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Siebentes Kapitel.
Theodosius mit Gratian und Valentinian II.

Die Quellen für des Theodosius Regierung sind folgende:

1. Zosimus. Für diese Zeit ist nach des Photius ausdrücklicher Versicherung vor allem Eunapius sein Gewährsmann, dessen Haß und Schmähung des großen, aber dem Heidentume so feindlichen Kaisers er getreu wiedergibt. Immer aber bleibt Zosimus, mit historischem Takte benutzt, eine äußerst wichtige, für manches die einzige Quelle.

2. Eunapius: einzelne Fragmente (in der Bonner Ausgabe, Fr. 7, p. 48, 42–44, p. 78 u. 79, 46–51, p. 82–86, ferner die aus Suidas entlehnten nach Boissonades Vermutung, Fr. 15–21, p. 112–113). Letztere sind von sehr geringem Werte, weil größtenteils mehr Urteile, als Tatsachen enthaltend. Die wichtigsten derselben eind. die Nrn. 7 und 46, sowie Nr. 17 aus Suidas.

3. Symmachus, zehn Bücher Briefe, wozu noch die von Angelo Mai aufgefundenen und im Jahre 1815 herausgegebenen kommen: wichtiger für die Rechts- und Kirchengeschichte, als für die politische. Der Eitelkeit auf seinen Brief- und Geschäftsstil verdanken wir deren Erhaltung. Symmachus war ein vornehmer und geistreicher Mann, eifriger Heide, gleichwohl im Jahre 384 Stadtpräfekt zu Rom und 391 Konsul, übrigens ein echter Römer seiner Zeit. Der Brief X, 54, wegen Wiederherstellung des Altars der Siegesgöttin zu Rom und der alten Privilegien des heidnischen Kultus, ist einer der merkwürdigsten Belege geschickter Verteidigung einer mißliebigen Sache (des Wühlens im Schmutze mit goldenem Grabscheite, wie Prudentius sagt).

Aber auch des Ambrosius Erwiderungen darauf verdienen die höchste Anerkennung. Wer Symmachus studieren will, dem empfehlen wir zunächst Tillemonts Note 21 zu Theodosius, der überzeugend nachweist, daß die in den Ausgaben an Theodosius adressierten Briefe großenteils an Valentinian II. gerichtet sind.

4. Die Chronisten, von denen, nach dem Ende von Hieronymus mit dem Jahre 378, von des Theodosius Regierung im Jahre 379 an eine neue Reihe eintritt, und zwar

a) Prosper Aquitanus vom Jahre 379 bis 455, oder mindestens 433,

b) Prosper Tiro auf dieselbe Zeit,

c) Idatius, Bischof zu Aquae Flaviae (Chiaves) in Galläcien in Spanien, von dem wir zwei Werke haben:

aa) Fastos consulares vom Anfange der Republik bis zum Jahre 465 n. Chr., das nur von 304 n. Chr. auch historische Notizen enthält, und

bb) Chronicon imperiale vom Jahre 379–469 n. Chr.

d) Marcellinus Comes, der unter Justinian lebte, von 379–534, durch einen andern bis 566 fortgesetzt.

e) Die Chronik eines Unbekannten, die nach deren Herausgeber Cuspinianus mit diesem Namen bezeichnet wird, beginnt zwar von Erbauung Roms, wird aber erst vom Jahre 379 an beachtungswert, und gewährt namentlich für die Zeitrechnung wichtige Notizen.

Da die Zusammensteller dieser summarischen Nachrichten, von denen die drei ersten des Theodosius Zeit sehr nahe standen, mit Leichtigkeit die zuverlässigsten Quellen haben konnten, so verdienen sie in der Regel vollen Glauben.

Wenn sich dieselben gleichwohl bisweilen widersprechen, ja hier und da sogar eine offenbar unrichtige Zeitangabe enthalten, so dürfte dies wohl mehr den spätern Abschreibern dieser ihrer praktischen Brauchbarkeit halber gewiß sehr häufig vervielfältigten historischen Übersichten zur Last zu legen sein.

