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Neunzehntes Kapitel.
Die Langobarden

Alle Völker, deren wir bisher gedachten, füllten drei Jahrhunderte hindurch in Unruhe den Schauplatz der Völkerwanderung aus. Eines nur – und zwar gerade dasjenige, welches den Schlußstein des großen Weltereignisses und späterhin die Brücke zum Wiederaufbau des römischen Kaisertums Deutscher Nation gebildet hat, das der Langobarden, blieb in der langen Zeit vom Jahre 160 bis 488 unserm Blicke fast gänzlich verborgen, tritt vielmehr erst jetzt auf die Weltbühne.

Reicher als bei allen übrigen germanischen Völkern sollte gerade für die Langobarden das Quellenmaterial fließen, da wir von einem gelehrten Geistlichen dieses Stammes, Paulus, Warnefrids Sohn (gemeinhin Paulus Diaconus genannt), eine Geschichte desselben vom Ursprunge bis beinahe zu dessen Einverleibung in das Reich Karls des Großen am Ende des achten Jahrhunderts besitzen. Steht aber auch deren Verfasser in formaler Beziehung, namentlich in logischer Ordnung und Bearbeitung seines Stoffs, weit über Jordanis, dem Geschichtsschreiber der Goten, so ist derselbe doch von Mangel an Kritik ebenfalls nicht freizusprechen.

So sind dessen erste achtzehn Kapitel nur aus zusammengetragenen Sagen, teils einheimischen, teils fremden Dahin gehört die Geschichte von den Siebenschläfern, Kap. 4, welche die Sage von Abica an die Nordküste Germaniens übertragen hat. aufgebaut, welche Paulus teils freilich selbst für »lächerliche Fabel« erklärt, wie das Zwiegespräch zwischen Freia und Wodan, Kap. 8, teils mindestens stark anzweifelt, wie den Kampf mit den Amazonen, der, nach der Zeit des verbürgten Regierungsantritts des Königs Lamissio, in den Anfang des fünften Jahrhunderts fallen müßte.

Wir schicken voraus, daß Ptolemäus in Großgermanien (I, 11) der Langobarden zweimal gedenkt, zuerst (§ 8) unter dem Namen Σουη̃βοι Λαγγοβάρδοι südlich der Sugambern am Rheine und (§ 15) an der Elbe nordwestlich der Angeln. Jene ersten aber gehen uns nichts an, sie beruhen vielleicht nur auf irrtümlicher Zusammenziehung der alten suebischen »Landen« und »Batten« Strabos (VII, 1, p. 292), d. i. der Lahn- und Battengauer in ein Volk (wie dies v. Ledebur, Land und Volk der Brukterer, Berlin 1827, S. 5a, 123 und 124 ausgeführt hat. Diese Meinung wird durch die Geschichte bestätigt, da das Vorhandensein eines Langobardenvolkes am Rhein aus den zahlreichen und zum Teil so ausführlichen Quellen über die Römerfeldzüge in Germanien vom Jahre 12 vor bis 16 nach Christus uns wohl bekannt sein müßte).

Wir haben es daher lediglich mit denen an der Elbe zu tun, deren Sitz der Bardengau an diesem Flusse (mit dem Hauptsitze Bardevich bei Lüneburg) war.

Zuerst gedenkt deren hier Vellejus Paterculus (II, 106), indem er bei Schilderung von Tibers Feldzügen bis zur Elbe (oben Bd. I) sagt: »Gebrochen ward da die Kraft der Langobarden, eines Volkes, wilder sogar als germanische Wildheit«

In dem Kampfe zwischen Marobod und Armin fielen die von jenem unterworfenen Langobarden ab und traten auf Armins Seite. Tacitus Ann. II, 45: e regno Marobodui Suevae gentes, Semnones ac Langobardi, defecere ad Arminium.)

Als später Armins Neffe Italicus durch Roms Vermittlung über die Cherusker gesetzt, von diesen aber nach einiger Zeit vertrieben ward, waren es wiederum die Langobarden, welche für ihn Partei nehmend dessen Zurückführung in seine Heimat bewirkten. (Tacitus XI, 17.) Dahn, Könige I, S. 127 f., Urgeschichte, II. Band. Berlin 1881.

So viel und nicht mehr wissen wir von jenem Volk in der Zeit vor dem Markomannen-Krieg im Jahre 166 nach Chr.

