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Vierzehntes Kapitel

Sehr bald bot sich dem Herzoge willkommene Gelegenheit, ein prächtiges Hoffest dem andern folgen zu lassen.

Der friedliebende König von England, Georg II., hatte mehrfach den Vermittler zwischen Maria Theresia und Friedrich von Preußen gespielt und später auf österreichischer Seite gestanden; jetzt, nach dem Abschluß des Friedens, suchte er seine Sympathien durch Gnadenbeweise zu bestätigen.

Ende Februar kam eine englische Gesandtschaft in Weißenfels an, um dem Herzoge die Insignien des Hosenbandordens zu überreichen. Johann Adolf empfand die lebhafteste Freude über diese Auszeichnung und ermangelte nicht, die Herren der Gesandtschaft so gut aufzunehmen wie er konnte.

Da gab es solenne Diners, Treibjagden mit Frühstück im Jagdschlosse, Spielpartien mit Souper, Bälle und Aufführungen. Die leichtlebige und vornehme Welt, welche so lange alle Festfreuden entbehrte, genoß mit bereitwilliger Hingabe das ihr gebotene Gute, und nie ging die Geselligkeit in Weißenfels in höheren Wogen als eben jetzt.

Rosa von Bünau traf fast täglich mit dem Oberstallmeister zusammen. Unter kluger Berücksichtigung der guten Form, und vorsichtig genug, um sie nicht zu verschüchtern, bemühte er sich, dem schönen Mädchen bei jeder Gelegenheit seine Neigung zu beweisen und den an jenem ersten Mittage errungenen Sieg festzuhalten.

Rosa, bei ruhiger Ueberlegung immer unzufriedener mit sich, weil sie zu einer Unart gegen den guten Zscheplitz hatte hinreißen lassen, suchte, sobald sie konnte, den Kammerjunker zu versöhnen, ein Bemühen, welches sogleich mit dem glänzendsten Erfolg gekrönt wurde. Kurt von Zscheplitz war nicht der Mann, dem holden Fräulein lange zu zürnen, welches in seiner bevorzugten Stellung am Hofe ihm am würdigsten erschien, seine, des Majoratserben, Huldigungen zu empfangen. Wie konnte er sie aufgeben, an deren Seite er sich so hübsch ausnahm? Es war nicht beharrlich genug, um, vom Widerstand gereizt, zu sich selbst zu sprechen: »Nun erst recht setze ich's durch«. Aber ein kleines Entgegenkommen, Wiedergutmachenwollen besänftigte ihn sofort. Ja, er ging nach Rosas Geschmack gleich wieder zu weit, maßte sich Rechte an, verlor sich in Süßlichkeit, Schmeichelei und Anbetung, so daß ihr nichts übrig blieb, als in scheinbar wechselnder Laune ein Spiel des Loslassens und Anziehens zu treiben, über welches sie sich selbst tadelte.

»Man kann mich kokett nennen«, dachte sie oft bekümmert, »und doch bin ich nicht gefallsüchtig; wie soll ich mich aber betragen? Lehne ich Zscheplitz entschieden ab, entferne ich ihn von mir, so verletze und erzürne ich die Herzogin, kommt er mir aber näher, so daß ich befürchten muß, er will um mich werben, so muß ich ihn abkühlen, denn ein Ja kann ich ihm nicht geben!« – – – –

Heute Morgen sollte der Hof eine große Schlittenpartie unternehmen. Rosa war gestern bei einem Festspiele neben Zscheplitz als Rajade aufgetreten, heute, wo der Oberstallmeister die Leitung des Vergnügens in den Händen hielt, war es ihr etwas mit Herzklopfen Erwartetes und Selbstverständliches gewesen, daß er sie zu seiner Dame erkoren. Er hatte ihr gestern beim Tanze zugeflüstert, ob sie einwillige, sich von ihm in der silbernen Muschel fahren zu lassen, und sie hatte nicht wohl umhin gekonnt, ihre Zustimmung zu erteilen. Sie wußte gleich, daß es ihrer teuren Herrin nicht angenehm sein werde, sie während eines langen Weges mit dem Manne allein zu sehen, dem die geliebte Frau so wenig Vertrauen schenkte. Aber was tun, ihre Zusage war gegeben, und der Gedanke, unter der Leitung des fesselnden Mannes über die glitzernde Schneefläche dahin zu fliegen, hatte etwas so Verlockendes für sie, daß sie sich freute, gebunden zu sein.

