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Ich werde Schloßherr auf Ückelitz und mache meinerseits einen Gefangenen. Viele neue Überraschungen

 

Die vielen Stunden, die ich im Ückelitzer Weinkeller als schmählich Gefangener habe zubringen müssen, gehören zu den niederdrückendsten Erlebnissen meines großen Abenteuers.

Zuerst, als die Kellertür zuklappte und der Schlüssel im Schloß rasselte, war ich wohl überrascht und empört, aber ich baute noch auf das Wort des Rauhbolds, daß er »später« mit mir sprechen wollte. Natürlich hatte ich schon da einen ziemlichen Zorn, nicht nur auf ihn, sondern auch auf Bessy. Ich fand es nicht ganz richtig von ihr gehandelt, daß sie mich da ganz ohne Protest von ihrer Seite einschließen ließ. Sie hätte sich weigern müssen, auch nur einen Schritt ohne mich zu tun, fand ich.

Ich hatte den beiden eine Viertel-, im höchsten Fall eine halbe Stunde gegeben, bis sie mich befreiten. Nun gut, womöglich mißtraute mir der Rauhbold so sehr, daß er Bessy allein mit dem Geld nach Strammin vorausschickte. Aber die Zeit rann dahin, mir kam es vor, als ob ich schon Stunden über Stunden in diesem Keller saß, und nichts rührte und regte sich. Alles war totenstill, bis auf das Geraschel und Gelaufe von Mäusen und Ratten und jenes seltsame Bröckelgeräusch in den Wänden, welches das Geräusch von Ückelitz zu sein schien. Ich habe es schon einmal erwähnt, damals glaubte ich noch, es summe vielleicht in meinen Ohren vom Schlag des alten Lassenthin. Aber jetzt hörte ich es wieder, es bröckelte und zerfiel. Ganz Ückelitz schien langsam zu zerfallen, und es war auch ein Haus danach, zu zerfallen, und auf dieses Haus unrettbaren Verfalls wollte ich einem, nein, zwei jungen Leben ein Recht verschaffen? Jetzt kam mir das fast aberwitzig vor. Aber die Dinge nahmen nun schon ihren Lauf.

Dunkle Stunden, lange Stunden, Stunden tiefster Niedergeschlagenheit! Man muß bedenken, ich saß da ganz allein in dem stockdunklen Keller, nicht einmal eine Uhr hatte ich bei mir – meine lag noch immer bei Moder Rickmersch im Pfand. Was hätte mir außerdem eine Uhr in dieser Finsternis genützt? Ihr Ticken hätte ich gehört, aber wieviel Zeit sie vertickte, hätte ich nicht feststellen können. Immer wieder sagte ich mir, daß noch nicht so viel Zeit vergangen sein konnte, wie ich mir einbildete. Ich sagte mir auch, daß Bessy vor ihrem Abreiten mindestens sich noch an das Kellerfenster schleichen und mir ein paar Worte zuflüstern würde.

Dieser Gedanke lenkte meine Aufmerksamkeit auf das Kellerfenster, das vielleicht eine Möglichkeit zum Entrinnen bot. Ich tastete mich zu ihm, fand es aber derart mit Gestellen voll Weinflaschen versetzt, daß es sich nicht einmal öffnen ließ. Um so besser! Die Zeit würde schneller vergehen, wenn ich etwas zu tun hatte. So machte ich mich sofort an die Arbeit, die Regale ihrer Flaschen zu entleeren. Daß ich dabei nicht sehr sorgfältig und unter Schonung der Weinbestände verfuhr, läßt sich denken. Ich arbeitete im Stockdunkeln, im Stockdunkeln mußte ich nach freiem Raum auf andern Regalen tasten, so manche Flasche ging dabei zu Bruch, manch alter, herrlicher Burgunder verrann auf dem Backsteinfußboden!

Solches Mißgeschick aber betrübte mich nicht im geringsten, im Gegenteil. Ich grinste über die Verwüstung, die ich hier anrichtete, und wenn ich auch nicht mutwillig zerstörte (denn das ist nicht Stramminsche Art), so sah ich mich auch nicht gerade besonders vor. Schließlich arbeitete ich in einem immer dichter werdenden Weindunst, der edle Burgunder sandte versickernd sein Bouquet durch die Nase in mein Hirn, und mit manch Probeschluck, den ich aus zerbrochenen Flaschen getan, tat dieser Duft das Seinige, um mir einen kräftigen Rausch beizubringen.

Schließlich aber waren die beiden Regale vorm Fenster leer, und ich konnte mich an ihre Entfernung machen. Sie waren mit starken Eisenhaken in der Kellerwand befestigt, aber das hinderte mich nicht. Ich hatte kräftige Hände und brach die Regale, deren Kiefernholz schon morsch war, Stück für Stück ab: Ich machte Brennholz aus ihnen. Als ich mit meiner Räumarbeit begonnen hatte, war es noch völlig dunkel im Keller gewesen. Als ich nun aber die letzten Lattenroste auseinanderriß und erst einen, dann den andern Fensterflügel öffnete – sie waren übrigens völlig verquollen und gingen bei diesem Aufreißen mit Scheiben und Rahmen ebenfalls zu Bruch –, da waren draußen der späte Mond aufgegangen, und ein dämmriger Schein von ihm drang selbst in meinen tiefen Kellerschacht.

Ich lehnte mich gegen das Eisengitter und atmete in tiefen Zügen die feuchte Luft aus diesem Schacht, nach dem Weindunst kam sie mir wie Ambrosia vor – was immer auch Ambrosia gewesen sein mag. Einen Augenblick wurde mein benebelter Kopf ein wenig klarer. Ich begriff, daß ich wirklich schon Stunden im Keller saß, daß es weit nach Mitternacht und daß Bessy abgeritten war, ohne einen einzigen Versuch, mich noch einmal zu sehen.

In wildem Zorn rüttelte ich an den Eisenstangen, aber hier war es mit meinen Abbruchkünsten zu Ende. Ückelitz mochte noch so verfallen sein, die Sicherung seines Weinkellers war in Ordnung. Wütend fing ich an, aus dem Kellerschacht zu brüllen, erst nur sinnlose einzelne Worte wie: »Hilfe! Gefangen! Feuer!« Dann ergoß ich mich in einem Strom wilder Beschimpfungen gegen den Rauhbold und seinen Sohn; alles, was ich an Flüchen nur wußte, brüllte ich in die Nacht hinaus. Es war ein tobsüchtiger Anfall, ich war halb von Sinnen, vor Wut und vor Wein!

Als ich ganz erschöpft war, kehrte wieder ein bißchen Vernunft in meinen Verstandskasten zurück. Ich setzte mich auf das kleine Gestell, auf dem ich mit Bessy gesessen, und machte mir klar, daß Bessy nicht durchaus treulos sein mußte. Vielleicht saß sie jetzt oben ebenso gefangen wie ich hier unten, überlistet vom Rauhbold, dem nichts heilig war, nicht einmal ein junges Mädchen oder das Geld anderer. Außerdem war dieses Gebrüll aus dem Kellerschacht wirklich weit unter meinem Niveau. Es hatte nicht den geringsten Sinn. Der Keller mußte nach Garten und Park hinausgehen, wo bestimmt niemand war – es sei denn der Rauhbold oder sein Sohn, die sicher rechte Freude an meinem Geschrei haben würden. Ob meine Flüche überhaupt verständlich wurden, war wiederum eine neue Frage. Der Keller steckte sehr tief in der Erde, fünfzehn oder zwanzig Stufen war ich vorhin, den Kopf voran, hinabgeflogen. Das machte, die Stufe nur zu zwanzig Zentimetern gerechnet, drei bis vier Meter aus. Ein solcher Schacht dient auch nicht gerade einer deutlichen Aussprache.

