis wir bei Anbruch des Morgens die Pyramide mit unseren Kugeln bestreichen werden.«

Er wandte sich zu den Indianern, denen er einen Befehl erteilte. Acht von ihnen zerstreuten sich über die Breite des Tals; die vier anderen aber folgten den drei Männern, das Grabmal so weit wie möglich umgehend, nach der Schlucht, in der Baraja und Oroche am vorigen Tage emporgestiegen waren.

Pepe konnte sie nicht halten, so gern er es auch getan hätte, denn er mußte sich allerdings sagen, daß er mit den Gefährten in eine höchst bedenkliche Lage kommen würde, wenn der Feind von der Höhe herab die Plattform der Pyramide mit seinen Kugeln bestrich. Er kehrte so vorsichtig wie auf dem Herwege nach dem Grabmal zurück. Die beiden anderen fühlten sich bei seinem Erscheinen erleichtert; sie hatten Sorge um ihn gehabt.

»Nun?« fragte der Kanadier.

»Ich habe sie alle gesehen. Es sind wirklich zwölf Rote und drei Weiße, der brave Señor Baraja dabei. Er log ihnen vor, daß wir den Inhalt der Bonanza in das Innere der Pyramide geschafft hätten.«

»Ah«, vermutete sofort Bois-rosé, »er ist gefangen worden und hat ihnen das Gold als Lösegeld versprochen. Aus der höchsten Not gerettet, hat ihn dann sein Versprechen gereut, und er sucht nun mit einer Lüge loszukommen. Vielleicht meint er, daß wir uns gegenseitig töten, er schleicht sich fort und bleibt alleiniger Besitzer der Bonanza. Wo sind sie?«

»Sie haben sich geteilt. Acht Rote schließen uns nach der Ebene zu ein, und die anderen sind bereits hinauf über den Wasserfall, um am Morgen den Kampf zu beginnen.«

»Klug ausgedacht!«

»Noch haben wir Zeit, uns fortzuschleichen. Nach jener Anhöhe ist uns der Weg offengeblieben.«

»Fürchtet Ihr Euch, Pepe?« fragte Fabian.

»Señor, eine solche Frage gestatte ich nur Euch! Der Feind wird uns mit seinen Kugeln erreichen, und wenn es auch nicht sehr schade um zwei alte Knaben ist, wie ich und Bois-rosé es sind, so möchte ich doch nicht haben, daß der junge Graf de Mediana seinen Skalp in der Steppe lassen muß.«

»Sei ruhig, Pepe«, tröstete der Kanadier; »der Junge hat es nicht so schlimm gemeint. Ich sage dir, daß ich das Placer nicht eher verlassen möchte, als bis der letzte Mitwisser, der es ja auch noch nicht verraten hat, nicht mehr sprechen kann. Und unsere Lage ist nicht ganz so schlimm, wie du meinst. Wir haben unsere drei guten Büchsen, den Karabiner Cuchillos und die gute englische Flinte Don Estebans; das erscheint mir genug gegen zwölf Rothäute und drei weiße Halunken, die allerdings eigentlich gar keine Kugel wert sind.«

»Aber unsere ungünstige Lage?«

»Kann verbessert werden. Wir haben Sättel und Decken, und hier liegen genug Steine, um jetzt während der Nacht eine Brustwehr zu errichten, hinter der wir vollständig sicher sind.«

Das war allerdings wahr, und die drei Männer machten sich sofort ans Werk, die Steine am Rande der Pyramidenplatte zu einer Mauer aufzuhäufen. Die zwei gewaltigen Fichten, deren Stämme im Grabmal wurzelten, senkten ihre dichten Äste tief herab. Auch zwischen diesen wurde mit Hilfe der Sättel und Decken eine Wand gebildet, die reichlichen Schutz gewähren mußte.

»So, jetzt sind wir fertig«, meinte Bois-rosé. »Diese Decken bilden eine beinahe noch bessere Schutzwehr, als die Steine, deren abspringende Splitter uns verwunden können; sie halten die Kugeln ab, indem sie sie auffangen. Nun sind wir vollständig gerüstet zur Verteidigung. Waffen und Munition besitzen wir vollauf, und ich bin doch neugierig, wer den Platz behalten wird, die ›Herren der Savanne‹ oder die roten und weißen Halunken, die ich wirklich kennenlernen muß.«

»Bis dahin aber haben wir noch einige Stunden Zeit. Ich bin an der Wache. Legt euch nieder, denn es ist anzunehmen, daß wir unsere ganze Kraft und Aufmerksamkeit brauchen werden.«

Ruhig wickelte sich der Kanadier in seine Decke und schlief bald so fest, als ob er sich an einem vollkommen sicheren Ort befände. Mit Fabian war es allerdings anders. Er fühlte sich von den gestrigen Ereignissen so erregt, daß er es vorzog, mit Pepe zu wachen.

Sie unterhielten sich nur in leisestem Flüsterton, und als sich der Osten leise zu röten begann, erstarb ihr Gespräch völlig.

Nach kurzer Zeit vermochten sie bereits die Ebene zu überblicken, und da stellten sie fest, daß sich die dort in der Nacht aufgestellten Indianer nach der Höhe gezogen hatten. Dort oben allerdings hingen noch dichte Nebel, die, vom Staub des Wasserfalls gespeist und vom leichten Morgenwind bewegt, wie Wolken hin- und herwogten und die Belagerer vorerst noch hinderten, die Pyramide zu beobachten.

