Hans Fallada
Der Alpdruck
Hans Fallada

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Vorwort

Der Verfasser dieses Romans ist keineswegs zufrieden mit dem, was er auf den folgenden Seiten schrieb, was der Leser jetzt gedruckt vor sich hat. Als er den Plan zu diesem Buch faßte, schwebte ihm vor, daß neben den Niederlagen des täglichen Lebens, den Depressionen, den Erkrankungen, der Mutlosigkeit – daß neben allen diesen Erscheinungen, die das Ende des schrecklichen Krieges unvermeidlich jedem Deutschen gebracht hat, auch Aufschwünge zu schildern sein würden. Taten hohen Mutes, Stunden voll Hoffnung – es war ihm nicht beschieden. Das Buch ist im wesentlichen ein Krankheitsbericht geblieben, die Geschichte jener Apathie, die den größeren und vor allem den anständigeren Teil des deutschen Volkes im April des Jahres 1945 befiel, von der sich viele heute noch nicht frei gemacht haben.

Daß er dies nicht ändern konnte, daß er nicht mehr Leichtigkeit und Heiterkeit in diesen Roman bringen konnte, liegt nicht allein an des Verfassers Art, die Dinge zu sehen, es liegt vor allem an der Gesamtlage des deutschen Volkes, die heute, fünfviertel Jahr nach Beendigung der Kampfhandlungen, noch immer düster ist.

Wenn der Roman der Öffentlichkeit trotz dieses Mangels übergeben wird, so darum, weil er vielleicht ein »document humain« ist, ein möglichst wahrheitsgetreuer Bericht dessen, was deutsche Menschen vom April 1945 bis in den Sommer hinein fühlten, litten, taten. Vielleicht wird man schon in naher Zeit die Lähmung nicht mehr begreifen, die so verhängnisvoll dies erste Jahr nach Kriegsende beeinflußte. Eine Krankheitsgeschichte also, kein Kunstwerk – verzeiht! (Auch der Verfasser konnte nicht aus seiner Haut, auch der Verfasser war »gelähmt«.)

Soeben ist von »wahrheitsgetreuem Bericht« gesprochen worden. Aber nichts von dem, was auf den folgenden Seiten erzählt wird, ist so geschehen, wie es hier berichtet ist. Ein Buch wie dieses kann schon aus räumlichen Gründen nicht alles sagen, was geschah; es mußte ständig eine Auswahl getroffen, es mußte erfunden werden, Berichtetes konnte in der berichteten Form nicht verwendet, sondern mußte abgewandelt werden. Daß das Ganze darum doch »wahr« sein kann, wird davon nicht berührt: alles hier Erzählte konnte so geschehen und ist doch ein Roman, also ein Gebilde der Phantasie.

Das gleiche ist von den eingeführten Personen zu sagen: so, wie sie hier geschildert sind, lebt keine außerhalb des Buches. Wie die Geschehnisse den Gesetzen des Erzählens folgen mußten, so auch die Personen. Manche sind erfunden, andere sind aus mehreren zusammengesetzt.

Es war nicht erfreulich, diesen Roman zu schreiben, aber das Buch schien dem Verfasser wichtig. Immer, zwischen Aufschwüngen und Niederlagen, blieb ihm wichtig, was innerlich und äußerlich nach Beendigung des Krieges erlebt wurde. Wie fast alle den Glauben verloren und endlich doch ein wenig Mut und Hoffnung wiederfanden – davon ist auf diesen Seiten zu lesen.

Berlin, August 1946

H. F.

 


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