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Brot und Wein.

Das Geheimnis unseres Lebens, Brüder,
tue ich Euch kund, die ihr als Hüter
unserer Erde mit berufen ward:
Brot und Wein!

Aus der Ackerkrume feuchten Schächten,
aus den wundersam geheimnisvollen Nächten,
drin das Samkorn auf den Morgen harrt,
predige ich das heilige Wort der Erde;
eigener Tönung, wie der Herzpuls schlägt,
und die Sonne ihre Stimme trägt,
wunderbar, doch einfach ohne Weltgeberde
überschallend allen anderen Klang
klingt der menschheitsalte hehre Zwiegesang:
Brot und Wein!

Brot, gesalzen mit dem Schweiße
unserer Stirnen und gewürzt mit Sonnenglanz
und noch mehr mit herbem Erdgeruch,
wird das Erntekorn im Kranz
unseres Tagewerks aus stiller Saat geschaffen.
Über Äcker zieh'n wir, über Heid und Bruch
gleich den Rittern aus der Mär' in schweren Waffen.
Tagelang fort schlagen wir die Furchengleise
und der Mutter Erde schwere Wunden.
Tiefen Schmerzes bäumet sich die Krume,
knirscht durchs Ackerbeet die Schar,
aber wunderbar
und in endlos großem Heldentume
schweigt das Erdreich still in solchen Stunden
seiner Qual.

Schweigend fließen unsere Tage.
Krieger sind wir unbesiegt;
Sieger ist das Land, das unterliegt.
Und im Zwiespalt der Gedanken hebt sich rein
über Last und Schweiß und Lust und Plage
wie vom heiligen Gral
hoch herabgesandt die Kunde:
Brot und Wein!

Weiter bleiben die Gelenke
so von Mensch, Geräten und Gespannen
von der Frühe bis zum Abend frei im Schwung.
Denn die Erde fordert Dung
und so will es unser Ackerrecht:
Herr der Scholle, sei der Scholle Knecht!
Auf den Straßen und Gewannen
ächzend zieh'n die Wagen hochbeladen
schwer feldein. Auf blanken Gabelstielen
spiegeln sich der Fäuste harte Schwielen.
Harter Sohle die Gespanne stampfen
unter sich die Erde und im Schweiße dampfen
Mensch und Vieh.
Wie der Herrgott uns in seinen Gnaden
immer Lab und Wohnung lieh,
speisen wir die Erde. Daß sie Kraft
finde für die heilige Mutterschaft
und so würdig ihre Saat empfange;
Brüder, sind wir Geber gottvollkommener Gaben.
Keine andere Gabe bringt uns schöneren Lohn;
denn im feierlichen Erntegange
bringt die Erde schon
tausendfältig wieder unsere Mühe ein:
Brot und Wein.

In der Tenne und im Speicher hebt ein Leben;
und der Landmann rüstet sich zur Saat,
schürzt am Ackerrain sich mit dem Sätuch,
senkt den Blick und betet seinen frommen Spruch,
daß zur frischen Tat
Gott ihm wolle seinen Segen geben,
schöpft dann aus dem Sätuch tief und streut
im bemessenen Schwung und Schritte
in die dunkle Krume seine Körner aus.
In des Saatfelds Mitte
steht er still und schaut zurück ins Feld,
wie ein Führerheld,
der den Scharen seiner Mannen beut
und dabei gedenkt an Weib, Kind, Hof und Haus.

Bruder Sämann, Held bist du und Priester,
der du Opfer bringst an den Altären
freier Erde für dich selbst und die Geschwister
alle, die den Boden bauen, die den Hammer schwingen,
die mit Geisteskräften nach dem Leben ringen.
Deines Priesteramtes Tat dir zu verklären,
steigt aus deinem Saatbeet hoch ein feiner Hauch
und verdichtet sich zum Weiherauch.
Senkrecht steigt er auf, ein Gotteszeichen,
daß die Taten dein zum Himmel reichen,
glühend hell im Abendsonnenschein:
Brot und Wein!

Deine Saaten, Landmann, pflegst du,
wie der Hirte seine Schafe,
wie der Heiland seine Jünger hegst du,
was die Erde, wach von tiefem Schlafe,
leuchtend dir gebar.
An den Hügeln blühen deine Trauben,
in den Gärten hängen deine Lauben
blütenschwer und wunderbar.
Wunderbar und früchteschwer
gehen deine Reben, deine Bäume
in die Ernte; deine Schöpferträume
hat dein Acker wundersam enthüllt.
Und in Erntescheunen, hoch gefüllt,
hält die Saat zum Herbste Wiederkehr.

Schöpfer bist du, Bruder, Herr und Meister!
Abertausend gute Geister
sind dir, Landmann, untertan.
Brüder, Brot und Wein zum großen Abendmahle,
aller Menschheit Dürstende zu laben,
alle Hungernden zu speisen
und nach weisen
Lebensschätzen fort und fort zu graben,
von der Sonne ersten bis zum letzten Strahle
unsere Erde bauen, säen, pflegen, düngen,
opfernd selber edle Früchte bringen,
also will es unsere vorgeweiste Bahn.
Das Geheimnis unseres Lebens, Brüder,
tue ich euch kund, die ihr als Hüter
unserer Erde mit berufen ward:
Brot und Wein!


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