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Der Zahn Fos

Seit Wu Sung als Schatzhüter abgereist war, blieb Wu Ta viel zu Hause, dem Rat seines Bruders gehorsam. Er war erst drei oder vier Tage daheim, und schon schimpfte ihm die Frau täglich die Ohren voll, bis er fast die Geduld verlor. Er ließ es sich nicht anmerken, ließ seine Frau schelten und tat trotzdem nur, was der Bruder ihm gesagt hatte. Die Hälfte von dem, was er sonst verkauft hatte, verkaufte er jetzt, kehrte früh heim, wartete nicht bis zum Abend, sondern schloß sofort die Tür ab und saß in der Küche. Die Frau sah das täglich, und lüstern fühlte sie sich bedrückt, beengt in ihrer Vergnügungssucht. Mit einem Finger zeigte sie auf sein Gesicht und keifte: »Du bist ein dummer Kerl! Ich habe nie gesehen, daß ein Mensch mittags ausgeht, Ware zu verkaufen, und gleich nach Mittag wieder zurückkommt. Den ganzen Tag zu Hause sitzen und die unglückliche Tür immer zuschließen! Andere Leute werden denken, bei uns ist etwas geschehen! Höre nur auf deines Bruders Unsinn und fürchte nicht, daß die Leute dich auslachen!«

Sie sprach nicht nur einmal so, sondern tagtäglich, und manchmal antwortete Wu Ta: »Laß die andern Leute nur mich auslachen, mein Bruder hat immer recht; wenn ich ihm folge, kann ich mir viel Kummer ersparen.«

Sie spie ihm ins Gesicht und schrie: »Pfui! Schmutz! Du bist ein Mann und kannst doch nicht selber Herr und Meister sein, sondern achtest nur auf anderer Leute Stänkern!«

Wu Ta schüttelte ihr geiferndes Gekeif mit der Hand ab: »Laß! Laß! Meines Bruders Wort ist Gold wert!«

Wu Sung war schon über zehn Tage fort, und Ta tat immer das, was Sung gesagt hatte. Die Frau zankte sich einige Male tüchtig mit ihm; aber als sie sah, daß alles nichts half, beruhigte sie sich scheinbar. Sie schätzte Tag für Tag ab, wann etwa er nach Hause kommen müsse, zog dann den Bambusvorhang herunter und schloß die Tür. Wu Ta dachte ahnungslos: Das ist viel besser als früher.

Der Winter war längst vorbei, es gab herrliches Frühlingswetter. Es war warm, die Leute gingen viel auf die Straße unter der freundlichen Sonne. Auch Goldlotos merkte, daß ihr Herz voll Frühling war. Man sagt: Die Unternehmungslust einer läufigen Frau ist so groß wie der Himmel. Goldlotos entsann sich eines jungen Mönches namens P'ei Ju Hei, der im Vergeltungstempel lebte. Wenn er die heiligen Bücher vorlas und Bittgebete sprach – immer hatte er eine herrlichere Stimme als alle anderen Mönche, immer hatte er Lust, laut zu singen und mit der Glocke hell zu klingeln. Eines Tages, als Wu Ta eben mit seinen Bohnenpuffern ausgegangen war, konnte Goldlotos ihre Frühlingsgefühle nicht länger unterdrücken. Sie kämmte ihr Haar glatt nach hinten, band ihre Füßchen in saubere Tücher, wusch Gesicht und Oberkörper, zog neue, wohlriechende, einfarbige Kleidung an, suchte einen Weihebecher heraus, ging zu ihrer Nachbarin, der alten Frau Wang, bewog sie, die Teestube zu schließen und mit ihr den Tempel zu besuchen. Frau Wang war willig, kaufte Kerzen, Papiergeld für das Brandopfer, bestellte eine Sänfte für Goldlotos und sich.

Die Sänfte kam – Goldlotos war sie nicht rasch genug, aber es dauerte nicht lang, und sie waren schon da. Der Mönch P'ei stand zufällig vor dem Tor des Vergeltungstempels. Als er die hübsche junge ungeschminkte Frau aus der Sänfte in sein fleischloses Leben steigen sah, begann er sich zu freuen. Die alte Wang eröffnete das Gefecht: »Wir müssen Lehrvater ein wenig stören.«

Goldlotos: »Wir bereiten Lehrvater wohl viel Umstände. Aber Magister Jao, der Vater meines Mannes, hat sich vor Jahren erhängt. Verrichten Sie Gebete, daß die Seele des Toten endlich in den Himmel dringt.«

Der Mönch: »Gern. Meine Gebete werden für den Toten sehr viel bedeuten.«

Er führte die Frauen in ein Gebetzimmer, dort hingen Götter an der Wand. Auf einem Tisch standen Teller mit Gemüse als Opferspende, Weihrauch, Kerzen und Goldpapier. Auf anderen Tischen Musikinstrumente: Zimbel, Glocke, wohlklingende Steine, Trommel, Holzfisch, Zimmerorgel und Flöte. Bald kam ein Wandermönch, zündete die Kerzen an und führte zehn Taoisten ins Zimmer, die musizierten und laut aus ihren Gebetbüchern lasen und sangen. Goldlotos grüßte und dankte allen. Mönch P'ei saß inmitten der zehn Taoisten als Vorbeter, schlug die Glocke und verbrannte Himmelsgesuche, Fo herbeizubitten. Die Taoisten lasen Hymnen, neigten ihr Haupt vor den überirdischen Mächten, betend und bittend, den toten Magister Jao in den Himmel aufzunehmen. Dann schritt Goldlotos an einen Tisch, auf dem die Figur des Kaisers der Hölle stand. Sie kniete nieder an dem Gebetpodium, mit eigenen Händen zündete sie Weihrauch und Kerzen an und brachte den Weihebecher dar.