Es wurde heller und heller; der Wind verstärkte sich und zerriß die Wolken und Nebel, die er bald ganz auseinanderjagte.

Nun konnten die Jäger auch sehen, was ihre Feinde unterdes unternommen hatten. Der Rand des Weges, der oben auf der Höhe hinführte, war mit künstlich aufgerichteten Sträuchern und Reisern maskiert, hinter denen die Feinde Deckung fanden oder wenigstens nicht bemerkt werden konnten.

»Jetzt ist es hell genug, um ihre Kugeln zu erwarten«, meinte der Kanadier. »Aber was ist das? Eine Hand bewegt sich über den Büschen hin und her, zum Zeichen, daß man zu unterhandeln wünsche. Wir wollen ihnen aus Höflichkeit den Willen tun!«

Auch er erhob die Hand über die Steinbrüstung und gab damit seine Zustimmung.

Da zeigte sich an einer von Gebüschen nicht bedeckten Stelle eine Gestalt.

»Santa Lauretta, kennst da den Kerl, Bois-rosé?« fragte Pepe überrascht.

»Sang-mêlé, wahrhaftig, der Raubmörder! Wo er ist, da ist auch sein Vater Main-rouge nicht weit!«

»Dem Himmel sei Dank, daß wir diese Kerle einmal vor uns haben! Ich werde sie zwar nicht auf den Thunfischfang schicken, aber dafür etwas weit Besseres mit ihnen tun!«

»Ja, er ist es,« bestätigte nun auch Fabian. »Er soll bald erfahren, wie ich mit seiner Büchse umzugehen verstehe!«

Jetzt erhob El Mestizo seine Stimme. Hätte er nicht gewußt, weiße Jäger vor sich zu haben, so hätte er es sicher nicht gewagt, sich feindlichen Gewehren in dieser Weise bloßzustellen.

»Was für Männer sind da unten auf dem Grabmal?« fragte er.

»Wirst sie sofort sehen, Schurke!« antwortete die dröhnende Stimme des Kanadiers.

Er richtete seine herkulische Gestalt empor, so daß sie die Schanzmauer weit überragte. Auch Pepe sprang auf und stellte sich an seine Seite. Sofort erhoben die Indianer drüben ein gellendes Freudengeheul. Sie hatten die drei Jäger erkannt, die ihnen mit der Insel im Rio Gila auf so unbegreifliche Weise entkommen waren.

»Der ›große Adler‹!« rief El Mestizo.

»Und der ›zündende Blitz‹!« ergänzte Pepe, sich fest auf den Lauf seiner Büchse stützend. »Wo habt ihr denn den alten Spitzbuben, der sich Main-rouge schimpfen läßt?«

Da erhob sich neben dem Mestizen die hagere, sehnige Gestalt seines Vaters.

»Hier, seht ihn euch an!« grinste er herüber. »Wir kennen uns wohl schon seit längerer Zeit?«

»Ich denke, seit dem Tag, an dem euch ein guter Kolbenschlag überzeugte, daß das Haar anderer Leute nicht auf eurem Kopfe gewachsen ist. Was wollt ihr heute von uns?«

»Das sollt ihr sofort hören! Ihr habt einen Schatz unter euch?«

»Einen Schatz? Welchen meint ihr?«

»Das Gold der Bonanza.«

»Was habt ihr damit zu schaffen?«

»Gebt es heraus!«

»Ah! Und dann?«

»Dann könnt ihr ruhig gehen.«

»Sehr gut! Mit Sack und Pack?«

»Mit Sack und Pack, doch ohne Waffen.«

»Ausgezeichnet! Ich sage euch: wenn ihr mit uns verhandeln wollt, so müßt ihr so reden, wie man mit Männern spricht, die man durch Drohungen nicht einschüchtern und durch Lügen nicht betören kann. Sagt offen, was ihr von uns wollt, – dann sollt ihr von uns eine offene Antwort hören!«

El Mestizo gab nach der Seite hin einen Wink, auf den hin ein Indianer zu ihm trat. Während er mit diesem verhandelte, suchte der Kanadier mit scharfem Auge das ganze drüben liegende Buschwerk ab.

»Pepe, willst du die Verhandlung führen?«

»Wie du willst!«

»Siehst du dort zwischen dem Kirschlorbeerstrauch den Lauf einer Büchse?«

»Ja.«

»Paß auf. Sobald es blitzt, läßt du dich fallen. Die Kugel braucht von drüben bis herüber wohl soviel Zeit, daß du zwischen Blitz und Treffen zur Erde bist.«

»Hab keine Sorge. Der Mann da drüben trifft mich nicht!«

»Aber ich ihn!« beteuerte Bois-rosé, während er sich gemächlich niederstreckte und die Mündung seiner Büchse so vorsichtig zwischen zwei Steine schob, daß sie von oben nicht bemerkt werden konnte.

»Ihr kennt die beiden Räuber schon?« fragte Fabian.

»Ein wenig, mein Sohn. Ich lag eines schönen Tages im Schlaf, während Pepe gegangen war, um einen Trunk Wasser zu holen. Da überfielen mich die beiden Schufte und hatten mich gebunden, bevor ich zum Aufwachen kam. Sie wollten mir die Häute abnehmen, die Biberfelle nämlich und meine eigene Haut, und schon hatte mir Main-rouge das Messer einmal um den Kopf gezogen, als Pepe kam und ihm mit dem Kolben klarmachte, wem das Fell gehörte. Wir ließen damals die Schufte laufen, besser aber wäre es gewesen, wenn wir ihnen den Weg in die ewigen Jagdgründe gezeigt hätten.«

Jetzt erhob sich drüben wieder die Stimme des Mestizen.

