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Abschied von der Stadt

(Gespräch mit meinem Hund)

»Maroc!
Komm her, Maroc, du treue Hundeseele,
Hier kusch dich hin!
Drück deine feuchte Schnauze, dein Hundeangesicht
An meine Hand.
Nun hör, was ich dir sage:
Ich habe dich Maroc getauft,
Damit ich daran denke,
Daß außer diesen weißen Menschen hier
Noch schwarze drüben leben;
Daß diese Welt noch weiter, breiter ist – –
Mir ward sie hier zu eng.

Sieh dort die Stadt,
Das Mauerungetüm im finsteren Novemberschauer
Todruhig hingelagert.
Jetzt ist die Zeit,
Wo sie aus Hatz und Hetz
Zur Kneipe oder in die Stuben gehn;
Zum Saufkrakeele, zur Familienbiederkeit.
Sie haben's nötig.
Mein Hund, die Leute da, sie sind
Nicht mal so gut wie du –
Sie hatten nur ein richtig Herz,
Als sie noch Kinder waren.
Ihr Herz ward Stein,
Und Geld und Gier heißt jetzt ihr täglich Brot.
Dir gab man Schmeichelnamen, Häpplein, Zucker;
Doch hinterher bekamst du einen Tritt.
Du warst ja nur ein Hund. Man hielt auch dich solange nur
Wie mich in Ehren.
So wie mit dir verfuhr man auch mit mir:
Man gab mir Bissen, schöne Worte,
Lud mich nach hier- und dorthin ein,
Und glaubte, daß ich froh darüber wäre.
Doch ich war heimatlos wie du, mein Hund.
Ich glaubte jedem Wort die Menschlichkeit
Und jedem Blick die Treue,
Nahm jeden Kuß als Schwur. –
So meinten sie es nicht,
Ich hatte falsch gerechnet.
Sie wußten nicht, daß mein Herz auch so dumm
Wie deins, mein Hund.
Tritte bot man mir wohl nicht,
Sie sagten artig mir adieu –
Versteh, ich war ein Mensch.
Nun ist's genug.

Maroc, mein liebes Tier,
Wir wollen in die tiefen Wälder wandern;
Auch deine Nase wittert andern Wind.
Wir wollen Einsamkeit um unsre Schultern spüren,
Auf Jagd nach neuen Träumen gehn,
Die Gottesgüte still im Walde wachsen sehn.
Ein freudeweiter, stundenloser Tag
Voll Windgesang und Blätterrascheln;
Ein hölzern Haus für dich und mich
Und eine Nacht voll Sternensang und Schnuppenfall
Blauwundervoll darüber –
Ist das nicht Glück?
Sieh!
Nun haben sie da drüben überall
Die Lampen und Laternen angezündet.
Mit feilem Lichterzunder lockt wie immer
Das ungeheure Freudenhaus.
Man schwätzt und frißt und liebt
Und fährt auf Straßenbahnen
Genau wie gestern spät um diese Zeit. –
Wir müssen auf den Weg, Maroc!

Und nun,
Du stets umworbne, immer treuelose Stadt,
Ihr vielen tausend Menschen,
Die ihr mich wieder austreibt in das ungewisse Wandern,
Und ihr, ihr Andern,
Die ihr mir Glück – doch mehr noch Leid gebracht:
Ich danke nicht, ich zürne nicht, ich ziehe meinen Hut
Und wünsch euch allen: Gute Nacht!

Hallo! Nun vorwärts, Windhund, in die schwarze Flut!«


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