Der Mönch P'ei las ein besonders inniges Bittgesuch an den Himmel, dem toten Schwiegervater den Selbstmord und alle anderen Sünden zu verzeihen. Danach verbrannte er das Gesuch und Papiergeld, und der Gottesdienst war beendet. Mönch P'ei ließ seine Ordensbrüder gut bewirten, bat die alte Wang und Goldlotos, in seinem Zimmer etwas Tee zu trinken, und führte sie in ein ruhiges Gemach, das er für seine Zwecke eingerichtet hatte. Als alle im Vorderzimmer Platz genommen hatten, rief er: »Lehrbruder, bring Tee.«

Zwei dienende Brüder traten ein, Teetassen tragend, so weiß wie Schnee, mit rotem Untersatz. Die Frauen tranken – merkten sofort: guter Tee! Er zeigte ihnen ein Zimmer, das hinten lag. Es war zierlich eingerichtet, an der Wand hingen berühmte Malereien und Kalligraphien. An Stelle von Stühlen gab es schwarzgestrichene Bänke. In der Mitte des Zimmers ein Tisch, auf dem brannte fromm riechendes Holz in einer Schale. Alte Wang und Goldlotos saßen auf einer Bank, der Mönch P'ei ihnen gegenüber. Goldlotos lobte das Zimmer und sagte: »Lehrvater, Sie haben wirklich, aus der Familie ausgeschieden, einen guten Platz gefunden. Hier ist alles ruhig, behaglich, sauber und glücklich.«

Er: »Gute Schwester spricht zu höflich, wie kann man dies hier mit einem Heim vergleichen.«

Sie plauderten eine Weile, sprach die alte Wang: »Wir haben Lehrvater viel Mühe gemacht, nun wird es Zeit, daß wir nach Hause gehen.«

Der Mönch ließ die beiden nicht fort: »Es ist so selten, daß ehrliche Frauen zu uns kommen, und Sie sind doch nicht bei Wilden! Wie können Sie fortgehen, ohne einige Nudeln gegessen zu haben? Lehrbruder, bring schnell was her.«

Auf seinen Wink brachten die dienenden Mönche fleischloses Essen: Datteln aus der Osthauptstadt, seltene Früchte, Gemüse und Wein herbei. Sie deckten den Tisch, und Goldlotos fragte vorwurfsvoll: »Warum muß Lehrvater so viel auftragen lassen? Wir haben Sie doch sowieso schon genug gestört.«

Der Mönch beantwortete ihre Rede mit einem Lächeln und bot der alten Wang einen gefüllten Becher an: »Ehrliche Großmutter kommt nicht so oft zu uns, bitte, kosten Sie den Wein.«

Die Alte trank und lobte: »Guter Wein, seltenes Blut!«

Mönch P'ei: »Wir haben ihn von einem uns ergebenen Freund des Tempels bekommen. Wir haben viel davon hier, und morgen bringen wir Ihnen etwas, es auch Ihren werten Gatten probieren zu lassen.«

Die Weiber dankten. Der Mönch neigte sich zu Goldlotos: »Wir haben leider nichts Gutes, eine solche Schwester zu bewirten. Bitte, trinken Sie noch einen Becher.« Die zwei kleinen Diener reichten den Wein einige Male rundherum, dann mußte Frau Wang diesen Dienst übernehmen.

Goldlotos: »Halt, ich kann nicht mehr vertragen!«

Die Alte fragte besorgt, ob auch die Sänftenträger etwas Wein bekommen hätten.

Mönch P'ei: »Ehrliche Großmutter, darum brauchen Sie sich nicht zu kümmern, kleiner Mönch hat schon alles besorgt. Sie haben alle Wein getrunken und feine Nudeln gegessen.«

Der Mönch hatte den Frauen zielbewußt sehr kräftigen Wein vorsetzen lassen. Die alte Wang konnte nichts vertragen – war bald betrunken. Der Mönch fragte, ob die alte Dame ein Weilchen ruhen möchte. Die zwei dienenden Brüder kamen und brachten die Alte in ein ruhiges Zimmer, sehr geeignet, dort zu schlafen. Wein- und schlaftrunken wünschte die alte Wang abgehend der Frau Goldlotos noch: »Verbrennen Sie gut Kerzen!«

P'ei aber bot der jungen Frau immer mehr Wein an. Der junge Mönch, Frühling und Wein hatten sie in heitere Stimmung gebracht. Sie fühlte sich bald in einem unklaren Zustand und murmelte leise: »Lehrvater, mit welcher Absicht bieten Sie mir immer mehr Wein an?«

Der Mönch flüsterte: »Ich will der gnädigen Frau nur meinen Respekt zeigen.«

Sie: »Ich wußte nicht, daß man das so nennt. Der Wein hat mich erledigt.«

Der Mönch: »Darf ich gnädige Frau bitten, in kleinen Mönchs Zimmer zu gehen und eine heilige Reliquie, Fos Zahn, anzuschauen?«

Sie lachte: »Ich komme ja gerade darum!«

Er führte sie in sein Schlafzimmer, es war freundlich eingerichtet. Sie guckte es sich genau an: »Ihr Schlafzimmer ist sehr sauber und gut erhalten!«

Er lachte: »Es fehlt nur eine Frau.«

Sie: »Versuchen Sie eine zu bekommen.«

Er: »Wo kann ich eine so gute und ergebene Spenderin bekommen wie Sie?«

Sie: »Zeigen Sie doch, wie Fos Zahn aussieht.«

Der Mönch kam einige Schritte näher und wisperte: »Ich will nur nachsehen, ob Frau Wang schläft, dann zeig' ich ihn dir gleich.«