Die Etikette verlangte, daß den Vorreitern unmittelbar der Schlitten des Oberstallmeisters, gewissermaßen Bahn bereitend, folgte wie bei andern festlichen Vorgängen der Hofmarschall mit seinem goldenen Stabe voran schritt, und dann erst, umgeben von Läufern, Mohren und Heiducken sich die beiden vierspännigen Galaschlitten der Herrschaften anschlossen. In dem ersten dieser Schlitten saß die Herzogin Friederike mit dem Gesandten Mr. Villiers. Der Herold Mr. Anstis saß neben dem Herzoge und dem Grafen Luja, der mit seinem schwachen Arm noch nicht selbst fahren konnte und heute zuerst wieder in der Gesellschaft erschien. Dem zweiten Galaschlitten folgte der große Musikschlitten.

Als Daniel von Storke auf der Pritsche hinter der silbernen Muschel Platz nahm, in welcher seine Dame in ihrem kirschroten Samtpelz bereits saß, flog ein rascher und triumphierender Blick zur Herzogin zurück, die, einen Zug des Verdrusses in dem sanften Gesichte, sich bemühte, ihrem Kavalier einige Aufmerksamkeit zu schenken.

Storke fühlte sich längst überzeugt, daß die hohe Frau ihm mißtraue, und weil er sich bewußt war, ihr Furchtbares angetan zu haben, erleichterte es ihn vor seinem Gewissen, sie als eine Feindin anzusehen. Der Gedanke, sie auf allen Linien zu schlagen, stachelte sein Verlangen, Rosa ihrem Einflusse zu entziehen und für sich zu gewinnen, vielleicht ebensosehr, wie seine Leidenschaft für das schöne Geschöpf und sein Wunsch, in eine vornehme Familie zu heiraten.

Es war also für den Oberstallmeister ein Augenblick lebhaftester Befriedigung, als er die silbergalonierten Zügel aus der Hand eines Stallknechts in Empfang nahm und den Vorreitern mit lautem Peitschenknallen das Zeichen gab, sich in Bewegung zu setzen.

So fuhr man durch das überbaute Tor, den Schloßberg hinab. Ein Teil der anderen Schlitten reihte sich unten auf dem freien Platze der Stadt dem Zuge an, und nun ging es durch die Straßen und eine ehrerbietig gaffende Menge hinaus auf trefflicher Bahn dem Ziele, einem herzoglichen Forsthause zu.

Der Tag konnte nicht schöner sein, bei mäßiger Kälte und hellem Wintersonnenschein trank man Luft und Mut mit jedem Atemzuge.

In Rosas Herzen war eitel Jubel und Lebensfreude. Vor sich nur die beiden geputzten Vorreiter auf ihren behenden Rossen, die verlockend hinausjagten, hinter sich die munteren Klänge der Musik, das Geläute der Schellen, um sich Glanz und Schönheit, wohin sie sah. Sie vergaß, daß sie sich mit dem Manne allein befand, vor dem ihre einsichtige Gebieterin sie so dringend gewarnt hatte. Nach jener Unterredung war ihr in einzelnen Augenblicken selbst das alte böse Gefühl der Furcht, ja fast des Widerwillens aufgestiegen, um stets aber vor der Macht jener dämonischen Persönlichkeit zu entweichen.

Nachdem der Oberstallmeister sich überzeugt hatte, daß seine Anordnungen genau befolgt waren, und daß der Schlittenzug sich nach Vorschrift entwickele, gab auch er sich dem Reize der Stunde hin. Er plauderte Alltägliches mit seiner anmutigen Gefährtin; hoffte er doch, daß sie nichts mehr alltäglich finde, was er tue oder sage. Es lag ihm daran, sie so vertrauensvoll wie möglich zu stimmen. Während er seinem Renner die Zügel ließ, entzückte es ihn, in ihr frisches Gesichtchen zu sehen, den Eindruck jedes seiner beiläufigsten Worte zu beobachten, die blitzenden Augen, die duftenden Locken, die rosige Wange und den schwellenden Mund sich so nahe zu fühlen; blieb ihm doch zu einer beabsichtigten Entscheidung die Rückfahrt. Und jedenfalls war dann Rosas Stimmung noch zugänglicher als jetzt.

Im Forsthause wurde man mit einem warmen Punsch und einem eleganten Frühstück empfangen; die Gesellschaft befand sich in der besten Laune, die Musik spielte beliebte Weisen und endlich ordnete sich auf dem weiten, mit Hirschgeweihen geschmückten Hausflur ein Menuett, das im Pelz, unter großer Heiterkeit aller Beteiligten, getanzt wurde.

In dem darauffolgenden Durcheinander der Menge gelang es der Herzogin, unbeachtet ihrem Lieblinge zuzuflüstern: »Hüte dich, mon enfant!« Ein vielsagender Blick begleitete die Warnung.

