Alexander Dumas d. Ä
Zehn Jahre später
Alexander Dumas d. Ä

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9. Kapitel.
Neue Eifersucht

Seit Buckinghams Abreise glaubte Guiche, die Welt gehöre nur ihm allein. Monsieur, von der Eifersucht erlöst, gewährte in seinem Hause ein so freies Leben, daß die Ungenügsamsten damit zufrieden sein konnten. Auch der König, der an der Gesellschaft der koketten Prinzessin Gefallen fand, trug das Seine dazu bei, die Lustbarkeit zu steigern. So verstrich kein Tag ohne eine Festlichkeit am Hofe Monsieurs. Ueberdies rückte nun das große Fest immer näher, das in Fontainebleau veranstaltet werden sollte, und die Damen hatten alle Hände voll zu tun, um das Programm durch neue Nummern zu bereichern, ihre Toiletten zu entwerfen und deren Herstellung zu überwachen.

Madame gab sich diesem geräuschvollen Leben mit aller ihr eigenen Ungezwungenheit hin, und da Graf von Guiche in Sachen der Toilette und in allem, was Zerstreuung und glänzenden Zeitvertreib anbetraf, ein Meister war, unerschöpflich an immer neuen Ideen und unfehlbar im Geschmack, so war es nur natürlich, daß sie zur Zeit ihn ganz offenkundig bevorzugte. Nur wenn der König selbst zugegen war, mußte Guiche zurückstehn, allein Ludwig XIV. machte ihm keine Konkurrenz. Obwohl überaus galant und in alle Frauen verliebt – sogar in seine eigene – war er doch sehr zurückhaltend, solange er mit seinem Urteil noch nicht im klaren war. Er behandelte alle Damen mit gleicher Höflichkeit, und noch konnte keine sich rühmen, von ihm vor den andern ausgezeichnet worden zu sein. Man konnte voraussehen, daß, wenn er eine zu seiner Geliebten erklärte, diese eine zu unumschränkter Herrschaft gelangen würde; aber noch geschah nichts dergleichen. Der eigentliche König dieses galantes Hofes war also – wenn auch zu seinem Unglück nur auf kurze Zeit – der Graf von Guiche.

Das fiel natürlich auf, und es war selbstverständlich, daß Chevalier von Lorraine, der stets auf Kriegsfuß mit Guiche stand, weil er sein erfolgreichster Nebenbuhler in der Gunst Monsieurs war, diesen Anlaß benutzte, eine Intrige gegen den Grafen anzuzetteln. Das beste Mittel, seinen Zweck rasch zu erreichen, war für den Chevalier, sich zu entfernen und ein paar Tage lang nicht bei Hofe zu erscheinen. Monsieur war seit kurzem fast stündlich mit dem Chevalier zusammen gewesen und vermißte ihn nun. Da er ihn nirgends fand, machte er sich auf die Suche nach seinem andern Freunde, dem Grafen von Guiche. Der kam endlich, blieb aber nur ein paar Minuten, weil er begreiflicherweise die Gesellschaft Madames vorzog. So war denn Monsieur wieder allein und langweilte sich zum Sterben. Er war der unglücklichste Mensch von der Welt und kam in dieser Stimmung auf den Einfall, mal zu seiner Frau zu gehen.

Dort fand er eine überaus lustige Gesellschaft von lachenden, plaudernden Herren und Damen. Madame selbst saß auf einem Sofa, und Guiche kniete vor ihr und breitete Perlen und Edelsteine aus, zwischen denen die Prinzessin mit ihren weißen Fingern die schönsten herauszusuchen schien. In einer Ecke saß ein Gitarrenspieler und klimperte eine niedliche Weise herunter.