Lief nach unten, kam rasch wieder, schloß eilends die Tür ab. Goldlotos lächelte: »Lehrväterchen, warum verschließt du mich hier?«

Der Glatzkopf konnte sein lüsternes Herz nicht länger bezwingen, kam nah und nahm die Frau in seine Arme: »Ich liebe dich. Deinetwegen hab' ich mir immer mit dem Singen viel Mühe gegeben, endlich, endlich bist du heute hergekommen, du darfst nicht grausam sein!«

Goldlotos: »Aber mein Mann?! Kind, wenn du zahnen willst und er es später erfährt, wird er es dir nie verzeihen. Sein Bruder ist ein wilder Tigertöter.«

Der Mönch kniete nieder: »Sei so lieb und laß mich näher.«

Sie schaute ihn groß an, hielt ihre Hand schräg: »Du kleiner Dieb, du willst eine anständige Frau zum mönchischen Leben verführen? Ich werd' dir gleich eine Ohrschelle geben.«

Er lachte: »Bitte, schlag mich, aber tu dir dabei nicht weh.«

Ihr ganzes Herz war voll Frühling, sie konnte diese Scherze nicht länger anhören, hob ihn hoch, zog ihn an sich: »Du dummer Glatzkopf! Denkst du, ich werde dich wirklich schlagen?!«

Der Mann stand auf, begann Freude zu suchen, Freude zu finden. Nach Wolken und Regen hielt er Goldlotos fest im Arm: »Wenn du zu mir Herz genug hast, werde ich es nicht bereuen, für dich mein Leben zu geben. Heute hab' ich es dir zu verdanken, daß ich einen Augenblick glücklich bin! Aber es kann nicht lange dauern – später wird mich meine Sehnsucht töten.«

Goldlotos: »Du brauchst dich nicht zu grämen, du bist jung, ich will dein Frühlingsleben nicht verderben, ich hab' schon einen Plan. Mein Mann geht alle Tage über Mittag aus. Ich werde Frau Wang kaufen, sie soll jeden Tag achtgeben. Solange mein Mann nicht zu Hause ist, steht draußen bei Frau Wang immer ein kleiner Tisch, und zum Zeichen der Sicherheit wird auf ihm Nachtweihrauch verbrannt. Dann kannst du ruhig zu mir kommen. Ich fürchte nur, daß wir, ermüdet, einmal zu fest einschlafen werden und nicht rechtzeitig aufstehen. Du mußt einen Bettelmönch jeden Tag einige Male überall hingehen lassen, die Zeit ausrufen. Laß ihn vor der Hintertür auf den Holzfisch klopfen, und er soll laut zu Fo rufen, zum Zeichen, daß du fortgehen kannst. Wenn du so einen Mann hast, wird das sehr gut sein. Erstens kann er sich für dich draußen umschauen, zweitens wirst du bei mir nicht die Zeit verschlafen.«

Er freute sich über ihren Vorschlag: »Guter Plan! Tu, wie du gesagt hast. Ich hab' einen Taoisten hier, dem werd' ich deinen frommen Einfall beibringen.«

Sie: »Ich kann heut nicht mehr lang hierbleiben, sonst beginnen die Leute noch zu reden. Ich geh' lieber schnell fort, aber du darfst dein Versprechen nicht vergessen.«

Sie kleidete sich wieder an, kämmte ihr Haar zu Wolken, puderte sich, öffnete die Tür, ging Frau Wang wecken, tat, als wäre die Alte eben eingeschlafen; die zwei Frauen stiegen in ihre Sänfte und nahmen Abschied vom Mönch.

Im Vergeltungstempel gab es einen Taoisten namens Hu, der hinter dem Tempel wohnte. Jeden Tag stand er zur Zeit des fünften Gongs auf und schlug laut seinen Holzfisch, alle Mönche zum Gebet zu wecken. Dann räumte er die Reste des Gebetessens weg – das war seine ganze Tätigkeit. Eines Tages rief Mönch P'ei ihn zu sich. Zuerst ließ er ihn Wein trinken, dann schenkte er ihm Geld. Taoist Hu war nur eine Art Diener im Tempel, er bekam jetzt plötzlich so viel Geld, wunderte sich: »Schüler hat keinen Dienst geleistet, wie kann er so viel annehmen? Ich habe schon zu oft von Lehrvater Gutes erhalten.«

Mönch P'ei: »Ich sehe: Sie sind ein vernünftiger Mensch. Jetzt oder später werde ich Ihnen auf meine Kosten ein Zeugnis kaufen, damit Sie Ihre Haare abschneiden und Mönch werden können. Nehmen Sie dies Geld und schaffen Sie sich Kleider an.«

Taoist Hu bekam von Mönch P'ei oft Mittagessen und wurde an Festtagen von ihm mitgenommen, wenn irgendwo Gebete an den Himmel verlesen wurden; dann hatte er viel zu tun. Hu war P'ei zu Dank verpflichtet und überlegte: Warum heute so viel Geld? Vielleicht braucht der mich?! Er wartete nicht, bis P'ei seinen Mund öffnete: »Wenn Lehrvater mich irgendwo braucht, geht der kleine Taoist gern hin.«