»Ihr wollt wissen, was euch erwartet? Ergebt euch auf Gnade und Ungnade!«

»Wem?«

»Mir. Es gibt einen Mann, der Schwarzvogel heißt; dieser will euch gern bei sich sehen, und ich werde euch ihm unversehrt überliefern.«

»Seid Ihr fertig?«

»Ja.«

»Dann sollt Ihr auch unsere Antwort haben: Es gibt einen Mann, der Eure Büchse hat; Ihr sollt ihre Kugeln schmecken!«

»Der meine Büchse hat?« fragte der Mestize gespannt.

Fabian erhob sich.

»Wollt Ihr noch einmal Abschied von ihr nehmen?« fragte er, das Gewehr zeigend.

»Teufel, Tiburcio Arellano! Jetzt gibt es keine Gnade mehr. Feuer!«

Es blitzte drüben auf, während El Mestizo, Main-rouge und der Indianer verschwanden. Aber im selben Augenblick lagen auch Pepe und Fabian am Boden; die verräterische Kugel schlug in einen Stein, drüben jedoch ertönte ein lauter Schrei. Mit dem Blitz drüben hatte der Kanadier abgedrückt, und seine Kugel hatte ihr Ziel gefunden. Der Kampf hatte begonnen – zum Nachteil der Belagerer, die ihren Verrat mit dem ersten Toten bezahlen mußten.

Pepe zog sein Messer und machte einen Einschnitt in den Stamm der einen Fichte.

»Eine Rothaut. Bleiben elf!«

»Oder: Drei Weiße, bleiben zwei«, meinte der Kanadier. »Das Gesträuch, zwischen dem hervor geschossen wurde, hat eine dünne, lichte Stelle, hinter der ich nicht ein dunkles Gesicht, sondern das eines Weißen schimmern zu sehen glaubte.«

Seine Meinung wurde sofort bestätigt. Es wurde von sechs Händen drüben ein Weißer über die Büsche emporgehoben; man sah deutlich, daß ihm die Kugel durch den Kopf gegangen war.

Im nächsten Augenblick flog er über den Rand des Felsens herüber und stürzte mit laut schallendem Aufschlag in die Tiefe des Wasserkessels.

»Baraja!« meinte Fabian.

»Ja, Baraja«, bestätigte Bois-rosé. »Die göttliche Gerechtigkeit begräbt ihn an demselben Ort, an dem sein Opfer Oroche den Tod gefunden hat.«

»Und diese Gerechtigkeit«, fügte Dormilón bei, »läßt ihn als ersten in einem Kampf fallen, den er angestiftet hat. Nun ist der letzte stumm, von dem ein Verrat der Bonanza zu befürchten war. Das Gold bleibt Euch sicher, Don Fabian!«

»Sie vermuten es nach der lügenhaften Aussage des Verräters hier unter uns im Grab und werden den wirklichen Ort nie finden.«

»Aber die Ruhestätte deines Oheims entweihen, mein Sohn. Doch ich hoffe, daß es uns gelingen wird, ihrer so viele zu treffen, daß ihnen dies vergehen wird. Wir sind zu dritt; teilen wir also die Angriffslinie in drei Strecken, von denen jeder von uns eine mit seiner Büchse bewacht! Ich nehme den Teil rechts bis zu dem wilden Rebengerank; du Pepe, nimmst die linke Flanke bis herauf zu dem Nußgesträuch, und du, Fabian, die Mitte.«

»So werde ich mir gleich einen Roten holen!« meinte Pepe ruhig. »Ich lasse mich fressen, wenn dort hinter der kleinen Zypresse nicht ein Indianer seinen Wigwam aufgeschlagen hat.«

Er gab dem Lauf seiner Büchse eine sichere Unterlage, zielte einen Augenblick lang und drückte dann los. Ein lautes Geheul ließ erkennen, daß er getroffen hatte.

»Die Halunken sind so gütig, uns zu benachrichtigen, daß wir nur noch elf rote Felle zu durchlöchern haben«, lachte er.

»Von denen sofort eins ein Loch bekommen wird«, fügte Fabian hinzu.

Auch seine Büchse donnerte, und ein zweites Geheul bewies, daß er sein Wort gehalten hatte.

Einige Minuten lang herrschte jetzt drüben Ruhe, dann aber krachten sämtliche Büchsen, die dem Feind zur Verfügung standen, und die Kugeln schlugen vor und hinter den Jägern in die Steine der Verschanzung, aber keine einzige verursachte auch nur den geringsten Schaden.

Noch mehrere solcher Salven folgten, doch mit demselben Ergebnis. Die während der Nacht errichtete Schanze erwies sich als so vortrefflich, daß sich die Jäger hinter ihr in völliger Sicherheit befanden.

»Sie mögen ihr Pulver und ihre Kugeln immerhin verschwenden; wir schießen nur dann, wenn wir unseres Zieles sicher sind«, bestimmte Bois-rosé.