Monsieur war sehr ärgerlich, daß man sich hier so köstlich amüsierte, während er vor Langeweile vergehen mußte. Er rief im Tone kindischen Neides: »Hier geht's ja lustig her, und ich blase da drüben Trübsal!« – Guiche sprang auf, der Gitarrespieler hielt inne, Malicorne versteckte sich hinter der Montalais, Manicamp warf sich in die Brust. Madame allein blieb ganz ruhig und rief ihrem Gatten zu: »Das ist doch die Stunde, wo Sie Toilette zu machen pflegen.« – »Und wo man hier Tollheiten treibt!« rief der Prinz zurück. – Diese übelgewählten Worte waren das Signal zu allgemeiner Flucht. Die Damen stoben auseinander wie eine Schar aufgescheuchter Vogel; die Herren schlichen beiseite. Nur von Guiche blieb zurück. Er und die Prinzessin hielten wacker den Angriff des mißvergnügten Gatten aus.

»Warum flieht alles, wenn ich mich sehen lasse?« rief Monsieur ungehalten. – »Aus Respekt vorm Herrn des Hauses,« antwortete Madame mit leisem Spott. Dabei machte sie ein so schelmisches Gesicht, daß Monsieur nichts weiter tun konnte, als ein recht dummes Gesicht zu machen. Er fühlte wohl auch das Lächerliche seiner Lage und warf nun einen so grimmigen Blick auf Guiche, daß dieser es doch für geraten hielt, mit einer höfischen Verneigung hinauszugehen.

»Was soll das nun heißen, Madame?« begehrte der Prinz auf, als er mit seiner Gemahlin allein war. »Das ist ja, als wenn ich gar nicht hergehörte!« – Madame ließ ihre Perlen fallen, lachte nicht mehr, schien aber auch nicht geneigt, eine Antwort zu geben. – Monsieur drehte sich um und stürmte zornig hinaus. – Draußen stieß er fast mit Fräulein von Montalais zusammen. Sie machte eine tiefe Verbeugung. – »Warum sind Sie alle fortgelaufen?« rief Philipp. »Hier wird gescherzt, gelacht, musiziert, und wenn ich herkomme, um mich auch ein bißchen zu erheitern, entfernt man sich. Geschieht denn hier etwas Unziemliches, wenn ich nicht da bin?« – »Gnädigster Herr, hier geschieht alle Tage dasselbe,« antwortete das Ehrenfräulein. – »Wie? Man lacht und musiziert hier alle Tage?« – »Alle Tage ist hier dieselbe Gesellschaft, die Königliche Hoheit eben gesehen haben.«

»Was, alle Tage Gitarre?« – »Dieses Instrument ist jetzt Mode, und wir Frauen würden uns ohne Musik langweilen.« – »Und die Männer?« – »Was denn für Männer?« fragte die Montalais mit jener Unschuld, die sie so trefflich zu heucheln wußte. – »Nun, Malicorne, Manicamp und Graf Guiche – und wie sie alle heißen mögen.« – »Sie gehören alle zur Hofhaltung Eurer Hoheit.« – »Sie haben recht, Fräulein,« antwortete der Prinz, kehrte in sein Zimmer zurück und warf sich in einen Sessel. Ganz gegen seine Gewohnheit sah er nicht in den Spiegel; er wußte, daß er jetzt häßlich aussehen würde.

»Wo ist Chevalier von Lorraine?« rief er. – »Nicht zu finden.« – »Immer dieselbe Antwort!« brummte Philipp, und sein Zorn ward so groß, daß er mit dem Fuße gegen ein Ziertischchen stieß, das umfiel und in Stücke brach. Darauf ging er mit der größten Kaltblütigkeit in die Galerie und warf eine Emaillevase, eine Kanne aus Porphyr und einen Kandelaber aus Bronze um. Der Lärm rief die ganze Dienerschaft zusammen. – »Was befehlen Hoheit?« fragte der Kammerherr vom Dienst. – »Nichts,« versetzte Philipp. »Ich mache mir nur selbst Musik.« – Der Kammerherr war willens, den Arzt rufen zu lassen, als sich Malicorne melden ließ mit dem Bescheid, er habe den Chevalier von Lorraine gefunden.