Mönch P'ei: »Taoist Hu, wenn Sie so aus gutem Herzen sprechen, will ich Ihnen mein Geschäft nicht verheimlichen. Frau Goldlotos will möglichst oft mit mir zusammenkommen. Wir haben verabredet, daß ich, wenn draußen vor der Hintertür ein Tisch steht, zu ihr kann. Aber ich kann mich unmöglich dort allzuviel sehen lassen. Wenn es Ihnen möglich ist, gehen Sie für mich hin und horchen, und dann komme ich nach. Morgens, zur Zeit des fünften Gongs, müssen Sie sowieso aufstehen, alle zum Beten zu wecken. Wecken Sie dann gleich die ganze Stadt, und nachmittags kommen Sie vor die Hintertür der Frau Goldlotos, schlagen laut den Holzfisch und rufen Fo an, zum Zeichen, daß ich raus soll.«

Taoist Hu sagte sofort zu, ohne weitere Überlegung. Am selben Tag noch schlich er zur Hintertür der alten Wang, etwas Essen zu erbetteln. Die Wang trat heraus und schalt: »Sie Taoist, warum gehen Sie nicht zur Vordertür, Gebetessen erbetteln, was kommen Sie hierher?«

Der Taoist gab ihr keine Antwort – las ruhig seine Gebetsätze immer weiter. Goldlotos hörte drinnen alles, ging an die Tür und fragte den Mann, ob er der Taoist sei, der die Leute zur Zeit des fünften Gongs wecke.

Hu: »Kleiner Taoist ist es, der die Menschen früh weckt und abends Weihrauch verbrennt. Fo wird sich im Nirwana freuen.«

Goldlotos wußte sofort, was er damit meinte. Sie lachte vergnügt und ging nach oben, eine Schnur Münzen zu holen. Der Taoist nahm die Gelegenheit wahr und sagte ihr dankend: »Kleiner Taoist ist der Vertraute von Lehrvater P'ei. Er sandte mich als Weghorcher.«

Goldlotos: »Ich weiß schon. Immer, wenn Sie herkommen und draußen einen kleinen Tisch sehen, können Sie ihm bestimmte Nachricht geben.«

Der Taoist nickte, ging seines Weges. Dann rief Goldlotos die alte Wang zu sich, erzählte ihr das Nötigste und machte ihr Versprechungen. Wenn solchen Menschen große Dinge versprochen und immer wieder Kleinigkeiten gegeben werden, verkaufen sie ohne weiteres sich, Himmel und Erde.

Kaum war Wu Ta mit seinen Bohnenpuffern abgezogen, stellte die alte Wang den Signaltisch auf die Gasse. Goldlotos konnte vor Frühlingsgefühlen keine Ruhe finden und wartete hinter der Tür. Sie mußte nicht lange warten, bis ein Mann schnaufend ankam, sich scheu umblickte und schnell ins Tor lief. Die alte Wang erschrak, fragte: »Wer?«

Dieser eilige Besucher gab keine Antwort. Goldlotos stand hinter dem Bambusvorhang, streifte ihm den Hut ab: ein Glatzkopf leuchtete auf. Goldlotos patschte ihm zärtlich darauf: »Diebsmönch! Du kannst dich sehr gut verkleiden!«

Sie preßten sich fest aneinander und schleppten sich nach oben. Nun mußte Frau Wang den Tisch hereinbringen, die Tür schließen und über die liebend Beschäftigten wachen. Es war erste Bettfreude, und ihre Liebe zueinander war unbegrenzt. Sie hingen wie zwei Kletten aneinander, sie keuchten Liebesworte, süß wie Honig, sie konnten einander so gut vertragen wie der Fisch das Wasser. Sie flüsterten sich Koseworte zu und schlummerten endlich sanft und selig ein. Plötzlich hörten sie unten laut den Holzfisch schlagen und mörderisch zu Fo rufen. Sie wurden beide im tiefsten Traum gestört. Der Mönch kleidete sich eilig an: »Ich geh', morgen können wir weitersehen.«

Goldlotos: »Aber wenn morgen kein Tisch draußen steht, darfst du nicht einfach reinkommen.«

Sie ordnete seine Kleidung und drückte ihm den Hut tief ins Gesicht. Die alte Wang öffnete die Hintertür – schnell wie der Wind floh er fort.

Von diesem Tag an kam der Mönch immer, wenn Wu Ta nicht daheim war. Frau Wang hatte von Goldlotos das Versprochene erhalten und tat alles, was das mönchische Leben forderte, und nur einer war zu fürchten: Wu Ta. Das Weib hatte großes Verlangen, und der Mönch konnte auch nicht mehr allein bleiben – über einen Monat lang warfen sie sich täglich aneinander und trafen sich in den Tiefen der Wollust.

Goldlotos und Mönch P'ei verstanden einander sehr gut, es fiel ihnen oft schwer, voneinander zu scheiden. Dies Fleisch vertrug sich gut. Sie hatte Wu Ta im Herzen ganz vergessen; wenn er ihr einmal nahe kam, ärgerte sie ihn, beschimpfte ihn, konnte ihn, weil der Mönch ihr besser schmeckte, nicht mehr ausstehen, log immer, sie sei nicht wohl, oder drehte ihm gewaltig den Rücken. Wu Ta war sehr traurig über die Verschmähung seines Lieblingsgliedes, begann zu trinken, viel fortzubleiben, sich nachts mit heißem Wein über sein kaltes Weib zu trösten und, da ihm sein Haus verleidet war, in Weinstuben oder gar – wenn die geschlossen waren und dem Halbbetrunkenen der Weg in die kahle Einsamkeit seiner Schlafstatt zu weit schien – in Bedürfnisanstalten zu übernachten. Er sehnte Wu Sung herbei, vor ihm sein Schicksal anzuklagen und es mit Hilfe des stärkeren Bruders irgendwie zu ändern. Die alte Frau Wang war klüger und erfahrener als Goldlotos, und aus denselben Gründen, die Wu Ta eine hartnäckige und rachsüchtige Sehnsucht nach Wu Sung einflößten, fürchtete sie die Heimkehr des Tigertöters. Und ihr listiges Herz versuchte die Spannung zwischen den Eheleuten zu vermindern und die Entzweiten wieder nächtlich zu vereinen. Als Wu Ta einmal einige Regennächte lang nicht heimgekehrt war – zur Freude eines Mönchs und seiner Nonne –, ging Frau Wang aus eigenem Antrieb abends in die Nähe des Amts, den unglücklichen Bohnenpufferverkäufer zu suchen. Endlich fand sie ihn, ohne Ware in einer Sackgasse traumverschluckt auf und ab gehend. Sie rief: »Herr Wu Ta, wo gehen Sie denn hin? Wir haben uns schon so lange nicht gesehen!«