Vernünftig überlegt, blieb mir also nur Warten, irgendwann würde sich der alte Rauhbold schon wieder auf mich besinnen. Bestimmt hatte er nicht die Absicht, mich verhungern zu lassen. Wartezeit aber vergeht am schnellsten, wenn man nicht grübelt, sondern wenn man schläft. Und es gibt kein besseres Schlafmittel als Burgunder, und der war hier unten reichlich vorhanden. Sorgfältig suchte ich mir eine dieser dicken, behäbigen Flaschen, köpfte sie kunstgerecht, tat ein paar tiefe Züge, setzte mich auf meiner Stellage, so behaglich es nur ging, zurecht, und schon war ich eingeschlafen.

Als ich erwachte, war es fast hell im Keller, so hell, wie man es von einem so tiefen Keller nur erwarten kann. Draußen mußte Sonnenschein sein. Ich sprang auf, reckte meine steif gewordenen Glieder (wobei ich einen mißgünstigen Blick auf den wüsten Wirrwarr um mich warf) und lief ans Fenster. Wahrhaftig, ganz oben konnte ich den Schachtrand von Sonne vergoldet sehen – ich hatte die ganze Nacht verschlafen und vielleicht auch einen Gutteil des Vormittags.

Wie spät mochte es sein? Wenn ich genau hinhörte, konnte ich die Vögel im Park singen hören. Es gibt so was wie eine Vogeluhr: Jeder Piepmatz hat seine Lieblingsstunde, zu der er schlägt. Danach kann man mit ziemlicher Sicherheit die Tageszeit bestimmen. Ich horchte lange hin, aber die Geräusche drangen alle so verwischt und vermischt zu mir, daß ich's nicht klar kriegen konnte. Immerhin war ich der Ansicht, daß es schon ziemlich spät am Vormittag sein müßte. Auch mein Magen war dieser Ansicht, er knurrte geradezu unanständig. Herr von Lassenthin konnte sich gern ein wenig mit dem Frühstück beeilen!

Ich drehte mich um und sah noch ungnädiger den wüsten Keller an. Er sah wirklich verdammt wüst aus, viel mehr Flaschen waren zerbrochen, als ich gedacht hatte. Der Rauhbold würde keine Freude bei diesem Anblick empfinden! Auch mich freute er nicht. Mit Widerwillen roch ich den schalen Geruch des vergossenen Weins, und mein Magen drehte sich schon bei dem Gedanken an einen neuen Trunk um.

Eine Weile starrte ich unentschlossen dieses mein Gefängnis an. Dann kam mir wieder der Gedanke, daß Arbeit der beste Zeitvertreib sei, und ich machte mich daran, ein wenig Ordnung zu schaffen. Ich tat das nun aber nicht etwa, um dem Rauhbold die Augen zu verblenden und die Spuren meiner nächtlichen Arbeit zu verbergen, ich tat's nur um meinetwillen, gegen die Langeweile. Die zerbrochenen Flaschen baute ich alle schön nebeneinander auf, soweit sie noch stehen konnten, aus den Scherben aber machte ich einen Haufen. Dann ging ich an die Regalreste. Was noch aneinanderhing, riß ich auseinander und schichtete aus den Latten einen ganzen Berg besten Anmachholzes. Dabei pfiff ich ganz vergnügt vor mich hin. Er sollte mir nur kommen!

Schließlich kam er mir auch, ein wenig zu früh, fand ich sogar, ich war noch nicht ganz mit meiner Arbeit fertig. Der Schlüssel rasselte im Schloß, und da stand der Rauhbold und sah mit spöttischem Lächeln auf mich: »Muß doch einmal nach meinem Gockel sehen«, brummte er. »Na, Gockel, gut zu Wege heute morgen? Hast ja noch gar nicht gekräht heute früh. Heute nacht ging's besser, was?«

Er hatte mich also doch brüllen hören heute nacht! Ich tat aber so, als verstünde ich ihn nicht, und antwortete nur: »Ohne Futter kräht sich's schlecht. Wie steht es mit dem Frühstück, Herr von Lassenthin?«

Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Wahrhaftig, Frühstück! Habe mit keinem Gedanken an Frühstück gedacht, Gockel. Ist keine Gastfreundschaft das in Ückelitz, was?«

»Nun«, sagte ich und trat näher an ihn heran. »Ich bin gar nicht so wild darauf, hier im Keller zu frühstücken. Ich leiste Ihnen oben gern in Ihrer Höhle Gesellschaft.«

Aber er stand wie ein Fels in der Tür. »Tut mir leid, Gockel. Ich fürchte, der Keller wird in den nächsten Tagen dein Aufenthalt bleiben müssen.« Er grinste spöttisch, als er meine zornige Gebärde sah. »Ich bin da übrigens völlig im Einverständnis mit Ihrem Fräulein Braut, Herr von Strammin. Sie findet auch, Sie sitzen jetzt erst einmal viel besser in Nummer Sicher, bis gewisse Damen aus der Gegend verschwunden sind.«

»Sie lügen ja!« rief ich, nun doch zornig. »Bessy ist viel zu stolz, um mit Ihnen über so etwas zu sprechen!«

Wieder lachte der Alte nur. »Vielleicht lüge ich, Gockel. Aber jedenfalls ist die Gans aus Schalenberg längst in Strammin und glaubt Sie – bei der anderen! Ihren Gaul habe ich auch gefunden und in Pflege genommen. Der hat sein Frühstück schon, der hat's besser als sein Herrchen!«

»Glauben Sie denn wirklich, Herr von Lassenthin«, fragte ich recht verächtlich, »daß Sie mit solchen Mätzchen Ihrem Herrn Sohn helfen? Sie können mich einen Tag festhalten und auch zwei ...«

»Auch zwei Wochen, Gockel!«

»Aber deswegen wird Unrecht nicht zu Recht, deswegen wird Frau von Lassenthin Gregor doch zur Rede stellen ...«

»Gregor ist bereits abgereist«, sagte der Schloßherr von Ückelitz unbekümmert. Er zog eine dicke Uhr aus der Tasche. »Beinahe zwölf Uhr. Gregor ist jetzt fast schon in Berlin!«

Er grinste mich so höhnisch an, daß ich alle Geduld verlor. Das Mißgeschick, das mich bei all meinen Bemühungen für Catriona verfolgte, machte mich rasend. »Ja, glauben Sie denn«, schrie ich, »daß ich hier brav in Ihrem Keller sitzen und warten werde, bis Sie geruhen, mich herauszulassen? Da, schauen Sie sich an, was ich heute nacht schon angerichtet habe – ohne bösen Willen. Halten Sie mich aber nur noch einen einzigen Tag hier unten, so soll nicht eine Flasche und nicht ein Regal in diesem Keller mehr heil sein, das sage ich Ihnen.«

Mit diesen Worten aber hatte ich ihn: Er machte einen Satz in den Keller und starrte blaurot vor Wut auf die zerbrochenen Flaschen. »Mein Burgunder!« schrie er. »Mein Leib- und Magen-Burgunder, den ich selbst mir nur am Sonntag gönne. Warte, Bürschchen, das sollst du mir bezahlen!«

Aber ich hatte längst meine Gelegenheit erspäht. Die Kellertür war frei, und während er auf die Flaschenreste geglotzt und versucht hatte, aus den verschmierten und abgerissenen Etiketten die Weinmarke zu entziffern, war ich sachte an ihm vorbeigeschlüpft. Mit einem Satz war ich oben, und ehe er auch nur die unterste Stufe hatte, war ich draußen. Krachend schlug die Kellertür zu, und diesmal war ich es, der den Schlüssel von außen im Schloß umdrehte.