Rosa wußte, was gemeint war, sie wurde nicht angenehm von dieser neuen Mahnung berührt. Sollte sie denn nie das Vergnügen einer Stunde unbefangen genießen?

Verstimmt zog sie sich aus dem lauten Kreise zurück und betrat das kleine weißgesandete Zimmer der Försterin, das nach rückwärts lag; ein paar Myrten- und Nelkenstöcke standen vor den bleigefaßten Fensterscheiben. Sie lehnte dahinter und blickte gedankenlos auf einen Winkel des großen Hofes, auf dem einige ausgespannte Schlitten standen. In einem derselben hockte ein Invalid, eine jämmerlich verfallene Gestalt mit hölzernem Bein.

Jetzt kam der Oberstallmeister mit ein paar herzoglichen Lakaien in diese Ecke, es schien, als sei an einem der Schlitten etwas zerbrochen. Als er des Einbeinigen gewahr wurde, prallte er zurück. Rosa hörte den dumpfen Ausruf: »Peter Mork!« – erstarrt stand er dem Unglücklichen gegenüber.

Soweit seine Gebrechlichkeit es zuließ, stürzte sich der Fremde dem Oberstallmeister entgegen. Drohworte flogen von einem zum anderen. Plötzlich packte Storke den bettelhaften Menschen vor die Brust und schüttelte ihn mit aller Kraft. Der Invalide stieß ein lautes Jammergeschrei aus, der Kavalier brauchte die Faust, und jetzt warf er den Gebrechlichen mit aller Kraft auf die Erde.

Rosa riß das Fenster auf, um durch ihre Bitten der fürchterlichen Szene ein Ende zu machen. Da stand Graf Luja neben dem Schäumenden.

»Mein Herr Baron«, sagte er mit der ganzen Hoheit seines Wesens, »vergessen Sie sich nicht. Dieser Aermste verdient Schonung, wie er sich auch vergangen haben mag. Die Herrschaften und Damen sind in der Nähe, wir befinden uns nicht mehr im Feldlager.«

»Wollen Sie mir Lehren geben?« fuhr Storke auf.

Luja beachtete den Zornigen nicht weiter, er befahl, den hilflos Daliegenden auf das Stroh der offenen Scheune zu tragen. Die Stelle im Schnee, auf welcher der Krüppel gelegen, war blutbefleckt.

Der Blick, mit welchem der Oberstallmeister diesen Vorgängen folgte, erschütterte die Beobachterin furchtbar. Es war der eines Raubtieres, dem man seine Beute entrissen.

Rosa schloß leise das Fenster, schlug die Hände vors Gesicht und sank auf einen Stuhl. Wer war Peter Mork, und womit hatte er den anderen bedroht. Sollte die Warnerin recht haben? O, wie edel war ihr Martin Luja neben dem Rasenden erschienen! Endlich raffte sie sich auf und ging zur Gesellschaft zurück. Die Herzogin ward eben von dem englischen Gesandten hinausgeführt, gleich darauf kam Storke eilig herbei, um seine Dame gleichfalls zu holen.

Der Heimweg wurde in derselben Weise angetreten, wie die Herfahrt. Die Sonne stand tiefer, purpurne Lichter, die an schattigen Stellen ins Violette spielten, lagen auf dem schneeigen Gefilde, eine Schar Raben krächzte, Nachtherberge suchend, in den Wipfeln der bereiften Waldbäume, es war etwas kälter geworden, aber die scharfe Luft tat den Erhitzten wohl. Wenn die Musik spielte, drang der Ton nicht störend heran; das Flüstern des Kavaliers am Ohr seiner Dame fand nur eine zarte Begleitung.

Daniel von Storke war nicht der Mann, das Gewollte ungeschickt anzugreifen; er sah auch, daß irgend etwas Rosa verstörte, der Gedanke, sie müsse gewarnt sein, reizte seinen zornigen Eigenwillen. Seine Aufregung von vorhin war verflogen, er ahnte nicht, daß sie Zeugin jener Szene gewesen. Er hatte niemals von seiner Jugend, seinen Familienverhältnissen gesprochen, heute fand er für gut, gefühlvoll zu beginnen.

»Wir sind Schicksalsverwandte, Fräulein von Bünau«, sagte er nach wenigen gleichgültigen Worten, die er über den abendlichen Schimmer, der bereits auf der Landschaft lag, hingeworfen. »Sie stehen losgelöst von den Ihren, und ich besitze keinen nahen Verwandten mehr auf der Welt. Wie alt waren Sie, als Sie Ihren Vater verloren?«

Rosa vermochte jener peinlichen Eindrücke noch nicht Herr zu werden, sie hatte ihren Vater schwärmerisch geliebt und erzählte gern von des edlen Mannes Verkehr mit ihr, seinem einzigen Kinde, jetzt aber antwortete sie nur kurz.