»Sie wollen uns zur gleichen Verschwendung bewegen«, bemerkte Pepe. »Siehst du auf meiner Strecke den Federbusch, der über den Büschen herüberblickt? Sie haben ihn an einen Ast befestigt und glauben, daß wir nach ihm schießen werden.«

»Der Ast steckt in der Erde, denn ich bemerke auch nicht die allerkleinste Bewegung. Laß sie nur machen! Wenn sie sehen, daß wir uns nicht täuschen lassen, werden sie ungeduldig werden und den Ast bewegen. Das wird natürlich so geschehen, daß einer von ihnen auf der Erde zu ihm hinkriecht und ihn mit ausgestrecktem Arm erfaßt. Dann nimmst du dein Ziel rechts und ich links von ihm, zwei Fuß entfernt tief am Boden, und ich will behaupten, daß wir den Kerl treffen.«

Es verging eine Weile, dann jedoch erwies sich die Ansicht des Kanadiers als richtig. Der Federbusch begann sich leise zu bewegen.

»Feuer, Pepe!«

Aus den Läufen der beiden Büchsen blitzte es auf, und dem Krachen der Schüsse folgte ein erneutes Wutgeheul.

»Schneide eine neue Kerbe, Pepe, damit wir uns nicht verzählen!«

Der einstige Miquelete folgte der Weisung.

»Noch neun! Wenn es in dieser Weise fortgeht, können wir uns in zwei Stunden vierzehn Skalpe holen.«

»So schnell werden wir nicht befreit, Pepe. Die Apatschen werden es merken, daß uns in dieser Weise nicht beizukommen ist. Sie werden einen Kriegsrat halten, um bessere Möglichkeiten zu finden.«

Wirklich blieb es drüben von jetzt an ziemlich ruhig. Beinahe eine volle Stunde verging, und noch immer ließ sich kein Laut hören, keine Bewegung feststellen.

»Unseren Gegnern fällt nichts ein. Trotzdem aber wäre es vorteilhaft für uns, wenn wir ihre Gedanken zu erraten suchten«, bemerkte Bois-rosé. »Was meinst du, Fabian?«

»Ich denke, daß sie einen Punkt suchen werden, von dem aus uns ihre Kugeln zu erreichen vermögen. Das ist das einzige, was uns Gefahr bringen kann, und ich wundere mich, daß sie es nicht schon längst getan haben.«

»Sie haben jedenfalls bisher ihren Grund gehabt, es zu unterlassen. Die einzige Stelle, von der aus wir ihren Büchsen ausgesetzt sind, sind jene Felsspitzen dort, die sich gegeneinander neigen. Um diesen Ort aber zu erreichen, müssen sie eine Strecke emporklimmen, die zwar nur kurz ist, uns aber hinreichend Gelegenheit bietet, unsere Büchsen arbeiten zu lassen.«

»Sie werden es dennoch versuchen, früher oder später, mein Vater, und dann ist es gut, wenn wir nicht leere Läufe haben.«

»Das denke ich auch, und das werden auch die beiden Räuber berücksichtigen, die den Angriff leiten. Sie selbst werden sich unseren Kugeln nicht aussetzen, sondern nur die Roten zu den Felsen emporschicken, und zwar erst dann, wenn wir einmal geschossen haben.«

»Wir sind im Besitz von fünf Gewehren, was sie jedenfalls nicht wissen«, meinte Pepe. »Sparen wir die Schüsse in unseren Büchsen und nehmen wir die beiden anderen in die Hand.«

»Richtig! Fabian, mein Sohn, du wirst nicht schießen, damit wir drei Kugeln bereit haben.«

Er ergriff die englische Flinte Don Estebans, während Dormilón nach dem Karabiner Cuchillos langte.

»Und dennoch schieße ich!« antwortete Fabian, und im nächsten Augenblick krachte seine Büchse.

Er hatte das ganz leise Zittern eines Strauches bemerkt. Es erfolgte kein Geheul, aber der Strauch bog sich unter einer heftigen, krampfhaften Bewegung.

»Getroffen, mein Sohn! Dieser Mestize hat jedenfalls den Befehl gegeben, uns ferner nicht durch Geschrei zu verraten, daß wir gut zu zielen wissen. Pepe, eine Kerbe!«

»Noch acht!« zählte dieser, während er seinen Einschnitt machte.

Fabian war noch nicht mit dem Laden fertig, so donnerte es drüben aus allen Büchsen. Salve auf Salve folgte, und der Kugelregen schlug zahlreiche Steinsplitter los, die nach allen Richtungen umherflogen.

»Paßt auf«, warnte Pepe. »Sie haben einen Plan, den sie durch dieses Feuer einleiten und decken wollen, und ich lasse mich skalpieren, wenn es nicht der ist, den wir bereits erraten haben!«

»So warte auf eine Pause zwischen den Salven und drücke dann den Karabiner los«, befahl der Kanadier. »Halte aber deine Büchse sofort bei der Hand! – Jetzt!«

Bois-rosé und auch Dormilón drückten ab. Die Vermutung der scharfsinnigen Jäger erwies sich als zutreffend. Vier Indianer sprangen, sich jetzt sicher meinend, mit ihren Büchsen in der Hand nach dem Felsen empor, hinter denen sich Baraja und Oroche beim Herannahen Cuchillos versteckt hatten.

»Ich den ersten, Pepe den zweiten, und du den dritten, Fabian!« rief Bois-rosé hastig.

Drei Feuerstrahle sprühten zwischen den Steinen der Verschanzung hervor; drei der Wilden stürzten zusammen, und nur der vierte erreichte sein Ziel, hinter dem er sofort verschwand.

