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Zehntes Kapitel

Viele, viele Monate waren schon verflossen, seit Rosario mit ihrem Vater und den übrigen Verbannten auf der Insel Juan-Fernandez weilte. Von der Schönheit der sie umgebenden Natur hatten die armen Gefangenen wenig Genuß; auf verhältnismäßig engen Raum eingeschränkt, durften sie über die ihnen durch angelegte Befestigungen gezogenen Grenzen nie hinaus. Ihre ärmlichen Hütten mußten sie sich selbst bauen. Sie bestanden aus nur einem fensterlosen Raume, der aus Brettern gezimmert war und sich unmittelbar über dem Erdboden erhob. Licht fiel nur durch die Tür in diese elenden Behausungen. Gewöhnlich waren in einem solchen Bretterstalle vier Personen untergebracht; für Rosario und ihren Vater hingegen bauten die Freunde ein Unterkommen, das diesen beiden allein zur Benützung überlassen wurde. Die geringe Nahrung erhielten die Gefangenen täglich von der Soldatenküche aus zugewiesen.

Waren schon die Tage für die zum Nichtstun gezwungenen Verbannten öde und langweilig, so waren die Nächte in den Hütten geradezu entsetzlich. Die Insel litt an einer fürchterlichen Plage, an Ratten, die selbst die reichlich vorhandenen Katzen angriffen. Diese Tiere hatten sich durch den Boden hindurch Gänge in die Hütten gegraben und belästigten die Gefangenen nachts in einer Weise, daß von wirklichem Schlaf, von Ruhe überhaupt keine Rede sein konnte. Die Hoffnung des alten Rosales, hier auf diesem Eilande ein erträgliches Gefängnis zu finden, hatte sich als trügerisch erwiesen. Das Einzige noch, was Vater und Tochter die Lage, deren Gleichförmigkeit auf Geist und Gemüt erdrückend wirkte, aushalten, ertragen ließ, war die unmittelbare Nähe der Bucht, an der die befestigte Strafkolonie von San Juan Bautista angelegt war. Ein Entkommen zu Wasser war nicht möglich, deshalb ließ der Statthalter während der langen Zwischenräume, in denen kein Schiff die Insel anlief, die Gefangenen ruhig an den Meeresstrand ziehen. Wenn es die Witterung erlaubte, ging Rosales mit Rosario täglich dorthin. Dann saßen sie oft lange, in stilles Nachdenken versunken, am Meere, dem Spiele der Wellen zuschauend, oder der alte Mann schlief auf einem Teppich, den Rosario vorsorglich im Schatten des Felsens einer Klippe ausgebreitet hatte. Auf diese Weise konnte sich der Vater ungestört während einiger Stunden der ihm so notwendigen Ruhe hingeben und sich für die bevorstehende schlimme Nacht wenigstens etwas stärken. Die schlimmsten Tage der Verbannung waren die, wenn das aufgeregte Meer seine schäumenden, tobenden Wogen brüllend gegen die Insel warf – da war kein Aufenthalt am Ufer möglich – oder wenn, wie im Winter, schwere Regenmassen tagelang herniederströmten, so daß das Wasser oft nicht mehr rasch genug abfließen konnte und in den Hütten selbst fußhoch stand, den Boden in einen tiefen Sumpf verwandelnd. Für Rosario waren deshalb die Wintermonate die schlimmste Zeit. Es war ein Glück, daß der Winter hier nur ein Vierteljahr dauerte und bald dem langen Sommer mit seinen vielen schönen Tagen voll Licht, Sonne und Wärme weichen mußte.