5. Die Lobredner in Prosa und Versen, über deren Manier und Quellenwert wir uns auf Bd. I beziehen.

a) Themistius, von dem wir sechs, für die erste Zeit von Theodosius nicht unwichtige Reden haben.

aa) Orat. 14 vom Jahre 379 gegen Mitte des Sommers; Glückwunsch zu des Theodosius Thronbesteigung.

bb) 15. Vom Anfang des Jahres 381.

cc) 16. Bei Beginn des Jahres 383; Glückwunsch für den Frieden mit den Goten und dem neuen Konsul Saturnin.

dd) 17. Vom 12. September 384 nach des Themistius Ernennung zum Stadtpräfekt in Konstantinopel.

ee) 18. Von demselben Jahre und fast derselben Zeit.

ff) 19. Vom Jahre 385.

Wir zitieren deren Zahl und Seiten nach der Ausgabe von Harduin.

Themistius, dessen wir Bd. I mehrfach gedachten, scheint jeder Religion gehuldigt zu haben, die gerade in der Mode war. Man hält ihn indes, weil er sich nirgends mit Entschiedenheit zum Christentum bekannt hat, mit Recht wohl für einen Heiden, während

b) Ausonius, Gratians Erzieher, von den kritischen Schriftstellern offenbar mit Unrecht für einen solchen erklärt wird, wie dessen Herausgeber Souchai, Mitglied der Akademie, Paris 1730. Vorr. S. XXIV überzeugend dartut. Letzterm folgt auch Bahr, Geschichte der römischen Literatur I, S. 474.

Wir haben von ihm (in Prosa) nur die gratiarum actio pro consulatu, zu dem er für das Jahr 379 von Gratian berufen ward, die aber erst gegen Ende des Jahres zu Trier vor dem Kaiser gehalten ward.

Die Lobredner sind wichtiger durch das, was sie nicht sagen, als durch das, was sie anführen, weil man von deren Handwerk voraussetzen muß, daß sie nichts irgendwie zum Ruhm ihres Kaisers Gereichendes verschwiegen.

c) Pacatus, Lobrede auf Theodosius vom Jahre 389, die für dessen Krieg gegen Maximus von großem Interesse ist.

Tiefer fast als die Prosaiker steht in bezug auf die Wahrheitstreue

d) der Dichter Claudian. Jene waren durch die Gegenwart des Kaisers oder einer hohen Versammlung doch noch zu Beobachtung eines gewissen Anstands verpflichtet. Diesem ist die Form, worin er allerdings vorzügliches leistet (Er ist – was die Form betrifft – einer der allervorzüglichst begabten römischen Dichter. D.), ausschließlich Zweck und Grenze.

Gleichwohl ist derselbe, wo Tendenz nicht direkt vorliegt, sondern nur Historisches erwähnt wird, von hoher Wichtigkeit, wie in den Gedichten de III. und de IV. consulatu Honorii über Theodosius.

Von unersetzlichem Wert aber ist derselbe, unter obiger Beschränkung, für die Regierung des Arcadius und Honorius.

6. Von den kirchlichen Quellen sind für des Theodosius Zeit Sokrates und Sozomenos fortwährend wichtig, keineswegs aber, besonders letzterer, durchaus zuverlässig. Unter den rein theologischen Schriftstellern ist der Zeitgenosse Ambrosius, besonders über Valentinian II., von großem Interesse. Da diese insgesamt aber nie für einen historischen, sondern stets nur für einen kirchlichen Zweck schreiben, sind sie doch nur mit Vorsicht zu benutzen.

Wir teilen dieses Kapitel in drei Abschnitte.

I. Theodosius bis zu Gratians Tode im Jahre 383.

Kaiser Valens schlug, ohne seinen Neffen Gratian abzuwarten. Er fiel und mit ihm sanken, nach römischem Berichte, mindestens zwei Dritteile seines Heeres.

Groß der materielle Machtverlust, ungleich größer der moralische.

Nach Abzug der Goten von Adrianopel gen Perinth und Konstantinopel rettete sich ein Teil der Trümmer des Heeres unter Victors Führung (Zosimus IV, 24) zu Gratian, der damals wahrscheinlich schon bis Sardica, dreiundvierzig deutsche Meilen von Adrianopel, vorgerückt war. (Amm. XXXI, 16, S. 290.)

Erneuerung des Krieges, Sühnung der unerhörten Niederlage durch Sieg mochte ihm, und zwar mit Recht, untunlich erscheinen.

Dazu war das aus dem fernen Westen mitgeführte Hilfskorps wohl zu schwach, der Zuwachs durch jene Flüchtlinge aber, weil von panischer Gotenfurcht ergriffen, eher gefährlich als förderlich.