In den beiden Jahrhunderten vom markomannischen Kriege bis zum Einbruche der Hunnen wird der Langobarden nur ein einziges Mal, und zwar in einem nur neun Zeilen langen Fragmente des Petrus Patricius gedacht (s. C. scr. hist. Byz. ed. Bonn. I, p. 124).

Der Ruf des Markomannen-Krieges hatte auch aus dem fernen Norden eine Schar von Langobarden und »Obiern« (verunstaltet aus des Tacitus Avionen? und Mamertius Chavionen oder Chaibonen?) angelockt, das jedoch erst nach dem ersten Frieden mit den Markomannen im Jahre 174 angekommen zu sein scheint. Auf eigne Faust über die Donau gehend wurden sie von den Römern geschlagen, erlangten aber durch Vermittlung des Markomannenkönigs Ballomar einen Frieden, der ihnen vermutlich einen Wohnsitz in oder an dem römischen Gebiete gewährte, da Rückkehr in die ferne Heimat ihnen wohl zu schwierig, wo nicht nach den dortigen Verhältnissen untunlich erschienen sein mag (vielmehr: schon damals begann die erste Südwanderung der Langobarden: der Beweggrund wohl Übervölkerung: es war die Vorhut der späteren massenhaften Bewegung in gleicher Richtung; nicht »der Ruf des Krieges hatte sie angelockt«, sondern sie zählten zu jenen »nördlichen Völkern«, deren Wanderung an die Donau die Donaugermanen über diesen Strom drängte und den »Markomannen-Krieg« herbeiführte. D.).

In der Zeit nach dem Hunneneinbruche vom Jahre 375 würden wir (abgesehen von Paulus Diac. D.) ohne alle Nachricht von den Langobarden sein, wenn sich eine solche nicht an drei Stellen von des Prosper Aquitanus Chronik unter den Jahren 379, 389 und 423 fände.

Dies sind jedoch fast unzweifelhaft spätere Zusätze und zwar wohl aus der Zeit der Langobardenherrschaft in Italien, die sich nicht in allen Handschriften finden.

Die erste derselben vom Jahre 379 lautet also:

»Die Langobarden von den äußersten Grenzen Germaniens, der Küste des Ozeans und der Insel (Scandia) ausgezogen und nach neuen Sitzen begierig, besiegten unter ihren Führern Ibor und Ajo Ajo regierte nach Prosper Aquitanus bis zum Jahre 389. S. 478. zuerst die Vandalen.«

In dieser Erzählung muß sich das » ausgezogen« (egressi) nicht auf die Urzeit, sondern auf die neueste Zeit, kurz vor 379, beziehen, da der fast vier Jahrhunderte frühere Wohnsitz der Langobarden an der Niederelbe im heutigen Lüneburgischen geschichtlich feststeht. Daß dieselben an diesem Strome saßen, bestätigt auch ein andrer Nationalschriftsteller, der ausdrücklich sagt, daß das Volk »zuerst in Scatenaue am Ufer des Elbeflusses seinen Sitz gegründet habe«. Vergl. die Literatur über Paulus (Jacobi, Waitz; Dahn, Langobardische Studien I und II) im Anhang.

Jene Notiz könnte daher insofern einigen Wert haben, als sich dieselben auf den Auszug der Langobarden aus ihrem historischen Wohnsitz in Norddeutschland bezöge und die Hinzufügung der Seeküste und »Scandias« (Scanzia, Scadinavia bezeichnet: 1) Skandinavien, 2) die Inseln der Nord- (und Ost- ?) See und wie 3) Jütland, so 4) die ganze deutsche Küste der Nordsee (und Ostsee: Gothi-Scanzia). D.) als Aufbruchsorte nur aus der Sage entnommen wäre.

Möglich ist es allerdings, daß die große Auswanderung der Langobarden etwa um die Zeit von Theodosius des Großen Regierungsantritt erfolgt sei, für bewiesen aber ist es durch jene Stelle in keinem Fall anzusehen.

Wohl aber vermuten wir (? D.), daß die wachsende, daher um sich greifende Macht ihrer Nachbarn, der Sachsen, sie dazu bewogen habe, wenn es dafür (außer der allgemeinen innern Ursache: der Übervölkerung auch der suebischen Stämme D.) noch eines weitern Antriebes bedurft haben sollte.