Als sich Wu Ta auf das Rufen hin endlich umdrehte, erkannte er Frau Wang, die ihn süßlich ansang: »Herr Wu Ta, viele Tage habe ich Sie schon eingeladen, zu uns zu kommen; aber es ist sehr schwer, Sie einmal zu treffen! Wenn die kleine wertlose Goldlotos Sie beleidigt hat, müssen Sie immer Geduld haben – ich werd' ihr sagen, daß sie sich bei Ihnen entschuldigen soll. Heute hab' ich das Glück, Sie zu treffen, bitte, kommen Sie mit mir nach Haus.«

Wu Ta: »Heute hab' ich mit den Bohnenpuffern sehr viel zu tun, ich kann meine Zeit nicht frei machen; aber – nächstens komm' ich bestimmt.«

Die Alte: »Nein! Das geht nicht! Goldlotos hat Sie zu Hause immer erwartet, kommen Sie doch endlich, sie etwas aufzuheitern.«

Wu Ta versuchte, sich weiter auszureden, aber die Frau hielt ihn beim Ärmel fest: »Wer hat Sie aufgehetzt? Wenn die andern Leute etwas Schlechtes sprechen, dürfen Sie nicht hinhören! Kommen Sie doch, bitte, mit zu uns.«

Wu Ta: »Sie brauchen mich nicht zu belästigen. Ich muß alles selbst besser wissen. Ich habe noch sehr viel Bohnenpuffer zu verkaufen und kann noch nicht heimkommen.«

Die Alte: »Herr Wu Ta – wenn Sie diesmal nicht kommen, ein andermal kann ich Sie schwer wieder treffen. Sie müssen mitkommen, ich werde Ihnen zu Hause einiges erzählen.«

Er war ein kleiner, aber vom Weintrinken heißblütig gewordener Mann und konnte nicht leiden, daß die alte Hexe so bettelte: »Bitte, lassen Sie mich doch los, ich komme schon mit.«

Die Alte: »Wu Ta, Sie dürfen mir aber nicht fortlaufen, ich kann Ihnen nicht nachrennen.«

»Ach«, ärgerte sich Wu Ta, »das werde ich nicht tun.«

Sie gingen beide in die Lilasteinstraße, und als sie vor der Tür ihrer Teestube waren, packte die Alte ihn wieder fest und sprach: »Wu Ta, wollen Sie nicht hineingehen?«

Wu Ta ging stöhnend hinein und setzte sich halb auf einen Stuhl. Die Frau war sehr klug auf ihre Weise: sie hatte Angst, daß er wieder fortgehen könnte, wenn sie nach oben ging, Goldlotos holen. Sie setzte sich daher neben ihn und rief laut hinauf: »Mein Kind, dein dich herzlich liebender Herr ist hier!«

Goldlotos lag oben im Bett und dachte, bis jetzt ist der kleine P'ei noch nicht hier! Als Goldlotos hörte, wie Frau Wang rief: »Der Liebling ist hier!«, wähnte sie, es wäre ihr Mönch. Sie stand schnell auf, strich mit einer Hand ihre Haare nach hinten und sprach zu sich: Der kleine kurzlebige Kerl hat mich so lange warten lassen! Er wird von seiner alten Großmama zuerst zwei Ohrschellen bekommen! Sie eilte wie fliegend von oben nach unten, guckte durchs Fenster und sah im Schein der Lampe, daß es nicht P'ei war, sondern nur der winzige Wu Ta. Goldlotos drehte sich um, ging nach oben – legte sich wieder ins Bett. Die alte Frau Wang hörte Goldlotos kommen und wieder zurückgehen. Sie rief ihr nach: »Mein Kind, dein Herr erwartet dich hier, warum bist du wieder hinaufgegangen?«

Goldlotos lag faul auf dem Bett, tat, als ob sie sehr müde sei, und kreischte: »Ist mein Zimmer sehr weit? Könnt ihr nicht herkommen? Er ist doch nicht blind, warum kommt er nicht? Muß ich ihn vielleicht herauftragen? Er soll mich nicht dauernd belästigen!«

Frau Wang: »Das wertlose Weib kommt nicht runter, man kann sich nur ärgern. Aber, Wu Ta – Sie sind alt und weise und müssen sich nicht darum kümmern.«

Sie lachte, packte ihn bei der Hand: »Wu Ta, ich gehe mit Ihnen zusammen hinauf.«

