Alois Essigmann
Sagen und Märchen Altindiens. 2. Band
Alois Essigmann

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Rama und Ravana

Im Walde

Bald nach Bharatas Abschied kamen Büßer aus den tief im Wald gelegenen Siedeleien zu Rama und baten den frommen Krieger um Hilfe.

Khara, der jüngste Bruder des Dämonen Ravana, hauste seit einiger Zeit im Dandakawalde. Er und seine Gesellen störten die Opfer der Frommen, überfielen sie und ihre Frauen im Walde und bedrängten die Diener Brahmas in ihren friedlichen Wohnstätten.

Der Hilferuf der Guten weckte den Helden aus seiner Beschaulichkeit. Er beschloß tiefer in die Wildnis einzudringen und nach der Sitte seines Standes die Schwachen mit seinen starken Armen zu schützen. Es bangte ihm wohl um seine Gattin, doch Sita war eines Kriegers Weib und trug willig die Pflichten der Kaste. Im Schütze des Gatten und seines kühnen Bruders wußte sie sich sicher geborgen.

Die Verbannten verließen ihre wohnliche Hütte und zogen waldeinwärts.

Hirsch und Gazelle und manch anderes scheues Getier gab den friedlichen Siedlern vom Wasserfall bei ihrem Auszug freundliches Geleite. Die Bienlein umschwärmten sie fröhlich, Vögel und Heimchen sangen ihnen ein Wanderlied, und blumige Ranken haschten zum Abschied kosend nach den Gestalten der Wandernden.

Geheimnisvoll lag der hochstämmige Wald in flimmerndem Licht- und Schattenspiel vor ihnen, und sie schritten rüstig aus, denn die Lust nach Kampf trieb das Blut der Helden stürmischer durch die Adern.

Des Nachts waren sie gern gesehene Gäste in den Klausen und Büßerstätten oder schliefen wohl auch unter dem sternbesäten Sommerhimmel gar friedlich und ungestört.

Eines Morgens aber stießen sie auf den Riesen Virahda, einen Menschenfresser aus Kharnas Dämonenhorde.

Rasch griffen die Brüder nach Pfeil und Bogen, um Sita, nach der der Unhold lüsterne Blicke warf, zu schützen.

Da lachte der Riese höhnisch: »Wer seid ihr denn, daß ihr Viradha mit euren Nadeln droht? – Wißt ihr nicht, daß ich schuß- und hiebfest bin? – Und schösset ihr Pfeile, so groß wie Speere, nicht einer könnte mir die Haut ritzen!«

Und wirklich: die Pfeile sprangen von seiner nackten Brust ab, wie Hagelkörner vom Hüttendach.

Auch Lakschmanas Schwert zersplitterte an des Riesen Faust, als hätte er auf Erz gehauen.

Da sprangen die Helden an dem Turmhohen empor, um ihn zu erwürgen. Viradha aber nahm auf jeden seiner gewaltigen Arme einen der Brüder und rannte unter Sitas angstvollem Schreien lachend waldeinwärts.

Der Gattin Sorge gab dem Helden Rama doppelte Kraft. Er umschlang den riesigen Arm, der ihn trug, und spannte seine Sehnen schier zum Reißen. Aufbrüllend blieb Viradha stehen. Aber schon krachte der mächtige Knochen unter Ramas übermenschlicher Stärke. Und als Lakschmana dem Beispiel des Bruders folgte, hingen dem Riesen bald beide Arme gebrochen am Leib. Stöhnend sank er zu Boden.

Rama setzte dem Unhold den Fuß auf die Kehle und erdrosselte den Schrecklichen, den keine Waffe verwunden konnte.

Während Lakschmana den riesigen Leichnam in eine Schlucht wälzte, eilte Rama zur Gattin zurück, um die Gequälte von ihrer Sorge zu befreien.

»Heißen Dank, ihr Götter! daß Rama dem Tode entronnen ist!« rief Sita, als sie den Gatten erblickte.

»O mein Geliebter!« flehte sie, »lege die Waffen ab und lebe fortan als Büßer. Nie sollst du dich wieder in solche Gefahr begeben!«

Doch Rama tröstete die Zitternde, erzählte fröhlich, wie der Kampf verlaufen war, und wies auf die Pflichten seines Standes, auf die Stimme seines mutigen Herzens und auf das Versprechen, das er den Büßern des Dandakawaldes gegeben hatte, hin.

Auch Lakschmana kam nun zurück, und der Anblick der beiden Riesenbezwinger festigte den Sinn des schwachherzigen Weibes.

Nun zogen die Verbannten welter und fanden mitten im Wald einen herrlichen See, an dessen Ufern viele Brahmanen mit ihren Frauen und Kindern siedelten.

In dieser freundlichen Umgebung ließen die Unstäten sich nieder und lebten zehn Jahre unter den Frommen. Die starken Recken waren den Einsiedlern ein willkommener Schutz, und Kharas Dämonenscharen schienen die Stätte zu fürchten, wo die mächtigen Bezwinger des Riesen Viradha hausten.

Um so schlimmer trieben es die Unholde in dem weiter südwärts gelegenen Wald von Pantschavati, und Rama beschloß deshalb, dorthin zu ziehen, um die Bösen von den Stätten friedlicher Götterverehrung ganz zu vertreiben.

Auf ihrer Wanderung nach Pantschavati fanden sie eines Tages einen Geier auf ihrem Wege sitzen. Der Vogel war dreimal so groß wie seine Brüder, darum hielt ihn Rama für einen Dämon und griff zu Pfeil und Bogen.

»Lasse die Waffen ruhen, Raghawer!« rief der Vogelriese mit freundlicher Stimme. »Ich bin Dschatajus, der Brudersohn des Wischnuvogels Garuda, und ein alter Freund deines Vaters Dascharatha. Ich will bei dir bleiben und in der Wildnis über dich und die Deinen wachen!«

Da neigte sich Rama vor dem edlen Geierfürsten und umarmte den Freund seines Vaters. Dschatajus aber zog mit den Verbannten durch den Wald und kürzte ihnen die Zeit mit klugen Reden und schönen Erzählungen von Göttern und Helden. Zwischen Himmel und Erde schwebend, hatte er mit seinen scharfen Augen im Laufe der Jahrhunderte vieles gesehen.

Im Pantschavatiwalde wurden die Wanderer von der Hexe Schurpanakha freundlich begrüßt. Dieses Scheusal, eine Schwester Ravanas und Kharas, riesenhaft, zahnlos, mit schilfartigen Haaren und Krallen an den Fingern, hatte sich in die stattlichen Recken verliebt und verlangte, daß einer von ihnen sie zum Weibe nehme.

Rama wies sie voll Ernst, der ungestüme Lakschmana voll Holm von sich.

Da stürzte die Ergrimmte sich wütend auf Sita, um diese zu verschlingen.

Auf Ramas Schrei sprang Lakschmana vor und schlug die Hexe mit dem Schwert ins Gesicht.

Blutüberströmt, an Nase und Ohr verstümmelt, ließ Schurpanakha von Sita und floh heulend in den Wald.

Die Brüder aber bauten dort ihre Hütte und weihten sie mit einem feierlichen Opfer ein.

Nach wenigen Tagen meldete Dschatajus, daß ein riesiges Dämonenheer heranziehe.

Die verstümmelte Hexe hatte ihren Bruder Khara zur Rache aufgestachelt, und der Dämonenfürsl führte seine Scharen gegen die Helden aus Ajodhia.

Lakschmana mußte Sita in einer tiefen Felsenkluft bergen, und Rama trat mit seinem guten Bogen und dem Köcher voll Wischwamitras Zauberpfeilen an den Eingang.