Der Herzog von Orléans konnte seine Freude nicht unterdrücken, als er den Chevalier erblickte. »Ha, das ist schön! Warum blieben Sie mir fern!« rief er aus. »Warum verschwanden Sie?« – »Ich war hier unnütz, Hoheit,« antwortete der Günstling. – »Aber wieso denn?« – »Hoheit haben Leute um sich, die Ihnen besser zusagen und mit denen ich es nicht aufnehmen kann. Deshalb zog ich mich zurück.« – »Schon wieder eifersüchtig auf Guiche?« rief Philipp. – »Hoheit wissen doch,« versetzte Lorraine, »Graf Guiche gehört zu meinen besten Freunden.« – »Ich will aber wissen, weshalb du verschwandest?« beharrte der Prinz. – »Ich will es sagen,« antwortete der Höfling, »aber Sie dürfen es mir nicht übelnehmen. Ich hatte das Gefühl, als ob ich Madame im Wege sei. Sie ist vielleicht neidisch auf die Gunst, die Eure Hoheit mir widmen. Auch spricht sie nie mehr mit mir, seit Guiche, der ihr besser zu gefallen scheint, zu jeder Stunde Zutritt zu ihr hat.«

»Zu jeder Stunde?« rief der Herzog ernst und errötete. »Was willst du damit sagen?« – »Ich sage nichts mehr, denn ich errege Ihr Mißfallen,« antwortete Lorraine mit einer steifen Verbeugung. – »Ich wünsche es, sprechen Sie!« rief Orléans ungeduldig. – »Hoheit behandeln mich ja wie einen Angeklagten, den man verhört,« erwiderte der Chevalier. »Nun ja, es behagte mir nicht, daß Graf von Guiche mir vorgezogen wurde, nicht nur von Ihnen, sondern vor allem auch von Madame. Das nennen Hoheit nun Eifersucht? Mag sein; aber sind denn Hoheit nicht eifersüchtig – Pardon! würden Hoheit nicht eifersüchtig sein, wenn Sie sähen, daß eine bestimmte männliche Person sich beständig in der Nähe Ihrer Frau befindet, zu jeder Zeit dort willkommen ist, immer sein Plätzchen frei hat. Doch das gehört freilich nicht hierher,« brach Lorraine ab.

»Es ist mir gleichgültig, ob Graf von Guiche sich mit besonderm Eifer um die Person meiner Gemahlin bemüht,« warf der Prinz hin, und dennoch nahm er den Kopf zwischen beide Hände und wühlte mit den Fingern in den Locken herum. – »Selbstverständlich,« sagte Lorraine. »Sie lieben Ihre Gattin, und da ich weiß, daß Ihre Liebe immer nur einem Gegenstand gilt, so hielt ich den Zeitpunkt gekommen, meiner Wege zu gehen. Denn Ihre Gemahlin wird es dahin bringen, daß Sie ihr zu Gefallen eben auch den Grafen von Guiche vorziehen. Und ein geringschätziger Blick von Ihnen, Hoheit, wäre mein Tod. Deshalb wollte ich das Feld meiden, trotz aller aufrichtigen Freundschaft und Bewunderung, die ich für Sie hege.«

»Lorraine,« rief Philipp, »wir haben schon einmal über die Narretei Buckinghams in diesem Tone gesprochen. Buckingham war ein Narr – du öffnetest mir die Augen, was ihn anbetrifft. Wird jetzt von Guiche dasselbe geredet wie vorher von Buckingham?« – »Hoheit, es wäre hundertmal besser gewesen, mich in meiner Einsamkeit zu lassen, als daß Sie nun aus meinem Bedenken einen Argwohn gegen Madame schöpfen – man würde ihr damit nur Unrecht tun. Ich würde an Ihrer Stelle, Königliche Hoheit, diese lustige Gesellschaft gewähren lassen, dann kommen alle Gerüchte, sofern solche im Umlauf sind, ganz von selbst zum Schweigen.«

Der Herzog schüttelte den Kopf. »Ich werde es mir überlegen,« murmelte er.