Die zweite Stelle, die nur ein Auszug aus Paulus Diac. Kap. 14 ist, bemerkt unter dem Jahre 389:

»Nach dem Tode ihrer Herzöge (ducibus) Ibor und Ajo hätten die Langobarden zuerst Agelmund, Ajos Sohn, zu ihrem Könige gewählt, der dreiunddreißig Jahre regiert habe.« Vergl. aber jetzt die vielfach berichtigte Überlieferung bei Jacobi, Waitz, Mommsen, welche hier nicht dargestellt werden kann. Näheres in Dahn, Langob. Studien und Könige VII.

Die dritte (vom Jahre 423) lautet:

»Langobardorum XI regnavit Lamissus meretricis filius annis III.«

Diese gibt hiernach nur den Regierungsantritt von Lamissus an, den auch Paulus D. Kap. 17 als Agelmunds Nachfolger unter dem Namen Lamissio anführt.

Die Angabe, daß dieser König der Sohn einer Dirne gewesen, gründet sich wieder auf unsern Historiker, der (nach Kap. 15) eine solche Person sieben Knaben gebären und in das Wasser werfen läßt, von denen der vorbeireitende König einen dadurch gerettet, daß er ihm eine Lanze hingehalten habe, das Kind habe sie ergriffen und sei daran herausgezogen Über Entstehung dieser Sage (aus dem Namen Lamissio: Lehm, Sumpf) siehe jetzt Waitz in der Ausgabe des P. D., p. 61. Leo, Beowulf, S. 31.: später ward es ein Krieger seltener Tapferkeit.

So haben wir denn auch aus dem Chronisten nichts Selbstständiges erfahren, bleiben vielmehr auf den Geschichtsschreiber der Langobarden beschränkt.

Obwohl nun dieser erst mit dem neunzehnten Kapitel den Boden der Geschichte betritt, so haben wir doch aus dem Vorhergehenden (von Kap. 10 an) noch einiges vorauszuschicken.

Nachdem die Langobarden im Lande Scoringa, erzählt derselbe, die Vandalen besiegt, zogen sie, durch Hungersnot vertrieben Also auch in dieser Wandersage das Motiv, das die Geschichte so oft bestätigt. D.), nach dem Lande Mauringa Über diesen und die folgenden Namen siehe jetzt die Literatur bei Waitz, P. D., p. 59. (wo sie durch Kriegslist und Sieg in einem statt der Schlacht verabredeten Zweikampfe den Widerstand der Assipitter überwinden) und von hier nach Goland, darauf aber nach Anthab, Bandhaib und Vurgundaib, wo sie überall einige Zeit oder Jahre verweilten, bis sie endlich über einen Fluß setzten, dessen durch die Amazonen verwehrten Übergang sie wieder durch einen ähnlichen Zweikampf Lamissios mit einer Amazone erzwangen. (Kap. 10–16.)

Von da weiter vordringend gaben sie sich in ihrem neuen Sitze zu großer Sicherheit hin, wurden nachts von den Bulgaren überfallen, wobei ihr König Agelmund fiel, an dessen Stelle nun Lamissio erwählt ward (nach Prosper Aquitanus im Jahre 423), der die Bulgaren mit großer Anstrengung besiegte. Hierauf muß eine Periode der Ruhe, unter der nach Prosper Aquitanus dreijährigen Regierung Lamissios, dann der vierzigjährigen Lethus und der nachfolgenden Hildeoks, auch wohl schon Gudeoks gefolgt sein, da von weiterer Wanderung bis zu der Zeit vom Jahre 488–490 nicht die Rede ist.

Ist in diesem Bericht Jenes Golanda bezeichnet offenbar das Land der Goten (? D.), sowie Anthaib, Banthaib und Burgundhaib, nach dem altgermanischen Worte: Eiba, für Gau Land, Gegend, die Lande der Anten, Banten (d. i. Wenden) und Burgunder.

Daraus folgt aber keineswegs, daß die alten Bewohner damals noch dort gesessen haben: denn das Volk verschwindet, der Name bleibt, wie z. B. in dem spätem Burgund in Frankreich und der Lombardei. Wichtiger ist das Bedenken der Erwähnung von Burgundhaib an vierter Stelle, also im äußersten Osten.

Völlig verwerfen aber müssen wir Schaffaliks auf Thunmann und Klaproth (welche berühmte Sprachforscher, aber keine Historiker waren) gestützte Ansicht, S. 132, daß jene Burgunder des Paulus Diaconus nichts andres als die Bulgaren (!  D.) gewesen seien, da derselbe Paulus ja erst im Kapitel nachher (16) die Langobarden auf die Bulgaren stoßen läßt.