Kein einziger Laut drüben gab ein Zeichen von der Erbitterung, die diese Abwehr ihrer Kriegslist bei den Belagerern hervorrufen mußte.

»Eine – zwei – drei Kerben. Noch fünf!« zählte Pepe, während er mit sichtlicher Befriedigung seine Zeichen einschnitt.

»Von fünfzehn Feinden bereits acht gefallen!« lächelte der Kanadier. »Die kleinere Hälfte wird uns wohl mehr Arbeit machen als die größere. Drückt euch so eng wie möglich an die Verschanzung, sonst gebt ihr den Schurken da oben ein sicheres Ziel!«

Seine Warnung kam keinen Augenblick zu früh. Pepe hatte sich auf dem Rücken ausgestreckt, um zu laden; da blitzte es oben an dem Felsen auf, und die Kugel schlug zwischen seinen beiden Füßen in den Boden.

In demselben Augenblick aber hatte er die Beine schon emporgezogen, daß die Knie beinahe sein Kinn berührten.

»Santa Lauretta, der Kerl will mir meine Schuhe kaputt schießen! Warte, Halunke, du sollst nicht lange da oben blühen und gedeihen!«

Der Kanadier steckte den Lauf seiner Büchse zwischen die Steine und meinte ruhig:

»Fabian, mein Sohn, deine Fußbekleidung ist länger als unsere. Ziehe sie aus und schiebe sie so weit von dir, daß der Rote den Fuß zu sehen bekommt. Er schoß jetzt auf der rechten Seite der Felsen und wird, um uns irrezumachen, nun auf die linke hinüberwechseln. Diese neigt sich zu uns herüber, und wenn er die Büchse auch noch so hart an die Kante legt, der Ellbogen und ein Teil des Kopfes muß doch zum Vorschein kommen.«

Fabian folgte der Weisung, und der leere Stiefel zeigte sich allerdings so verführerisch für den Indianer, daß er sich zum Schuß verlocken ließ.

Hüben und drüben blitzte es auf; die beiden Schüsse deckten sich so, daß sie wie einer klangen; der Stiefel war nicht einmal gestreift worden, der Wilde aber kollerte, obgleich nur die eine Seite seines Gesichts vom Ohr bis zum Auge an der Felskante auf einen kurzen Augenblick sichtbar gewesen war, tot den steilen Abhang herunter.

»Vortrefflich!« lobte Pepe seinen Gefährten. »Der Mann wird unsere Schuhe fortan in Ruhe lassen. Acht Kerben – noch vier!«

»Würde es nicht besser sein, mein Vater«, fragte Fabian, »wenn wir die Munition für unsere Büchsen sparten? Wir wissen nicht, wieviel wir davon noch auf unserer Wanderung bis zum Büffelsee brauchen, und die Entfernung zwischen hier und drüben ist nicht so groß, daß wir mit den beiden anderen Gewehren nicht doch zu treffen vermöchten.«

»Du hast recht mein Sohn. Nimm den Karabiner, während ich mich der Flinte bedienen werde. Pepe mag seine Büchse behalten!«

Drüben herrschte wieder tiefe Ruhe, die durch keinen Laut unterbrochen wurde. Jedenfalls saßen die Belagerer wieder bei einer Beratung. Der Entwurf eines neuen, besseren Plans mußte ihnen allerdings große Schwierigkeit machen. Die Sonne stieg höher und höher; sie erreichte den Zenit und begann, sich wieder hinabzusenken. Die drei Jäger hatten ihre Mahlzeit gehalten und sich gesättigt; nur der Durst plagte sie. Bei der drückenden Hitze des Tages hätte er sie noch viel mehr belästigt, wenn nicht die herabstürzenden Wasser der Kaskade einen feinen Staub verbreitet hätten, den man zwar nicht zu sammeln und zu trinken vermochte, der aber die Luft befeuchtete und so die Qual des Durstes milderte.

Da endlich zeigte sich eine Änderung bei den Feinden, die die Aufmerksamkeit der Waldläufer auf sich zog. Am äußersten Punkt der Angriffslinie wurde ein aus Büffelfell bestehender Kriegsmantel über zwei eng zusammenstehende, niedrige Büsche gebreitet.

»Was haben sie vor?« fragte Pepe mißtrauisch.

»Wenn sie drei oder vier solcher Mäntel übereinanderlegen, so erhalten sie eine Verschanzung, die selbst unsere Büchsenkugeln nicht zu durchdringen vermögen. Es ist dabei nur zu verwundern, daß sie dieses Bollwerk so weit auf der Flanke errichten, von wo aus sie doch nicht mit Sicherheit auf uns zielen können.«

»Ich werde ihnen eine Kugel geben, denn jetzt ist es noch Zeit dazu«, sprach Pepe.

»Laßt mich dies tun!« bat Bois-rosé, »Ich möchte einmal die Tragkraft dieser englischen Flinte erproben.«

Da er seitwärts zu zielen hatte, so war er gezwungen, den Lauf des Gewehrs weiter als bisher zwischen den Steinen der Verschanzung hervorzuschieben. Er drückte ab; zum gleichen Zeitpunkt aber blitzte es auch gegenüber auf, und die Kugel El Mestizos schlug mit solcher Gewalt auf den Lauf der Flinte, daß diese seinen Händen entfuhr und weit hinüber in den See geschleudert wurde.

Wäre der Kanadier nicht ein so starker Mann gewesen, so hätte ihm der fürchterliche Prellschlag die Hand zerschmettern oder zumindest stark verletzen müssen.