Die Stunde des Diners war gekommen, und Philipp schickte zu seiner Gemahlin, erhielt jedoch den Bescheid, die Herzogin wolle nicht bei der Tafel erscheinen, sondern in ihren Gemächern speisen. – »Dann speisen wir allein,« sagte Orléans. »Es ist meine Schuld, ich habe heute vormittag den Eifersüchtigen gespielt.« – »Wir waren sonst zu dritt,« warf Lorraine hin. – »Ja, Guiche fehlt, aber er wird nicht lange schmollen,« sagte Philipp mißmutig. – »Gnädigster Herr, es tut mir leid, Sie zum Unwillen gereizt zu haben. Ich will es wieder gutmachen,« sprach der Chevalier, »und selbst Vermittler sein, indem ich Guiche herhole.« – »Mir sehr lieb, geh nur!« rief der Herzog.

Lorraine hatte überall bei Hofe gute Freunde, und er fand ohne Schwierigkeiten einen Diener, der es übernahm, sich zu erkundigen, ob Graf von Guiche bei Madame sei. Nach fünf Minuten war er wieder beim Herzog. »Guiche ist leider nicht zu finden,« sagte er. »Entflohen, wie es scheint, unsichtbar.« – »Ha! Der Auftritt heute morgen wird ihn kopfscheu gemacht haben. Sicherlich ist er sofort mit Extrapost auf seine Güter gereist. Der arme Graf! Na, da essen wir eben zu zweit.«

»Ich habe eine neue Idee,« sagte Lorraine mit gut gespielter Verstellung. »Gnädigster Herr, Madame ist böse auf Sie. Wie wäre es, wenn Sie, da Madame nicht zu Ihnen kommen will, zu Madame gingen? Suchen Sie sie auf und speisen Sie mit ihr. Besonders jetzt, wo Sie diesen goldgestickten Frack anhaben, der Ihnen entzückend steht.« – »Hm, wäre am Ende gar nicht schlecht. Ja! ich will gehen.« – Und Philipp von Orléans machte sich auf den Weg zu den Gemächern seiner Gemahlin. Unterwegs flüsterte Lorraine dem getreuen Kammerdiener zu: »Stelle Leute vor die kleine Tür, daß niemand nach dorthin entweichen kann. Mach schnell!« Und als der Türhüter den Herzog bei Madame melden wollte, trat Lorraine rasch vor und sagte: »Bleibe jeder, wo er ist! Königliche Hoheit wollen überraschen.«

Monsieur trat ein wie jemand, der eine Freude bereiten will. Er blieb wie versteinert auf der Schwelle stehen. Madame drehte sich im Tanze am Arme des Grafen von Guiche. Die Montalais sah bewundernd zu, Fräulein von Lavallière saß still in einer Ecke. Man hatte anscheinend das Diner über das Tanzen vergessen. Als Monsieur eintrat, hielt das Paar mit jähem Ruck inne. Der Chevalier lächelte mit dem Ausdruck aufrichtiger Bewunderung. Der Prinz aber erblaßte, sein Mund verzog sich zitternd, seine Hände ballten sich.

»Entzückend!« sagte er mit tonloser Stimme. »Ich erwartete, Madame unpäßlich zu finden. Wie freut es mich, daß dies nicht der Fall ist. Mein Haus ist ja vielmehr das lustigste von der Welt. Warum laden Sie mich nicht ein, Madame, wenn es bei Ihnen so hoch hergeht? Ich bin ein sehr verlassener Prinz.« – Guiche hatte inzwischen die Fassung wiedererlangt. »Gnädigster Herr,« sagte er mit dem stolzen Ausdruck, der ihn so gut kleidete, »Sie wissen, mein ganzes Leben ist Ihrem Dienst geweiht, ich bin jederzeit willens, es für Sie zu opfern. Heute aber gilt es nur zu tanzen, und deshalb tanze ich.«