Storke berichtete dagegen ausführlich, wie seine Jugend im Kriegslager verflossen. Er hatte seine Mutter nicht gekannt, sein Vater, Offizier der sächsischen Armee, war bei einem polnischen Aufstande gefallen. Als Johann Adolf im Jahre 1735 einen Insurrektionsversuch der Polen niederwarf, hatte er für den damals Achtzehnjährigen Interesse gewonnen und ihn an sich gefesselt, so war er jetzt seit elf Jahren Begleiter und Diener des Herzogs. Daniel von Storke sprach wie immer warm und lebhaft; es erschien dem erstaunt aufhorchenden Mädchen, als zittere manchmal Wehmut in seiner Stimme, und es wunderte sie, diese weiche Seite an dem cholerischen Manne wahrzunehmen.

»So habe ich denn eigentlich niemals das Glück einer Heimat, des Attachements, der Tendresse kennen gelernt, so habe ich nie die Liebe eines treuen Herzens besessen«, fuhr er ernsten Tones fort. »Aber das Verlangen danach regt sich immer mächtiger in mir. Leider habe ich keine Reichtümer, kein wohlfundiertes Majorat zu offerieren. Wie gern häufte ich allen Glanz der Welt auf die, welche ich mit glühender Leidenschaft umfasse, für deren schönes Haupt eine Krone nicht zu gut wäre! Aber ein heißes Herz, ein starker Arm, unwandelbare Treue und Dankbarkeit achtet eine edle Seele nicht gering. Rosa, Sie müssen es wissen, daß ich nur für Sie glühe, ist es denn möglich, daß Sie mich hassen?«

»Der Haß ist keine christliche Empfindung«, antwortete das Mädchen ausweichend.

»Welch ablehnende Antwort! Ich ertrage Ihre Kälte nicht! Rosa, ange adoré, soll ich vergebens flehen? Ein Wort nur, das meine glühenden Wünsche bestätigt!«

Er hatte sich nahe zu ihr herüber geneigt, sein heißer Atem streifte ihre Wange, seine dunklen Augen funkelten sie an. Da regte sich zu ihrer Hilfe die Erinnerung an jene eben erlebte Szene, und das alte Gefühl des Schreckens ergriff sie mächtiger denn je. Sie spürte, daß er reichlich Punsch getrunken habe, ihr graute vor dem Ausdruck seiner Mienen, der Wildheit seines Blicks; ein Gefühl kam über sie, als müsse sie jede, auch die leiseste Berührung dieses Mannes ängstlich meiden. Sie rückte sich im Sitze vor, es tat ihr wohl, seine Nähe nicht mehr so unmittelbar zu empfinden, und leise bat sie: »Lassen Sie uns das Gesprächsthema wechseln, Baron – die Sprache der Leidenschaft ist peinlich für das Ohr einer Dame.«

Da er einmal soviel gewagt, konnte, wollte er nicht mehr zurück. Daß er eine augenblickliche Niederlage zu verzeichnen habe, fühlte er deutlich, er glaubte aber, daß er nur zu ungestüm für die Wohlerzogene vorgegangen sei, und daß er auf einem anderen Wege mit leiseren Schritten doch noch einen Sieg erringen werde.

»Sie sind so ungleich gegen mich, ange gracieux«. begann er sich beklagend, »manchmal lassen Sie mich das größte Glück hoffen, um dann wieder mich grausam fortzustoßen. Daß sie aus Kaprice mit dem Herzen eines Mannes spielen wollen, der nur für Sie lebt, einen solchen soupçon weise ich standhaft ab, aber leider kommt mir keine andere Lösung des Rätsels. Rechtfertigen Sie sich, Fräulein von Bünau, es könnte mich zur Desparation treiben, Sie weniger ideal zu finden, als ich Sie bis jetzt gesehen.«

Rosa fühlte sich getroffen; sie wußte, wie ungleich sie für den Oberstallmeister empfinde, und war sich selbst bis jetzt nicht klar gewesen, warum sie in ihrem Verhalten wechselte. Was sollte sie ihm erwidern, wie sich entschuldigen? Sie richtete sich noch etwas förmlicher auf und entgegnete: »So viel ich weiß, ist es das Recht einer Dame von Welt, den Kavalier in der Distanz zu halten, die ihr konveniert –«

»Solange ihr Herz schweigt, ja –«

»Und wer sagt Ihnen, daß meins jemals gesprochen?«

»Ihr Blick, Ihr Lächeln, Ihr Erröten, o Rosa, verleumden Sie sich nicht! Sie müssen mich erhören!«

Man erreichte jetzt die ersten Häuser der Stadt, die Schatten wurden länger. Abendrot flammte am mattblauen Himmel auf. Storke erkannte, daß sich schwer die Gelegenheit wieder so günstig finden werde, in einer Viertelstunde waren sie im Schlosse, er mußte alles daran setzen, das Mädchen zu gewinnen.

