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Vierzehntes Kapitel.
Der römische Westen unter Valentinian III. und Aëtius bis zum Einbruch Attilas

Leider ist dies die Fortsetzung derselben quellenlosen Zeit, die wir vom Jahre 417 ab, mit welchem Orosius aufhörte, geschildert haben. Kein Geschichtsschreiber mehr: fast nur die trocknen Notizen der vier Chronisten, bei Prosper Tiro und Idatius überdies noch mit unsicherer Chronologie.

Das Wichtigste würde die von Marcellin Pannoniae, quae per quinquaginta annos ab Hunnis retinebantur, a Romanis receptae sunt. im Jahre 427 berichtete Rückeroberung oder Rückgabe des von den Hunnen besetzten Pannoniens durch oder an die Römer sein, wenn wir diese Nachricht nicht für irrig, mindestens ungenau hielten. Diese Angabe Marcellins scheint durch die Worte des Jordanis (in Kap. 32) bestätigt zu werden: Nam duodecimo anno Valliae, quando et Hunni post paene quinquaginta annos invasa Pannonia a Romanis et Gothis expulsi sunt etc. Hierin ist aber zuvörderst das zwölfte Regierungsjahr eine grobe Unrichtigkeit, da Walja nach dem völlig zuverlässigen Idatius und Isidors Chron. Gothorum nur drei bis vier Jahre regierte.

Ferner ist es mit der Geschichte fast unvereinbar, daß die Hunnen bereits im Jahre 377 oder bald darauf Pannonien erobert hätten, wofür wir uns auf unser 6. und 7. Kapitel berufen.

Beinahe unglaublich auch ist, daß jenes Ereignis, wenn es ein wichtiges und hauptsächliches gewesen wäre, von den zeitgenössischen Chronisten Prosper und Idatius nicht erwähnt worden sein sollte. Vor allem aber setzt das ausdrückliche Zeugnis des unbedingt zuverlässigen Priscus (p. 147 d. Bonn. Ausg., vergl. auch p. 198) außer Zweifel, daß erst im Jahre 433 ein Teil von Pannonien an der Save den Hunnen abgetreten ward, die Gesamtprovinz also vorher römisch und zwar weströmisch gewesen sein muß, wonach wir weitere Gründe, z. B. die Unwahrscheinlichkeit eines feindlichen Vorgehens des Aëtius wider die ihm so eng befreundeten Hunnen, ganz übergehen, und Buats Ansicht (Hist. ancienne des peuples d'Europe VII, S. 291–295), daß Pannonien damals nicht durch West-, sondern durch Ostrom den Hunnen wieder abgenommen worden sei, aus den Anm. 735 zu Kap. 13 angeführten Gründen einer Widerlegung nicht würdigen.

Nichts desto weniger können wir Marcellins Nachricht nicht für willkürlich ansehen, äußern daher folgende Vermutung darüber. Es ist leicht möglich, daß einiges hunnische (oder solchen unterworfene germanische) Volk auf eigne Faust in das südliche Pannonien an der Save vorgedrungen war. Die Räumung dieser Gegend kam in dem gewiß schon im Jahre 424 mit Rua abgeschlossenen Vertrage bedungen, aber nicht vollzogen worden sein. Um dies zu bewirken kann nun Aëtius im Jahre 427, nachdem er mit Theoderich Frieden geschlossen, mit seinem durch gotische Söldner verstärkten Heere von Italien, wohin er zurückgekehrt war, sich Pannonien genähert und dabei auf freundlichem Wege die Befreiung dieser Provinz von jenen Eindringlingen erlangt haben. Jedenfalls weist Marcellins Ausdruck: receptae mehr auf friedliche Abtretung als auf Krieg hin, Jordanis aber ist bei seinen zahllosen Unrichtigkeiten überhaupt keine Autorität.

So läßt sich vielleicht die Notiz des Chronisten durch eine allzu kurze, daher ungenaue Wiedergabe einer in seinen Quellen aufgefundenen Erwähnung eines zwar nicht unwahren, aber jedenfalls unerheblichen Ereignisses erklären.

Nachdem Aëtius Arles entsetzt, den König der Westgoten zum Frieden gebracht und darauf (vielleicht D.) zu Rom die Intrige gegen Bonifacius gespielt hatte, wandte er sich im Jahre 427 oder 428 wieder zu den Waffen.