Wie Wetterwolken im Sommer brauste das Heer der Ungeheuer heran und ballte sich vor der Felsenspalte zu wütendem Angriff.

Pfeile und Speere verfinsterten die Mittagssonne, aber Rama stand wohlgedeckt hinter seiner breiten Tartsche und sandte leichte und schwere Geschosse und leuchtende Brandpfeile in die Massen der Feinde.

Immer wieder trieb Khara die Seinen zum Sturme vor. Zwölf seiner Anführer und unzählige seiner Kriegerscharen waren schon gefallen, da bestieg er seinen goldfunkelnden Streitwagen, um selbst den Kampf mit dem Unüberwindlichen zu wagen.

Gellend klang sein Horn in das Ohr des einsamen Kämpfers am Felsentor. Fester faßte der Held seinen Bogen und legte ein Eisen darauf, schier so stark wie eines gewöhnlichen Kriegers Speer. Laut schwirrte die Sehne durch den Wald, und das Geschoß fuhr in den heranbrausenden Streitwagen. Das Gefährt ward in Stücke geschlagen, und nur ein schneller Sprung rettete Khara vom Tode.

Nun hob der Dämonenfürst seine Keule und flog in langen Sätzen gegen den Schützen an. Ein Halbmondeisen, von Ramas Bogen geschossen, schnitt die Rechte mit der drohend geschwungenen Waffe vom Arm.

Brüllend vor Schmerz und Wut, riß der Riese mit der Linken einen Baum aus dem Boden, um damit den Gegner zu fällen. Aber als er sich wandte, durchbohrte ein schweres Eisen seine Brust.

Blutüberströmt sank Khara zu Boden und verröchelte im Staube. Der Himmel aber ward plötzlich hell und die Götter neigten sich vor Rama, der in wenigen Stunden alle Dämonen des Büßerwaldes vernichtet hatte.

Nur einer, Akampana, war entkommen. Der floh nach Lanka, berichtete dort dem Ravana vom Tode seines Bruders Khara und entfachte den Zorn des Dämonenherrschers gegen den Sieger Rama.

Der Raub der Sita

Ravana beriet sich mit Maritza, den einst der Wurfhammer Ramas ins Meer geschleudert hatte, und dieser bat seinen Herrn, sich vor Rama zu hüten, denn der fromme Held sei unbezwinglich. Schon wollte Ravana die Warnung seines Getreuen beherzigen, da kam Schurpanakha nach Lanka, und die giftigen Reden der verstümmelten Hexe ließen die Rachgelüste im Herzen ihres Bruders von neuem anschwellen.

Als die Verbannten eines Morgens vor der Tür ihrer Hütte saßen, brach flüchtigen Fußes ein herrlicher Hirsch durch die Büsche. Wie fließendes Gold erglänzte sein Rücken, silberschimmernd schlugen ihm die Flanken, und wie eine Krone trug er das edelsteinblitzende Geweih.

»Oh! bringt mir den König des Waldes, schnelle Jäger!« rief Sita verlangend, als sie das prächtige Tier erblickte. »Ich will sein Fließ über mein Lager breiten, und keine Königin soll köstlicher ruhen als ich!«

Fröhlich griff Rama zu Pfeil und Bogen und mahnte Lakschmana, ihm die holde Gattin zu schützen, bis er von der Jagd heimkehre.

Durch Wald und Busch ging's in lustigem Jagen, denn der königliche Hirsch trabte schnell, doch ohne viel Scheu, vor Rama dahin.

Stundenlang folgte der eifrige Jäger dem Flüchtigen, da endlich, an einer sonnigen Lichtung, erreichte er ihn auf Bogenschußweite.

Laut schwirrte die Sehne und, den Todespfeil in der Brust, sank das schöne Tier zu Boden.

Doch die Seele, die sich von dem Verendeten löste, war die Seele des Dämonen Maritza, des Dieners Ravanas.

Seinem Herrn bis zum Ende ergeben, hatte er dieses Mittel ersonnen, um Sitas Gatten von ihrer Seite zu locken. Mit dem Tode büßte Maritza seine Treue.

Während sich Rama nach dem verendenden Wilde bückte, hob sich die Seele des sterbenden Dämonen in die Lüfte und nahm ihren Weg zum Hause des Todesgottes.

Als sie an der Hütte der Verbannten vorüberflog, rief sie mit verstellter Stimme gar kläglich: »Hilf, Bruder Lakschmana, hilf!«

Sita hörte den Ruf, glaubte Rama in schwerer Gefahr, und bat Lakschmana, ihrem Gatten zu Hilfe zu eilen.

»Ich darf dich nicht verlassen!« sprach Lakschmana kopfschüttelnd und trat in die Tür.

»Hilf, Bruder, hilf!« klang es da wieder, wie aus Ramas Munde.

»Du mußt!« schrie Sita voll Angst. »Mein Rama stirbt – so geh' doch – geh'!«

»Er hat mir verboten, dich zu verlassen! und er ist mein Herr wie deiner!« sprach Lakschmana zögernd.

Doch als der dritte Hilferuf ganz schwach und wie verröchelnd erklang, da fiel Sita vor dem Schwäher auf die Knie und schrie:

»Geh' – geh'! – Du kannst mich nicht beschützen, wenn Rama stirbt, denn ich werde sterben mit dem, der mein Leben ist! – Geh'! Warum zögerst du noch? – Lauerst du auf des Helden Tod, um mit Bharata den Thron zu teilen? – Oh! was willst du bei mir, wenn mein Rama stirbt? – Willst du seine Witwe freien? –«

Wahnsinnig vor Angst raufte das Weib ihr Haar und lachte gellend auf.

Da griff Lakschmana nach seinen Waffen, befahl die Verlassene dem Schutze der Waldgötter und sprang dem Bruder zu Hilfe in den Wald.

Kaum war Sita allein, so nahte der Hütte ein bettelnder Brahmane, in gelbseidenem Kleide, mit Bambus und Weihkrug auf der Schulter. Schlangen und Vögel flohen in ihre Nester, die Blumen schlossen ihre Kelche und die Bäume erzitterten bis in die Wurzeln, denn es war Ravana, der Herr der Dämonen, der, ein Abgrund unter Rosen, in frommer Gestalt den Frieden des Waldes störte.

Vor der weinenden Sita hielt er an und fragte nach ihrer Tränen Quelle.

Ehrfürchtig stand die Schmerzgebeugte dem Zwiegeborenen Rede und holte die gastliche Spende aus der Hütte.

In des Dämonen Herzen aber glühte die Lust, die schöne Blume des Widcherlandes[?] an sich zu reißen. »Was tust du hier in des Landflüchtigen Hütte, du Perle der Weiblichkeit?« stieß er hervor. »Komm mit mir! ich will dich mit Schätzen überhäufen und als Königin auf einen Thron setzen. – Was tust du hier im Walde des Grauens? – Beten und dienen? Du aber sollst herrschen! Ravana bin ich, aller Menschen Peiniger! – Folg' mir nach Lanka, du sollst die erste meiner Gattinnen sein, und fünfhundert Sklavinnen werden deine stolze Anmut betreuen!«

»Wie der Schakal um die Löwin, schleichst du, Ravana, um mich! Die Löwin aber folgt nur dem Leuen! – Kennst du den Rama, der wie ein Berg aus tausend Hügeln ragt? der milde ist wie der Mond und scharf wie das Schwert! – Fürchte ihn, wenn er als Feind gegen dich steht! – Du rissest eher dem Tiger die Beute aus dem Rachen, als Situ aus Ramas Armen! – Wer nach des Helden Gattin Gelüste hat, der leckt an eines Schermessers Schneide, der will mit einem Felsen am Halse das Meer durchschwimmen und loderndes Feuer im wollenen Gewände verbergen!«

Da sprengte der Dämon seine zauberische Hülle und stand in rotwallendem Kleide als zehnhäuptiger Riese vor der Zitternden.

