Max Eyth
Schlehen
Max Eyth

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IX.

Zwei Jahre darauf reiste Artur von Steinau, der neue Gesandtschaftsattachs, und seine Schwester, die Verlobte des Gesandten, nach Kopenhagen. Sie reisten zu Land. In einem ärmlichen Torfe, abseits vom gewöhnlichen Weg, stiegen sie aus. Ein Mann führte sie auf ihre genaue Beschreibung hinaus gegen einen Hügel, auf dem ein einsamer Eichbaum stand. Nicht weit davon hing über einen Rain ein mächtiger Schlehenbusch voll üppiger, weißer Blüten. Ein halbzerbrochenes, hölzernes Kreuz neigte sich müd über den stachen Hügel.

Ein merkwürdiges Zusammentreffen von Umständen: der Waffenbruder, in dessen Armen Schwitzgabele verschieden war, und endlich der Bauer hatten beide hierhergeführt. Schwitzgabele hatte zum erstenmal Glück gehabt.

Lange standen sie und betrachteten das stille, einförmige Bild, das sie umgab. Der Bauer war mit seinem Trinkgelde bereits fortgegangen. Was sie dachten, sagte keines dem andern. – Hedwig kniete endlich nieder, griff mit der weißen Hand in die Schlehenblüten und brach sich ein Zweiglein. Halblaut streifte sie dann die Blumen ab und sah zu Artur hinauf.

»Sie welken doch«, sagte sie auf seinen fragenden Blick. »Ich will mir einen Dorn mitnehmen.« – –

Und die Moral der Geschichte? – Hedwig fragte in jenem Augenblick nicht nach der Moral; aber eine heiße Träne fiel aus ihren schönen Augen auf den rauhen Boden, – auf das Grab des letzten Schwitzgäbele. –


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