In letzterem Jahre vertrieb er nach Prosper Aquitanus die Franken aus dem Teile Galliens, den sie auf dem linken Rheinufer in Besitz genommen hatten, also über diesen Strom wieder zurück Pars Galliarum propinqua Rheno, quam Franci possidendam occupaverant, Aëtii comitis armis recepta., was wir jedoch hauptsächlich auf die ripuarischen, die Zerstörer von Trier, beschränken, da die salischen Franken Toxandrien auf Grund früherer kaiserlicher Verleihung inne hatten (s. Bd. I). Huschberg nimmt (S. 250) an, die Goten seien im Jahre 428 zum zweiten Male vor Arles gerückt, was von dem eilends nach dem Süden zurückgekehrten Aëtius wiederum entsetzt worden sei. (Vergl. aber Dahn, Könige V, S. 73.)

Nach Idatius (zum 6/7. Regierungsjahre Valentinians III.) hingegen wurden zuerst die Juthungen und die aufständischen Bewohner von Noricum, wohl germanische Kolonisten, von demselben besiegt, worauf er sich erst im folgenden Jahre gegen die Franken wandte, diese ebenfalls schlug und zum Frieden brachte. Superatis per Aëtium in cortamine Francis et in pace susceptis. Dies würde, selbst wenn wir das Jahr 423, da Honorius starb, als erstes seines Nachfolgers rechnen wollen, frühestens auf die Jahre 428, 429 und 430 fallen.

Da jedoch die Zeitangaben beider Chronisten überhaupt nicht genau zusammenstimmen, Idatius aber in Aufzeichnung der Ereignisse des Westens sonst sehr zuverlässig ist, der Feldzug nach Noricum auch von Prosper Tiro zum siebenten Jahre Valentinians bestätigt wird, so erklären wir uns die Sache so. Aëtius begann, nachdem er im Jahre 427, wo nicht schon Ende 426, aus Italien zur Armee zurückgekehrt war, seine Feldzüge zu Befreiung des Reichs von den eingedrungenen Barbaren, schlug damals zuerst die Franken hinaus, marschierte dann durch Rätien nach Noricum, vertrieb, vielleicht noch im Winter 428/29, die eingefallenen Juthungen, unterwarf die ganze Provinz wieder und erlangte dabei zugleich auf dem Wege der Verhandlung die früher bedungene Räumung Pannoniens von den Hunnen.

Darauf ging er über den Rhein zurück und brachte nun zuerst den Krieg gegen die Franken durch neuen Sieg und Friedensschluß zum Ende.

Vergleichen wir nun nochmals die Chronisten, so hat Prosper Aquitanus den ganzen unzweifelhaften Feldzug nach Noricum, sowie den zweiten gegen die Franken und den Frieden mit ihnen, Idatius aber wieder den ersten gegen dieses Volk unerwähnt gelassen.

Über den Krieg mit diesem letztern ersehen wir nun aus Sidonius Apollinaris (Panegyr. auf Majorian, Carm. V, v. 208–230), daß Aëtius, von Süden her anrückend, zuerst Tours, wohl gegen die Alanen (? D.), zu verteidigen hatte und dann die salischen Franken, welche unter Chlodio in das Land der Atrebaten (zwischen der oberen Schelde und Lys, Tournay und Arras) eingedrungen waren, besiegte, wobei der Kampf mit einer bei den Feinden gefeierten Hochzeit zusammenfiel. Doch sind diese poetischen Fragmente, deren Zweck nur Majorians Preis ist, welcher an diesem Feldzuge Teil nahm, viel zu unklar und unzusammenhängend, daraus annähernd treue Geschichte entnehmen zu lassen.

Wir wissen sogar nicht einmal, ob dieser Krieg mit dem von Prosper Aquitanus und Idatius berichteten, der im Wesentlichen wohl gegen die Ripuarier gerichtet war, in Einem Jahre zusammenfiel. Doch ist dies das Wahrscheinlichere: und Aëtius kann, wenn der Feldzug zeitig im Jahre 428 eröffnet ward, in demselben die Ripuarier geschlagen haben und vor dem Schluß des Jahres auch noch in Noricum eingerückt sein.

Auch die Burgunder mögen um diese Zeit, nordwestlich vordringend, das römische Belgien heimgesucht haben, worauf Aëtius (nach Sid. Apollin. Carm. VII, v. 239 und 240) denselben das Handwerk legte.

Um diese Zeit muß nun ganz Gallien, mit Ausnahme der doch nur kleinern Teile desselben, welche den Westgoten, Alanen, Burgundern, salischen Franken und wohl auch den Alemannen ausdrücklich oder stillschweigend eingeräumt worden waren, Roms Herrschaft wieder unterworfen gewesen sein.