Wu Ta hörte alles und war zu fünf Zehnteln nicht mit Goldlotos zufrieden; weil aber die alte Frau ihn anfaßte, mußte er hinaufgehen. Im Oberstock war vorn ein Balkonzimmer und hinten ein Schlafgemach. Drei Seiten des schmuckverzierten Betts waren mit Gittern umgeben, von oben hing ein rotseidener Himmel herunter. An der andern Wand stand ein großer Kleiderschrank und nebenbei ein Waschständer nebst einigen vergoldeten Stühlen; auf dem Tisch eine versilberte Lampe. An der großen Wand hing ein Bild, eine reiche Frau darstellend – von einem bekannten Maler gemalt –, auf der andern Seite waren berühmte Vorlagen altertümlicher Schreibkunst zu sehen. Während Wu Ta aufwärts stieg, hielt Frau Wang ihn fest und führte ihn ins Zimmer. Er setzte sich auf einen Stuhl, die Alte ging ans Bett, hob Goldlotos hoch: »Dein Herr ist doch hier! Mein Kind, dein Charakter ist furchtbar schlecht, durch deine Sprache hast du ihn beleidigt, und deshalb kommt er nicht mehr; du bist zu Hause sehr traurig und denkst immer an ihn. Jetzt hab' ich ihn nach vielen Schwierigkeiten hierhergebracht, und du stehst nicht auf, dich zu entschuldigen! Wie kannst du auf dem Bett liegenbleiben und ein Maul ziehen?«

Goldlotos stieß der Alten Hand zurück, keifte: »Was willst du von mir?! Ich hab' ihm nichts getan! Wenn er nicht zu mir nach Haus kommt, wie kann ich zu ihm gehen, mich entschuldigen.«

Wu Ta sagte gar nichts. Die Wang stellte einen Stuhl neben seinen und brachte Goldlotos doch dazu, sich drauf niederzusetzen.

Wang: »Du sollst hier mit deinem Herrn ein wenig sitzen! Selbst wenn du nicht sprechen willst, brauchst du nicht so unhöflich zu sein.«

Goldlotos wollte nicht so nah sitzen und ließ sich Wu Ta gegenüber nieder. Der ließ seinen Kopf hängen und sprach kein Wort. Die Alte sah, daß Goldlotos den Kopf zur andern Seite drehte, und versuchte noch etwas: »Wenn man keinen Wein und kein Essen hat, wie kann man ein Fest bereiten? Ich habe eine Flasche guten Wein hier und kaufe noch einige vornehme Früchte, und Herr Wu Ta soll endlich wieder einmal zu Hause etwas essen und trinken. Mein Kind, sei mit Herrn Wu Ta ein wenig nett, du brauchst dich vor mir nicht zu schämen!«

Wu Ta dachte: Die alte Hexe hat mich hierhergeholt und bereitet jetzt alles vor, ich warte, bis sie runtergeht, einholen, dann kann auch ich verschwinden!

Die Alte aber hatte seine Gedanken erraten – wie sie aus dem Zimmer ging, verriegelte sie hinter sich die Tür. Er stöhnte: Die Hexe hat mich durchschaut, sie ist noch schlauer als ich.

Frau Wang ging aus und kaufte ein. Vorher legte sie Holz und Stroh ans Feuer und ließ Wasser kochen. Früchte, frische Fische, ein zartes Hühnchen brachte sie nach Haus, bereitete alles zu, wärmte Wein und goß ihn in die Flasche. Sie nahm drei Becher und drei Stäbchen, ging mit allem nach oben. Sie riegelte die Tür auf, stellte die Sachen auf den Tisch. Sie sah, daß Wu Ta seinen Kopf immer noch hängen ließ und Goldlotos auf die andere Seite schaute. Mahnend sagte sie zu ihr: »Hör mal, steh auf und gieß den Wein in die Becher.«

Goldlotos: »Eßt allein, ich hab' nicht so viel Geduld!«

Frau Wang: »Mein Kind, du bist von klein auf sehr verwöhnt, aber du darfst doch nicht vor lieber Leute Gesicht so sein!«

Goldlotos: »Wenn ich das nicht anders will, was dann? Ihr könnt doch nicht meinen Kopf abschlagen!«

Die Wang lachte: »Ich habe wieder zuviel gesprochen. Aber Herr Wu Ta, Sie sind doch kein kleinlich denkender Mensch und werden sich deswegen nicht mit ihr zanken!«

Zu Goldlotos sagte sie: »Wenn du schon keinen Wein eingießen willst, dreh dich wenigstens um und trink ein wenig.«

Goldlotos drehte ihren Kopf nicht um. Frau Wang bot Wu Ta mehrere Male Wein an, kostete selber einen Becher: »Herr Wu Ta, Sie dürfen es nicht übelnehmen. Die Leute erzählen vieles, ich werde Ihnen später auch einiges sagen. Aber die Leute sind neidisch und sprechen alles Schlechte, sie blasen schlechte Luft. Sie dürfen darauf nicht hören, trinken Sie einige Becher.«

Sie schob den beiden die gefüllten Becher zu, stieß Goldlotos in die Seite: »Sei nicht so kindisch, trink doch ein bißchen Wein.«

Goldlotos: »Warum fängst du immer wieder mit mir an?! Ich bin satt, kann nicht essen noch trinken!«

Frau Wang: »Du sollst doch mit deinem Herrn trinken.«

Goldlotos hörte das und dachte: Ich weiß nur P'ei – wie kann ich mit diesem Zwerg zusammensitzen! Wenn ich ihn nicht betrunken mache, wird er mich später noch mehr belästigen!

Sie handelte danach und trank einen halben Becher Wein. Die Alte lachte: »Mein Kind, du darfst nicht immer so heftig sein, trinke noch einige Becher und schlaf dann. Herr Wu Ta, trinken Sie auch.«

Sie bot ihm immer mehr Wein an, sah aber, daß Goldlotos keinen trank und dies Wu Ta sehr unangenehm war; aber später trank Goldlotos doch noch einen halben Becher, und Wang freute sich darüber, ging in die Küche und wärmte mehr Wein. Bei sich dachte sie: Wenn er heute nacht hierbleibt – bis der Bruder kommt, hat er alles vergessen! Soll er nur einmal hierbleiben, dann können wir sehen, was weiter wird.