»Kennst du mich nun!« brüllte er, »den Besieger der Götter und Menschen, der den Tod in seiner Hölle bezwungen hat und den Götterkönig in Fesseln schlagen ließ! Kennst du mich nun? – und zitterst vor Angst, wo du vor Lust erschaudern müßtest! Soll ich die Erde aus ihren Grundfesten reißen, den Ozean austrinken oder – die zehn Nacken unter deine süßen Füße schmiegen, du Angebetete? – Willst du mein Weib werden, so gehorch' ich dem Zucken deiner Wimper, schönhüftige Tochter Dschanakas!«

»Weiche von mir!« stammelte Sita. »Nie kann ich in Liebe eines anderen gedenken, seit mein Auge den herrlichen Raghaver erblickt hat!"

Da griff Ravana nach der Schreienden und schwang sich mit ihr in die Lüfte.

Dschatajus, der treue Geierfürst, sah den Räuber und stieß mit gellendem Kampfschrei hernieder. Der Dämon warf Sita in seinen goldenen Wolkenwagen und wendete sich gegen den kühnen Vogel. Die Fäuste des Riesen würgten am Halse des treuen Helfers und seine Fußtritte brachen ihm die Flügel.

Sterbend stürzte Dschatajus aus den Lüften, und die Waldgötter flohen entsetzt vor der Macht des Dämons.

Ravana sprang zu Sita in den Wagen, ergriff die Zügel, und über den Wipfeln der hochstämmigen Bäume rollte das funkelnde Fahrzeug dahin.

Sita sah durch Tränen alle die Stätten, die sie mit Rama betreten halte, hinter sich schwinden. Klagend grüßte sie alle Zeugen ihres einstigen Friedens.

»Ihr Lieben, die ihr mein Glück gesehen habt!« rief sie, »klagt dem Verlassen die Gewalttat! Du blütenreicher Baum, in dessen Schatten so oft die Sonne unsrer Liebe erglänzte, du, Quell, der die Weisen zu Ramas Liebesworten summte, du, stiller Weiher, der im Kosen des Windes die Schauer unsrer Umarmung widerspiegelte! – Ihr heiteren Vöglein, ihr klugen Schlangen, ihr fleißigen Bienen – o klaget – klaget Ravana an! Zeihet den Frevler des Raubes; der Held wird mich finden, und wär' ich zu liefst im Schoße der Erde verborgen!«

Heimlich ließ Sita Schmuck und Blumen zur Erde fallen, um Rama den Weg zu weisen, und warf ihren Mantel unter eine Schar von Affen, die fröhlich in den Wipfeln spielte.

In immer schnellerem Fluge führte Ravana seine Beute über Land und Meer und fuhr erst aus den Lüften hernieder, als er seine prächtige Residenz auf der Insel Lanka erreicht hatte.

Noch einmal warb er hier in glühenden Worten um die Geraubte, doch als Sita ihn so stolz wie im Walde zurückwies, schwor er, die Kühne nach zwölf Monden aufzufressen, wenn sie bis dahin nicht seine liebende Gattin geworden sei.

Darauf ließ er die Widerspenstige in einen heiligen Hain vor der Stadt bringen und dort von zwölf Hexen bewachen.

Lakschmana war indessen im Walde dem heimkehrenden Rama begegnet. Rama erschrak, als er von dem Spuk hörte, der Lakschmana aus der Hütte gelockt hatte. Er überhäufte den Bruder mit Vorwürfen, und beide liefen schnellstens nach der Klause.

Oh! wie erschraken die Brüder als sie sahen, daß Sita verschwunden war.

Rama warf sich zur Erde und klagte:

»Hat sich das Unglück noch nicht an mir satt gefressen? – Sind Thron, Heimat und Vater der Opfer noch nicht genug? – Oh! – Die Dämonen haben meine Sita verschlungen, ihr Götter! – Und du, treuloser Bruder, hast sie preisgegeben! – Oh! sie werden ihre zarten Glieder gebrochen, ihre Samthaut mit Blut besudelt haben! und aus ihrem holden Köpfchen werden die Unholde saufen! – –«

»Fasse dich, Bruder!« sprach Lakschmana. »Laß uns an Rettung, und ist es zu spät, an Rache denken!«

»Ja, Rache!« schrie Rama. »Die Welt will ich in Brand stecken mit meinem Zorn, denn sie hat meine Sita nicht behütet. Oh! ich will toben, daß Indra auf seinem Thron im Himmel erzittert – –«

»Bruder, wir wollen Sita suchen! noch wissen wir nicht, was hier geschah! rächen werden wir sie, wenn sie nicht mehr zu retten ist!«

So beruhigte Lakschmana den zornigen Helden, und sie traten vor die Hütte, um nach den Spuren der Vermißten zu forschen.

Rama warf sich auf die Knie und bat Himmel und Erde um Nachricht von der Verlorenen.

Da lief des Waldes Getier gegen Süden und wandte den Kopf nach dem Flehenden, als wollte es ihn zum Folgen einladen.

Die Prinzen schritten hinter dem Wilde her und fanden bald den sterbenden Dschatajus. Mit brechender Stimme begann der treue Vogel von seinem Kampf mit Ravana zu erzählen, aber er starb in den Armen seiner Zuhörer, ehe er damit zu Ende gekommen war.

Die Prinzen bestatteten seinen Leichnam mit allen Ehren, die einem verstorbenen Freunde geziemten, und drangen dann weiter durch den Wald nach Süden. Als sie die Blumen und Geschmeide Sitas fanden, faßten sie neuen Mut, denn sie wußten sich auf dem richtigen Wege.

Mit kopflosen Ungeheuern, mit Hexen und Riesen mußten die Tapferen sich herumschlagen, weil die kühne Streife ihres Fürsten dem Dämonengesindel neuen Mut gemacht hatte.

Einer der sterbenden Unholde, dem sein Tod die Lösung von furchtbarem Fluche bedeutete, riet Rama aus Dankbarkeit, den Affenkönig Sugriva aufzusuchen: Bei diesem Sohn des Sonnengottes würde er von Sita hören und vielleicht auch manchen Helfer unter dem kühnen Affenvolk finden.

Die Affen

Rama und Lakschmana zogen weiter gegen Süden.

Eines Tages sahen sie auf dem Berge Malaya eine Schar Affen, die bei ihrem Anblick ängstlich entflohen.

Es war der Affenkönig Sugriva mit seinen Getreuen. Valin, der Bruder Sugrivas, hatte diesen entthront und ihm seine Gattin Ruma entrissen.

Mit wenigen Freunden war der König aus der Affenstadt Kischkindha geflohen und lebte nun fern von seinem Volk und der geliebten Frau in Angst und Leid.

Hanumat, der erprobte Feldherr des Affenheeres, ein Sohn des Sturmgottes Waju, war seinem König in Treue gefolgt. Er beruhigte die beim Anblick der beiden Raghawer Erschrockenen, und Sugriva sandte ihn den Prinzen entgegen, um zu erkunden, ob die Fremdlinge in feindlicher Absicht nahten.

Rama war erstaunt und erfreut über Hanumats menschliche Sprache und sein ritterliches Wesen. Er hörte des Feldherrn Erzählung von Sugrivas Leid, und da des Affenkönigs Schicksal in vielem dem seinen glich, so beschloß er, sich mit dem Entthronten zu gegenseitiger Hilfe zu verbünden.