Manchmal lief ein Schiff die Insel an. In diesem Falle mußten die Gefangenen auf ein gegebenes Signal hin sofort ihre Hütten aufsuchen; erst auf ein zweites Zeichen, das die Abfahrt des Schiffes anzeigte, durften sie wieder ins Freie hinaustreten. So waren die armen Gefangenen vollkommen von allem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen. Sie erfuhren nicht das geringste aus ihrer Heimat; es war, als seien sie lebendig begraben. Der spanische Statthalter betrachtete seinen Posten auch als eine Art von Strafe, ein Umstand, der ihn nicht gerade freundlicher gegen das an sich schon harte Los der Unglücklichen stimmte, die er zu bewachen hatte. Ähnlich verhielt es sich mit den Soldaten, die ihre rohe Gesinnung gegen die chilenischen Vaterlandsfreunde offen zutage treten ließen. Es war daher für letztere ein Glück und zugleich eine Art Schutz, daß die Soldaten in kurzen Zwischenräumen gegen andere vom Lande ausgewechselt wurden. Auch der Statthalter unterlag diesem Wechsel, wenn auch erst nach längerer Zeit.

Nun befand sich schon der dritte Statthalter auf der Insel. Das zweite Jahr der Haft war herumgegangen, und noch immer schien das Ende der Verbannung, ein Umschlag in den politischen Zuständen Chiles nicht kommen zu wollen. Rosarios Vater fing wieder mehr und mehr an zu kränkeln. Dank der aufopfernden, selbstlosen Pflege seiner Tochter hatte er sich bis jetzt leidlich wohl befunden. Was aber den alten Mann schwerer bedrückte als die mangelnde Freiheit und die oftmals ungenügende Nahrung, das war die völlige Unkenntnis über die Lage seines Vaterlandes und seiner Familie. Tiefer, schwermütiger Ernst, den alle Liebkosungen seines Kindes nicht zu bannen vermochten, verdüsterte immer mehr sein Gemüt und untergrub seine Gesundheit. Mit Schrecken sah Rosario, wie der Vater langsam, doch sichtbar hinwelkte. Wie ein Reif legte sich dieses Erkennen auf ihr Herz, wie ein Frost, der die Blütenknospen tötet, bevor sie zur Entfaltung gelangen. In langen bangen Stunden der Nacht flehte Rosario in heißem Gebete zum Himmel um baldige Rettung des Vaters und der bedrückten Heimat; die endliche Befreiung Chiles von spanischer Herrschaft war ja gleichbedeutend mit ihrer eigenen Befreiung, mit der möglichen Gesundung des Vaters und der Verwirklichung eines süßen Traumes. Wenn aber hier nicht bald eine Wendung eintrat, so war das Schlimmste zu befürchten. Dieser Gedanke machte Rosario ganz elend, und doch bedurfte sie gerade in dieser Zeit schwerster Sorgen erst recht des Mutes und der Hoffnungsfreudigkeit. Verließ auch sie noch die Hoffnung auf eine kommende bessere Zeit, die sie sich bisher allen schlimmen Ereignissen, allen Leiden zum Trotz zu wahren gewußt hatte, so war sie rettungslos verloren, das wußte sie. Nein, sie durfte nicht verzagen.

»Der Allmächtige, welcher sich mir immer so gnädig gezeigt, wird mich nicht verlassen«, sagte sich Rosario; »er wird uns erretten, uns aus der finstern Nacht des Zweifels, der Sorgen und Kümmernisse wieder zu dem hellen Lichte freundlicher, glücklicher Tage führen. Der gütige himmlische Vater kann sich unmöglich unsern Bitten verschließen; er wird sie erhören und erfüllen, wenn er die Stunde für gekommen hält, dieser herben Prüfungszeit ein Ende zu bereiten.«

An diesen Glauben klammerte sich Rosario. Er gab ihr noch den einzigen Halt in dem trostlosen Dasein der Gegenwart, und das Gebet wirkte, wenn auch nur vorübergehend, doch immer beruhigend auf die Seelenqualen des Mädchens.