»Geliebte Rosa«, fuhr er eindringlich fort, »Sie sehen einen Mann, der um sein Lebensglück ringt. Wie Sie es einem Schiffbrüchigen verzeihen, wenn er sich fest an seine Planke klammert, so gestatten Sie, daß ich an der einmal gewonnenen, durch Sie selbst bestätigten Ueberzeugung festhalte, daß ich Ihnen nicht gleichgültig bin. Sie haben mir diesen Lebenstrost zugeworfen und ich gebe ihn nicht leichten Kaufes auf. Ich weiß, daß man gegen mich bei Ihnen intrigiert. Eine mächtige Feindin will mich mißkreditieren. Haben Sie noch nicht den Mut, öffentlich zu mir zu stehen, so will ich Geduld üben, aber geben Sie mir Hoffnung!«

»Ich kann es nicht, Baron«, entgegnete Rosa halblaut und abgewandten Gesichtes.

»Aber es muß sein«, knirschte Storke und riß sein Pferd in den Zügeln, welches, die Nähe des Stalles witternd, in rascherer Gangart vorwärts strebte. »Ich will Sie gewinnen, Rosa – ich muß Sie besitzen! Ihr scheinbares Widerstreben reizt mich nur. Wecken Sie nicht Dämonen in meiner Brust – mir und Ihnen könnten sie gefährlich werden! Nehmen Sie mein Wort, daß ich Ihnen in wenigen Jahren eine glänzende Stellung zu bieten vermag. Lassen Sie mich so lange schmachten, aber geben Sie mir Sicherheit, daß Sie alsdann mein werden wollen.«

Sein immer heißeres Drängen ängstigte Rosa unsäglich, sie öffnete den Mund, um ihn ein entscheidendes »Niemals« entgegenzurufen, es fehlte ihr aber der Mut dazu. Wenn sie nur erst seiner beklemmenden Nähe entronnen wäre, sie fühlte es jetzt deutlich, die Herzogin hatte recht, lieben konnte sie ihn nie. Mit einer großen Anstrengung bat sie ihn endlich schüchtern, seine Wünsche aufzugeben. Als sie ihn hierbei wieder ansah, erschrak sie aufs neue vor dem verzerrt wilden Ausdruck seiner Züge, die, von dem Purpur der Abendglut angeflammt, von Erregung gerötet, ihr geradezu unheimlich erschienen. Man bog eben auf den inneren Schloßhof.

»Ich erringe Dich doch; mein sollst Du werden, Du sollst!« raunte er ihr heiseren Tones zu, er hatte alle Selbstbeherrschung verloren, er war außer sich.

Sowie der Schlitten hielt, sprang Rosa heraus, sie ertrug seine Nähe nicht länger; von diensteifrigen Lakaien verwundert angesehen, flüchtete sie ins Schloß, der Instinkt trieb sie nach dem Salon der Herzogin.

Fahles Zwielicht herrschte in dem weiten Raume, die Dämmerung brach jetzt rasch herein. Dem Mädchen war's, als müsse es sich verbergen. Sie sank im Winkel hinter dem Kamine auf ein Tabouret und preßte die Hände auf ihr ängstlich klopfendes Herz.

Die Sprache der Leidenschaft war ihr in den Kreisen, in welchen sie aufgewachsen, unter der sanften Friederike Obhut, völlig fremd geblieben. Sie kannte nur den gespreizten, gezierten, aber doch immer maßvollen Ton der großen Welt, in der sie lebte. Wie eine Beleidigung erschien ihr die Erklärung des Oberstallmeisters, welche mit elementarer Gewalt über sie hergebraust war. – O, wie recht hatte die Herzogin gehabt, sie zu warnen! Sie mußte sich aussprechen, sie mußte Schutz und Sicherheit finden vor einer Wiederholung jener Szene im Schlitten. Horch, da klingelten alle die anderen Schlitten auf dem Hofe, jetzt konnte die teure Frau bald eintreten, nach der die Verschüchterte sich sehnte.


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