Hanumat geleitete die Brüder voll Ehrerbietung zu seinem Herrn, und als Rama vom Verschwinden Sitas sprach, da holte Sugriva aus einem hohlen Baum den Mantel der Entführten hervor. Der Affenkönig hatte dieses Notzeichen der unglücklichen Sita aufgefangen, als diese es, Hilfe heischend, aus Ravanas Wolkenwagen geworfen hatte.

Sugriva bat nun Rama, den Valin im Kampfe zu töten, die geraubte Ruma ihrem Gatten zurückzugeben und die Vereinten wieder auf den Thron von Kischkindha zu setzen. Er versprach dafür, Sita durch sein weitverbreitetes Volk auf der ganzen Erde suchen zu lassen und mit seinem starken Heer die Gefundene befreien zu helfen.

Nun zogen die Prinzen mit ihren Bundesgenossen vor Kischkindhas Mauern. Sugriva ließ den Valin zum Zweikampf vor das Stadttor fordern, und Rama erschoß den Elenden ans dem Hinterhalt, denn ihm galt der, der seines Bruders Weib gestohlen hatte, als jeder Ritterlichkeit bar und eines offenen Kampfes unwürdig.

Nachdem Valin bestattet war, krönten die Affen Sugriva von neuem zu ihrem König.

Der aber zog sich in sein Frauenhaus zurück und vergaß im Rausch seines Glückes alle Versprechungen.

Ein halbes Jahr lang wartete Rama vergeblich. Dann sandte er Lakschmana zu dem Wortbrüchigen.

Aus seinem Freudentaumel jäh aufgeschreckt, ließ der König durch Hanumat Heer und Volk zusammenrufen.

Aus allen Landen kamen die flinken Affen nach Kischkindha, hörten vom Raube der Sita und zerstreuten sich wieder auf ihres Königs Befehl über die ganze Erde, um nach der Verlorenen zu forschen.

Der kluge Hanumat, auf dessen Treue und Freundschaft die Prinzen am meisten vertrauten, war mit einer Schar seiner besten Krieger nach dem Süden aufgebrochen, denn dorthin wiesen alle Zeichen der Geraubten.

Ramu hatte dem Wackern seinen Ring mitgegeben, daß er sich Sita als Freund zu erkennen geben könnte.

Hanumat fand unterwegs die gold- und kristallschimmernde Höhle des Bärenkönigs Dschambavat, und ihr Bewohner, der sein Dasein einem Gähnen Brahmas verdankte, schloß sich als willkommener Ratgeber dem Zuge des ritterlichen Affenherrn an.

Auf ihrer weiteren Fahrt stießen sie auf Sampati, den Bruder des braven Dschatajus, der bei Sitas Verteidigung sein Leben gelassen hatte.

Sampali saß mit versengten Flügeln:

Als er einst mit seinen Brüdern um die Wette geflogen war, war er der Sonne zu nahe gekommen und mit verbrannten Fittichen auf das Windhiagebirge heruntergestürzt. Nun kroch der königliche Vogel, all seiner Schwungkraft beraubt, durchs Dasein, aber die Geier brachten ihrem geliebten Fürsten Nachricht von allem, was ihre scharfen Augen erspähen konnten.

So wußte Sampatl seinem alten Freunde Dschambavat zu berichten, daß Sita von Ravana nach Lanka geschleppt worden war, hundert Meilen weit über das Meer.

Hanumat

Nun begann unter den kriegerischen Affen ein edler Wettstreit, wer als Kundschafter nach der Insel gehen sollte, um die Gelegenheit zu Sitas Befreiung zu erspähen.

Aber keiner wußte, wie hundert Meilen Meeres zu übersetzen wären. Auf des Bärenkönigs Rat entschloß sich Hanumat, den weiten Raum zu überspringen. Er vertraute der Macht seines Vaters, des Sturmgottes, und den von ihm ererbten Zauberkräften.

An einem stürmischen. Morgen bestieg er den Berg Mahendra und schwang sich von dort mit einem Stoß, der die Erde erbeben ließ, in die Lüfte.

Auf starken Armen trug der Vater ihn dahin. Aber die Dämonen der Luft stürzten sich gegen den verwegenen Affen, und nur seinen kühnen Listen und seiner Zauberkraft, die ihn bald zu Bergesgröße anschwellen, bald zu Daumenwinzigkeit verschrumpfen ließ, dankte er sein Entkommen.

Fast wär' er auch halben Weges in die Fluten gestürzt, denn des Sturmes Arme senkten sich einmal ermattet. Aber Sagara, der Herr des Meeres, der den Kühnen immer hold ist, ließ einen Felsen aus den Wellen tauchen, und vom neuen schwang sich Hanumat in die Lüfte, mit einem Tritt, der den rettenden Block versenkte.

Vier Tage war er dahingeflogen, bis er endlich die Insel und die goldschimmernde Stadt Lanka erspähte. Als der schlaue Kundschafter der feindlichen Feste nahe war, verwandelte er sich in eine große Fliege und flog so, unerkannt, über die goldene Stadtmauer.

Wie staunte er über die Pracht dieser Dämonenheimat!

In den breiten und geraden Straßen stand Palast an Palast aus edlem Gestein. Kostbare Säulen trugen die Dächer, und reiche Bildnerarbeit schmückte die Mauern.

Auf den Märkten standen viele hundert Zelte aus schönfarbigen Geweben, und Waren aus aller Herren Länder lagen dort zum Verkauf.

Scharen der wunderlichsten Wesen, in prächtiger Kleidung, drängten sich auf den Straßen und Plätzen: da waren Riesen und Zwerge, scheußliche Hexen und liebliche Elfen; Feen, Krüppel, Kopflose und Mehrköpfige. Und herrliche Wagen wurden von Fabelwesen aller Arten dahingezogen.

Jeder Zauber, alle Wunder der ganzen Welt schienen in dieser Residenz des Dämonenfürsten vereinigt zu sein.

Hanumat flog in seiner Zaubergestalt bis zum sinkenden Abend durch die Straßen, und keiner der Rakschasas – so hießen im alten Indien alle dämonischen Wesen – beachtete die harmlose Fliege.

Mit Einbruch der Dunkelheit war der Treue vor einem Palast gekommen, der größer und herrlicher war als alle anderen in der Stadt.

Über eine Meile im Geviert dehnte sich der Bau, und vor dem kunstvoll gebildeten, erzenen Tor hielt ein Wagen aus purem Golde. Saphire und Diamanten umkränzten seine Brüstung und leuchteten wie ein Flammenkranz durch das Dunkel. Der Boden des prunkvollen Gefährtes war rotes, geschliffenes Sandelholz, mit Elfenbein eingelegt. Acht silberschellige Eselein mit Elfengesichtern waren angespannt. Es war Puschpaka, der Wolkenwagen, den Ravana einst dem Schatzgott Kubera entführt hatte!

Hanumat flog durch das halboffene Tor an allen Wachen vorüber und kam in eine Halle, deren Pracht alles überbot, was der kühne Kundschafter bisher gesehen hatte.

Die Kuppeln aus Edelsteinen waren von goldenen Säulen getragen, auf denen sich Perle an Perle, Demant an Demant zu schönen Bildwerken reihte. Pfühle und Decken aus Kaschmir und Seide mit kostbaren Stickereien lagen ringsum an den Wänden, und Frauen, deren Schönheit den tapferen Hanumat erzittern ließ, wälzten sich darauf im Schlaf oder in heiterem Spiel.