Die meisten der Gefangenen auf Juan-Fernandez waren ältere Männer; nur ein junger Mann befand sich unter ihnen, Don Manuel Blanco Encalada war sein Name. Kurz bevor die Verbannten auf die Sebastiana gebracht wurden, war er in das Gefängnis von Valparaiso eingeliefert worden. Trotzdem er erst zweiundzwanzig Jahre zählte, hatte er doch eine größere Anzahl von Aufständischen soldatisch ausgebildet und mit diesen gegen die spanischen Truppen gekämpft. In einem solchen Treffen unterlag Encalada der Übermacht und wurde gefangen genommen. Osorio wagte nicht, wie er es zuerst beabsichtigt hatte, den jungen Mann erschießen zu lassen, da dessen Familie zu einer der angesehensten und verzweigtesten Chiles gehörte; so verurteilte er ihn zur sofortigen Verbannung. Der tiefe Ernst, der gar nicht zu seiner Jugend paßte, seine tadellose Vergangenheit, verbunden mit seiner glänzend bewiesenen Tapferkeit und militärischen Tüchtigkeit, bewirkten, daß Encalada in der Strafkolonie von allen gleich hoch geachtet wurde. Rosario hörte überall nur den Ruhm des jungen Mannes.

Zwei Jahre waren schon vorüber. Die jungen Leute hatten Gelegenheit genug gehabt, sich auf dem kleinen Raume, auf dem sich ihr Leben abspielte, kennenzulernen; die Sorge um den Vater aber ließ in Rosario lange Zeit keine andern Gefühle für Encalada aufkommen, als die des Bedauerns für sein Geschick. Rosario hatte sich inzwischen zur schönen vollerblühten Jungfrau entwickelt, und es entging ihr nicht, daß Encalada anfing, sie mit ganz andern Blicken zu betrachten als früher. Don Manuel Blanco schätzte, gleich den übrigen Mitgefangenen, die Tugenden des Mädchens, seine Selbstlosigkeit, die treue Hingabe an den Vater, die Geduld und die Kraft, mit der Rosario das schwere Leben auf der Insel ertrug, vor allem aber ihre sich stets gleichbleibende Heiterkeit des Geistes und den durch nichts zu erschütternden Glauben an den Sieg des Guten über das Böse, an die endliche Befreiung ihres Vaterlandes und an die Rückkehr in die Heimat. Don Blancos scharfem Auge aber war es auch nicht entgangen, wie sehr Rosario in letzter Zeit mit sich kämpfen und ringen mußte, um die nach außen hin zur Schau getragene Ruhe und Hoffnungsfreudigkeit behaupten zu können, und diese Beobachtung machte ihm das Mädchen nur noch achtungswerter, teurer. Wie manchesmal hatte er von ferne Rosario mit dem Vater am Strande sitzen sehen! Schlief dann der alte Mann und die Tochter glaubte sich unbeachtet, da konnte Don Blanco einen Blick in das Innenleben des Mädchens tun, was ihn stets tief erschütterte. Er hörte ihr Schluchzen, sah, wie der zarte Körper vor Weinen bebte und wie sie im Gebete Trost für ihr Weh suchte. Encalada kam sich nach solchen Entdeckungen wie ein Mensch vor, der etwas Unrechtes getan hat, und doch konnte er der Versuchung nicht widerstehen, immer wieder der stille Beobachter von Rosarios seelischen Kämpfen zu sein. Mehr und mehr stieg in dem jungen Manne der Wunsch auf, sie zu trösten, ihre Sorgen, wenn er sie ihr auch nicht abnehmen konnte, doch mit ihr zusammen tragen zu dürfen, ihr ein Freund, ein Bruder zu sein.

Rosales wurde, trotz dem augenblicklich noch herrschenden sommerlichen Wetter, durch seine zunehmende Unpäßlichkeit oft verhindert, die gewohnte tägliche Siesta am Strande zu halten. In stillem, traurigem Ernste lag der alte Mann in seiner Hütte; eine beginnende Schwermut machte ihn immer teilnahmloser gegen alles, was vorging. »Laß mich allein, mein Kind!« bat er, wenn Rosario ihn drängte, die ungastliche Hütte zu verlassen und mit ihr an den trauten Platz am Ufer zu gehen. »Geh ohne mich an das Meer und genieße die schönen Tage noch! Wer weiß, wie bald sie verschwunden sein werden! Der Winter steht ja vor der Tür.«