Die Vehemenz indessen, mit der der alte Rauhbold sich nun gegen die Kellertür warf, machte mich zittern! Die Eisenbänder knackten, das Holz ächzte, das Schloß schien zu springen, dicke Kalkbrocken fielen von der Wölbung ... Und wieder ein Anprall und wieder, mit stets gesteigerter Kraft ... Dazu brüllte er wie ein wildes Tier: »Ich schlage dich tot! Da hilft dir kein Herrgott mehr, wenn du mir in die Finger gerätst, du Mistvieh, du Weiberknecht, du!«

Er wurde immer gröber, er wußte noch ganz andere Schimpfworte, als ich sie heute nacht gebraucht hatte. Ich war mir ganz klar, er würde alles tun, was er mir androhte. Mit tiefer Besorgnis sah ich die Tür in ihren Haspen wanken. Was für ein gebrechliches Ding ist doch solch eine Tür! Wenn er freikam, blieb mir nur schleunige Flucht, und dann stand alles noch schlechter, noch aussichtsloser als vorher.

Aber gottlob hielt die Tür stand, und der erste, dies einzusehen, war der alte Lassenthin. Plötzlich gab es keinen Anprall mehr, es gab auch keine Schimpfworte mehr. Es war alles still im Keller. Ich stand mit dem Ohr gewissermaßen an der Tür, und nun hörte ich ihn atmen, keine zwanzig Zentimeter von mir entfernt ging seine riesige Brust wie ein Blasebalg. Dann schnaufte er einmal tief, und nun stieg er die Stufen in den Weinkeller hinab. Ich hörte ihn brummeln und schimpfen, herumwühlen und wieder schimpfen. Dann klang Glas auf Stein, und nun gluckerte es, gluckerte anhaltend ... Herr von Lassenthin hatte sich auf den Trost besonnen, den Burgunder zu spenden vermag. Ich machte, daß ich hinauf ins Schloß kam.

Die nächste halbe Stunde war ganz damit erfüllt, Ückelitz vom einen Ende bis zum anderen, durch alle Stockwerke zu durchstreifen, um mich davon zu überzeugen, daß ich wirklich alleiniger Schloßherr sei. Über wieviel Gänge und Treppen lief ich da, in wieviel Dutzende von Zimmern schaute ich, in denen die Pracht versunkener Jahrhunderte verstaubte und vermoderte. Treppauf und treppab, von der Spitze des Turmes wieder hinunter in den Keller, der noch ein richtiges Verlies hatte mit rostigen Ketten an den Wänden, ein sehr viel schlimmeres Verlies, als mir der alte Rauhbold bereitet hatte. Einblicke in ehemalige Staatsgemächer mit ungeheuren Betthimmeln, von denen die Gardinen in Fetzen hingen, Salons mit Lüstern und Marmorkaminen, aber die Brokatsessel lagen umgestürzt am Boden, und ich scheuchte nur wahre Mäuse-Landtage auf. (Und wieder überkam mich der Gedanke: In all diesen Zerfall willst du zwei junge Leben bringen? Das kann nie guttun.)

Schließlich war ich völlig überzeugt, daß in den weitläufigen Baulichkeiten nur zwei Zimmer bewohnt waren: Gregors Gartenzimmer und die Höhle des Rauhbolds, in die er mich bei meinem ersten Besuch geführt hatte. Das Gartenzimmer trug alle Zeichen einer eiligen Abreise. Leer gähnten die Schränke und die Schübe des Sekretärs, im Kamin lag ein Haufen Asche, und überall lagen Papiere verstreut auf dem Boden. Strahlend schien die Sonne durch die Fenster vom Garten herein, aber ich mochte in diesem Raum nicht bleiben, da zog ich noch die dunkle Höhle vor.

Genau wie vor drei Tagen waren die Fenster grau von Schmutz, der auch die Teppiche bedeckte, und genau wie damals brannte im Kamin ein Feuer. Ich warf ein paar Buchenscheite nach, aber vergeblich sah ich mich nach etwas Eßbarem um. Nur Wein stand dort, einige Kompanien von Flaschen. Aber ich hatte an diesem Tage einen gesunden Ekel vor Wein: Der beste Burgunder hätte mich nicht gereizt.

Aber irgend jemand mußte die beiden Männer doch mit Essen versorgt haben. Ich trat auf die große Diele und sah von ihrem Fenster auf den weiträumigen Wirtschaftshof. Alles war auch hier still und öde, keine Spur von Leben in den Ställen, es sah aus, als sei es eine Ewigkeit her, daß ein Fuß über dies vergraste Pflaster gegangen sei. Nun erinnerte ich mich, daß der Herr von Lassenthin schon vor langem all sein Land verpachtet hatte, worüber es viel böses Schelten gegeben hatte. Denn ein rechter Grundherr bewirtschaftet seinen Boden selbst und gibt ihn nicht Fremden in die Hände, die ihn in der kurzen Frist, die ihnen vergönnt ist, nur aussaugen und ausbeuten.

Immerhin mußte jemand die beiden verköstigen – und mein Blick blieb auf einem alten Leutehaus haften, am andern Ende des Hofes. Wahrhaftig, der Staketenzaun um den Vorgarten dieses Hauses war heil, und es schienen dort sogar Blumen zu wachsen. Die Fensterscheiben blitzten in der Sonne, und aus dem Schornstein stieg kerzengerade in den blauen Junihimmel ein grauer Faden Rauch. Ich überlegte noch, ob ich den Stier bei den Hörnern packen und direkt dorthin gehen und was ich denen da wohl erzählen sollte, als die Tür des Hauses geöffnet wurde. Heraus trat ein alter, ziemlich großer Mann mit weißem Haar und glattrasiertem Gesicht. Es hätte gar nicht noch des Blickes auf seine schwarzen Kniehosen, auf die langen, schwarzen Strümpfe und Schnallenschuhe bedurft, um in ihm einen jener alten Herrschaftsdiener zu erkennen, die auf manchem Landsitz bei uns noch den Wandel der Zeiten zu überdauern schienen.

