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Venus Muse.

Du sahst mich schweigsam und in trüben Sinnen
und kamst zu mir mit leisem, leichtem Gang,
und lehntest stumm Dein Haupt an meine Schläfen,
daß Deine Wärme in die meine drang.
»Du quälst Dich, Liebster! Deine Hände brennen; –
grämt Dich der Tag mit seinem blassen Gram?
Darf nicht die Liebste Deinen Kummer kennen?«
– und als ich dankbar Deine Hände nahm,
gabst Du sie kühlend meiner heißen Stirne –
»Ist es ein Wunsch, an den Dein Herz sich hing?«
Ich schüttelte das Haupt – da frugst Du stockend:
»war meiner Liebe Leuchten zu gering?«
– Da schaute ich gequält in Deine Augen
und trank den klaren, reinen Liebesblick –
»Mich grämt kein Wunsch und keine Not des Tages,
»mich grämt mein Ich, und meines Ichs Geschick.
»Bin ich ein Dichter? Bin ich nur ein Stümper?
»Ist meine Kunst nicht Pfuschwerk oder Wahn?
»Ward mir das Recht, den Kranz Apolls zu tragen?
»Führt mich zur Höhe meines Strebens Bahn?
»Ich zweifle, Weib, an mir und meinen Waffen,
»weil alles mir so klein und wertlos scheint,
»und weil ich zweifle, kann ich nicht mehr schaffen,
»die Feder rostet, und die Seele weint!«
– Da stieg ein Rot in Deine weichen Wangen,
ich sah, daß ein Gedanke mit Dir stritt,
dann warst Du plötzlich wie ein Hauch gegangen,
die Türe schloß sich hinter Deinem Schritt.

Ich schwieg erstaunt und sank in neues Sinnen –
da kehrtest Du zurück – von Deiner Brust
floß nur ein Schleier auf den Teppich nieder,
aus Deinen Augen sang das Lied der Lust.
So gabst Du Deinen Leib den weichen Kissen
und löstest Deiner Haare rote Pracht,
und legtest Deinen Nacken in die Hände
und Deine Glieder wuchsen aus der Nacht.
Mit stillem Leuchten sahst Du mich erwachen,
der Druck der Seele löste sich und wich,
weit warfst Du Deine Arme in das Dunkel:
»Hier lockt Dein Lohn! Jetzt, Liebster, dichte mich
– Da sprang die Faust des Glücks mir an die Kehle,
ich jauchzte laut: »Geliebte, Göttin, Weib!
»So werde Venus heute meine Muse,
»Ich dichte Dich und Deinen süßen Leib!«
– Die Feder flog, gleich eines Malers Pinsel,
die Augen raubten Dich mir Stück um Stück,
berauscht von Schönheit gab ich Deine Wunder,
gebannt in Bildern, farbensatt zurück.
Ich sang von Deiner Augen Meerestiefe,
von Deiner Locken dunklem Zauberhain,
ich pflückte Deines Munds Granatenblüten
aus Deiner Wangen lichtem Elfenbein;
ich ließ des Halses zarte Adern spielen
in Marmor, der belebt von meinem Kuß,
ich trank die Lust aus Deines Busens Kelchen
und schlang den Arm um Deinen Hüftenschluß.
Ich pries den Alabaster Deiner Füße,
und bettete sie tief in Rosenflor,
ich preßte meine Lippen auf die Säulen
der schlanken Schenkel – Deines Schoßes Tor
ließ mich die Wonnen aller Welten ahnen
und öffnete den Tempel aller Lust,
und aus dem Dunkel stieg Frau Venus nieder
wie ich in meinen Träumen sie gewußt:
»Du wecktest mich durch Deine trunknen Lieder;
der Schönheit Göttin, nicht ein Weib der Brunst
gabst Du der Welt als wahre Venus wieder –
so segne Venus Dich und Deine Kunst!«
– Ich fühlte meine Lippen selig bluten
vom Trank der Wonnen, die ihr Kuß entfacht,
– da sah ich Dich in meinen Armen gluten:
»Du schriebst Dein Meisterwerk in dieser Nacht!«


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