So ging Rosario eines Mittags allein ans Meer. Da saß sie, angelehnt an die felsige Klippe, in deren Schatten sonst der Vater von der Wiedergeburt seines Landes träumte, und sah tränenden Auges hinaus auf den wogenden Ozean, der sie und den Vater so erbarmungslos von der Heimat trennte. Sie dachte des Bruders. Was er wohl machte, wie es ihm erging, von dem sie seit ihrer Abfahrt von Valparaiso nie wieder etwas gehört hatte? Sie rechnete die Zeit aus, die seitdem verflossen war. Zwei Jahre und vier Monate. War es möglich, daß man schon März 1817 schrieb? Doch es war nicht daran zu zweifeln. Mit dem Bilde des fernen Bruders stieg vor dem Geiste des Mädchens unwillkürlich auch das von Encalada auf. Die beiden jungen Männer standen ungefähr im gleichen Alter; Joaquin mochte noch etwas jünger sein. Wieviel Ähnlichkeit aber im Charakter die beiden miteinander hatten! Rosario fuhr erschrocken auf, als plötzlich, unvermittelt, derjenige vor ihr stand, mit dem sie sich soeben in Gedanken beschäftigt hatte.

»Ich habe Euch wohl sehr erschreckt, Señorita?« redete Don Blanco das Mädchen an.

»Ja«, entgegnete Rosario, über deren bleiches Gesicht eine verdächtige Blutwelle zog; »die Einsamkeit und trübe Gedanken machen schreckhaft.«

»Wollt Ihr Euch nicht wieder setzen? Darf ich Euch ein wenig Gesellschaft leisten?« fragte Don Blanco. »Wir sind nun schon seit Jahr und Tag Unglücksgenossen, auf kleinem Raum beisammen und sind uns doch merkwürdigerweise bis zur Stunde nie nähergetreten.«

Rosario folgte der Aufforderung des jungen Mannes und setzte sich wieder. Etwas Unerklärliches zwang sie zum Bleiben, entgegen ihrer ersten Absicht, in die väterliche Hütte zurückzueilen.

»Ihr spracht vorhin von trüben Gedanken, die Euch bewegen, Señorita«, begann Don Blanco nach einer kleinen Pause. »Glaubt mir, daran leiden wir hier alle. Eine Aussprache hätte Euer Gemüt vielleicht oft erleichtert; aber Ihr waret stets zurückhaltend gegen uns, die wir doch alle Eure Freunde sind und Euch um Eurer hohen Tugenden willen, deren Zeugen wir nun so lange sind, aufrichtig bewundern.«

»Ich tue nur meine Pflicht, weiter nichts«, erwiderte Rosario einfach; doch machten die warmen Worte der Anerkennung gerade aus Encaladas Munde doppelten Eindruck auf sie.

»Nein, Señorita, Ihr tut mehr als Eure Pflicht, Ihr macht Euch verdient.«

»Wieso? Ich verstehe Euch nicht recht.«

»So hört!« entgegnete Don Blanco lächelnd. »Der Aufenthalt hier, das Stilleben, zu dem wir gezwungen sind, hat auch in mir, wie in Euch, allerlei Gedanken angeregt; ich bin aus einem ehemaligen Soldaten eine Art Philosoph geworden. Wie oft habe ich gerade Euretwegen philosophische Betrachtungen angestellt! Ja, Ihr tut mehr als Eure Pflicht, Doña Rosario. Die Pflicht, die schließlich von jedem erfüllt werden kann, hat ihre Grenze; da, wo Selbstverleugnung, Aufopferung im Dienste reinster Menschenliebe sich so herrlich offenbaren wie bei Euch, da ist wirkliches Verdienst oder, wenn Ihr wollt, die Krone der Pflicht, und diese Krone kann sich eben nicht jeder erwerben; hierzu gehören große seelische Fähigkeiten.«