Der alte Diener ging langsam und steif, als sei er sehr gichtisch, durch den Vorgarten und machte die Lattentür auf. Er ging aber nicht weiter, sondern hielt sie nur offen. Nun kam aus der Tür des Hauses eine kleine, kugelrunde Frau, auch sie schon sehr alt, aber auf ihrem weißen Haar saß ein blendend weißes, gestärktes Häubchen, und über dem schwarzen Kleid trug sie ein weißes Schürzchen mit einer Häkelspitze, ganz als sei sie ein junges Mädchen. Mit beiden Händen aber trug die alte Dienerin ein großes Servierbrett, beladen mit Schüsseln und Tellern und Saucieren, bei deren Anblick mir das Wasser im Munde zusammenlief.

Die kugelrunde Frau war durch den Vorgarten gegangen, der Mann schloß hinter ihr die Tür, und nun ging er ihr langsam und gichtisch voran, immer einen Schritt vor ihr, der Freitreppe und damit meinem Beobachtungsposten zu. Ich drückte mich tief in die Ecke, verbarg mich, so gut es gehen wollte, in den Falten des steifen, modrigen Vorhangs und erwartete mit klopfendem Herzen die weitere Entwicklung. Ungern wäre ich ohne dies köstliche Mittagessen von hier gewichen. Es mußte köstlich sein, eine so rundliche Frau verstand sich bestimmt aufs Kochen. Immerhin schien es unausbleiblich, daß jetzt Nachforschungen nach dem alten Rauhbold einsetzen würden.

Der alte Diener stieg beschwerlich Stufe um Stufe empor. Sein Gesicht war sehr ernst und dabei doch fast ausdruckslos, wie es diese alten Gesichter meist sind. Die kleine Frau tastete hinter ihm jede Stufe erst mit dem Fuß, das große Tablett nahm ihr alle Aussicht. Aber ihr friedliches, pausbäckiges Gesicht lächelte Behaglichkeit und Frieden, mit solcher Last in den Händen war sie wohl sicher, überall gut aufgenommen zu werden – selbst vom Rauhbold.

Nun knarrte dicht bei mir die große Dielentür, und die alte Dienerin erschien. Geradenwegs, ohne rechts und links zu schauen, ging sie auf die Höhle zu. Die Dielentür aber wurde wieder zugeschlagen, und ich sah den Diener die Stufen hinabsteigen und nun schräg über den Hof gehen, auf eines der Stallgebäude zu, in dem er verschwand. Aha! dachte ich, nun weiß ich auch, wo mein Alex untergebracht ist. Gut, daß ich das weiß – mir ist immer so, als könnte es hier einmal einen sehr eiligen Aufbruch geben.

Er schien sogar schon nahe, denn nun kam die alte Frau wieder aus der Höhle zurück. Wahrhaftig, sie trug einen großen Gong in der Hand und bearbeitete ihn kräftig mit dem Klöppel. In den Pausen aber rief sie mit schwacher Stimme: »Gnädiger Herr, es ist Essenszeit! Essenszeit, gnädiger Herr!«

Da half nun alles nichts, ich mußte aus meinem Versteck hervor, sonst rief der Gong noch den alten Diener herbei, mit dem sicher lange nicht so gut Kirschen essen war. Ich machte mich aus dem Vorhang frei, ging sachte hinter die alte Frau, die gerade in den Gang hineingongte, und sagte: »Nun, nun, Mutter, nur nicht so laut! Der Großonkel wird schon ohnedies kommen, er holt nur aus dem Keller ein paar Flaschen Burgunder für uns.«

Die kleine Frau war zu mir herumgefahren, aber ohne sonderlich zu erschrecken. Nun sah sie mir gerade ins Gesicht, machte einen Knicks und sagte: »Entschuldigen Sie bloß, Jungherr. Ich wußte nicht, daß der gnädige Herr einen Gast hat. Heute morgen hat er mir nichts davon gesagt.«

»Natürlich nicht«, sagte ich und gab der alten Frau die Hand. »Da hat er's doch selber noch nicht gewußt. Er hat Ihnen wohl bloß gesagt, daß der Gregor abgereist ist?«

Es wurde mir, so klug ich meine Worte auch gesetzt zu haben meinte, doch etwas ungemütlich unter ihrem prüfenden Blick. Aber sie dachte an ganz andere Dinge als Argwohn, sie war das vertrauendste Herz der Welt. »Ich muß Ihr Gesicht doch kennen, junger Herr! Verzeihen Sie die Frage ...«

»Ich bin ein Strammin«, sagte ich. »Ludwig von Strammin.«

Sie schlug die Hände vor Entzücken zusammen: »Daß ich das nicht gleich gesehen habe! Natürlich sind Sie ein Strammin! Sie sind der Sohn von der Amélie, die immer die Lieblingsnichte von dem gnädigen Herrn gewesen ist, damals, als er noch ein bißchen unter Menschen ging.«

Dies war mir neu, Mama hatte mir nie etwas davon erzählt. Aber die alte Dienerin schien sich nicht zu irren, sie fuhr fort: »Jetzt weiß ich es wieder, Jungherr, zu Ihrer Taufe hat mich Ihre Mama von dem gnädigen Herrn ausgeborgt, und ich habe Ihr Taufessen in Strammin kochen dürfen. Vierundneunzig Tischgäste hatten wir allein an der Galatafel, nicht gerechnet all das, was an Beamten und Handwerkern und Vögten im kleinen Saal aß ...«

Sie starrte mich voll Bewunderung an, als werfe dies unerhörte Taufessen noch heute einen verklärenden Lichtschein auf mich. Mir wurde es aber langsam wieder etwas schwül. So arglos die alte Frau auch war, wenn sie sich noch länger solchen Erinnerungen hingab, mußte sie merken, daß der Herr von Lassenthin ein wenig über die Zeit im Keller blieb. Darum faßte ich sie um die Schulter und sagte zu ihr: »Kommen Sie, Mamachen, jetzt müssen Sie gehen. Sie wissen doch, der Großonkel ist heute recht schlechter Laune wegen des Gregor (sie nickte bekümmert), und er will mich ganz allein sprechen. Da sind Sie besser weg, wenn er zurückkommt. Ich spreche Sie aber bestimmt noch, ehe ich abreite.«

»Schönen Dank, junger Herr«, knickste sie. »Schönen Dank. Gott, wird sich mein Elias freuen, wenn ich ihm erzähle, daß ich den Sohn von der Amélie gesehen habe.«

»Halt!« rief ich, denn ein neuer Schreck hatte mich gepackt. »Sie dürfen auch Ihrem Mann noch kein Wort von meinem Besuch hier sagen.« Sie machte jetzt ein ganz verstörtes, erschrecktes Gesicht. »Sie wissen doch, Mamachen, was für schlimme Geschichten das mit Gregor sind?« Sie nickte bekümmert. »Ja«, fuhr ich fort zu lügen, »ich bin nun in einem ganz geheimen Auftrag hier, um das alles in Ordnung zu bringen. Niemand darf wissen, daß ich damit zu tun habe. Eigentlich auch Sie nicht!«

»Ich weiß gar nichts!« antwortete sie eilig. »Ich hab schon wieder alles vergessen. Das wär ja noch schöner, wenn ich in vierzig Dienstjahren nicht gelernt hätte, den Mund zu halten, selbst zu meinem alten Elias! Alles brauchen die Männer auch nicht zu wissen, vor allem nicht diese ollen Weibergeschichten ...«