Auch war der Feind nicht gesammelt und im Anzuge, sondern auf Raubfahrt zerstreut, der Operationsplan daher äußerst schwierig, der Krieg jedenfalls weit aussehend.

Darum zog sich Gratian zu Deckung des Westens zurück, wahrscheinlich bis Sirmium, wo wir ihn zu Anfang des Jahres 379 finden.

Vor allem erfüllte ihn nun die Sorge um die Zukunft. Legitimer Erbe des Ostreichs hatte der noch nicht zwanzigjährige Gratian war nach Idatius den 18. April, nach dem Chronicon Paschale den 23. Mai 359 geboren. Jüngling zu wenig Herrschsucht und zu richtiges Selbstgefühl, sich der Verteidigung einer Welt gegen zahllose furchtbare Feinde für gewachsen zu halten. Was der Vater schon in der Zeit der Ruhe getan, mußte ihm bei solcher Not unvermeidlich erscheinen: – neue Teilung des Reiches: zugleich und vor allem aber die Aufsuchung des besten Herrschers für das so schwer bedrängte östliche Gebiet.

Diesen suchte, diesen fand er in dem verbannten gleichnamigen Sohn eines großen Vaters, des edlen Theodosius, der, ein Opfer der Kabale, durch ihn selbst – gewiß schuldlos – getötet worden war.

Kurz war Gratians Regierung, sein frühes Ende nicht unverschuldet, des Theodosius Berufung aber eine rettende Tat für das sinkende Rom, von um so höherem Verdienste, je mehr es ihn Überwindung gekostet haben muß, den durch ihn selbst so tief gekränkten so hoch zu erheben.

Am 19. Januar 379 ward Theodosius zu Sirmium in seinem dreiunddreißigsten Lebensjahre mit dem Purpur bekleidet und nicht allein der Orient mit Thrakien, sondern auch die ganze Präfektur Illyricum mit den Diözesen Dakien und Makedonien ihm abgetreten.

Theodosius war wahrscheinlich im Jahre 346 Sokrates (V, 26) und Sozomenos (VIII, 1) machen ihn zehn Jahre älter. Obige Angabe fußt auf der Epitome Aur. Victors c. 48, 19, die durch Ammian (XXIX, 6) wesentlich unterstützt wird. Das Zeugnis des einzigen Marcellinus, daß er aus Italien gebürtig gewesen, wird durch alle übrigen Quellen widerlegt. in Cauca, einer Stadt Galläciens in Spanien, geboren. Des Vaters Begleiter in dessen Kriegen und Siegen hatte er in Britannien gegen Picten und Scoten wie in Afrika gegen die Mauren sich ausgezeichnet, muß aber mindestens schon mit Anfang des Jahres 374 zum Befehlshaber in Obermösien ernannt worden sein, wo er während des pannonischen Krieges im diesem Jahr auf eigene Faust vom Süden her die Sarmaten angriff und durch mehrfache Siege der, für den Augenblick wenigstens, schon verlorenen Sache Roms noch Rettung brachte.

Nach des Vaters Hinrichtung verbannt oder mindestens entlassen zog er sich auf seine Güter nach Spanien zurück, wo ihn der Ruf zur Weltherrschaft fand.

Constantin der Große war der Anfänger der Erhebung des Christentums zur Weltreligion, Theodosius ward der Vollender.

Der in allem Politischen höchst unzuverlässige Theodoret läßt (in seiner eccl. historia V, 5) des Theodosius Ernennung zum Kaiser einen umständlich beschriebenen Sieg vorausgehen, den er, von Gratian mit einem Korps detachiert, über die Goten erfochten habe. Dies ist ein albernes Märchen, das (wie Gibbon Kap. XXVI, not. 110 richtig bemerkt) auf Verwechselung mit dem Sarmatensiege des Jahres 374 beruht.

Gratian brauchte einen Kaiser, aber keine Generale, deren er aus Julians und Valentinians Schule in Saturnin, Victor, Richomer, Arbogast u. a. m. bewährtere und erfahrenere, als dieser junge Mann war, hatte. Ein Kommando solcher Art ziemte auch dem künftigen Herrscher nicht, vor allem aber hätte dessen Lobredner Themistius in seiner Glückwünschungsrede von der Mitte des Jahres 379 In dieser sagt er sogar S. 181: »Wenn Du nicht einmal die Schlachtreihe gegen diese Unholde aufgestellt, sondern durch bloßes Lagern in der Nähe und Blockieren deren Übermut gebrochen hast.« Kann etwas deutlicher sein? (orat. 14), so wie in der 15., wo er p. 198 (ed. Hard.) des Sarmatensieges vom Jahre 374 gedenkt, dessen Triumph nicht verschweigen können.