Unter einem schimmernden Thronhimmel aber nahm der zehnhäuptige Ravana und seine Licblingsfrau Mandolari ein üppiges Mahl, tranken köstlichen Soma und lauschten den Weisen verborgener Spielleute.

Hanumat flog verzweifelt umher, denn auf keine der Frauen in Ravanas Palast mochte das Bild passen, das Rama ihm von seiner fernen Geliebten entworfen hatte.

Traurig und matten Fluges verließ er das Frauenhaus und die Stadt, und zerfleischte sein wackeres Herz mit Vorwürfen, daß er seiner Kundschafterpflicht nicht vollauf Genüge leiste.

Als er nahe dem Stadttor einen herrlichen Opferhain entdeckte, schlüpfte er aus seiner Zaubergestalt und wollte sich vor den Göttern neigen, um in frommer Bußfertigkeit neue Kraft fiir sein schweres Unternehmen zu erflehen.

Kaum schritt der Affenfeldherr unter den hochstämmigen Asokabäumen dahin, so hörte er aus einem Gartenhaus wehmütiges Klagen. Mit einem Satz war Hanumat in einer der Baumkronen vor den Fenstern des Gebäudes und erkannte frohen Herzens Sita inmitten ihrer Wachen von Hexen.

Während der Wackere noch überlegte, wie er sich der Gefangenen ohne Gefahr bemerkbar machen könnte, öffnete sich die Tür zu Sitas Gemach, und Ranana, in halbtrunkenem Zustand, umgeben von vielen seiner Frauen, trat vor die unglückliche Fürstin.

»Sita!« schrie der Schreckliche, »du Sonne an meinem Liebeshimmel, die mir leuchtet und mich verbrennt, die mir Leben schenkt und mich verdursten läßt! – Starrköpfige! zehn Monde sind verstrichen! Du hast meine Macht gesehen und kennst meinen Schwur! – Willst du nun mein Weib werden?«

»Nie!« sprach Sita, ohne auch nur den Blick nach dem Stolzen zu wenden.

»Ich liebe dich!« rief Ravana, ihr zu Füßen stürzend. »Oh, eiskalte Schöne, kühl' die verzehrende Glut!«

»Zurück, Elender!« schrie Sita. »Ich bin des Raghawers Weib! Eher wird ein Sünder den Himmel Indras betreten, als ich die Hölle an deiner Seite suchen. Zurück, Herrscher, der sich nicht beherrschen kann!«

In aufloderndem Zorn sprang Ravana empor und schwor mit flammenden Augen, die Kühne zu strafen.

Aber die Frauen seines Gefolges, die den alles vernichtenden Grimm des Schrecklichen fürchteten, drängten sich um ihn, umschlangen den furchtbaren Gebieter und küßten die zornbebenden Lippen, bis der Dämon besänftigt war.

»Wohl! du stolzes Menschenkind!« sprach er endlich ruhiger, »zwei Monde hast du noch Zeit! aber folgst du mir dann nicht willig vor das heilige Feuer, so fresse ich dich mit Haut und Haaren, so wahr ich der Mächtigste unter der Sonne bin!«

Damit wandte er sich ab und verließ mit den Seinen das Gartenhaus.

Sita aber versank in stilles Weinen, und ihre Hexenwache überließ sich nach und nach einem sorglosen Schlummer.

Hanumat auf seinem Baumsitz hatte alles gehört und gesehen. Als er sich nun ziemlich sicher fühlte, begann er leise zu singen:

»Wer bricht die stärksten Waffen
Und trägt das schwerste Leid?
Wer ist ein Held ohn' Fehle,
Trotz härnem Büßerkleid?
Wen sandte Lieb' ins Elend
Und büßt' es mit dem Tod?
Wes Adel brach die Ränke?
Wer ließ die Macht um Not?
Wem stahl der Haß das Hellste:
Den Stern aus seiner Nacht,
Das Weib, das finstres Brüten
Aus seinem Herzen Jacht'?
Wen eint mit dir die Träne
Und trennt von dir das Meer?
Wer sendet über die Fluten
Zu dir den Boten her – –?

»Rama!« stammelte Sita, die längst ans Fenster getreten war. »Rama! – dich sendet Rama! – Doch nein! – der Fürchterliche hat mich schon oft zu täuschen versucht! – Ob, ihr Götter – –«

»Hier ist Ramas Ring! Du mußt ihn kennen!« beruhigte Hanumat die Zitternde.

»Er ist es! ja, er ist es!« murmelte Sita. »Doch wär's ein neuer Spuk des übermächtigen Dämonenherrschers – –«

»Nein, Edle, ich habe ihn von des Fürsten eigener Hand! – Er grüßt dich durch mich und verbringt seine Tage in Trauer, wie du! – Komm, du Getreue! ich will dich auf meinem Rücken sicher über das Meer tragen und in seine sehnsüchtig geöffneten Arme legen!«

»Wer bist du, daß du dich solcher Tat vermißt?« fragte sie erstaunt.

»Ich bin Hanumat, des Sturmgottes Sohn, und ein Fürst unter den Affen! – Vertraue dem getreuen Freund und Diener deines Gatten!«

»Ich vertraue dir, Hanumat!« sprach Sita ruhig, »doch sinne auf andere Rettung! Nie kann ich erlauben, daß eines fremden Mannes Hand mich berührt!«

»Du hast recht, Keusche!« erwiderte Hanumat, »und ich werde allein über das Wasser setzen und deinen Gatten zum Siege nach Lanka führen! – Ich schwöre es dir!«

»Edler Freund!« sprach Sita. »Rufe die tapfern Raghawer bald zu meiner Rettung, denn nach zwei Monden soll ich sterben!«

»Ich eile, hehre Fürstin!« erwiderte der Kühne. »Doch sende dem verzweifelnden Rama durch mich ein Zeichen, daß du noch lebst!«

Sita besann sich kurze Zeit, dann sprach sie errötend:

»Sage meinem Gatten, ich denke oft daran, wie sich einst im Walde mein Gürtel löste, als ich Steine nach einer zudringlichen Krähe warf! – Nur er und ich wissen darum, denn wir waren allein!«

»Ich werde es ihm sagen!« erwiderte Hanumat. »Und nun lebe wohl, Erhabene, und harre geduldig des Sieges und deiner Rettung!«

Damit sprang der Wackre von seinem Baum und schlug den Weg nach der Stadt ein, denn er wollte vor seiner Abreise noch die Stärke der Feste und ihrer Verteidiger ausspähen.

Aber nach wenigen Schritten wurde er entdeckt, befragt und angegriffen.

Wie ein Held stand Hanumat unter den vielen Dämonenkriegern, die auf das Geschrei der Wache von allen Seiten herbeieilten.

Lange hielt er sich die Scharen der Feinde mit geschickten Steinwürfen vom Leibe, doch als ihrer zu viele wurden, riß der Starke einen Bauin aus der Erde und schlug mit dieser Keule unter die Angreifer.

Der Kampflärm drang bis in den Palast des Königs, und Ravana sandte seine starken Söhne und viele kühne Recken aus seinem Gefolge gegen den tapferen Affen.

Lange stand Hanumat gegen die vielen. Statt des in seiner Hand zersplitterten Baumes, schwang er eine eherne Säule des Tempels als Streitkolben gegen die anstürmenden Recken.

Viele sanken mit zertrümmerten Schädeln dahin, aber endlich unterlief Indradschit, Ravanas Sohn, der einst den Götterkönig in Fesseln geschlagen hatte, den Helden und band ihm mit seinem Gürtel die starken. Arme.

Im Triumph ward der Gefangene vor Ravana geführt.

