- Ein Ort der Hölle, namens Übelsäcken,
ist eisenfarbig, ganz erbaut von Stein,
So auch die Dämme, die ringsum ihn decken.
- Grad’ in der Mitte dieses Lands der Pein
Gähnt hohl ein Brunnen, weit, mit tiefem Schlunde.
Von dem wird seines Orts die Rede sein.
- Und zwischen Höhl’ und Felswand gehn im Runde
Rings so die Dämme, daß der Täler zehn
Abschnitte bilden in dem tiefen Grunde.
- Wie um ein Schloß mehrfache Gräben gehn.
Dahinter wohlverwahrt die Mauern ragen
Und sicherer den Feinden widerstehn;
- So war umgürtet dieser Ort der Plagen;
Und wie man Brücken pflegt zum andern Strand
Aus solcher festen Schlösser Tor zu schlagen,
- So sprangen Zacken aus der Felsenwand,
Durchschnitten Wäll’ und Gräben erst und gingen.
Wie Räderspeichen, bis zum Brunnenrand.
- Kaum konnten wir vom Kreuz Geryons springen,
So ging links hin mein Meister und befahl
Auch mir, auf seinen Spuren vorzudringen.
- Und ganz erfüllt sah ich das erste Tal
Rechts, wohin Klagen meine Blicke riefen.
Von neuen Peinigern und neuer Qual.
- Es waren nackte Sünder in den Tiefen,
Geteilt, denn hier zog gegen uns die Schar,
Und dort mit uns, nur daß sie schneller liefen;
- Gleichwie man pflegt in Rom beim Jubeljahr
Zum Übergang die Brücke herzurichten
Ob übergroßen Andrangs, also zwar,
- Daß hier gewendet sind mit den Gesichten,
Die zu Sankt Peter wallen, nach dem Schloß,
Die andern dort sich nach dem Berge richten.
- Auf schwarzem Stein sprang hier und dort ein Troß
Von Teufeln nach, von schrecklichen, gehörnten.
Die schlugen wild auf sie von hinten los.
- Wie sie beim ersten Schlage laufen lernten!
Wie sie, nicht harrend auf den zweiten Hieb,
Mit jähen, langen Sprüngen sich entfernten!
- So fiel auf einen, den die Geißel trieb,
Mein Auge jetzt hinab, bei dem ich dachte,
Daß er nicht fremd mir auf der Erde blieb.
- Scharf blickt’ ich hin, damit ich ihn betrachte,
Auch hielt mein Führer an, der’s zugestand,
Daß ich zurück erst ein’ge Schritte machte.
- Zwar sucht’ er, bodenwärts den Blick gewandt,
Mir mit Gestalt und Angesicht zu geizen,
Doch rief ich, da ich dennoch ihn erkannt:
- "Wenn deine Züge nicht zum Irrtum reizen,
So mein’ ich, daß du Venedigo seist;
Doch weshalb steckst du so in scharfen Beizen?"
- "Nur ungern sag’ ich’s," sprach er drauf, "doch reißt
Dein klares Wort mich hin, das mich bezwungen,
Weil’s alte Zeit zurückführt meinem Geist.
- Ich bin’s, der in Ghifolen so gedrungen,
Daß sie nach des Markgrafen Willen tat,
Wie ganz entstellt auch das Gerücht erklungen.
- Und aus Bologna ist auf gleichem Pfad
An diesen Qualort so viel Volk gekommen,
Als jetzo diese Stadt kaum Bürger hat.
- Und sollte dir hierbei ein Zweifel kommen,
So denk’, um sicher auf mein Wort zu bau’n.
Wie Habsucht uns die Herzen eingenommen."
- Sprach’s, und ein Teufel kam, um einzuhau’n,
Mit hochgeschwungner Geißel her und sagte:
"Fort, Kuppler, fort, hier gibt’s nicht feile Frau’n."
- Zum Führer ging ich, da ich bebt’ und zagte,
Und bald gelangten wir an einen Ort,
Wo aus der Wand ein Felsen vorwärts ragte.