(zweifellos D.) ein Kern von Wahrheit, so weist er auf eine süd-östliche Wanderfahrt der Langobarden hin, wobei sie die alten Sitze der Goten und Burgunder, so wie die Länder der Anten und Wenden (d. i. der Slaven) nördlich der Karpaten bis zum Dnjestr, oder einen andern in den Pontus sich ergießenden Fluß durchzogen, jenseits dessen sie auf Bulgaren (Hunnen?) stießen.

Im neunzehnten Kap. berichtet nun Paulus die Besiegung der Rugier durch Odovakar und deren Abführung nach Italien, welche (nach Obigem) in den Jahren 487 und 488 stattfand.

Darauf läßt derselbe am Schlusse des Kapitels die Langobarden aus ihren Sitzen aufbrechen und in das verlassene Rugiland einziehen, ohne dabei zu bemerken, ob sie sich früher bereits dem Westen mehr genähert hatten.

Auch hier aber ist für dieselben kein längeres Bleiben, vielmehr ziehen sie schon nach einigen Jahren in benachbartes Flachland (campi patentes), »Feld«, unstreitig die Theissebenen (das alte Jazygenland), wo einst Attila residiert hatte. (Kap. 20.) Hier kamen sie nach dreijährigem Aufenthalte unter König Tato, des Gudeok Nachfolger, in Krieg mit den Herulern, den auch Prokop (d. b. Goth. II, 14) umständlich berichtet und dessen Zeit er durch die Beziehung auf des Kaisers Anastasius Regierungsantritt im Jahre 491 auf etwa 494 bis 495 setzt, was sich auch mit Paulus vereinigen läßt. Vielmehr zwischen 506 und 512. Vergl. die Gründe für und wider bei Dahn, Könige II, S. 8, 9; vergl. jetzt auch Waitz, P. D., p. 65.

Nach letzterem wäre der Krieg durch frevelhaften Mord eines herulischen Gesandten, der zugleich des Königs Bruder gewesen, von den Langobarden veranlaßt worden, während dieselben, nach Prokop, vorher in einem tributpflichtigen Bundesverhältnisse zu den Herulern gestanden hätten und von letzteren aus bloßem Übermut ohne allen Grund angegriffen worden seien.

Damals hätten sich die Langobarden, wie dieser Schriftsteller versichert, schon zum Christentume bekannt, auch einige Völker sich steuerpflichtig gemacht, was vielleicht die sofort zu erwähnenden Sueben und Reste der Skiren gewesen sein könnten.

Beide aber stimmen darin überein, daß die Langobarden einen Hauptsieg erfochten, wodurch deren Machtgefühl wesentlich gesteigert worden sei.

Bald nach diesem Siege ward Tato durch seinen Neffen Waccho gestürzt, der hierauf die Sueben überwand und unterjochte, womit die früher zwischen 465 und 472 von den Ostgoten vielfach bekriegten und besiegten »Suaven« (s. oben) gemeint sein werden. (Kap. 21.)

Auf Waccho folgte (für sieben Jahre) dessen Sohn Waltari und diesem wiederum als neunter König Audoin, welchem Byzanz Pannonien und einen Teil von Noricum Prokops Ausdruck Νορικὸν πόλις ist wohl Mißgriff? nebst den Festungen, unter Aussetzung reicher Geldzahlung, zur Niederlassung einräumte. (Prokop, d. b. Goth. III, 33.)

Dies brachte die Langobarden in Berührung mit den Gepiden, welche damals nach Abzug der Goten auch das Land zwischen Drave und Save innehatten.

Die Nachbarschaft führte zur Feindschaft und diese zu Kriegen, welche von beiden Schriftstellern verschieden berichtet werden, wobei jedoch der Zeitgenosse Prokop der durchaus sagenhaften Erzählung des Paulus vorzuziehen ist. Vergl. aber über alles Folgende Dahn, Könige II, S. 20 f. und über die Zeitfolge Waitz, P. D., p. 80.