Lange hatte Theodosius, der Schwere der Aufgabe sich bewußt, nach des Pacatus Lobrede (c. 11) gegen deren Übernahme sich gesträubt, endlich aber doch dem höhern Rufe nachgegeben.

Das ganze weite Süddonauland mit Ausnahme der festen Plätze war in den Händen der siegtrunkenen Feinde, die mit Hohn und Verachtung auf die Römer herabsahen. (Chrysostomus ad viduam jun. I, p. 344, ed. Montfaucon.)

Ein Heer, es diesen entgegenzustellen, war nicht vorhanden. Ein Söldnerhaufe, der seine Soldatenehre und mit ihr das einzige höhere Gefühl verloren hat, ist kein irgendwie brauchbares Kriegswerkzeug mehr.

Da muß der beste Feldherr jene, bevor er schlagen kann, erst wieder wecken und erziehen, was Tiberius nach der Varusschlacht so trefflich verstanden hatte.

So handelte mit hoher Umsicht Theodosius, der das feste Thessalonich zum Hauptquartier und zur Operationsbasis nahm (Zosim. IV, 25 u. 27, auch Themistius or. 14) und sich dadurch die Verbindung mit Konstantinopel und dem Orient zur See sicherte.

Dies erleichterte ihm der Feind, bei dem nach dem verfehlten Versuche gegen Konstantinopel jeder höhere Kriegsplan, jede einheitliche Leitung zu vermissen ist. Willig hatten sich die Goten Fritigerns Herzogsgewalt im Krieg untergeordnet. Mit dem Sieg aber hatte diese ein Ende. Nicht nur die Ostgoten, sondern gewiß auch ein großer Teil der Westgoten, der ihm nicht als seinem nächsten Gaufürsten huldigte, folgten nunmehr eigner Laune und eignen Führern. Zu Fortsetzung des großen, bleibende Eroberung bezweckenden Krieges hätte es vor allem der Bildung eines Belagerungsparks bedurft, wozu es an gefangenen oder erkauften römischen Kriegskundigen und Ingenieuren nicht gefehlt haben würde, um sich eines oder mehrerer der Hauptplätze zu bemächtigen.

Zu dem allen gebrach es Fritigern wohl nicht an Einsicht und Geschick, aber seinen Völkern an Disziplin und Gehorsam.

Das Gesamtheer löste sich nach Ammian in einzelne Raubscharen auf, die nach allen Richtungen hin ihrem Lieblingsgewerbe nachgingen. Drangen sie hierbei, wie Ammian (XXXI, 16) ausdrücklich hinzufügt, bis zum Fuße der julischen Alpen vor, so geschah dies doch sicherlich nur von einzelnen kleinern Haufen, auch nicht auf der großen, mit Festungen versehenen Militärstraße, auf der zunächst noch Gratian operierte, sondern südlich derselben durch Serbien, Bosnien, auch wohl Dalmatien.

Des Theodosius System war tunlichste Verstärkung des Heeres, wozu er namentlich auch Bergleute und flüchtiges Landvolk, so wie das Wenige, was der entblößte Orient an Truppen noch abgeben konnte, verwendete: dann Wiederbelebung des Mutes seiner Soldaten durch den mit der größten Vorsicht von den Festungen und sonstigen gesicherten Stellungen aus geführten kleinen Krieg, den die Sorg- und Zuchtlosigkeit der schweifenden Feinde sehr erleichtert haben mag. (Themistius orat. 14, p. 181, ed. Harduin.)

Von einem einzigen Vorfalle dieser Art, wahrscheinlich aus der zweiten Hälfte des Jahres 379, wissen wir aus Zosimus (IV, 25) Näheres.

Die Goten, nach germanischer Weise die Mauern scheuend, hatten ihre, durch Wagenburgen einigermaßen befestigten Lager-, Wohn- und Zufluchtsstätten im Freien. Eine solche befand sich in dem fruchtbaren Gefilde am Fuß eines im Rücken mit höherem Gebirge verbundenen, weit ausgedehnten, auf der Höhe ebenen Vorberges, dessen Hang wohl bewachsen war.