In der Küche, Wein wärmend, trank Frau Wang drei Becher für sich und fühlte sich danach sehr aufgeheitert. Sie sah, als sie wiederkam, daß Wu Ta immer noch traurig war. Goldlotos spielte mit ihrem Gürtel – lachte Frau Wang laut: »Ihr beiden seid doch nicht aus Holz oder Erde, warum sprecht ihr keinen Ton? Herr Wu Ta, Sie sind doch ein erfahrener Mann, Sie müssen zart sein und etwas Nettes sagen!«

Wu Ta war ratlos, schwieg dumpf und trotzig. Frau Wangs Rede machte seine Schüchternheit, Feigheit, Stummheit und Schwäche nur noch ärger, er wußte nicht mehr, was er beginnen sollte. Goldlotos dachte: Wenn Wu Ta nicht mit mir spricht, wartet er wohl auf mich, daß ich, wie immer, zuerst zu sprechen anfangen soll?! Aber wer hat noch große Lust, mit ihm zu scherzen?! Jetzt werde ich es erst recht nicht tun! Die alte Wang trank mehr Wein – schon war es zuviel für sie! Deshalb sprach sie vielerlei Dinge über ihre Nachbarn, und eben erzählte sie eine Sache so und gleich darauf wieder anders.

In der Stadt gab es einen kleinen Händler T'ang Niu, der war immer auf der Straße, andern Leuten zu dienen. Von Wu Ta und Wu Sung hatte er schon viel Trinkgeld bekommen; wenn er Wu Ta einen kleinen Dienst leistete, bekam er immer etwas Geld und Bohnenpuffer von ihm, und wenn gar Wu Sung ihn benötigte, wäre T'ang Niu am liebsten für ihn ins Feuer oder Wasser gegangen. Außerdem schmeichelte es der Eitelkeit des Jungen, mit dem blutigen Tigertöter zusammen gesehen zu werden. An diesem Tag hatte T'ang Niu beim Spiel sein ganzes Geld verloren, wußte nicht, was er anfangen sollte. Er ging rund ums Amt, Wu Ta zu finden; aber dort sah er ihn nicht. Man fragte ihn: »T'ang Niu, warum so eilig? Wen suchen Sie?«

Er: »Ich habe große Not, suche einen Geldmann, find' ihn aber nicht.«

Alle fragten eifrig: »Wer ist der Geldmann?«

T'ang Niu: »Das ist Herr Bohnenpufferverkäufer Wu Ta.«

Man antwortete: »Wir haben ihn eben gesehen, er ging mit der alten Frau Wang hier vorbei.«

T'ang Niu schimpfte: »O diese wertlose Goldlotos! Sie hat mit dem Zahn Fos, mit diesem Glatzkopf P'ei ein Verhältnis und will nun Wu Ta blenden! Er scheint auch schon was davon gehört zu haben, war schon lange nicht zu Hause. Heute muß die Alte etwas zusammengelogen und Wu Ta mitgeschleppt haben. Ich werde hingehn, vielleicht bekomm' ich etwas Geld auf ein paar Becher Wein.«

Er ging geradeswegs in die Lilasteinstraße, sah in der Wohnung Licht, fand die Tür unverschlossen. Er trat ein, hörte oben Frau Wang sprechen und lachen. Er schlich leise hinauf: Durch den Türspalt sah er, daß Wu Ta und Goldlotos die Köpfe hängen ließen. Die alte Frau saß in der Mitte, war sehr lustig und schwatzte hemmungslos. Er öffnete die Tür, trat ein, grüßte alle drei und stellte sich bescheiden zur Seite. Wu Ta dachte: Sehr gut, daß er kommt!

Er machte ihm heimlich Zeichen, und T'ang wußte sofort Bescheid. Zu Wu Ta gewandt, überstürzte er sich: »Ich bin überall gewesen und habe Sie nirgends gefunden, endlich hier, wo Sie in großer Zufriedenheit Wein trinken!«

Wu Ta fragte: »Gibt es vielleicht geschäftlich etwas Wichtiges zu besorgen?«

T'ang Niu: »Herr Wu Ta! Haben Sie das schon vergessen? Es ist noch dieselbe Sache, die wir heute früh hatten. Der Oberste aller Bohnenpufferverkäufer hat sich sehr geärgert und viele Leute ausgeschickt, Sie zu suchen! Ich glaube, Sie sollten sofort gehen, sonst bekommen Sie mit der Zunft noch Unannehmlichkeiten!«

Wu Ta: »Himmel und Erde! Wenn es so wichtig ist, muß ich gleich zur Gilde!«

Er stand auf und wollte fort. Frau Wang hielt ihn fest: »Herr Wu Ta, Sie brauchen mit mir nicht Verstecken zu spielen! T'ang Niu, kommen Sie hierher! Sie sind ein schlauer Dieb und möchten mich zum Narren halten! Als ich jung war und solche Kniffe gebrauchte, waren Sie noch gar nicht geboren! Jetzt ist es so spät, der Oberste der Bohnenpufferverkäufer schläft schon längst in seinem Palast, trinkt mit seinen Frauen Wein und ist dazwischen glücklich! Was sind das jetzt noch für Sachen, Sie können das anderen Leuten, aber nicht mir erzählen!«