Furchtlos stand Hanumat vor dem mächtigsten Herrscher der Erde. Er nannte sich kühn einen Boten Ramas und forderte Gastrecht als Gesandter.

Ravana wollte ihn töten. Aber der verhutzelte Vibhischana, des Königs mitverfluchter Bruder, bat für den Gefangenen und verteidigte die Unverletzlichkeit eines Boten mit weisen Worten.

Ravana gab nach, doch wollte er auf seine Rache nicht ganz verzichten: Den Boten Ramas ließ er vor Sitas Fenster bringen und den Schweif des tapferen Affen mit ölgetränkten Lappen umwickeln. Dann wurde diese Fackel angezündet.

Sita betete zu Agni, und der Feuergott umstrahlte den getreuen Boten nur, ohne ihn zu versengen.

Hanumat aber sprach eine Zauberformel und dehnte im Wachsen und Schwellen seine Fesseln. Ein Gegenzauber ließ ihn gleich darauf zum Zwerge verschrumpfen, und so schlüpfte er aus den gelockerten Banden.

Hohnlachend sprang er mit seinem brennenden Schweif durch die Straßen von Lanka und zündete Zelte und Basare an. Im Schrecken der Feuersbrunst schwang er sich unbemerkt über die Stadtmauer, erkletterte den Berg Arischta und schwang sich auf dem Rücken des Sturmes über das Meer.

Der Kampf

Als die Affen aus allen Landen, ohne Nachricht von Sita, zurückgekehrt waren, hatte sich Rama in tiefster Trauer auf den Berg Prasravana zurückgezogen.

Mit Lakschmana siedelte er dort, wie einst im fernen Dandakawalde, und harrte voll Hoffnung und Furcht der Ankunft Hanumats und seiner Schar. Der kühne Mut des Verbannten war gebeugt vom Schmerz um die ferne Geliebte und von der Tatlosigkeit, zu der ihn das Dunkel über ihren Aufenthalt verdammte.

Da erschien Hanumat, der glücklich wieder das Festland erreicht hatte, vor dem Trauernden.

»Ich habe Sita gesehen, edler Raghawer!« rief er, nachdem er den Ehrwürdigen rechtshin umwandelt hatte. »Durch mich grüßt sie dich als deine getreue Gattin!«

Rama umarmte den treuen Freund und hörte voll Sorge dessen Bericht. Ach! nun wußte er, wo die Geliebte weilte und sah sich ferner von ihr als je. Das Meer, das unerbittliche Meer lag zwischen ihnen.

Wie um eine Tote klagend erhob er die Stimme!

Doch Hanumat, der Wackre, spendete Trost.

»Raghawer! Du kennst dich selbst nicht!« rief er. »Hast du den Dandakawald vergessen, tapfrer Dämonenvernichter, und deinen Sieg über Paraschu-Rama? – Vergessen, daß du Götterwaffen führst, und daß der frömmste Krieger, der tapferste Priester, dich sie gebrauchen lehrte? – Auf, auf! ans Meer! bring ich nur ein Dutzend von uns hinüber, so schlagen wir das ganze Dämonengesindel auf Lanka zuschanden!«

So faßte Rama wieder Mut.

König Sugriva zog sein Heer zusammen und wie ein anderer Ozean wälzten sich die Wogen des kriegerischen Affenvolkes südwärts nach dem Gestade des Meeres.

Die Dämonen der Luft brachten ihrem Herrscher die Kunde vom Heranfluten des Affenheeres unter der Führung des Rächers Rama.

Ravana hielt mit den Seinen Rat.

Vibhischana, das verhutzelte Männlein, welches sein Leben in Liebe und Erbarmen hinbrachte, erhob sich und flehte den mächtigen Bruder an:

»O Ravana, sende das unglückliche Weib seinem Gatten in Ehren zurück! Laß nicht wieder Blut fließen, um deiner Frevel willen! O hör' auf mich, Bruder! Ich ahn' es: Dein Maß ist voll vor dem Schicksal! Halt' Frieden, Unseliger, halt' Frieden!«

»Ach bring' doch den kindischen Greis zum Schweigen, Vater!« rief Indradschit. »Er heult wie der Schakal hinter dem Tiger!«

Ein anderer schrie:

»Ei, König, mach' doch das Püppchen mit Gewalt zu deiner Gattin, da verläuft der ganze Streit im Sande!«

»So? Du Überkluger!« zischte Ravana. »Und mein Leben rinnt mit davon, da doch mein eigener Sohn seinen Fluch über mich geplärrt hat!«

»Weckt den starken Kumbhakarna, der frißt euch die Affen, wie der Kokila die Blattläuse!« rief ein Dritter.

Der Rat schien allen gut.

Kumbhakarna wurde samt seinem Bett in die Halle gerollt, und man schrie ihm die Nachricht ins Ohr, daß Rama mit dem ganzen Affenheer anrücke, um Sita zu befreien.

»Ei, gebt doch die Dirne dem Dummkopf zurück, wenn er ihr über Land und Meer nachläuft! – Und mich laßt schlafen!« sprach er gähnend, streckte sich wieder auf sein Lager und war im nächsten Augenblick eingeschlafen.

»Ja, gib Sita ihrem Gatten wieder!« flehte Yibhischana aufs neue.

»Schweig, Feigling, im Rate der Männer!« schrie Indradschit dem Bittenden zu.

»Du bist ein Knabe gegen mich, Indradschit!« erwiderte der Greis. »Dein knabenhaftes Ungestüm taugt nicht in den Rat der Erfahrenen!«

Aber Ravana stellte sich an die Seite seines kühnen Sohnes, und beide verhöhnten den friedlichen Alten, bis er, vor Zorn und Scham zitternd, die Halle verließ. Draußen rief Vibhischana vier seiner getreuesten Diener und entwich mit diesen Genien auf Sturmesflügeln von der Insel.

Als die fünf das Festland erreichten, fanden sie dort das Affenheer und seine Führer in großer Ratlosigkeit vor dem wild bewegten Meer.

Vibhischana nahte sich Rama mit allen Zeichen der Ergebung und riet dem Bekümmerten, sich in Opfer und Gebet an den Herrn des Meeres zu wenden.

Drei Tage lang feierte der Raghuide den Gott in einem glänzende Fest, doch Sagara, der Beherrscher des Ozeans, gab kein Zeichen, daß ihm das Opfer genehm sei.

Da griff der zürnende Rama zu seinen göttlichen Waffen und schoß Pfeil um Pfeil in die kristallene Wohnung des Wellenherrn. Als das alles vernichtende Brahmageschoß auf Ramas Bogen blitzte, da zögerte der Gott nicht länger und erschien über den schmerzbrüllenden Wogen, ihnen Schweigen gebietend.

Ehrerbietig neigte er das perlengeschmückte Haupt vor seinem Bezwinger:

»Verzeih', daß erst die Waffe des Allmächtigen mich zwingt, vor dir zu erscheinen! Doch wie stünde es um die Erde, wenn das Meer um weniger sein Bett verließe! Senge meine Fluten nicht mit deinen Feuerpfeilen hinweg, denn ich will dir helfen, den zehnköpfigen Dämon zu bezwingen. Hör' meinen Rat: Laß von deinem Millionenheer die Berge auf meinen Grund türmen, bis Gipfel sich an Gipfel zur Brücke reiht. Dann könnt ihr alle sicher nach Lanka ziehen! – So lautet mein Rat, und mein Wunsch ist dein Sieg. Erhabener!«

Damit verschwand Sagara wieder unter den Fluten.