Ich mußte sie schon wieder weiterschieben. »Also es ist ausgemacht, Mamachen, wir beide halten reinen Mund, wie?«

Sie hatte schon die Türklinke in der Hand, als sie wieder innehielt. »Aber Sie werden doch essen wollen mit dem gnädigen Herrn!« rief sie. »Da muß ich Ihnen doch wenigstens noch schnell Teller und Besteck bringen!«

»Nein, nein, nein!« rief ich verzweifelt. »Da würde Ihr Mann doch alles merken, und es ist streng geheim, staatspolitisch geheim, Mamachen!«

»Ja, ja«, flüsterte sie ganz verwirrt. »Ich versteh schon, aber ohne Teller –«

»Sie müssen sich jetzt zusammennehmen«, sagte ich streng. »Sie haben viel zu rote Bäckchen, und Sie zittern am ganzen Leibe vor Aufregung! So bewahrt man kein Staatsgeheimnis. Denken Sie jetzt sofort an etwas anderes, denken Sie zum Beispiel an das Taufessen in Strammin. Überlegen Sie einmal, ob Sie noch die Speisekarte zurechtkriegen. Es würde mich doch sehr interessieren, was es zu meiner Taufe alles zu essen gab ...«

»Das ist gut. Das ist sehr gut, junger Herr«, flüsterte sie dankbar. »Daran werde ich denken. Sicher kriege ich das Menü noch zusammen. Ich glaube, es gab zuerst ...«

Ich schob die gute Alte aus der Tür und schloß hinter ihr zu, nicht nur einmal, sondern sogar zweimal. Dann sah ich sie über den Hof in ihr Häuschen laufen. Die Stalltür stand noch offen, Elias fütterte wohl noch. Gottlob, sie hatte Zeit, sich das Gesicht abzuwaschen, sie hatte geglüht wie eine Purpurrose – hoffentlich dachte sie auch daran.

Hinter der doppelt verschlossenen Dielentür fühlte ich mich vor allen unliebsamen Überraschungen einigermaßen sicher, und nun gab es für mich nichts anderes mehr, als in die Höhle zu stürzen und nachzusehen, was des Elias Weib für meinen Großonkel gekocht hatte. Seit dem Hähnchen am gestrigen frühen Abend im Bahnhofsrestaurant zu Saßnitz hatte mein Magen nichts mehr zu schmecken bekommen als Rotwein. So verspürte ich jetzt einen Appetit, als hätte ich nicht achtzehn, sondern schon achtzig Stunden gehungert.

Ich hob die Deckel von den Schüsseln. Mein Herz schlug schneller, das Wasser lief mir im Munde zusammen, daß es schon nicht mehr anständig war! Nur keine Überstürzung! sagte ich zu mir und füllte dabei den Suppenteller. Hier ißt dir niemand was weg! Es wird reichen für dich, Lutz!

Ich führte den ersten Löffel zum Munde, ich schloß die Augen, langsam ließ ich den köstlichen Wohlgeschmack im Munde zergehen. Oh, du kleine, kugelrunde, geschwätzige Dienerin – wenn du so schon zu meiner Taufe gekocht hast, was Wunder, wenn ich solch verfressener Mensch geworden bin. Langsam aß ich weiter, und während ich schmeckte und schluckte, suchte meine Zunge zu erraten, was ich da eigentlich aß. Daß es eine Geflügelkraftbrühe war, dies war nicht zu verkennen. Aber die Einlage, zum Teufel, was hatte dieses Weibsbild alles als Einlage hineingestopft, um dieser Kraftbrühe einen solchen Wohlgeschmack zu verleihen?! Nach langem Probieren kam ich zu dem Ergebnis, daß diese Einlage aus Hahnenkämmchen und -nieren bestand, dazu Spargelspitzen mit ein wenig Kerbel, schließlich auch Eierstich mit einer ganz raffiniert gewürzten Schinkenfarce.

Mit einem tiefen Seufzer füllte ich mir einen zweiten, dann einen dritten Teller. Ich verdarb mir den Appetit für die folgenden Köstlichkeiten, aber so schnell konnte ich von diesem Suppengedicht nicht Abschied nehmen. Ich will meine Leser nicht durch alle Tafelgenüsse hindurchquälen, sie könnten nur neidisch werden und eine Abneigung gegen diesen verfressenen Menschen fassen. Ich weiß, ich weiß, die Zeiten für solche kulinarischen Genüsse sind endgültig vorbei. Die Chemie ist in die Tafelfreuden eingebrochen und hat uns erst die Lehre von den Kalorien serviert, dann die Vitamine. Man ißt keine Kraftbrühe à la Douglas mehr, sondern ernährt sich mit Vitamin A und C und betet die schlanke Linie an.

Aber, meine Lieben, es waren doch köstliche Zeiten, da man sich ohne Hemmungen den Freuden der Tafel hingab. Gutes Essen macht auch die Menschen gut. Als ich mich hinter meinen Suppenteller gesetzt hatte, war ich ein recht nervöser, gehetzter junger Mann gewesen. Aber schon der erste Teller hatte mich so verwandelt, daß zum Beispiel meine Abneigung gegen Rotwein völlig verschwunden war. Ich stand auf und suchte mir unter den aufmarschierten Kompanien eine vertrauenerweckende Flasche burgundischer Herkunft aus, und da saß ich nun wieder, schmeckte und schlürfte ein Gläschen Wein, löffelte mein Süppchen und dachte mit Wohlwollen an die ganze Welt.

Ja, so weit ging in Kürze diese Verwandlung, daß ich von dem herrlichen Holsteiner Schnitzel (mit Spiegelei, Sardellen und Kaviar) weit über die Hälfte zurückließ, einesteils vielleicht aus Platzmangel, zum andern Teil aber, weil ich mich meines Gefangenen im öden Weinkeller erinnerte. Jetzt dachte ich mit völligem Wohlwollen an den alten Herrn von Lassenthin. Wäre er nicht so unvernünftig und rauhboldig gewesen, ich hätte niemanden lieber als ihn zum Tischgefährten gehabt: Ein Mann, der sich täglich noch solche Genüsse bereitete, konnte nicht ganz verdorben sein.

Ich schloß mit einer köstlich geratenen Äpfelcharlotte, einer Charlotte, die mit ein paar Löffeln Marillencreme vervollkommnet war, zu der es eine Marillensauce gab, der eine Spur Zitrone die letzte Vollendung verlieh. Mühsam ging ich zu dem großen Ruhebett des Rauhbolds, warf mich darauf und schwur mir, mich allerhöchstens eine Viertelstunde von innen zu besehen.

Wie lange ich wirklich geschlafen habe, ahnte ich nicht. Ich hatte keine Uhr, und auf ganz Ückelitz schien es auch keine gehende Uhr zu geben – wozu auch, der alte Lassenthin kümmerte sich bestimmt nicht mehr um das Verrinnen der Zeit. Vielleicht aber jetzt doch in seinem Keller – und etwas reuig packte ich Fleisch und Auflaufreste zusammen und machte, daß ich in den Keller kam. Schon als ich die letzte Treppe hinabstieg, tönte mir wilder Gesang entgegen. Der alte Lassenthin hatte wohl noch stärker als ich in der Nacht dem Burgunder gehuldigt und sang nach einer selbsterfundenen Melodie das alte Lied:

Im kühlen Keller sitz ich hier
auf einem Faß voll Reben,
bin frohen Muts und lasse mir
vom Allerbesten geben ...