»Teufel, war das ein guter Schuß!« rief er, sich die Hände reibend. »Das war kein anderer als dieser Mestize! Aber nun wissen wir wenigstens, was jene Lederverschanzung für einen Zweck hat. Sie wurde mit Bedacht so schief da drüben angelegt, damit wir beim Zielen den Lauf weit sehen lassen müssen. Sie wollen uns entwaffnen, und ich bin nur froh, daß ich diesen Schuß nicht mit meiner guten Büchse unternommen habe, die ebenso verloren wäre, wie die Flinte Don Estebans. Das habe ich deinem Einfall, unsere Büchsenkugeln zu sparen, zu verdanken, mein Fabian!«

Pepe ergriff einen heruntergeschossenen Fichtenast und richtete ihn mit Hilfe seines Messers so vor, daß er die Gestalt eines Büchsenlaufes bekam

»Bois-rosé, tu mir doch einmal den Gefallen, mit diesem Holz zu schießen; ich werde dabei dem Señor Mestizo eins aufs Leder brennen!«

»Sollten sie uns wirklich für so wenig gewitzt halten, auf den Verlust der Flinte hin nochmals im Ernst zu feuern?«

»Versuchen wir es immerhin!«

Er machte sich schußfertig, und Bois-rosé steckte den Ast langsam und zögernd, wie er es mit der Büchse getan hätte, durch den Zwischenraum zweier Steine hervor.

Wirklich krachte drüben ein Schuß; der Ast wurde getroffen und wirbelte durch die Luft, aber Pepe hatte den Augenblick des Aufblitzens gut wahrgenommen und auch abgedrückt. Ein Schrei bewies, daß seine Kugel ihr Ziel nicht verfehlt hatte.

»Eine neue Kerbe!« rief er frohlockend.

»Oder auch nicht, Pepe!« entgegnete der Kanadier. »Der Schrei klang nicht wie der Todesschrei eines Menschen, sondern wie der Wutschrei eines Verwundeten. Der Teufel muß diesen Mestizen schützen, daß er nicht zu Tode zu treffen ist.«

Wieder verging eine lange Zeit, ohne daß sich etwas Besonderes zeigte. Die Sonne senkte sich inzwischen hinter dem westlichen Horizont herab; die Dämmerung war nicht mehr fern, und noch immer herrschte drüben tiefes Schweigen.

»Sie werden die Nacht abwarten wollen, um uns zu überfallen«, meinte Pepe.

»Das werden sie wohl bleibenlassen. Wir sind drei gegen sechs. Unsere Festung ist uneinnehmbar. Im Gegenteil, ich habe große Lust, sie zu überrumpeln. Wenn wir jene Schlucht benutzen, können wir ihnen in den Rücken gelangen.«

»Sie aber auf demselben Weg auch zu uns.«

»Es ist sehr wahrscheinlich«, bemerkte Fabian, »daß sie irgend etwas unternehmen, um unser Entweichen zu verhindern, denn es ist ihnen klar, daß wir die Dunkelheit benützen werden, um die Pyramide zu verlassen. Nach der Ebene hinab ist der Weg –«

Er hielt inne und deutete mit dem Arm nach der Richtung, von der er soeben gesprochen hatte.

»Siehst du, mein Vater, daß ich recht habe?«

Dort, wo das erschossene Pferd des Indianertöters lag, bewegten sich die Gestalten zweier Indianer, zu denen sich bald noch zwei weitere gesellten. Sie ließen sich in der Nähe des Kadavers nieder und nahmen eine Stellung ein, aus der zu ersehen war, daß sie sich zu einem längeren Verweilen entschlossen hatten.

»Sie wollen uns einschließen. Pah, das dürfte ihnen schwer werden«, meinte Bois-rosé. »Der Weg über den Hügel, über den wir gekommen sind, bleibt uns auf jeden Fall – Alle Wetter, die Schurken verlegen uns auch dort die Bahn!«

Die drei Männer wandten ihre Augen nach der angegebenen Richtung und gewahrten Main-rouge und Sang-mêlé, die einen Haufen Reisig zusammentrugen, der so groß war, daß er wohl den größten Teil der Nacht hindurch die ganze Gegend erleuchten konnte.

»Und dennoch müssen wir von der Pyramide herunter, wenn wir die Räuber erlegen wollen«, erklärte Fabian. »Die Apatschen sind nach dem Büffelsee, um Don Agustín zu überfallen, und ich muß auf alle Fälle hin, um ihm beizustehen.«

Der Kanadier lächelte still in sich hinein.

»Wir werden es wohl fertigbringen, mein Sohn. Für Pepe und mich sind diese vier Indianer nicht zuviel, wenn wir sie in der Dunkelheit überraschen. Dann steht es uns frei, sofort nach dem Büffelsee aufzubrechen oder von hinten über die beiden Spitzbuben zu kommen.«

»Für dich und Pepe? Ich werde doch wohl auch dabei sein!«

»Nein, mein Sohn, das kann ich nicht zugeben! Zwei gehen sicherer als drei, und um uns für alle Fälle vorzusehen, dürfen wir unsere Festung nicht ganz ohne Besatzung lassen. Einer muß zurückbleiben, um sie zu bewachen, bis wir mit den vier Roten fertig sind, und das wirst am besten du besorgen.«

Fabian gab seinen Einwand noch nicht auf, aber er wurde überstimmt und mußte sich in den Willen des Kanadiers fügen.