Nach jenem (III, 24) fiel der erste Krieg (zu dem beide Völker um der Römer Hilfe warben, die der Zahl nach weit schwächeren Langobarden aber dieselbe erhielten) ungefähr in das Jahr 548 Dies ergibt sich aus der Reihenfolge der Begebenheiten, welche Prokop in chronologischer Ordnung berichtet., war jedoch von kurzer Dauer, da der Gepidenkönig Thorisin (Turisind des Paulus), nachdem eine Schar der mit ihm verbündeten Heruler von den Römern auf das Haupt geschlagen worden war, mit dem Langobardenherrscher Audoin eiligst Frieden schloß, indem er dessen Eroberungen wohl durchaus bewilligte.

Erst um das Jahr 551 brach der Krieg, nach Prokop (IV, 25), zwischen beiden Völkern aufs neue aus. Von den den Langobarden gesandten römischen Hilfstruppen kam nur eine schwächere Abteilung rechtzeitig an, welche der Dux Amalafrid, ein Sohn des Thüringerkönigs Hermanfrid, befehligte. Durch diese verstärkt, fiel Audoin in das Land der Gepiden ein und schlug dieselben dergestalt, daß, wie man sagte, der größte Teil derselben niedergehauen ward.

Paulus dagegen erwähnt (Kap. 23), ohne der römischen Hilfe zu gedenken, nur einen Krieg und Sieg der Langobarden Hier muß der von Prokop (IV, 26) berichtete vom Jahre 551 gewesen sein. (Vergl. Waitz, P. D., p. 80. D.), in welchem Alboin, Audoins Sohn, Turismod, den Sohn des Gepidenkönigs tötete: er ward aber nach der Heimkehr von seinem Vater dennoch an der Tafel nicht zugelassen, weil diese Ehre, nach der Volkssitte, nur durch Mitbringung der Waffen des Feindes erlangt werden könne. Darauf habe sich Alboin hohen Muts mit vierzig (So klein also war die Gefolgschaft – denn das waren diese Gefährten doch wohl ? – selbst eines Königssohns. D.) Gefährten zu Turisind begeben, der ihn mit tiefstem Kummer, aber doch mit gastlicher Ehre empfangen und bei Tafel an die Stelle seines erschlagenen Sohnes gesetzt habe. Da fielen aber, zuerst von des Königs zweitem Sohne (unstreitig dem spätern Könige Kunimund) beleidigende Worte, welche, heftig erwidert, zum Kampfe zwischen Gästen und Wirten, die beide schon nach den Schwertern griffen, geführt hätten, wenn nicht Turisinds Kraft und Würde, die Heiligkeit des Gastrechts hervorhebend und dazwischentretend, gewehrt hätte. Unversehrt, ja mit des eignen Sohnes Turismod Waffen beschenkt, entließ er darauf Alboin, der nun von seinem Vater ehrenvoll als Tischgenoß aufgenommen ward.

Diesen Ereignissen muß ein längerer Friede gefolgt sein, gegen dessen Ablauf beide Könige verstarben, an deren Stelle nun Alboin und Kunimund traten, wobei, wie Paulus (Kap. 27) sagt, des erstern Ruf schon weit umher alles erfüllte.

Zunächst soll nun der von heißem Rachedurste getriebene Gepide den Frieden gebrochen, Alboin aber, um dem alten Hader diesmal durch Vernichtung des Feindes für immer ein Ende zu machen, mit den Avaren sich verbündet haben.

Diese waren die ersten Nachfolger der Hunnen, wie jene turkisch-tungusischen Stammes, jedoch mit anscheinendem Vorwalten des letztern Elements: wie jene aus der großen Wüste nördlich der chinesischen Mauer herzugewandert, aus welcher sie nach längerer Herrschaft ein mächtigeres Volk vertrieben hatte, weshalb man Klaproth, Tabl. hist. de l'Asia, p. 116. dieselben mit großer Wahrscheinlichkeit für die von den Thukiu versprengten Jouan-Jouan erklärt. Zuerst gedenkt, vor dem Jahre 465, deren noch Priscus (I, 14, p. 158) im fernem Osten, wo dieselben die Sahiren nach Westen hin verdrängten.

Der Verhandlung Alboins mit den Avaren (und zwar nach dem Tode Justinians und der Thronbesteigung von Justinus II. im November 565, also im Jahre 566) gedenkt nun auch Menander (I, 11, p. 303 der Bonn. Ausg, c. scr. h. Byz. I).