Ich stand lautlos hinter der Kellertür und lauschte auch frohen Mutes diesem wilden, ungezügelten Gesang, bis er mit dem Gebrüll schloß: »Und trinke, trinke, trinke!« Darauf seufzte der Rauhbold tief, und es gluckerte.

Ich aber klopfte gegen die Kellertür und rief: »Herr Großonkel, ich habe hier was für Sie zum Essen. Wenn Sie mir versprechen wollen ...«

»Komm nur herein, du Lumpenkerl!« brüllte er. »Ich werde dir schon das Gelbe vom Schnabel wischen, du oller Gaudieb! Ich will dich schon trösten, du Tunichtgut! Am Galgen sollst du Hund mir baumeln müssen!«

»Wenn Sie was zu essen haben wollen, Herr von Lassenthin«, schrie ich dagegen, »müssen Sie mir Ihr Wort geben, daß Sie keinen Fluchtversuch machen! Stellen Sie sich an das Fenster, und ich will ...«

Aber all mein Reden war unnütz. Er sang schon wieder, diesmal das schöne Lied:

Im Schwarzen Walfisch zu Askalon,
da trank ein Mann drei Tag,
bis daß er steif wie ein Besenstiel
am Marmortische lag ...

Ich wagte es. Leise drehte ich den Schlüssel im Schloß, aber ich hatte nicht mit seiner teuflischen Hellhörigkeit und Wachheit gerechnet: Schon erdröhnte die Tür wieder unter seinem Anprall. Gottlob hatte ich erst einmal umgeschlossen, rasch drehte ich zurück und rief: »Ja, Großonkel, so wird es aber nichts mit dem Essen werden!«

Nun goß er einen ganzen Kübel übelster Verwünschungen über mich aus. Ich machte, daß ich davonkam. Den Gedanken aber, ihn zu nähren, hatte ich trotzdem noch nicht aufgegeben. Ich ging den Kellergang weiter, stieg langsam die Stufen empor, die ich zur Nacht so eilig hinabgeschossen war, und stand im sonnenglänzenden Garten. Ich sah um mich. Alles war, trotz Vernachlässigung und Verfall, in dieser schönen Stunde friedlich und heiter. In den Buchen am Parkrand flatterten und sangen die Vögel; es gab sogar blühende Rankenrosen, die an der Wand emporstiegen und mit reichen gelben und roten Dolden im leichten Sommerwinde leise pendelten.

So still, so friedlich – nur aus dem Kellerloch tönte wieder das wüste Gebrüll, aber hohl und dumpf, als käme es aus den Eingeweiden der Erde. Ich ging näher. Allmählich unterschied ich Worte, der Großonkel sang jetzt ein mir ganz unbekanntes Lied:

Jetzt weicht, jetzt flieht, jetzt weicht, jetzt flieht
mit Zittern und Zähnegefletsch!
Jetzt weicht, jetzt flieht! Wir singen das Lied
vom Enderle von Ketsch!
Ott Heinrich, der Pfalzgraf bei Rheine
der sprach eines Morgens: Remblem!
Ich pfeif auf die sauren Weine!
Ich geh nach Jerusalem! Lem!

Während dieses immer wilder werdende Gebrüll absolviert wurde, ließ ich mich leise auf meine Knie nieder und versuchte, in den Keller zu spähen. Aber der Schacht war viel zu tief, nur ganz unten sah ich ein Stückchen der Eisenstäbe, die das Fensterloch sicherten. Also legte ich mich auf den Bauch und hing mich mit meinem Oberkörper in den Schacht, in der einen Hand das eingewickelte Schnitzel, in der andern Hand, ebenfalls eingewickelt, die Reste der Äpfelcharlotte (ohne Marillensauce). Noch immer konnte ich nicht in den Keller sehen, aber meine herabhängenden Arme waren vor den Gitterstäben: Ich zielte und schoß das Schnitzel in den Keller!

Der Gesang brach ab, aber ein riesiger, nackter, behaarter Arm fuhr blitzgeschwind durch die Gitterstäbe und griff nach meinen Armen. Das wäre dem alten Rauhbold nur recht gewesen, mich in den Kellerschacht hinabzureißen und durch die Gitterstäbe langsam zu Tode zu quälen! Fast wäre es ihm gelungen. Ich hatte aber noch die Äpfelcharlotte. Ganz unwillkürlich, ohne lange zu überlegen, warf ich sie. Ich muß sie ihm wohl direkt ins Gesicht geschleudert haben, ich hörte ein ersticktes Gebrabbel, die Hände griffen ziellos ... Ich aber nützte meine Zeit, stemmte mich gegen die Wand und war in einer Sekunde wieder im sonnigen, grünen Garten.

Daß er unten schrie, mich verfluchte, tobte, das kümmerte mich nicht mehr. Meine Pflicht als Schloßherr von Ückelitz hatte ich erfüllt und meinen Gefangenen genährt. Mochte er nun sehen, wie er weiter zurechtkam, meiner harrten andere Aufgaben.

Die Fenster zu Gregors Zimmer standen jetzt offen, ich wählte den schnellsten Weg und kletterte an der Wand hoch in die Stube. Unterdes war mir nämlich der Gedanke gekommen, daß unter den dort verstreuten Papieren vielleicht doch etwas zu finden sei, das Catriona als Beweismittel nützlich sein könnte. Ich nahm Blatt für Blatt, wie sie auf dem Boden verstreut lagen, aber es waren meist nur Rechnungen oder Mahnungen, durch die Bezahlung dieser Rechnungen gefordert wurde. Oder es waren Rennprogramme und Theaterhefte. Oder es waren auch kleine, unbeholfene Liebesbriefe, auf fasriges liniertes Papier von unbeholfenen Händen geschrieben. Ich schämte mich direkt, sie zu lesen, aber Onkel Gregor hatte sich nicht geschämt, sie sich schreiben zu lassen. Er schien alles mitzunehmen in seinem Leben, alles von dieser Art, von oben bis unten.

Ich steckte das ganze Papierzeug in den Kamin und hielt ein Streichholz daran. Streichhölzer gab es hier genug, Onkel Gregor rauchte den ganzen Tag diese elenden, weibischen Papyrossen. Dann machte ich mich an eine Durchsuchung des Sekretärs, der beiden Kommoden, der Schränke. Aber hier hatte Gregor mir gründlich vorgearbeitet, nicht ein Blättchen fand ich mehr vor. Schließlich war mir diese ekelhafte Nachspürerei so über, daß ich nur mit Widerwillen unter sein Kopfkissen sah. Da ich selbst nämlich die Gewohnheit habe, wichtige Dinge abends unter meinem Kopfkissen zu verbergen, namentlich Geld, namentlich in Hotels, so schloß ich, daß auch andere vielleicht diesem Brauch huldigten. Aber Gregor tat es nicht, unter seinem Kissen lag nichts, so war er klüger als ich, der ich morgens beim Aufstehen meine Schatzkammer meist vergesse und sie mir erst vom Stubenmädchen des Hotels nachtragen lassen muß.