Letztern besetzt unbemerkt der römische Heerführer Modares, ein »Skythe« (Gote) königlichen Geschlechts, der, nicht lange vorher zu den Römern übergegangen, wegen bewiesener Treue dies Kommando erlangt hatte, und überfiel von hier aus die nach durchschwelgter Nacht in Trunkenheit und Schlaf versunkenen Goten so plötzlich und geräuschlos, daß, nach des Zosimus sicherlich übertriebenem Berichte, die Männer alle niedergehauen, die Weiber und Kinder aber mit zahllosen Knechten zu Gefangenen gemacht und 4000 Wagen erbeutet wurden. Es ist anzunehmen, daß Modares nur dux, nicht aber magister militum gewesen sei, obwohl die lateinische Übersetzung des griechischen Ausdrucks Zosimus (IV, 25): στρατιωτικη̃ς προβεβλημένος αρχη̃ς ihn als solchen zu bezeichnen scheint. Indes braucht derselbe Schriftsteller (c. 27), wo er ausdrücklich vom Amte der mag. mil. spricht, dafür die Worte: ύπαρχος und στρατηγός.

Nicht wahrscheinlich ist ferner, des Ausdruckes: ου πρὸ πολλου̃ αυτομολήσας ungeachtet, daß derselbe erst kurz zuvor, etwa im Jahre 379, zu den Römern übergegangen sei, da ein Kommando von solcher Wichtigkeit wohl längere Bewährung voraussetzte.

Im Laufe des ganzen Feldzuges 379 wurden nun, wie alle Chronisten versichern, die skythischen Völker: Alanen, Hunnen und Goten in vielen und großen Schlachten durch Theodosius besiegt und die Goten aus Thrakien vertrieben, diese Siege aber am 17. November feierlich verkündet. Das ist nur das Echo des römischen Bulletinstils; in der Tat aber gab es nur vielfache, mehr oder minder bedeutende Vorteile im kleinen Kriege, doch keinerlei Entscheidung im Großen, wie die Geschichte der Folgezeit dies außer Zweifel setzt.

Dabei wird in den Quellen, wie gewöhnlich, dem Kaiser zugeschrieben, was seine Feldherren getan, indem ein unter dessen persönlicher Führung erfochtener Sieg in den bald darauf gehaltenen Lobreden gewiß nicht verschwiegen worden wäre.

Die Vertreibung der Goten aus Thrakien Theodosius maximus gentes Scythicas, Alanos, Hunnos, Gothos, multis atque ingentibus proeliis vincit, Gothos e Thracia pellit. Hae Victoriae nunciatae sunt 15. Cal. Dec. Prosper Aq. et Tiro., Idatius Chr. et Fst., Marcell. insbesondere kann sich nur auf die Provinz dieses Namens bis zum Hämus, nicht aber auf Mösien und die südwestlicheren Landstriche beziehen, da es, nach der ganzen Sachlage und den Ereignissen der nächsten Jahre, geradezu sinnlos sein würde, eine Zurücktreibung der Goten über die Donau anzunehmen.

Auf eine solche, weil unausführbar, war überhaupt nicht, sondern nur auf friedliches Verträgnis und Gewinnung der Goten für das Reich des Theodosius scharfblickende Politik gerichtet: und schon die Vorteile dieses Jahres mögen ihm Söldner aus diesem Volke selbst zugeführt haben.

Die Kriegsereignisse des nächsten sind zumal ihrer Zeitfolge nach dunkel.

Im Beginn des Jahres 380 wird Theodosius von einer gefährlichen und langwierigen Krankheit zu Thessalonich befallen (in welcher er durch den dortigen Bischof Ascholius getauft wird).

Sein Daniederliegen weckt die Unternehmungslust der Goten; die Westgoten sammeln sich wieder unter Fritigern, die Ostgoten unter Alatheus und Saphrax; jene dringen nach Thessalien, Epirus und Achaia, diese nach Pannonien vor.

Da bat der Kaiser seinen Kollegen Gratian, dessen eigner Reichsteil zugleich gefährdet war, um Hilfe. Vor deren Eintreffen sollen jedoch die Barbaren, wie Zosimus (IV, 31) berichtet, Theodosius selbst, dessen Anwesenheit in einem Lager verraten worden war, mit solcher Entschlossenheit überfallen haben, daß er nur durch die hingebende Tapferkeit seiner Truppe, wohl seiner Garde, die bis auf den letzten Mann fechtend fiel, zu entrinnen Zeit gewann; die Goten aber bemächtigten sich Thessaloniens und Makedoniens.