Für diese Kriegstaten ward Aëtius im Jahre 429, nach Idatius im Jahre 7 Valentinians, zum Magister militum ernannt. Während seines Siegeslaufs wurde der (angebliche D.) Verrat entdeckt, den er gegen Bonifacius, seinen Feind, und zugleich, wenn auch wider seine Absicht, gegen das Reich geschmiedet hatte, das in dessen Folge Afrikas, einer seiner wichtigsten Provinzen, beraubt wurde.

Was Wunder, daß Placidia solchen Mann an der Spitze des einzigen gewaltigen Reichsheeres nicht als Hochverräter, wie er es verdient, behandeln konnte, ihn sogar noch durch Verleihung des Konsulats für das Jahr 432 ehren mußte.

Unstreitig aber, um sich eine Stütze wider ihn zu verschaffen, hatte sie im Jahre 429 Felix, dessen wichtigen Einflusses Prosper Aquitanus schon unter dem Jahre 427 gedenkt, gleichzeitig mit des Aëtius Erhebung, zum Patrizier ernannt.

Der ehrgeizige Feldherr aber duldete keine Nebenbuhler, ließ Felix daher, »weil er dessen Nachstellungen voraussah«, schon im Jahre 430 töten.

Auch dies mußte die Kaiserin schweigend hinnehmen. Als aber im Jahre 432 Bonifacius zwar als Flüchtling, aber doch wohl mit einem nicht unbedeutenden Heer, aus Afrika nach Italien heimkehrte, ernannte sie diesen, seiner Verschuldung und Niederlagen unerachtet, zum Magister militum, mag daher in ihm eine Hilfe gesucht und ihn, wenn auch nicht offen, sogar gegen Aëtius unterstützt haben, welcher damals als Konsul in Rom war.

An der Spitze ihrer Heere trafen sich die erbitterten Feinde; Bonifacius siegte, ward jedoch auf den Tod verwundet, wobei wir des Aëtius Niederlage vielleicht durch sein schwächeres Heer, dessen größter Teil in Gallien geblieben sein mag, und durch die besten Haustruppen der Kaiserin, welche Bonifacius überlassen worden sein mögen, erklären dürfen. Letzterer starb nach wenigen Tagen Nur Marcellin sagt im dritten Monat., Aëtius aber floh über Dalmatien Prosper Aquitanus sagt zum Jahre 432: Aëtius habe sich nach der verlornen Schlacht zuerst auf sein Landgut begeben, als ihn aber einer seiner Feinde überfallen wollen, sei er geflohen und zwar zuerst zur Stadt (ad urbem, was auch Konstantinopel bedeuten könnte), dann nach Dalmatien, und von da durch Pannonien zu den Hunnen, durch deren Freundschaft und Hilfe er Frieden mit den Fürsten (pacem principum, Plac. u. Valent.) und die Erneuerung seiner Amtsgewalt erlangt habe. So unwahrscheinlich es ist, daß sich Aëtius nach Rom zurück oder über Konstantinopel nach Dalmatien begeben habe, so halten wir doch Ersteres noch für das Glaubhaftere, da es möglicherweise im Geheimen geschehen sein könnte. zu seinen alten Freunden, den Hunnen (über welche Rugilas herrschte), was seine feindselige Stellung zur Kaiserin außer Zweifel setzt. (Prosper Aquitanus, Idatius und Marcellin.)

Placidia war zu verständig, um nicht, jedwedes bittre Gefühl unterdrückend, des Aëtius Unentbehrlichkeit für das Reich zu erkennen, ihn daher schon im Jahre 433 Prosper Tiro, die einzige Quelle, führt seine Rückkehr schon unter 432 an, anscheinend aber nur des Zusammenhanges mit der Flucht halber, da er erst unter 433 sagt: Aëtius in »gratiam receptus«. wieder in Gnaden anzunehmen. Gewiß kam er nur unter Bedingungen zurück, deren Erfüllung das Hunnenheer sicherte, das er, um es in römischen Sold zu stellen, mitbrachte, nachdem er mit dem Hunnenherrscher Rugilas, der sich auch nach Prosper Aquitanus bei der Kaiserin für ihn verwendet hatte, schon vorher Frieden für Rom geschlossen.

Die Erneuerung seines Amts und der Patriziat, der erste Rang im Reiche, begrüßten seine Rückkehr.