»Sehr richtig,« versetzte Philipp kalt. »Aber von Madame ist es nicht recht, mir meine Freunde zu entführen. Madame, Guiche gehört mir, nicht Ihnen. Wenn Sie nicht mit mir speisen wollen, Madame, so speisen Sie mit Ihren Damen. Wenn ich aber ohne Sie speisen muß, so will ich wenigstens meine Kavaliere dabei haben.« – Madame fühlte, daß in diesen Worten eine Zurechtweisung lag und antwortete: »Fürwahr, ich wußte nicht, daß am französischen Hofe die Frauen wie in der Türkei gehalten werden, wo Männern der Zutritt verboten ist. Doch wenn es sein muß, ich halte es aus. Genieren Sie sich nicht, Monsieur, wenn Sie etwa noch eiserne Gitter vor die Fenster legen wollen.«

Der Prinz geriet von neuem in Zorn. »Da sehe ich, wie ich in meinem eigenen Hause geachtet werde,« rief er aus. Und er wendete sich so rasch zum Gehen, daß er Madame fast gestoßen hätte. Er eilte in sein Zimmer zurück, Lorraine folgte ihm. – »Gib mir deinen Rat!« rief der Prinz. »Es kann nicht so bleiben. Das sind ja unausstehliche Zustände.« – »Allerdings,« seufzte der Chevalier. »Man glaubte Ruhe zu haben, als man Buckingham los war –« – »Und nun wird es nur noch schlimmer,« setzte Orléans hinzu. »Buckingham wäre nie so weit gegangen. Das dulde ich nicht länger. Ich werde auch keine Rücksicht nehmen, wenn man mit mir keine nimmt.«

Und er eilte hinaus und fragte, ob die Königin-Mutter aus der Kapelle zurück sei. Anna von Oesterreich wußte noch nichts von der Wendung, die die Dinge in den letzten Stunden genommen hatten; sie freute sich vielmehr über das Glück, das am Hofe ihres jüngeren Sohnes zu herrschen schien, und war stolz auf ihre beiden Söhne, auf den König, der sich, seit er selbständig regierte, trefflich bewährt hatte, und auf Philipp, der in Lady Henriette eine glänzende Partie gemacht zu haben schien. Da trat nun plötzlich Philipp vor sie hin mit dem Ausruf: »Mutter, so kann es nicht länger bleiben!«

Anna von Oesterreich sah ihn mit ihren schönen Augen an und fragte mit der ihr eigenen Sanftmut: »Wovon sprichst du denn?« – »Von meiner Frau!« – »Wie? hat Buckingham etwa geschrieben?« – »Nein, von Buckingham ist nicht die Rede. An seine Stelle ist schon wieder ein anderer getreten. Graf von Guiche.« – Die Königin-Mutter schlug in die Hände und lachte. – »Philipp, deine Eifersucht ist keine Schwäche mehr,« sagte sie, »sie artet zur Krankheit aus.« – »Gleichviel, Frau Mama, ich leide darunter,« antwortete Philipp. – »Und erwartest, man solle ein Uebel beseitigen, das nur in deiner Einbildung vorhanden ist?« versetzte die Königin-Mutter. – »Ich sehe, Sie wiederholen über diesen nur, was Sie über jenen sagten,« meinte Orléans ärgerlich. – »Weil du dich gegen diesen ebenso töricht benimmst, wie gegen jenen, mein Sohn,« erwiderte Anna. »Doch gut, du bist mein Sohn, ich bin dir mütterliche Nachsicht und Hilfe schuldig. Mit deiner Gattin kann ich nicht gut darüber sprechen, denn junge Frauen sind sehr feinfühlend und halten selbst einen leisen Wink schon für einen schweren Vorwurf.« – »Was also wollen Sie tun, Frau Mama?« rief Philipp. »Sie fürchten, zuweit zu gehen, wo doch Madame sich nicht drum sorgt, ob sie zuweit geht! Und geht sie nicht zuweit, wenn sie sich bei mir wegen Unpäßlichkeit entschuldigen läßt und zur selben Stunde in ihren Gemächern mit dem Grafen von Guiche Tänze aufführt?«