Kreischend und tobend stürzte sich das Affenheer ins Gebirge, und unter der dröhnenden Wucht seines Gestampfes lösten die Gipfel sich von ihren Grundfesten. Jubelnd schleppten die Affen jeden hinunter zum Ufer und tobten wieder hinan, um neue Blöcke zu holen.

Der starke Hanumat eilte in eisige Höhen hinauf und trug auf seinen Schultern einen Gipfel herunter, den täglich das Rad des Sonnenwagens berührt hatte.

Wild aufgehäuft lagen Felsen und Rasen, Stämme und Geäst am Gestade. Da trat Nalas aus der Schar der Affen hervor. Er war der Sohn Wischwarkarmans, des Götterbaumeisters, und verstand es wohl, eine Brücke zu schlagen. Gipfel um Gipfel ließ er ins Meer versenken, und diese Pfeiler seiner Brücke durch lange Baumstämme, starke Lianen und eng verflochtenes Gezweig verbinden.

Nach fünf Tagen war der `Nalasweg´ fertig, und das Heer der Affen erreichte die Insel Lanka.

Sogleich ließ Rama die Feste des Dämonenheeres von allen Seiten einschließen und wollte nun ihre goldenen Mauern berennen.

Ravana hatte im Anblick der Gefahr sein letztes Mittel versucht, um Sitas Treue zu brechen. Kraft seiner Zaubermacht hatte er ein Trugbild geformt, das dem abgeschlagenen Haupte Ramas vollkommen gleichen mußte. Mit heuchlerischen Worten der Trauer sandte er dieses furchtbare Zeichen von Ramas Tod an Sita und kam schließlich selbst, um der unglücklichen Witwe Schutz und Trost anzubieten. Doch Vibhischanas Tochter, die unter Sitas Wachen war, und die, wie ihr Vater, schon lange das Los der unglücklichen Geraubten zu lindern versucht hatte, verriet das trügerische Spiel der Gattin des Raghawers.

Ravana mußte spott- und hohnbeladen abziehen.

Zornbebend sammelte der furchtbare Dämonenherr die Seinen zum Ausfall.

In den wilden Kriegsschrei der Affen klingt das dumpfe Dröhnen der Heerpauke, welche die Unholde der Nacht zum Kampfe ruft.

Die Tore der Stadt öffnen sich weit, und hinaus fluten die Scharen der Kämpfer. Voran der Feldherr auf einem Streitwagen, den Löwen mit blutbefleckten Mähnen ziehen; Schlangen dienen als Zügel, und dichtgeballte Finsternis hängt als Banner über dem Fahrzeug.

Jauchzend vor Kampfesfreude begrüßen die Affen den Feind.

Rama läßt seinen Bogen schwirren, daß Sita in ihrem Gefängnis vor Freude erschauert, als sie den wohlbekannten Klang hört. Vibhischana hält sich als getreuer Rat an Ramas Seite, aber Erbarmen beraubt den Guten der Sprache! Es sind seine Brüder, gegen die er Richter und Rächer ins Feld führt!

Als die Heere einander gegenüberstehen, öffnet sich der Himmel. Götter und Genien wollen die Vernichtung der Weltgeißel sehen und sich am kühnen Kampfe der Helden erfreuen. Steht Rama doch für sie in diesem Streite, und die Affen sind ihre Söhne, die sie auf Wischnus Rat mit den Göttennädchen gezeugt hatten, um dem Dämonenbezwinger Hilfsvölker zu schaffen. Ihr Segen ruht auf Ramas Beginnen und auf den Taten der Seinen.

Pfeilwolken verfinstern die Luft, als die Heere gegeneinander stürmen. Furchtbar tobt die Schlacht, denn Kraft steht gegen Kraft und Zauber gegen Zauber: Berge werden gegeneinander gewälzt und Bäume wie Keulen geschwungen; aus den Wolken fällt der Tod, und Tote stehen auf, um fortzukämpfen. Die Rakschasas erscheinen in tausenderlei Gestalten, und die Affen schütteln Pfeile und Speere aus ihren Mähnen, als wären es welke Blätter. Unsichtbar mähen Dämonen mitten im Affenheer.

Aber die tapferen Tiere kämpfen mit einer Zähigkeit, daß oft ein Leib mit abgehauenem Haupte noch das Schwert gegen die Feinde schwingt. Schier untrennbar haben die Heere sich ineinander verbissen.

Und neben ihnen fochten die Führer im Einzelkampf:

Da stand der Sonnensohn Sugriva in seiner goldglänzenden Königsrüstung gegen den furchtbaren Riesen Pradschanga, Nalas stand gegen Tapana und ein Sohn des Valin gegen Indradschit.

Hanumat, der wackere Sturmsohn, stand gegen Dhumrakscha. einen der feindlichen Führer, und gegen Akampana, den Besten der Wagenkämpfer.

Tapfer, stark und schnell, widerstand der Held allen Angriffen seiner furchtbaren Gegner und schlug endlich die Ermüdeten mit wuchtigen Streichen zu Boden.

Rama und Lakschmana führten ihre tapferen Scharen zum Sieg. Ramas Pfeile rafften tausend und abertausend Dämonen dahin, und Lakschmanas Speer wütete unter den Streitelefanten des Feindes.

Aber Indradschit, der dem starken Sohne Valins entronnen war, führte, selbst unsichtbar, eine Schar von unsichtbaren Schlangenschützen gegen die beiden Prinzen aus dem Hause Raghus. Die Schlangenschützen schossen aus ihrer Verborgenheit Vipern und Nattern gegen die tapferen Brüder.

Vom Gift dieser lebenden Pfeile betäubt, sanken Rania und Lakschmana zu Boden.

Der Siegesjubel der Dämonen scholl über das weite Schlachtfeld.

Ravana holte in seinem Wolkenwagen Sita aus dem Gefängnis herbei und zeigte ihr triumphierend die niedergestreckten Befreier. Eine wohltätige Ohnmacht befiel die Unglückliche, als sie den Gatten und seinen Bruder in den Fesseln des Todes erblickte.

Aber da rauschte es plötzlich in den Lüften, und Garuda, der Wischnuvogel, schwebte über den beiden von Schlangenpfeilen Vergifteten. Vor dem Anblick des furchtbarsten Schlangenwürgers floh das Gift der Nattern aus dem Leib der Getroffenen, und in neuer Kraft erhoben sich die Brüder von der Erde.

Ravana entfloh im Wolkenwagen seinen furchtbaren Feinden und barg Sita wieder in ihrem Gefängnis.

Das Heer der Affen schlug seine Waffen jauchzend gegeneinander und ergoß sich über die entsetzten Dämonen, wie der wütende Bergstrom über die Felder. Nur wenige der Nachtschrecken konnten unter dem Schlitze Prahastas, des kühnen Leibwächters Ravanas, in die Stadt entrinnen und sich hinter den schnell verrammelten Toren zu neuem Widerstand sammeln.

Unzählige Scharen fielen unter den Streichen der tapferen Affen vor den Mauern Lankas.

Ravana sah seine Herrschaft wanken.

Entschlossen stellte er sich an die Spitze der Geretteten und fiel mit ihnen durch eine Seitenpforte aus der Stadt.

In kühner Streife trug er Tod und Verderben über das Schlachtfeld, bis er auf den Helden Lakschmana stieß. Zwar gelang es ihm, den tapferen Surnitrasohn mit einem Speerstoß zu verwunden, aber der starke Raghawer stieß dem Zehnköpfigen seine Faust in eines der Gesichter, daß ihm Schild und Schwert entsank und der Betäubte wie ein todwunder Elefant wankte.

Als nun noch Rama auf dem Kampfplatz erschien, ließ Ravana seine Waffen im Stich und entfloh hinter die Mauern seiner festen Stadt.