Schon gab es in Gallien für ihn wieder Arbeit. Im nordwestlichen (Gallia ulterior: Huschberg S. 453 glaubt nicht ohne Grund in Aremorica) hatte, nach Prosper Tiro (zum Jahre 433), ein gewisser Tibato an der Spitze der Bagauden, zu welchen Sklaven aus dem ganzen Lande strömten, das Banner der Empörung erhoben. Die Gefahr muß groß gewesen sein, da derselbe Chronist vom vorhergehenden Jahre 432 berichtet, die Goten seien von den Römern zu Hilfe gerufen worden, was wohl gegen diesen auch deren Besitz gefährdenden, innern Feind geschehen ist.

Der Aufstand ward auch nach dieser Quelle erst im Jahre 436 durch Gefangennehmung und Tötung Tibatos und der übrigen Häupter vollständig unterdrückt.

Von des Aëtius Wirksamkeit in Gallien, wohin er sicherlich schon im Jahre 434 mit den hunnischen Hilfsvölkern gegangen war, ist erst im Jahre 435 wieder die Rede, in welchem er einen großen Krieg wider die Burgunder, die sich gefahrdrohend empört haben müssen, mit solchem Glücke führte, daß deren König Gundikar um Frieden bat, den er auch erhielt: bald darauf wurde er durch die Hunnen mit einem großen Teil seines Volkes und mit seinem ganzen Geschlechte vernichtet. Prosper Aquitanus: Eodem tempore Gundicarium Burgundiorum regem intra habitutem Aëtius bello obtinuit pacemque ei supplicanti dedit, qua non diu potitus est. Siquidem illum Hunni cum populo atque stirpe sua deleverunt.

Vergleiche hierzu:

Prosper Tiro: Bellum contra Burgundiorum gentem memorabile exarsit, quo universa gens cum rege per Aëtium deleta. (Die gewöhnliche Lesart Peretio statt per Aëtium ist offenbar falsch.)

Idatius vom Jahre 435: Burgundiones qui rebellaverant a Romanis duce Aëtio debellantur; vom Jahre 436: Burgundionum caesa viginti millia.

Wir haben über diese Ereignisse außer den Chronisten auch noch eine ausführliche Nachricht in Sokrates (VII, 30), die zwar von Unwahrheiten strotzt, in Verbindung mit jenen Quellen jedoch Folgendes außer Zweifel setzt

Von Aëtius geschlagen erbten und erhielten die Burgunder Frieden. In diesem Kriege mag derselbe hauptsächlich das Hunnenheer in römischem Solde gebraucht haben, welches nach Sokrates, der diesen Namen nicht erfunden haben kann, Uptar, wohl der von Jordanis erwähnte Octar, der Bruder des frühern und Oheim der spätem Hunnenherrscher, führte.

Jenes Heer mag nach diesem Feldzug, als für den Augenblick müßig, in dem den Burgundern abgenommenen Lande oder dessen Nähe kantoniert worden sein. Von Rache getrieben oder durch neue Beleidigung gereizt, benutzten Letztere nun eine günstige Gelegenheit, über die Hunnen herzufallen und denselben eine schwere Niederlage beizubringen, was, wie Sokrates berichtet, unmittelbar nach dem plötzlichen Tode ihres (an Unmäßigkeit gestorbenen) Königs Uptar geschehen sei. Die Vergeltung aber blieb nicht aus, da im folgenden Jahre 436, nach Idatius, 20 000 Burgunder niedergehauen wurden, was mit der von Prosper Aquitanus im Jahre 435 als etwas später erfolgt angeführten (angeblichen D.) Vernichtung jenes Volkes durch die Hunnen identisch sein muß. Die furchtbare Niederlage hat nun die Sage, welche alles Schauerliche und Gewaltige an Attila knüpfte, späterhin diesem zugeschrieben, und daraus ist die grause Burgunderschlacht des Nibelungenepos hervorgegangen. Den Resten dieses Volkes ward übrigens späterhin im Jahre 442 (Prosper Tiro) Savoyen dergestalt angewiesen, daß sie dessen Grund und Boden mit den alten Einwohnern zu teilen hatten. Dieser Burgunderkrieg ist von Thierry auf Grund von Sokrates (VII, 80) in seiner Geschichte Attilas durchaus irrig. Es ist gefährlich, ein aus dem Ganzen herausgerissenes Stück Geschichte, ohne genaue Studien der Vorzeit und des nur hiernach zu bemessenden Wertes der Quellen, zu schreiben. Dies schicken wir zu einiger Entschuldigung eines sonst so geschätzten Historikers, wie Thierry, voraus, welcher den Sokrates (VII, 30) in Teil 1 (S. 45–47) seiner Geschichte Attilas fast wörtlich, nur mit einigen unglücklichen Zusätzen, nachschreibt.