Indes wurde diese Provinz bald wieder gesäubert, da die Germanen auf die Kunde des Anrückens von Gratians Feldherren Baudo und Arbogast, beide Franken, sich nach Thrakien zurückzogen.

Dunkler sind die Vorgänge in der Nähe der Donau. Athanarich, dem sein Versteck in den Karpaten nicht mehr sicher oder erträglich erschienen sein mag, dürfte durch Siebenbürgen in die westliche Wallachei gezogen sein und ist jedenfalls über die Donau gegangen.

Zwischen ihm und Fritigern, den er wohl als Urheber des Abfalls zahlreicher Westgoten betrachtete, mag der alte Haß immer höher gestiegen sein, so daß Letzterer vor Beginn seiner Operation gegen die Römer den gefährlichen Nebenbuhler im Rücken unschädlich zu machen Anders Dahn, Könige V, S. 16. für nötig hielt. Wirklich ward Athanarich auch durch Fritigern in Verbindung mit Alatheus und Saphrax aus seiner Stellung dergestalt verdrängt, daß er sich östlich nach Thrakien hinziehen mußte.

Gleichzeitig muß aber auch Gratian oder ein General desselben in der Nähe des Kampfplatzes erschienen sein und einige Führer der durch den Bürgerkrieg geschwächten Goten zu Friedensschlüssen bewogen haben.

Auch die aus Makedonien nach Thrakien vertriebenen Goten ergaben sich nun Theodosius, was dieser durch Gewährung von Land und Aufnahme der Streitbaren in römischen Sold auf das Entgegenkommendste erleichtert haben mag.

So mindestens erklären wir uns die übereinstimmende Nachricht des Jordanis (c. 28) und des Prosper Aq. Procurante Gratiano, eo quod Theodosius aegrotaret, pax firmata cum Gothis., daß Gratian während des Theodosius Krankheit Frieden geschlossen und ersterer diesen bestätigt habe, auch gegen Ende des Jahres 380, in welchem letzterer am 14. November in Konstantinopel einzog (Idat. Chr. u. Fst.), Siege beider Kaiser daselbst verkündet worden seien.

Um dieselbe Zeit ungefähr mag Fritigern gestorben sein, wenn wir des Jordanis Worten (c. 28), daß Athanarich ihm damals gefolgt sei (qui tunc Fritigerno successerat), Glauben schenken dürfen, was durch Fritigerns Verschwinden in der Geschichte unterstützt wird.

Zu Anfang des Jahres 381 erntete Theodosius die Frucht seiner weisen Politik.

Er empfing diesen geschworenen Römerfeind (Amm. XXVII, 5) in Frieden und Freundschaft, eilte ihm sogar ein weites Stück vor Konstantinopel in Person entgegen. Da soll der Gotenfürst, von der Lage und Pracht dieser Wunderstadt mit ihrem Völkergewimmel und Mastenwalde ergriffen (nach Jordanis c. 28) ausgerufen haben: »ein Gott auf Erden wahrlich ist der Kaiser und mit Blutschuld beladet sich, wer die Hand wider ihn erhebt.«

Jedenfalls überlebte Athanarich den unerwarteten Triumph nur wenig Wochen oder Monate. Nach Idatius Chr. u. Fast. u. Marcell. fünfzehn Tage, nach Jord. o. 28 paucis mensibus interjectis. (Die Art seiner Aufnahme und Ehrung vor und nach dem Tod, die darauf folgende Unterwerfung des Volkes erklärt sich nur aus der Annahme, daß er an Fritigerns Stelle Haupt der Goten im Reiche geworden war. D.) Da bereitete ihm der kluge Theodosius die glänzendste Bestattung, in Person dem Leichenwagen vorausgehend. Mächtig ergriff diese ihrem Fürsten bewiesene Ehre das gesamte ihm angehörige Gotenvolk: willig unterwarf es sich dem ihm so wohlwollenden Kaiser, gewissermaßen das alte unter Constantin dem Großen geschlossene Födus erneuernd.

Noch in demselben Jahre Zosimus schreibt stets ohne Zeitangabe, im Allgemeinen aber unzweifelhaft in chronologischer Ordnung, kann sich dabei aber, indem er unverkennbar aus mehreren Quellen zusammentrug, bisweilen geirrt haben.