Ärgerlich stand ich in der Tür des Zimmers und sah noch einmal zurück, ob ich nicht doch etwas übersehen hätte. Mein Auge fiel auf eine große, lederne Schreibmappe, die zugeschlagen auf dem Fenstertisch lag. Überzeugt davon, auch hier nichts zu finden, ging ich doch zurück und schlug die Ledermappe auf. Es war nichts in ihr als ein paar Bogen und Umschläge weißes Büttenpapier. Wiederum nichts – und ich wollte die Mappe schon zuschlagen, als mein Blick gerade noch das weiße Löschpapier erhaschte. Es war etwas darauf abgelöscht, nicht viel; wie es schien, nur ein einseitiger, mit dicker Tinte geschriebener Brief.

Langsam löste ich das Blatt aus den haltenden Lederecken und ging damit an den Spiegel. Die Überschrift war ganz leicht im Spiegel zu lesen. Sie lautete: »Mein gutes, dummes Käthchen!« Weiter las ich nicht. Was dann folgte, mochte jemand anderer lesen, der Geheimrat Gumpel oder der Professor. Möglichst nicht Catriona. Ich sah wieder das freche, hübsche Gesicht vor mir mit dem roten Puppenmund – nein, ich las das nicht! Ich faltete das Blatt sorgfältig zusammen, steckte es in die Innentasche meines Jacketts und verließ endgültig Gregors Gartenzimmer.

Die Sonne stand schon tiefer, als ich wieder auf der Diele anlangte. Es mochte gegen fünf Uhr nachmittags sein. In Kürze würde ich den Besuch Professor Arlands mit seinen Schülern zu erwarten haben. Ich hatte mir längst überlegt, daß es besser sein würde, diesem Besuch zuvorzukommen. Ich empfand starke Scheu vor dem strengen und doch ausdruckslosen Gesicht des alten Dieners Elias. Dieser Mann würde sich nicht so leicht an der Nase herumführen lassen wie seine kugelrunde, gutmütige Frau. Die Anwesenheit einer ganzen Schulklasse auf dem Hof von Ückelitz, ohne daß der alte Lassenthin tobend in der Tür erschien, würde genügen, ihn stutzig zu machen. Ich mußte diesem Besuch zuvorkommen, soviel war klar.

Ich schloß die Dielentür auf und huschte eilig über den Hof. Erst als ich hinter den Stallungen außer Sicht vom Leutehaus war, ging ich langsamer. Ich überlegte, von welcher Seite her wohl der Besuch des Professors zu erwarten sei. Wahrscheinlich wohl von Stralsund her. Freilich konnte er ebensogut aus der entgegengesetzten Richtung kommen, als listiger Indianerhäuptling. Ich entschloß mich, erst einmal bis zu der etwas höher gelegenen Landstraße zu gehen und von dort Umschau zu halten.

Aber mit der Umschau war es auch dort nichts. Das Getreide stand schon so hoch, daß es auch den längsten Mann verbarg. Sie konnten nur drei Minuten entfernt sein, wenn sie sich leidlich stille verhielten, sah ich nichts von ihnen. Mühsam erkletterte ich eine jener unbequemen Spitzpappeln, die so gern die Straßen meiner Heimat begleiten und die sich so gar nicht zum Klettern eignen; aber auch diese Mühe war umsonst; nichts zu sehen und nichts zu hören.

Eine halbe Stunde irrte ich so in den Feldern umher, mit stets sinkender Hoffnung. Dann fand ich es an der Zeit, mich wieder einmal um mein Schloß und seinen Gefangenen zu kümmern. Immerhin hatte ich die Dielentür offenstehen lassen ...

Diesmal näherte ich mich, wie in der vergangenen Nacht, Ückelitz von der Parkseite. Ich fand die eingebrochene Mauerstelle, ich fand auch den Platz wieder, wo ich meinen Alex angebunden hatte. Eilig kletterte ich durch die Lücke und lief durch den Park. Ich lief immer schneller, denn es war mir sehr so, als hörte ich jetzt Stimmen, viele Stimmen.

So war es auch wirklich. Als ich aus den letzten Parkbäumen hervortrat, sah ich auf den Rasen des Gartens gelagert die Schüler meines Waffengefährten Marcelin. Am verdammten Kellerloch aber kniete der Professor und schien völlig in eine gebrüllte Unterhaltung mit meinem Gefangenen vertieft. Die berühmte Salzsäule, unter der ich mir freilich nie etwas Rechtes habe vorstellen können, war gar nichts gegen mich.

Aber langsam wich die Erstarrung wieder von mir. Hier mußte gehandelt werden, und zwar rasch gehandelt. Ich ging zwischen den lagernden Gruppen der Gymnasiasten hindurch, nickte ihnen freundlich zu und kniete mich neben den Professor hin, der ganz ins Lauschen vertieft war. »Achtung, Professor«, flüsterte ich. »Lassen Sie sich nicht anmerken, daß ich hier bin!«

»Ein Lausekerl!« schimpfte der Herr von Lassenthin unten. »Ein richtiger Lumpenkerl! Mann Gottes, lassen Sie sich doch nicht länger drängeln! Drehen Sie nur den Schlüssel im Schloß um, und das andere soll meine Sache sein! Ich spendiere Ihren Rotzjungen auch eine komplette Schmetterlingssammlung, und Ihnen, Professor, Ihnen verehre ich fünfzig Flaschen meines besten Burgunders, der sich nie gewaschen hat! Seien Sie bloß kein Aas, Professor!«

Arland hatte mir nur kurz zugenickt und mit glänzenden Augen und unverhohlenem Entzücken den Beschwörungen des Rauhbolds gelauscht. Jetzt schrie er: »Einen Augenblick! Ich muß einmal nach meinen Buben sehen, sie fangen an, Unfug zu stiften!«

Der Alte brüllte wütend zurück: »Ach, scheiß auf Ihre Buben! Was soll hier auf Ückelitz schon für Unfug passieren?«

Der Professor aber zog mich am Arm vom Kellerloch und dem Gebrüll fort und sagte begeistert: »Ein herrliches altes Biest. Ein richtiger Raubritter. Er hat mir schon fünfhundert Taler geboten, wenn ich ihn 'rauslasse.«

»Das möchte er!« sagte ich ärgerlich. »Ich habe Mühe genug gehabt, ihn in das Loch zu kriegen, und da bleibt er sitzen – wenigstens vorläufig.«

»Sie sind glänzend, Strammin!« rief der Professor und betrachtete mich heiteren Auges. »Glauben Sie denn wirklich, den alten Knochen durch ein bißchen Kellerhaft mürbe zu kriegen? Glauben Sie, die Verhandlungen werden nun leichter gehen? Was haben Sie eigentlich vor?«

»Gar nichts habe ich vor«, sagte ich ärgerlich. Und verbesserte mich: »Natürlich habe ich eine ganze Menge vor. Jedenfalls finde ich es besser, er sitzt im Keller als ich, wie es zuerst war. Hat er Ihnen denn nicht erzählt, wie das alles gekommen ist?«