Sokrates läßt die Burgunder, die der Zeit- und Landesgenosse Prosper Aquitanus ausdrücklich intra Galliam habitantes nennt, jenseits (πέραν) des Rheines sitzen und von Handwerk leben, die Hunnen sie angreifen und deren Land plündern. Ratlos hätten sich nun Erstere an Gott gewendet und wahrnehmend, wie dieser den Römern die sicherste Hilfe gewähre (wunderbare Faselei), seien sie zu einem christlichen Bischofe Galliens gereist (also das ganze Volk), um von diesem getauft zu werden, was derselbe ihnen auch nach siebentägigem Fasten und Unterricht gewährt habe.

Darauf seien sie vertrauensvoll zurückgekehrt, und hätten die Hunnen nach dem plötzlichen Tode von deren König Octar dergestalt überfallen, daß 3000 Burgunder 10 000 Hunnen niedergehauen hätten. Seitdem seien sie die eifrigsten Christen.

Um dieselbe Zeit, unter dem Konsulate Theodosius XIII. und Valentinians III., d. i. im Jahre 430, sei der arianische Bischof Barba gestorben.

Diese Erzählung, bei der es offenbar nur auf den Triumph des Christentums abgesehen ist, charakterisiert sich selbst, bedarf keiner weitern Kritik.

Auf die vorstehende Erwähnung der Burgunder verweisend wiederholen wir hier nur kurz, daß dieselben doch unzweifelhaft bei der allgemeinen Völkerflut des Jahres 406 sich in Gallien niederließen und namentlich unter ihrem Könige Günther (möglicherweise derselbe mit Prosper Aquitanus Gundicar im Jahre 435) im Jahre 411 bei der Usurpation des Jovinus sich beteiligten, auch im Jahre 413 einen Teil Galliens unfern des Rheins erhielten, schon bei diesem Anlasse aber oder mindestens bald nachher Christen wurden, wie dies der Zeitgenosse Orosius, der nur bis zum Jahre 417 schrieb, an zwei Stellen (VII, 32 und 41) ausdrücklich versichert, wo er zugleich ihrer Wohnsitze in Gallien gedenkt. Sokrates dagegen versetzt ihren Krieg mit den Hunnen, der nach dem übereinstimmenden Zeugnisse der drei Chronisten im Jahre 435 stattfand, in das Jahr 430 und bringt zugleich deren fast zwanzig Jahre früher erfolgten Übertritt zum Christentum damit in Verbindung. Daß aber die neuen Christen, ihrer Bekehrung unerachtet, von den Hunnen schließlich doch beinahe ganz aufgerieben worden sind, verschweigt er unstreitig aus Absicht.

Thierry endlich nimmt an diesen handgreiflichen Unwahrheiten keinen Anstoß, sondern vermehrt sie noch dadurch, daß er einen Teil der Burgundionen fortwährend in den von Ammian (XVIII, 2) zur Zeit Julians und Valentinians I. bezeugten Sitzen am Fusse der herkynischen Gebirge und am Ufer des Mains, genauer in Franken und Schwaben (Bd. I, S. 537), unter einem theokratischen Regimente beharren läßt. Eine solche Spaltung des Volkes, wonach ein Teil desselben auf dem rechten Rheinufer zurückgeblieben wäre, ist zwar wohl möglich, es findet sich aber nicht nur in den Quellen nicht die geringste Spur davon, sondern es ist auch höchst unwahrscheinlich, daß sich ein Teil desselben gerade bei solchem Glückswechsel freiwillig von der Eroberung ausgeschlossen habe.

Ferner läßt er das Hunnenvolk für eigne Rechnung von der Donau unterhalb Pest bis an die Gegend von Würzburg, neunzig bis hundert Meilen weit, zu den Burgundern vordringen, was doch, da der Böhmerwald zwischen Linz und Passau bis zur Donau vorrückt, fast nur durch Noricum und Rätien, die nach S. 115 und 126 wieder römisch waren, geschehen konnte, obwohl die Hunnen mit Rom unmittelbar vorher Frieden geschlossen hatten. Was aber nach dieser militärischen Promenade mit dem Hunnenheere geworden sei, läßt er völlig unerörtert, obgleich er sehr wohl weiß, daß die hunnische Plünderung und Eroberung später in den Jahren 434–447, wie wir weiter unten sehen werden, in ganz anderer Richtung hin vorschritt.

Genug über diesen Irrtum. (Vergl. über all dies Binding I, S. 3 f. und Dahn, Könige V, S. 78.)

aufgefaßt worden. (Aber auch obiger Text enthält nur sehr fragwürdige Vermutungen. D.)