Einige Zeit, nachdem es dunkel geworden war, flackerte da, wo der Reisighaufen lag, eine helle, hohe Flamme auf, die allerdings nur die eine Seite der Pyramide beleuchtete. Die übrige Umgebung blieb weiter in völliger Finsternis.

»Jetzt wird es Zeit«, meinte Dormilón.

»Nein«, widersprach Bois-rosé, »wir müssen noch warten, bis die Aufmerksamkeit unserer Beobachter etwas nachgelassen hat.«

Dies geschah, und erst nach Verlauf von mehr als einer Stunde richtete sich der Kanadier aus seiner liegenden Stellung empor.

»Mein Sohn, wir werden gehen!«

»Wirklich ohne mich, Vater?«

»Ja. Du mußt hier unsere Festung bewachen, auf die wir ja angewiesen sind, wenn es uns nicht gelingen sollte, die Indianer aus dem Wege zu räumen.«

Der gute Bois-rosé wollte nicht sagen, daß ihn nur die Sorge um das Leben seines Lieblings zu dieser Maßregel bestimmte.

»Ich glaube nicht«, fuhr er fort, »daß dir während unserer Abwesenheit hier eine Gefahr droht, und wir werden ja auch nur für wenige Minuten fern sein. Sollte aber dennoch etwas geschehen, was unsere Hilfe nötig macht, so werden wir auf einen Schuß von dir sofort herbeieilen. Komm, Pepe!«

Auch Dormilón erhob sich. Sie ergriffen ihre Gewehre, huschten über die in völliger Dunkelheit liegende Plattform der Pyramide und glitten an der Böschung hinab.

Kaum waren sie im Dunkel verschwunden, so tauchten zwei Gestalten von der anderen Seite her auf.

»Endlich gelingt uns eine List, Alter!« flüsterte El Mestizo. »Sie wollen die Roten fortschaffen und mögen dies auch immer tun. Wir schleichen uns indessen hinauf und überwältigen diesen Tiburcio, der zurückgeblieben ist. Er wird uns mein Gewehr und seine Haare lassen müssen. Kommen sie dann zurück, so empfangen wir sie mit unseren Kugeln. Ist diese Pyramide einmal in unserem Besitz, so können sie uns nichts anhaben. Steige du hier hinauf und mache, wenn du am Rand angelangt bist, einiges Geräusch, das seine Aufmerksamkeit auf dich lenkt; desto sicherer komme ich über ihn!«

Main-rouge schickte sich an, diesem Befehl seines Sohnes zu folgen.

Fabian saß auf der Plattform und lauschte in die Nacht hinaus. Er war besorgt um die beiden Gefährten, die jedenfalls einer nicht geringen Gefahr entgegengingen. Größere Sorge noch aber bereitete ihm der Gedanke an Don Agustín Pena und seine schöne Tochter. Die beiden Räuber, die den Haciendero mit seiner Tochter bereits einmal überfallen hatten, wußten jedenfalls von den Anschlägen der Apatschen, an denen sie vielleicht sogar teilzunehmen beschlossen hatten. Es drängte ihn fort, schnell fort nach dem Büffelsee, und so dehnten sich die Augenblicke der Abwesenheit seiner zwei Gefährten zu Stunden.

Da war es ihm, als habe er nicht weit vom Rande der Plattform ein Geräusch vernommen. Er kroch hinzu und erblickte eine dunkle Gestalt, die eben im Begriff stand, die Pyramide zu ersteigen.

»Pepe! Vater!«

»Ja!«

»Wie ist es gegangen?«

»Gut!« antwortete die Gestalt.

Im selben Augenblick erkannte er aber, daß es weder Pepe noch Bois-rosé war. Er hob die Büchse zum Schlag, – da fühlte er seinen Arm gepackt, so daß ihm das Gewehr entfiel und von der Pyramide hinabglitt.

Der erste der beiden Männer hatte jetzt auch die Plattform erklommen, und so sah sich der Jüngling von zwei riesenstarken Männern umschlungen, in denen er den Mestizen und Main-rouge erkannte.

Jetzt außerstande zu schießen, ließ er einen lauten Schrei erschallen, dessen scharfer Ton weithin die Stille der Nacht durchschnitt.

»Gib ihm das Messer, Alter!« gebot der Mestize, der nicht selbst zustoßen konnte, da er damit beschäftigt war, Fabian mit beiden Armen zu halten.

Main-rouge zog die Klinge. Dieser Anblick verdoppelte Fabians Kraft. Er riß sich los, packte sein eigenes Messer und stieß nach dem Alten. Dieser erhielt den Stich in den Oberarm und ließ seine Waffe fallen, um ihm das Messer zu entreißen. Das Handgemenge, in dessen Verlauf Fabian seinen Schrei wiederholte, führte die drei Ringenden über die ganze Plattform hinüber; sie erreichten den Rand und stürzten, während einer sich an dem anderen zu halten suchte, hinab.

Fabian erreichte den Boden besinnungslos; er war mit dem Kopf auf einen Stein geschlagen. Der Mestize war der erste, der sich aufraffte.