»Erzählt –? Ich würde es nicht gerade erzählt nennen. Aber ich habe mir aus seinem Geschimpfe so ungefähr einen Vers machen können. Und der Gregor ist unterdes also auch ausgerissen?«

»Jawohl, das ist er.«

»Nun«, meinte der Professor tröstend, »ich glaube ja auch nicht, daß der Gregor im Augenblick so wichtig ist. Zuerst müssen wir jedenfalls mit dem Alten ins reine kommen. Wie das aber jetzt noch geschehen soll, das ahne ich nicht. Oder Sie etwa, Strammin?«

Es fing wirklich an, mich schon zu ärgern, daß mir der Professor so gar keine Vorwürfe machte. Schließlich hatte ich tatsächlich nicht nach unserm Programm gehandelt. »Hören Sie zu, Professor«, sagte ich eifrig. »Es hat sich eines aus dem andern entwickelt, ich habe wirklich kaum etwas dazu getan. Der Gregor wäre auch ohne mich durch die Lappen gegangen, jetzt hat hoffentlich Fräulein von Schalenberg mein Geld gerettet. Sie haben gehört, daß Fräulein von Schalenberg heute nacht auch hier war?«

»Er hat was von einer Bessy erzählt, die Ihre Braut sein soll.« Der Professor sagte es ganz harmlos, sah mich aber noch immer mit seinen vergnügten Augen sehr an.

»Braut!« sagte ich. »Wir sind alte Freunde, die Bessy und ich, seit Kindesbeinen an. Aber nun passen Sie auf, Professor, wie ich mir die Sache weiter denke. Sie wandern jetzt sofort mit den Jungen nach Stralsund zurück. Dort nehmen Sie sich einen Wagen und fahren mit Frau von Lassenthin hierher. Sie wollte ja stets durchaus nach Ückelitz – jetzt glaube ich wirklich, es ist soweit.«

»Und wie geht es weiter, wenn Frau von Lassenthin hier ist, mein irrender Ritter?« fragte der Professor ein wenig spöttisch.

»Ach, irgendwie«, rief ich. »Ich habe es längst aufgegeben, bei dieser Geschichte nach einem Programm zu handeln, es kommt ja doch immer ganz anders.«

»Fühlen Sie sich denn kräftig genug, die Dame gegen Ihren Gefangenen zu beschützen? Die Hände, die er da vorhin durchs Gitter streckte, schienen mir reichlich tatzenhaft ...«

»Das wird sich alles schon irgendwie finden«, sagte ich entschlossen. »Zur Not kann ja Frau von Lassenthin zuerst mit ihm durchs Kellerloch reden – Sie haben sich ja auch mit dem Rauhbold auf diesem Wege eben ausgezeichnet verständigt.«

»Glauben Sie wirklich, sie täte das?«

»Nein, wahrscheinlich tut sie es nicht«, rief ich wütend. »Aber irgendwie wird's schon gehen. Lieber Professor, seien Sie jetzt nicht so nachdenklich! Tun Sie, was ich Ihnen sage – oder wissen Sie etwas Besseres?«

»Das beste würde sein«, meinte der Professor nachdenklich, »Sie ritten auf der Stelle ab nach Strammin, und ich befreite den Alten. Dann hätte ich seine Sympathie und wäre der richtige Mittelsmann für Frau von Lassenthin.«

»Das möchten Sie!« rief ich, in meiner Eifersucht etwas unbedacht. »Und ich sitze in Strammin und kann gar nichts mehr tun.« Ich besann mich. »Nein, nein, Professor, Ihr Vorschlag taugt nichts. Beim ersten Wort, das Sie von Frau von Lassenthin reden würden, wäre seine ganze Sympathie für Sie zerstoben. Holen Sie Frau von Lassenthin, aber sehen Sie vorher noch beim Geheimrat Gumpel in der Ossenreyer nach, vielleicht ist er schon kräftig genug für eine solche Wagenfahrt.«

»Nun gut, mein Sohn Lutz«, sprach der Professor. »Es soll alles geschehen, wie Sie befehlen – Frau von Lassenthins Zustimmung natürlich vorausgesetzt. Unterdes sehen Sie, daß Sie mit Ihrem Trotzköpfchen auf einen etwas besseren Fuß kommen. Los, Jungens, es wird abmarschiert, hier ist für uns nichts mehr zu holen.« Einen Augenblick lauschte er noch den zornigen Verwünschungen aus dem Kellerloch, dann: »Es ist Ihnen ja wohl klar, Strammin, daß diese Haft so oder so heute noch ein Ende finden muß? Meine Primaner sind gute Jungens, aber das hieße Menschenunmögliches verlangen, wenn sie über das, was sie hier gehört, schweigen sollten.«

»Es wird sich schon alles historisch entwickeln, Professor«, antwortete ich und sah schweigend dem Abmarsch durch den Park zu.

Dann ging ich um das Schloß herum nach dem Wirtschaftshof hin. Ich wollte nur einen Blick auf ihn werfen, vielleicht auch nach meinem Alex sehen. Aber dieser eine Blick genügte mir vollkommen. Die historische Entwicklung machte Riesenfortschritte, trotz des reichlichen Mittagsmahls wurde es mir schwach im Magen. Auf dem Hof, direkt vor der Freitreppe, hielt ein leichter Jagdwagen! Und die Füchse von diesem Jagdwagen kannte ich nur zu gut!

Langsam, Schritt für Schritt, ging ich diesem Phantom entgegen, nickte dem Kutscher Hanf, der die Peitsche grüßend gegen seinen Lackpott legte, kurz zu und stieg, Stufe für Stufe, die Freitreppe hinauf, bestimmt aber nicht schneller als der gichtbrüchige Diener Elias.

Die Dielentür stand weit offen, aus ihr drang mir ein wahres Stimmengewirr entgegen, von sehr bekannten Stimmen wiederum.

Jetzt trat ich leise auf die Diele, und da hatte ich sie alle vor mir: Papa und Mama, und hinter Mama natürlich die unvermeidliche Madeleine mit dem Pompadour und dem Gamingesichtchen, dessen Eidechsenzünglein schon wieder lebhaft in Tätigkeit war. Und neben Mama stand die Bessy und war eifrig dabei, den alten Elias zu vernehmen, während seine Frau ständig vor Mama knickste und ihr etwas erzählte.

Plötzlich trat tiefe Stille ein, aller Augen hatten sich auf mich gerichtet!

»Da ist ja der Lutz!« rief Bessy recht spöttisch.

»Gottlob!« rief Papa und klemmte sein Monokel ein. »Jetzt wird sich ja alles befriedigend aufklären.«

»Lutz, Junge!« rief Mama, eilte auf mich zu und blieb wieder erschrocken stehen. »Gott, mein armer Junge, wie siehst du denn aus –?! Madeleine, mon cachenez! Meine Lorgnette, Madeleine! Mein armer, armer Junge, so hast du ja noch nie ausgesehen.«

»So könnten Sie mir beinahe gefallen«, flüsterte mir Madeleine zu, während sie Mama mit Taschentuch und Lorgnette bediente. Ihre leichtgeschlitzten Augen funkelten vor Übermut, und die Zunge fuhr ein-, zwei-, dreimal aus dem Mundwinkel.


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