Im Jahre 436 brachen die Westgoten wiederum aus unbekanntem Grunde den Frieden, besetzten einen Teil römischen Gebietes und belagerten Narbonne.

Schon war dies durch Mangel an Proviant hart bedrängt, als der römische General Litorius mit einem Trupp Reiter, deren Jeder einen Sack mit etwa sechs Metzen Weizen mit sich führte, die Zernierungslinie, wahrscheinlich in der Nacht, durchbrach, und der Gefahr des Augenblicks abhalf. Daran muß sich bald darauf, indem das Hauptcorps vermutlich nachfolgte, ein entscheidendes Treffen geschlossen haben, da der Chronist bemerkt, Litorius habe die Goten auf das Tapferste in die Flucht geschlagen (Prosper Aquitanus und Idatius). Idatius schreibt Narbonnes Entsatz dem Aëtius selbst zu, der Litorius übrigens dazu kommandiert haben muß. Jedenfalls verdient der ausführlichere Prosper Aquitanus mehr Glauben. (Vergl. aber Dahn, Könige V, S. 74.)

Der Krieg, zu welchem Aëtius nun auch das hunnische Hilfsheer heranführte, dauerte in den Jahren 437 und 438 und zwar siegreich für die Römer fort, da der Feldherr nach Idatius im Jahre 437 8000 Goten niederhieb. Erst im Jahre 439 wandte sich das Glück, indem Litorius, der Zweite im Range nach Aëtius, während dessen Abwesenheit voll Dünkels und Übermuts seines Feldherrn Ruhm zu verdunkeln strebend, überdies trügerischen Wahrzeichen folgend, Theoderichs Friedensvorschlägen kein Gehör gab, ihn vielmehr in der Hauptstadt Toulouse an der Spitze der Hunnen selbst angriff. Der Sturm aber muß mißlungen sein; die Hunnen wurden geschlagen, Litorius selbst verwundet und getötet, oder, worüber die Quellen schwanken, schmachvoll eingekerkert. (Vergl. aber Könige V, S. 75.)

Salvian, der nächst Prosper Aquitanus und Idatius dies Ereignis weitläufig bespricht, erblickt darin, seiner Tendenz gemäß, nur eine Folge der Gottlosigkeit der Römer und der Frömmigkeit der Goten.

Darauf erschien Aëtius selbst und schloß noch in demselben Jahre, wohl auf Grund des alten Besitzstandes, Frieden mit den Goten, den diese demütiger als sonst erbaten.

Ganz Gallien war nun so vollständig beruhigt, daß der Feldherr unbesorgt nach Italien zurückgehen konnte. Dieser Zustand muß auch im Wesentlichen über ein Jahrzehnt bis zum Hunneneinbruche fortgedauert haben, da die Chronisten fernerer Ereignisse, namentlich kriegerischer in dieser Provinz nicht gedenken.

Nur von den Alanen erwähnt Prosper Tiro, daß ihnen unter dem Könige Sambida im Jahre 439 das wüste Gebiet der Stadt Valentina zur Teilung überlassen worden Deserta Valentinae urbis rura Alanisi, quibus Sambida praeerat, partienda traduntur., sowie vom Jahre 441: daß die Alanen, welchen Aëtius eine Gegend des hintern Galliens (Galliae ulterioris) zur Teilung mit den Bewohnern angewiesen habe, letztere mit Gewalt vertrieben und sich des Landes allein angemaßt hätten. Man darf aus der zweiten Nachricht wohl annehmen, daß die in ersterer genannte Stadt Valentina nicht Valentia (Valence) an dem Rhone mitten in der altrömischen Provinz gewesen sein kann. Da auch die Alanen zehn Jahre später in der Umgegend von Orleans sitzen, so ist kaum zu zweifeln, daß auch die ganze Ansiedlung derselben überhaupt in der Nähe der Loire stattgefunden habe. Huschberg nimmt eine doppelte Ansiedelung und die erste allerdings bei Valence an. Wir verkennen nicht, daß dies der Quelle entsprechender scheint. Doch ist sowohl die Spaltung dieses ohnehin nur kleinern Volkes als dessen Ansiedelung mitten zwischen den römischen Hauptstädten Vienne und Arles sehr unwahrscheinlich. (S. dagegen Dahn, Könige I, S. 264.)

Wir wenden uns zu einer kurzen Darstellung der Vorgänge in Spanien vom Jahre 428 an, die wir allein, aber auch ziemlich vollständig, bei Idatius finden.