»Ihr könntet mich eitel machen, Don Blanco«, antwortete Rosario. »Ich habe bis zur Stunde meine Aufgabe von einem andern Standpunkt aus betrachtet als Ihr und deren Erfüllung, die ich für ganz selbstverständlich hielt, wenig Bedeutung beigemessen.«

»Durch diese Bescheidenheit beweist Ihr mir nur wieder Eure edle Gesinnung. O Señorita«, rief Don Blanco in ausbrechender Gemütsbewegung, »wie danke ich dem Himmel, Euch kennengelernt zu haben! Wie stolz bin ich darauf, mit einer Chilenin Eurer Eigenschaften die Verbannung teilen zu dürfen! Unser jetziges Unglück kann sich einst noch in eitel Glück umwandeln.«

»Wie meint Ihr dies?« fragte Rosario leise, während ihr Herz zu klopfen begann.

»Wie ich das meine? Nun, so will ich es Euch offen und rückhaltlos sagen, daß ich der Hoffnung lebe, Euch einst meinen Namen geben zu dürfen, Señorita, Euch, die ich bewundere und – innig lieben gelernt habe«, entgegnete Don Blanco mit leicht bebender Stimme.

Rosario stand auf. Ein noch nie gekanntes Gefühl voll Licht und Wärme war in das Herz des Mädchens gezogen; wie eine süße Musik tönten noch die letzten Worte des jungen Mannes in ihr nach.

Auch Encalada war aufgestanden und ergriff die Hand Rosarios. »Darf ich mit Eurem Vater sprechen, Rosario?«

»Nur nicht so ungestüm, Don Blanco! Ihr habt ja noch nicht einmal meine Antwort.«

»So gebt sie mir!«

»Ich achte und ehre Euch, Don Blanco«, entgegnete Rosario; »Euer Antrag beglückt mich um so mehr, als ich Eure Gefühle erwidere. Doch halt!« wies sie den jungen Mann ab, als dieser sie voll Freude in seine Arme schließen wollte; »ich selbst will bei passender Gelegenheit dem Vater unsere Unterredung mitteilen, sein Entscheid ist maßgebend. Geduldet Euch noch so lange! Ich glaube nicht, daß der gute Vater mir seine Zustimmung zu einer späteren Verbindung mit Euch verweigert; aber solange wir hier noch als Gefangene schmachten, solange unser Vaterland unter dem Drucke des spanischen Joches seufzt, so lange bleibt unsere Verbindung ein schöner Traum.«

»Aus dem wir zur Wirklichkeit erwachen werden!« rief Don Blanco feurig.

»Das gebe Gott! Und nun einstweilen kein Wort mehr darüber, nicht wahr?« bat Rosario.

»Ihr habt nur zu bestimmen, Rosario, und ich gehorche; aber den bräutlichen Kuß darf ich Euch doch geben?«

Sie bot dem jungen Mann die Lippen; dann aber eilte sie, wie über einem Verbrechen ertappt, ihrer elenden Behausung zu.

Seit diesem bedeutungsvollen Ereignis waren schon Tage vergangen, ohne daß Rosario es gewagt hätte, den Vater bei seiner düstern Stimmung und seiner Kränklichkeit mit ihren eigenen Angelegenheiten zu belästigen. In der augenblicklichen Lage wäre es ihr wie eine Entweihung vorgekommen, von ihrer Liebe zu sprechen. Aber sie, die niemals ein Geheimnis vor ihrem Vater gehabt, fühlte sich immer mehr davon bedrückt, je länger sie schweigen mußte. Doch durfte sie jetzt nicht sprechen; der hinfällige Greis hätte sich zu sehr über die Herzensangelegenheit der Tochter aufgeregt, und jede Aufregung mußte von ihm fernegehalten werden. Traurig schlichen die Stunden der Tage wie der Nächte hin. Wollte der Allmächtige denn kein Erbarmen zeigen? Gab es wirklich keine Rettung mehr für den Vater?


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