Nach diesem sollen die letzteren die Besiegung der Gepiden nur als Mittel zur Vermehrung ihrer Macht gegen die verhaßten Römer betrachtet haben. Schwere Bedingungen stellten sie den Langobarden für das einzugehende Bündnis: sofortige Ablieferung eines Zehntels alles vierfüßigen Viehes und künftige Überlassung der Hälfte aller Beute, sowie des ganzen Gepidenlandes nach dem Siege. Dies alles ward ihnen auch bewilligt und der Krieg beschlossen.

Über diesen findet sich bei Menander nichts weiter; aus Paulus, Kap. 27, aber erfahren wir, daß die Avaren im Rücken der Gepiden in deren Land einfielen, durch welche Unglückskunde erschreckt Kunimund dennoch zuerst mit den Langobarden (wohl kaum mit seiner ganzen Macht) zu schlagen beschlossen habe. Furchtbar aber ward dessen Niederlage (a. 567 D.), zu deren Meldung in die Heimat kaum ein Bote übrig geblieben sein soll. Der König selbst ward von Alboin getötet: dieser nahm dessen Tochter Rosimunda gefangen und ließ aus des Vaters Schädel sich eine Trinkschale fertigen, die später seines eignen Sturzes Quelle ward, als er (die ihm nach dem Tode seiner ersten Gemahlin [Chlotsuinda, Tochter des Frankenkönigs Chlotachar D.] vermählte) Rosimunda daraus zu trinken zwang, was diese zum Mord des Gatten aus Blutrache trieb.

Paulus (II, 28) beteuert, den Pokal noch in seiner Zeit gesehen und in seiner Hand gehabt zu haben.

Dieser Sieg erhöhte Alboins Ruhm und vernichtete das Reich der Gepiden, die, zuerst den Langobarden und Avaren, bald aber letztern allein unterworfen, von dem an unter dem Joche dieser asiatischen Barbaren schmachteten und schließlich sich ganz verloren. (Reste derselben will man in den Zipsern finden. D.)

Bald nach diesem Entscheidungskampfe trat nun Alboin im Jahre 568 seinen weltgeschichtlichen Zug nach Italien an, dessen Motiv (der sagen- und legendenreiche D.) Paulus (II, 5) in Folgendem berichtet:

Der Eunuch Narses, Justinians großer Feldherr und Patrizier, war, nach Vernichtung der Ostgotenherrschaft in Italien, als Statthalter daselbst zurückgeblieben.

Den Römern vielleicht nicht ohne Grund verhaßt, besonders auch bei Hof in Ungnade gefallen, ward er im Jahre 567 seines Amts enthoben. Da soll die Kaiserin Sophia, seine besondre Feindin, geschrieben haben, ihn als Aufseher und Verteiler der Wollenarbeiten in dem Weiberhause (Gynacceum) anstellen zu wollen. »Nun wohl«, habe Narses darauf erklärt, »so will ich ihr denn ein Gewebe anzetteln, dessen sie sich bei ihrer Lebzeit nicht wieder entledigen soll,« und nun habe er von Neapel aus, wohin er sich zurückgezogen, die Langobarden nach Italien gerufen.

Dem habe nun auch der Langobardenkönig entsprochen, indem er Pannonien, unter der Bedingung künftiger Rückgabe bei etwaiger Wiederkehr, den Avaren abgetreten: (Paulus Diac. II, 7; jene Motivierung ist offenbar alles, nur nicht Geschichte. D.).

Ein König wie Alboin läßt sich nicht durch die Laune fremder Rachsucht, nur durch eignes Urteil und Interesse leiten. So wenig, ja noch viel weniger, als hunderteinundvierzig Jahre früher für Gaiserich in Spanien, war für Alboin in dem offenen Pannonien ein Feld künftiger Größe zu finden, da ihm hier Zerwürfnisse und Kriege mit den furchtbaren Avaren unabwendbar drohten, während ihm jenseits der Alpen der Garten Europas ein eben so geschütztes als lockendes Asyl zu Gründung eines dauernden Langobarden-Reiches darbot: (zahlreiche Langobarden hatten als Söldner des Narses im Krieg gegen die Ostgoten Italien kennengelernt; auch mochte des Landes neben den um sich greifenden Avaren zu wenig werden. D.).

Dazu bedurfte es nur, der spärlichen byzantinischen Besatzungen in diesem Lande Meister zu werden, was er denn auch in der ihm noch vergönnten kurzen Lebenszeit großenteils vollbrachte.


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