Der Suebenkönig Hermerich war anscheinend schon bejahrt, unternahm daher, zumal nach der Niederlage (Hermigars D.) durch Gaiserich im Jahre 429, auch gegen Rom nichts Wesentliches.

Sein Gebiet, das hauptsächlich wohl in Asturien bestand, muß damals klein, daher nicht allein das gesamte übrige Spanien nach Abzug der Vandalen und Alanen, sondern selbst der größte Teil Galläciens noch römisch gewesen sein, da die Sueben dessen mittlere Gegend im Jahre 429 plünderten: sie erlitten aber durch Ausfalle der in den festen Plätzen eingeschlossenen Bewohner merkliche Verluste, in deren Folge die Streitenden unter Herausgabe der beiderseitigen Gefangenen den gebrochenen Frieden erneuerten.

Schon im nächsten Jahre (430) aber ward dieser wieder verletzt, worauf sich Idatius als Abgeordneter seiner Mitbürger zu Aëtius begab und mit Censorius, einem Gesandten desselben an Hermerich, zurückkehrte: nun ward im Jahre 432 unter bischöflicher Vermittlung (wohl des Idatius selbst) Derselbe war Bischof zu Aquae Flaviae, jetzt Chiaves, im nördlichen Portugal. mit den Galläciern Friede geschlossen und durch gegenseitige Geiseln verbürgt, der diesmal auch im Wesentlichen bis zum Jahre 438 bestand.

Im Jahre 437 hatte Hermerich, der im Jahre 440 nach siebenjährigem schweren Krankenlager starb, die Regierung mit seinem Sohne Rekila geteilt, welcher nun, von Kriegsdrang erfüllt, im Jahre 438 der Hauptstadt Lusitaniens, Emerita (Merida), sich bemächtigte und bis zum Jahre 441 Sevilla, sowie die ganze bätische und carthaginiensische Provinz eroberte.

Da ward der Feldherr Asturius, der wohl kaum der von Idatius im Jahre 420 oder 421 unter dem Namen Asterius erwähnte gewesen sein kann, nach Spanien gesandt, hatte aber nebst seinem Schwiegersohne und Nachfolger, Merobaudes, mit der Unterdrückung der auch in der tarraconensischen Provinz aufgetauchten Bagauden so viel zu tun, daß er sich nicht gegen die Sueben wenden konnte.

Erst der Feldherr Vitus drang im Jahre 446 mit einem starken gotischen Hilfsheere durch Carthagena nach Bätica vor, mußte aber, nachdem die plündernden Goten von dem Suebenkönige geschlagen worden waren, schimpflich wieder abziehen, worauf diese Provinzen die furchtbarste Verheerung erlitten.

Im August 448 verschied zu Merida, das er wohl bei des Reiches neuem Umfange zur Residenz erwählt hatte, Rekila und zwar, nach des Idatius ausdrücklicher Versicherung, noch als Heide. Ihm folgte, nicht ohne geheimen Widerstand von Nebenbuhlern, sein Sohn Rekiar (448 bis 456), der Christ wurde und das katholische Bekenntnis annahm. Da Idatius den Rechila ausdrücklich gentilis nennt, können wir nicht bezweifeln, daß er als Heide starb. Gleichwohl muß es unter den Sueben auch viele Christen gegeben haben, da Orosius, der doch mit ihnen in einem Lande lebte, sie sonst unmöglich (VII, 41) dazu hätte rechnen können.

(Sie waren größtenteils Heiden, andere Katholiken, erst seit J. 463 in Masse Arianer. Vergl. Dahn, Könige V, S.568).

Derselbe weihte seine Regierung sogleich durch eine Raubfahrt in römisches Gebiet ein. Im folgenden Jahre (Februar 449) vermählte er sich mit Theoderichs Tochter und verband damit, anscheinend Dieser Vermutung steht allerdings der Zweifel entgegen, daß Rekiar solchen Falls vier Monate bei Theoderich in Gallien verweilt haben müßte. Auch scheint nach des Idatius Worten die Raubfahrt im Juli mit einem zweiten Besuche Theoderichs verbunden worden zu sein. (S. aber Dahn, Könige VI, S. 562–563.) auf der Hin- und Rückreise nach Toulouse, wiederum zwei (? D.) Plünderungszüge, den ersten im Februar in den bastischen Provinzen, den zweiten im Juli in Aragonien und dem angrenzenden Catalonien, bei welchem er sich sogar durch List des festen Ilerda (Lerida) bemächtigte, mit Beute und Gefangenen beladen aber wieder abzog.