Ravanas Tod

Nun ließ der Herr der Dämonen seinen furchtbaren Bruder Kumbharkana wecken; den freßgierigen Riesen, welchen Brahma in dauernden Schlaf verstrickt hatte, um seine Welt vor dem Hunger des Ungeheuers zu schützen.

Zornig fuhr der Schläfer empor.

»Hab' ich dir nicht geraten, du sollst die Dirne zurückgeben?« brüllte er gegen Ravana. »Nun soll ich deine Dummheit an meinem köstlichen Schlafe büßen!«

»O gräme dich nicht um das bißchen Schlaf, Bruder!« sprach Ravana begütigend. »Du sollst heute einmal essen, bis du satt bist. Tausend und abertausend der köstlichsten Affen biete ich dir zum Mahle, und du schiltst mich um ein kurzes Schläfchen!«

Kumbhakarna fletschte vor Lust die Zähne, und der Geifer floß ihm über die breiten Lippen.

»Wo sind sie, Brüderchen?« fragte er schmatzend.

»Ei, hol' sie dir, Starker!« lachte Ravana. »Sie liegen in Waffen vor der Stadt und werden uns alle austilgen, wenn du ihnen nicht zuvorkommst!«

Brüllend sprang der Dämon empor, bewaffnete sich mit einer siebzig Ellen langen Stange, sowie mit einem großen Netz aus daumenstarken Stricken und rief dem Könige zu:

»Bleib' in der Stadt mit den Deinen, Ravana! ich hole mir meine Mahlzeit allein.«

An seiner Stange schwang sich der Riese über Wall und Graben und fuhr unter die Affen, wie ein Elefant ins Röhricht.

Angst- und Todesgeschrei begleitete jeden seiner Schritte. Weitauslangend schlug Kumbhakarna mit seiner Waffe in die dichtgedrängten Scharen der Affen und sammelte die Gefallenen in sein riesiges Netz. Als dieses voll war, setzte er sich auf einen Hügel und begann sein ekles Mahl.

Entsetzt flohen die Affen bei dem furchtbaren Anblick, aber Angada, der tapfere Sohn des Valin, stellte sich den Fliehenden entgegen, schalt sie feige und zwang sie, wieder dem Schrecken die Stirne zu bieten.

Hanumat war einstweilen auf eine Wolke geklettert und warf von dort aus mitgeschleppte Felstrümmer auf den Fresser. Sugriva schoß schwere Eisen nach ihm und schnitt ihm so Nase und Ohren vom Haupt.

Brüllend taumelte der verstümmelte Riese empor. Aber da sah er sich dem kühnen Lakschmana gegenüber.

Siebenmal stieß der tapfere Sumitrasohn dem Überraschten seinen Speer in den Wanst und sprang dann mit schnellem Schwung aus dem Bereich der Riesenstange.

Rama kam dem Bruder zu Hilfe und schoß dem wankenden Unhold zwei stählerne Pfeile in die Brust.

Kumbhakarna brüllte auf, Blut unterlief seine rollenden Augen, und tobend vor Schmerz und Wut, schlug er mit seiner Stange wie blind um sich.

Rama ließ seine schwersten Pfeile auf den Sinnlosen niederhageln und lähmte ihm Arme und Beine. Als der Koloß röchelnd zu Boden stürzte, tötete ihn ein Schuß in den offenen Mund.

Ravana beklagte den Tod seines starken Bruders nicht lange.

Noch einmal bäumte sein Stolz als Götterbezwinger sich auf: In gewaltigem Zauber zog er über Wolken und Wellen alle Dämonen der Welt nach Lanka, und sein unbezwinglicher Sohn Indradschit mußte dieses Heer gegen den Feind führen.

Furchtbare Kämpfe folgen nun: Unsichtbar zieht Indradschit durch die feindlichen Scharen und tötet die kühnen Affenkrieger reihenweise.

Auch Rama und Lakschmana fallen schwerverwundet unter dem Schwerte des Unerreichbaren. Schon droht ihr Leben zu entfliehen, da erinnert sich der greise Bärenkönig Dschambavat eines todbesiegenden Heilkräutleins auf des Kailasas Gipfel.

Hanumat fliegt auf des Sturmgottes Schultern nach dem Götterberg, und da er in Eile und Sorge um den erhabenen Freund die Zauberblume nicht findet, reißt er den Gipfel aus seinen Grundfesten und schleppt ihn auf seinem starken Rücken auf das Schlachtfeld.

Vom Dufte des Kräutleins genesen die Prinzen und alle Verwundeten im Affenheer.

Auf Vibhischanas Rat wird die Stadt nun im ersten Dämmerschein des Tages überfallen. Da hat Indradschit sein Morgenopfer, das ihn immer für einen Tag unbesieglich macht, noch nicht verrichtet.

Jauchzend stürzen die Affen über Gräben und Mauern und stecken die Stadt in Brand.

Lakschmana rast durch die Straßen und sucht Indradschit. Kein Opfer beschirmt ja heute den furchtbaren Gegner! Als er ihn findet, kommt es zum Kampfe Leib an Leib.

Lang schwankt der Sieg zwischen den tapferen Ringern, aber endlich fällt Indradschit und verhaucht sein Leben unter den starken Fäusten Lakschmanas.

Nach dem Tod seines Sohnes und tapfersten Streiters entschließt sich Ravana selbst zum Kampf. Er besteigt den Streitwagen, und aus allen zehn Rachen den furchtbaren Kampfschrei brüllend, fährt er auf die Walstatt.

Rama, mitten im Gefecht, sieht plötzlich den Wagen des Donnergottes vor sich halten. Matali, der Wagenlenker, hat ihn samt des Gottes undurchdringlichen Panzer zur Erde gebracht, denn in diesem Kampf gegen den Dämon der Finsternis will Indra dem kühnen Raghusproß siegen helfen.

Rama hüllt sich in des Götterkönigs Panzer und besteigt den erzschienigen Streitwagen. Jauchzend treibt Matali die falben Rosse dem Zehnköpfigen entgegen.

Kaum haben die beiden Gegner einander auf Bogenschußweite erreicht, so schwirren die Sehnen in heulendem Klang, und wie im Schloßenfall stehen die Kühnen im Pfeilregen. Ravanas Haut ist pfeilfest und Ramas Brust vom Panzer des Donnerers geschützt.

Matali stachelt die Rosse und jagt sie in windschnellem Wirbel um den Wagen des Dämonenherrn. Rama schwingt das Schwert, und Schlag um Schlag fallen die Köpfe des Unholdes in den Sand.

Doch wehe: stets wächst im Augenblick ein neues Haupt aus dem blutenden Stumpf, und immer fauchen zehn Rachen Feuer gegen den tapferen Raghawer.

Da führt Matali die Rosse auf einen Wink seines Kämpfers zurück, Rama hebt den schweren Wischnuhogen, und das alles vernichtende Brahmageschoß blitzt wie ein fallender Stern durch die Luft.

Verzischend bohrt es sich in das Herz des zehnhäuptigen Ungeheuers, und lautlos bricht der Furchtbare zusammen. Zitternd halten die Rosse mit der Leiche ihres Gebieters vor seinem Bezwinger.

Gellender Jubel der Affen und lautes Wehklagen der Rakschasas begleiten den Tod der Weltgeißel.

Rama bringt die Schlacht zum Stehen, läßt dem toten Feind eine würdige Leichenfeier rüsten und übergibt dem wehklagenden Vibhischana die Herrschaft über die Insel Lanka.

Hanumat wird in den Asokahain gesandt, um die befreite Sita vor den Sieger zu bringen.


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