Anna von Oesterreich runzelte die Stirn. – »Das ist allerdings unbesonnen,« räumte sie ein. – »Kurz und gut, ich verlange, daß Guiche mein Haus verläßt!« rief der Herzog. »Ich werde das vom König fordern, und wenn der König nicht auf mich hört und von Guiche sich weigert zu gehen, so werde ich ihn in meiner Badewanne ertränken lassen.« – Der Prinz erwartete, seine Mutter würde über diese Drohung heftig erschrecken; sie blieb aber ganz ruhig und antwortete: »Tu das, mein Sohn.«

»Ich sehe schon, niemand nimmt sich meiner an,« rief Philipp weinerlich, denn er war von weibischer Schwäche. »Selbst meine Mutier hält es mit meinen Feinden.« – »Du ließest mich vorhin nicht ausreden,« unterbrach ihn Anna. »Ich meinte, ich kann wohl nicht mit deiner Gattin sprechen, aber mit dem König kann ich über den Punkt in aller Ruhe einmal verhandeln. Ich erwarte Seine Majestät hier. Es ist die Stunde, zu der er sonst kommt. Er kann jeden Augenblick da sein.«

Als sie dies sprach, hörte man Schritte an der Tür. Philipp erschrak, wurde zaghaft und schlüpfte rasch zu einer Seitentür hinaus. Die Königin-Mutter fing an zu lachen und lachte noch, als Ludwig XIV. eintrat. Es war seine Gewohnheit, sich alle Morgen nach ihrem Befinden zu erkundigen. Gleichzeitig wollte er ihr ankündigen, daß alle Vorbereitungen, den Hof nach Fontainebleau zu verlegen, getroffen seien. Anna von Oesterreich ergriff seine Hand. »Weißt du,« sagte sie, »ich bin doch stolz darauf, eine Spanierin zu sein. Die Spanierinnen scheinen immer noch besser als die Engländerinnen. Auch du hast eine Spanierin zur Gemahlin und bist doch schon einige Zeit verheiratet, ohne daß du dich bei mir jemals beklagt hättest. Dein Bruder aber ist erst seit vierzehn Tagen Ehemann und beschwert sich schon zum zweiten Male über Madame.«

»Immer noch über Buckingham?« fragte Ludwig lächelnd. – »Nein, diesmal über den Grafen von Guiche.« – »Ei, so ist Madame eine Kokette – mein armer Bruder!« – »Lache nicht! Er ist außer sich. Er will Guiche ertränken lassen.« – »Das ist etwas stark,« sagte Ludwig. »Da müssen wir eingreifen. Nun, ich bin allen dreien wohlgesinnt, meinem Bruder, seiner Gattin und seinem Freunde – oder ihrem Freunde, wenn Sie wollen. Ich will versuchen, ob ich es einrenken kann. Freilich, in solchen Dingen hat selbst die königliche Gewalt ihre Grenzen. Eine Frau bessern? – O! mit einem Manne kann man's allenfalls versuchen. Den Grafen will ich mit einem Worte kirren – aber Madame! Das ist schwieriger. Doch wir haben heute abend Balletprobe, da werde ich ihr zwischen einer Tour die Leviten verlesen. Ich werde ihr eine kleine Kapuzinerpredigt halten.« – »Nun, hoffentlich hast du Glück,« sagte Anna von Oesterreich.

»Da fällt mir noch etwas anderes ein,« fuhr der König fort. »Es wäre vielleicht besser, wenn ich Madame auf ihrem Zimmer besuchte.« – »Das gibt der Sache aber ein etwas förmliches Ansehen,« meinte die Königin-Witwe. – »Das wohl, aber wer eine Predigt halten will, den kleidet ja das Förmliche, und ein bißchen Feierlichkeit fördert den Erfolg. Ja, ich will zu ihr gehen. Mutter, ich küsse Ihnen die Hände – diese schönsten Hände von Frankreich!« – »Nun, stelle nur den Frieden im Hause wieder her.« – »Ich bediene mich ja keines Abgesandten – das heißt, ich werde meinen Zweck erreichen,« antwortete Ludwig XIV. lächelnd und ging hinaus. Und noch immer lächelnd, klopfte er unterwegs ein wenig Puderstaub von der Goldborde seines Gewandes.



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