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Venus im See.

Das war, wo der See sich im Walde versteckt,
wo der Hochspitz sich herrisch ins Blaue reckt,
wo kein Haus sich versteint, wo kein Pfad sich verliert,
wo kein Wanderer dreist durch die Büsche stiert –
da warfst Du voll Jubel, wie neidischen Tand
ins Moos Deines Leibes gerafftes Gewand,
und aus Deiner Schenkel geschlossenem Tor,
wuchs strahlend Dein göttlicher Körper empor.
Du botest die Brüste dem Sonnenbrand dar,
wie einem Geliebten; Dein goldenes Haar
lag tief Dir im Nacken, gefesselt und schwer,
gleich einem gezähmten, gepanzerten Meer.
An Deiner Füße durchblutetem Weiß
zerschellten die Wellen, begehrend und heiß,
und kosten und peitschten und saugten Dein Blut,
und zogen Dich Jauchzende mit in die Flut,
und buhlten, und reichten auf schäumender Hand
von glitzernden Perlen ein Schuppengewand,
und wiegten und warfen Dich, närrisch vor Lust,
und griffen nach Hüften, nach Schoß und nach Brust,
umspülten des Rückens gepolsterte Bucht –
da packte mich wütende Eifersucht:
Hei! flogen die lästigen Kleider ins Gras!
Hei! kreischte das feige, zerspritzende Naß!
Ich drängte beiseite mit stürmendem Arm
der buhlenden Wellen zerstiebenden Schwarm,
ich schlug sie in Stücke, ich trat sie zurück –
»Komm, hole mich, Liebster, und fange Dein Glück!«
– Der See blies vor Freude die Backen sich leer,
die Bergschatten tanzten im Wasser umher,
die Wälder erwachten und winkten sich zu –
und überall locktest und necktest nur Du!
Bald lachtest Du hier, bald riefst Du mich dort
bald trug eine kichernde Welle Dich fort,
schon wähnte ich Dich in der haschenden Hand,
da tauchtest Du schnell und entflohst mir zum Strand.
Ich jagte Dir nach, und die Sonne sprang mit,
das Moos küßte zärtlich den fliehenden Schritt,
ich rannte – Du flohst ohne Ziel oder Steg,
hier warf sich ein Fels, dort ein Busch in den Weg,
der Haare gelöstes, entfesseltes Meer
umbrandete Dich, wie ein fliegendes Heer,
der Atem erstickte vom lachenden Lauf –
– Du wanktest – da fing ich Dich Rasende auf,
da riß ich Dich an mich – da sankst Du zurück:
»Hier, nimm mich, Du Wilder! Du fingst Dir das Glück!«
– – Das war, wo der See sich im Walde versteckt,
wo der Hochspitz sich herrisch ins Blaue reckt,
wo kein Haus sich versteint, wo kein Pfad sich verliert,
wo kein Wanderer dreist durch die Büsche stiert;
nur die Sonne, der Wald und der See hats gesehn,
und die Luft ließ die zärtlichsten Seufzer wehn,
und der Busch bot sich neidisch als Wächter dar,
und das Moos war so seidig, wie Frauenhaar –
dort fanden wir beide den bräutlichsten Platz,
dort hoben wir beide den köstlichsten Schatz,
dort haben wir beide das Eden entdeckt –
– wo der See sich im wonnigsten Walde versteckt.


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