- Und dieser Zacken dient’ als Brücke dort;
Leicht klommen beide wir hinauf und zogen
Rechts hin aus jenen ew’gen Kreisen fort.
- Bald dort, wo unter uns der Fels als Bogen
Sich höhIt’ und Durchgang der Gepeitschten war,
Sprach er: "In gleicher Richtung fortgezogen,
- Sind wir bis jetzt mit jener zweiten Schar,
Drum konnten wir sie nicht von vorne sehen.
ietzt aber nimm die Angesichter wahr."
- Wir blieben nun am Rand der Brücke stehen
Und sah’n den Schwarm, der uns entgegensprang,
Denn eilig hieß die Geißel alle gehen.
- Da sprach mein Hort: "Sieh, noch mit Stolz im Gang,
Den Großen, der sich keine Klag’ erlaubte,
Dem aller Schmerz noch keine Trän’ entrang.
- So königlich noch an Gestalt und Haupte!
Der Jason ist’s, der durch Verstand und Mut
Das Widdervlies dem Volk von Kolchis raubte.
- Nach Lemnos kam er, als in ihrer Wut
Die Frau’n, die glühend Eifersucht durchzuckte,
Vergossen hatten aller Männer Blut;
- Wo er durch Worte, täuschend ausgeschmückte.
Berückt HypsipyIen, das junge Herz,
Die alle Frau’n von Lemnos erst berückte.
- Dort ließ er schwanger sie in ihrem Schmerz.
Dies bracht’ ihn her; und gleiche Straf’ erheischen
Medeas Leiden, einst ihm Spiel und Scherz –
- Auch gehn mit ihm, die gleicherweise tauschen.
Allein dies sei vorn ersten Tal genug
Und denen, so die Geißeln drin zerfleischen."
- Im Kreuz den zweiten Damm durchschneidend, trug
Der Felspfad uns, der, auf den Widerlagen
Der Dämme, hier den andern Bogen schlug.
- Dort, aus dem zweiten Sack, klang dumpfes Klagen,
Und Leute sah’n wir tief im Grunde sich
Laut schnaufend mit den flachen Händen schlagen.
- Der Dämme Seiten waren schimmelig
Vom untern Dunste, der wie Teig dort klebte.
Für Aug’ und Nase feindlich widerlich.
- Doch vor dem Blick, so sehr ich forschte, schwebte;
Noch dunkle Nacht, weil tief der Abgrund ist,
Bis ich des Felsenbogens Höh’ erstrebte.
- Von hier, wo erst der Blick die Tiefe mißt.
Sah ich viel Leut in tiefem Kote stecken,
Und, wie mir’s vorkam, war es Menschenmist.
- Ich forscht’ und sah ein Haupt sich vorwärts strecken,
Doch ganz beschmutzt mit Kot, drum könnt’ ich nicht,
Ob’s Lai’, ob Pfaffe sei, genau entdecken.
- Da schrie er her: "Was bist du so erpicht,
Mich mehr als andre Schmutz’ge zu gewahren?"
Und ich: "Weil, ist mir recht, ich dein Gesicht
- Bereits gesehm, allein mit trocknen Haaren.
Alex, Interminei heißest du,
Drum seh’ ich mehr auf dich als jene Scharen."
- Und er, die Stirn sich schlagend, rief mir zu:
"Mich stürzte Schmeichelei herab zur Hölle,
Die ich dort übte sonder Rast und Ruh’."
- Da sprach zu mir mein guter Meister: "Stelle
Dich etwas vor, und in die Augen fällt
Dir eine schmutz’ge Dirn’ an jener Stelle.
- Sieh die Zerzauste, die sich kratzt und krellt
Mit kot’gen Nägeln, jetzt aufs neue greulich
im Mist versinkt und jetzt sich aufrecht stellt,
- Die Hure Thais ist’s, jetzt so abscheulich.
Fragt’ einst ihr Buhl: "Steh’ ich in Gunst bei dir?"
Versetzte sie: "Ei, ganz erstaunlich! Freilich!"
- Doch sei gesättigt unsre Schaulust hier.
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