»Lebst du, Alter?«

»Ja.«

»Der Schlingel ist betäubt. Rasch, faß ihn an und fort mit ihm.«

»Gib ihm den Rest!«

»Nun nicht. Oben wäre es angebracht gewesen. Hörst du die beiden anderen kommen? Sie ersteigen schon die Pyramide. Wir können nicht wieder hinauf. Fort!«

»Zuvor stoße ich ihn nieder!«

»Wage es, Schwachkopf! Wenn wir ihn tot zurücklassen, bekommen wir sie nicht. Nehmen wir ihn aber als Gefangenen mit, so werden sie uns folgen, bis wir sie haben. Fort mit ihm, sage ich dir!«

Main-rouge gehorchte jetzt. Sie ergriffen den Bewußtlosen und zogen ihn von der Pyramide weg, auf deren Plattform sich laute Rufe des Schreckens und der Wut vernehmen ließen.

Der Kanadier und Pepe waren nach der Ebene hinabgeschlichen und unbemerkt in der Nähe des Pferdekadavers angekommen, wo die Indianer noch immer beisammensaßen. Sie mochten glauben, daß die Weißen die indianische Methode befolgen würden, ihr Unternehmen erst gegen Morgen zu beginnen und strengten daher ihre Aufmerksamkeit nicht in der Weise an, wie es die gegenwärtige Lage erfordert hätte. Zudem hatten die beiden letzten Tage ihre Kräfte so in Anspruch genommen, daß sie sich ermüdet fühlten und nur mit halben Sinnen wachten.

»Sie werden es uns nicht sehr schwer machen«, flüsterte der Kanadier. »Vorwärts!«

Hart am Boden liegend, krochen sie mit unhörbaren, schlangengleichen Bewegungen auf die Roten zu. Nur wenige Schritte noch von ihnen entfernt, ließen sie ihre Büchsen liegen. Dann erhoben sie sich und stürzten sich mit der Schnelligkeit des Blitzes auf die Ahnungslosen. Eine einzige Minute genügte, dann wischte Pepe das blutige Messer ab und meinte:

»Zwölf Kerben. Fertig mit den Roten!«

In diesem Augenblick erscholl der erste Hilferuf Fabians.

»Santa Lauretta, wer war das?«

»Fabian!« rief der Kanadier, und noch während dieses Wortes raffte er seine Büchse auf und flog in langen, gewaltigen Sätzen auf die Pyramide zu, Pepe mit seinem ebenfalls aufgegriffenen Gewehr hinter ihm drein. Dennoch hatten sie noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, als der zweite Schrei erscholl.

»Schneller, um Gottes willen, schneller, Pepe!« rief der Kanadier.

In wahren Riesensprüngen schoß er vorwärts; die Angst um Fabian gab ihm neben der Stärke eines Riesen noch die Spannkraft eines Tigers. Ohne zu forschen, ob Pepe ihm auch zu folgen vermöge, schnellte er über die Ebene dahin und sprang, bei der Pyramide angekommen, ohne Anwendung der sonst gebotenen Vorsicht an dieser in die Höhe.

»Fabian!« rief er, oben angekommen.

Keine Antwort ertönte.

»Fabian, mein Kind, mein Sohn!« wiederholte er in entsetzlicher Angst.

Auch jetzt blieb die Umgebung ruhig. Nur das Keuchen des emporklimmenden Dormilón ließ sich vernehmen.

»Wo ist er?« fragte dieser, gänzlich außer Atem, als er die Plattform betrat.

»Verschwunden, ich weiß nicht, wohin!«

»Liegt seine Büchse hier?«

Sie suchten.

»Nein.«

»Dann ist ihm nichts geschehen«, beruhigte Pepe. »Er hat die Waffe bei sich und würde geschossen haben, wenn ihm eine Gefahr gedroht hätte.«

»Nein, er hat sich nicht freiwillig entfernt, er ist überfallen und fortgeschleppt worden. El Mestizo hat seine Büchse wieder geholt«, antwortete Bois-rosé und »Fabian, Fabian!« erklang wie drohender Donner seine gewaltige Stimme durch die Nacht.

Auch jetzt wieder blieb die Antwort aus.

»Hinab, Pepe! Wir müssen den Fuß der Pyramide untersuchen!«

Sie glitten die steile Böschung hinab und schritten in fieberhafter Erregung um das Grabmal herum. Da stieß der Fuß Dormilóns an etwas Hartes. Er hob es auf.

»Bois-rosé, komm her! Ich habe eine Spur: hier zwischen den Steinen liegt Fabians Büchse!«

Der Kanadier kam herbeigeeilt und nahm die Waffe in die Hand.

»Sie ist noch geladen. Er ist im Ringkampf überwältigt worden. O wäre es doch Tag; dann könnten wir alles aus den Spuren sehen!«

Er blickte ratlos zur Höhe. Ein matter Schein flimmerte durch die Dunkelheit. Er stieg einige Schritte empor und ergriff den Gegenstand.

»Sein Messer!«

»Und hier sein Hut!« rief Pepe. »Santa Lauretta, du hast recht, er ist überfallen worden.«

Diese Gewißheit war jetzt unumstößlich. Sie brachte den Kanadier in die Wut eines angeschossenen Stiers.

»Fabian!« brüllte er, daß das Echo von den Felswänden niederdonnerte.

Seine hohe Gestalt bebte unter der übermächtigen Aufregung, und es lag ein furchtbarer Grimm in dem knirschenden Ton, mit dem er, Pepe die Faust schwer auf die Schulter legend, beteuerte:

»Wir werden ihn wiederfinden, tot oder lebendig! Aber wehe denen, die ihn angetastet haben; sie müssen sterben, und wenn sie der Satan selbst beschützt!« –


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