Ähnlich, wiewohl mit geringerem Erfolge, da Idatius dessen nicht weiter gedenkt, mag es auch in den folgenden Jahren hergegangen sein, bis nach demselben im Jahre 451/52 durch Mansuetus und Fronto zwischen Rom und den Sueben Friede beraten und 454 geschlossen ward, wozu letztere wohl in Folge der Besiegung Attilas durch Aëtius geneigter geworden sein mögen.

Wir ersehen aus Obigem, daß am Schlusse dieses Zeitabschnitts der westlichste Teil der Provinz Tarragona, Asturien und Galläcien, sowie Lusitania und Bätica, wiewohl letzteres sicherlich mit Ausnahme der festen Seeplätze am Mittelmeer, im Besitz der Sueben, der übrige Teil der tarraconensischen Provinz jedoch, der immer noch beinahe die Hälfte von ganz Spanien umfaßte, fortwährend römisch war.

Da dieser Bezirk aber durch eine feste Grenzwehr, das einzige Verteidigungsmittel gegen Barbaren, nicht geschützt war, die in den festen Städten des Landes konzentrierten römischen Truppen auch nicht genügend abwehren konnten, so mag das offene Land den Raubfahrten der Sueben, des Friedens unerachtet, doch mehr oder minder preisgegeben geblieben sein.

In diese Zeit fallen auch (nach Prosper Tiro zum Jahre 440) die Anfänge der angelsächsischen Eroberung Britanniens, die jedoch, weil diese Provinz von Rom bereits vorher aufgegeben war, nicht mehr der Geschichte der Zertrümmerung des Westreichs, sondern der des germanischen Neubaues angehört.

Wir wenden uns schließlich von den Provinzen zum Hofe zurück, dessen Sitz, größtenteils wenigstens, auch ferner in Ravenna blieb, wenn auch in dieser Zeit nur wenig von ihm zu berichten ist.

Im Jahre 434 ereignete sich ein arger Skandal, indem nach Marcellin des Kaisers Schwester, die höchstens siebzehnjährige Honoria, wegen zu vertrauten Umgangs mit ihrem Procurator (wohl Verwalter ihres Vermögens), der von Folgen gewesen war, nach Konstantinopel geschickt wurde. Von dort soll sie nun Attila gegen das Westreich aufzuwiegeln versucht haben oder mindestens, wie es in einigen Handschriften von Marcellins Chronik nur heißt, ihren feindlichen Sinn gegen dasselbe dargelegt haben. Da jedoch Attila damals noch völlig unberühmt war, so hat der Chronist offenbar ein weit späteres Ereignis, auf das wir weiter unten noch kommen werden, irrtümlich oder ungenau hierher bezogen.

Im Jahr 437 vermählte sich Valentinian III. mit Theodosius II. Tochter Eudoxia zu Konstantinopel.

In demselben Jahr erfolgte am 24. Dezember durch den Senat zu Rom die öffentliche Bekanntmachung der unter dem Namen des Theodosianischen Codex bekannten Gesetzsammlung. Dieser Kaiser scheint, gleich seinem Oheim Honorius, bei gänzlichem Mangel und Tatkraft, doch Sinn und Verstand für das Regiment auf dem Papiere, namentlich auch das größte Interesse für das kirchliche, gehabt zu haben.

Dabei ward in dem auf die Publikationsverordnung folgenden Gesetze beider Kaiser (de Theod. codicis auctoritate vom Jahre 438) zugleich verordnet, daß fortan die Gesetze des Einen im Reichsteile des andern nicht ohne Weiteres, sondern nur unter besonderer Voraussetzung und gegenseitiger Zustimmung Gültigkeit haben sollten. Daraus folgt jedoch keinesweges die staatsrechtliche Aufhebung der bisherigen Reichseinheit, wie dies schon die merkwürdige Herausgabe des neuen Codex durch den Senat zu Rom, als der ersten Hauptstadt des Gesamtreichs, die Fortdauer der gemeinschaftlichen Konsulate und anderes mehr verbürgen.

Im Jahre 450 starb zuerst Theodosius und am 27. Dezember auch Placidia. Dieselbe muß eine verständige und tüchtige Frau, fähig, das Gefühl des Weibes der Pflicht der Regentin unterzuordnen, gewesen sein. Das Mißraten oder mindestens die Nichtigkeit ihres Sohnes Valentinian III. darf man ihr ebensowenig anrechnen, als man M. Aurelius und Theodosius den Großen für Commodus und Arcadius, welcher Letztere bei des Vaters Tode doch schon achtzehn Jahre alt war, verantwortlich machen darf.


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