T'ang: »Es ist doch wahr, ich lüge nicht!«

Wang: »Sie brauchen Ihre Hundeluft nicht hierzulassen, meine Augen sind so hell wie die Lampe! Eben hat der Herr Wu Ta mit dem Mund Zeichen gemacht, daß Sie was lügen sollen! Sie bemühen sich nicht, ihn nach Haus zu seiner Frau zu bringen; aber fortholen möchten Sie ihn!«

Sie stand auf, packte ihn beim Kragen und zerrte ihn aus dem Zimmer. T'ang Niu schrie: »Was? Sie wollen mich anfassen?!«

Wang: »Wenn jemand dem andern das Brot fortnimmt, ist es ebenso, wie wenn er ihm Eltern und Kinder mordet. Wenn Sie noch mal was wagen, werd' ich Sie Bettler schlagen!«

Während des Zankens waren sie schon bis an die Haustür gekommen. Er rief: »Schlagen Sie doch!«

Die Frau Wang hatte zuviel Wein getrunken und war in Form. Sie schlug mit allen fünf Fingern in sein Gesicht, warf ihn zur Tür hinaus und schloß sie ab. T'ang Niu hatte die Prügel, stand vor der Tür und lärmte: »Sie alte Diebin, ich werde mich rächen! Wenn ich nicht wegen des Offiziers Wu Sung ruhig wäre, würde ich gleich Ihre Wohnung zerschlagen oder Feuer anzünden, Sie besoffene Kupplerin! Warten Sie nur, wenn ich Sie nicht zu Ende bringe, soll mein Name nicht T'ang Niu sein!«

Während dieser Rede schlug er sich mit der Hand auf die Brust, um seinen Mut zu zeigen, fluchte und ging dann ruhig seines Weges. Die Wang kehrte zu den andern zurück und schnaufte: »Wu Ta, denken Sie nicht an den Bettler! Der hat zuviel getrunken und geht überall hin, über andere Leute schlecht reden.«

Wu Ta war ein ehrlicher Mensch, merkte: Die Wang wußte, daß er fortgehen wollte – und er sah ein, daß es jetzt unmöglich war, eine Ausrede zu finden. Frau Wang riet Goldlotos: »Mein Kind, trink noch einige Becher Wein mit deinem Herrn! Ihr beide habt euch schon lange nicht gesehen und möchtet gern ins Bettchen gehen, ich werde alles in die Küche bringen.«

Sie schenkte Wu Ta noch einige Becher ein, packte alles zusammen und verschwand in die Küche. Wu Ta blieb notgedrungen oben und dachte: Meine wertlose Frau spielt mit dem Bonzen P'ei Lustspiele, ich glaub' es nicht ganz fest und hab' es auch nicht mit eigenen Augen gesehen. Jetzt ist die Nacht schon tief, so muß ich hier schlafen, kann sehen, was die Frau mit mir macht – ob sie heute nacht für mich noch etwas Liebe übrig hat.

Frau Wang torkelte noch einmal ins Zimmer und lallte: »Die Nacht ist schon so weit, gehen Sie gleich ins Bett.«

Goldlotos: »Das geht Sie nichts an, gehen Sie ins Bett!«

Die Alte watschelte ab, lachte: »Wu Ta, machen Sie alles gut heute nacht! Viel Vergnügen! Stehen Sie nicht zu früh auf!«

Sie wusch in der Küche alles ab, löschte das Licht und ging schlafen. Wu Ta saß auf dem Sessel, schielte nach Goldlotos und stöhnte. Es war Mitternacht, aber sie entkleidete sich nicht, sondern legte sich so ins Bett. Den Kopf auf dem gestickten Kopfkissen, drehte sie sich zur Wand, tat, als ob sie schliefe. Das schmerzte ihn sehr, es gluckste in ihm: Das schauerliche Weib hat mich gar nicht beachtet, sie schläft allein! Die Alte hat mir heute so viel Wein angeboten, und ich habe arg getrunken, ich kann so nicht mehr sitzen. Ich werde auch schlafen!

Er legte seinen Hut auf den Tisch, zog seine Kleider aus, legte alles auf den Kleiderständer. Den Gürtel und die Tasche hängte er ans Bettgitter. Zog die Strümpfe aus und legte sich nieder. Er schlief nicht fest und hörte im Halbschlaf Goldlotos immer höhnisch lachen. Darüber ärgerte er sich und konnte nicht ruhig schlafen. Das alte Sprichwort sagt: Wenn man glücklich zusammen ist, denkt man, die Nacht ist zu kurz; aber vor Langeweile findet der Einsame sie um viele Ewigkeiten zu lang.

Am Morgen, kaum dämmerte es, stand er auf, wusch sich in kaltem Wasser, kleidete sich an und schimpfte vor sich hin: »Das stinkende Weib ist sehr unfreundlich!«

Goldlotos schlief nicht fest, hörte, wie er sich ärgerte. Sie drehte sich um: »Schämst du dich nicht?«

Wu Ta ging zur Haustür; als die alte Wang Schritte hörte, rief sie heiser: »Herr Bohnenpufferverkäufer, legen Sie sich noch zu Ihrer Frau und warten Sie, bis es hell ist. Sie haben doch keine Eile, warum sind Sie schon so früh aufgestanden?«

Er antwortete nicht, wollte nur die Tür öffnen; die alte Wang schalt: »Wu Ta, wenn Sie schon hinausgehen, lassen Sie wenigstens die Tür nicht offen.«

Wu Ta stolperte mühsam aus der Tür, ärgerte sich und konnte vor Wut kaum atmen. Es war die Zeit des fünften Gongs – in der Ferne hörte er einen Wandermönch den Holzfisch schlagen und alle Welt wecken.


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