Das nächste sichere Anhalten für die Zeitrechnung in seiner Geschichte der ersten Jahre von des Theodosius Regierung bietet der von ihm Kap. 34 a. Schl. berichtete Einzug Athanarichs in Konstantinopel, der nach Idatius (Chron. und Fasten), sowie nach Marcellin am 11. Januar 381 erfolgte. Eben diesen setzt zwar Prosper Aquitanus in das Jahr 382, ja Sokrates (§ 10) sogar erst 383, Tillemont hat aber (in Note IX, § 2, S. 944), mit Beziehung auf Zosimus, Ambrosius und Themistius, die Richtigkeit des Jahres 381 nachgewiesen.

Daher fallen von des Zosimus viertem Buche die vorher in Kapitel 25 bis 34 erwähnten Ereignisse in die Jahre 379–380. Für diese gewährt nun Jordanis, der ausnahmsweise bisweilen recht gut extrahiert hat, in Kap. 27 und 28 zu Anf. im Allgemeinen den richtigsten Überblick, der auch durch die Chronisten bestätigt wird.

Nach diesem zog Fritigern in Folge von des Theodosius Krankheit, also im Jahre 380, mit seinem Heere nach Thessalien, wo letzterer zu Thessalonich sein Hauptquartier hatte.

Zosimus berichtet nun Kap. 31 unter allerlei nebensächlichen und unklaren Zusätzen – wobei man namentlich nicht weiß, was er unter dem dazu nötig gewesenen Übersetzen eines Flusses meint, was sich unmöglich auf die Donau beziehen kann Siehe aber Dahn, Könige V, S. 16 – den Einfall der Goten in Makedonien, wo sie Theodosius durch Überfall beinahe gefangen hätten. Dies würde Jordanis zu entsprechen scheinen, wenn nicht die folgende Erzählung alles wieder verwirrte.

Nach Kap. 32 läßt Zosimus nämlich Theodosius unmittelbar nach jenem Überfalle schon nach Konstantinopel abgehen, wo er doch nach Idatius (Chron. und Fasten) erst am 14. November 380 anlangte, und von dort erst Gratian um Hilfe bitten.

In Kap. 33 erwähnt er ferner den triumphierenden Einzug des Kaisers in Konstantinopel, und die Ankunft von Gratians Generalen Baudo und Arbogast in Makedonien und Thessalien, vor denen die Goten nach Thrakien entweichen, wo sie sich dem Kaiser ergeben.

In Kap. 34 fährt er also fort: Zur Zeit, als Vitalianus die illyrischen Legionen unter Gratian befehligte, hätten zwei Scharen der Germanen jenseits des Rheins, von denen Fritigern die eine, Alatheus und Saphrax die andere geführt habe, die keltischen Völker bedrängt. (Τοι̃ς Κελτικοι̃ς έθνεσιν επικείμεναι). Um sich von diesen Feinden zu befreien, habe Gratian ihnen die Füglichkeit gewährt, über die Donau zu gehen und in Pannonien und Obermösien einzufallen.

Hierauf die Donau hinabschiffend, hätten sie beabsichtigt, durch Pannonien in Epirus einzufallen und von da die griechischen Städte anzugreifen.

Hierzu hätten sie aber vorher Proviant anschaffen und Athanarich aus dem über alle Skythen herrschenden königlichen Geschlechte entfernen müssen, um niemand, der ihr Unternehmen behindern könne, im Rücken zu lassen. Athanarich sei auch ohne Mühe aus seiner Stellung vertrieben worden und habe sich zu dem eben erst (αρτέως) von einer lebensgefährlichen Krankheit genesenen Theodosius begeben, der ihn freundlich aufgenommen habe.

Die geographischen und ethnographischen Irrtümer in dieser Erzählung näher zu erörtern ist überflüssig. Gleichwohl ist der Vorgang gewiß nicht ganz erfunden, sondern nur aus Mißverständnis einer selbst vielleicht unklaren Quelle verunstaltet. In der Tat gereichen ihm zwei Stellen Ammians zur Unterstützung: das Vordringen der in einzelnen Scharen sich auflösenden Goten in westlicher Richtung nach dem Rückzuge von Konstantinopel (XXXI, 16) und die Stelle (XXVII, 5 a. Schl.): Valens Constantinopolim rediit: ubi postea Athanaricus proximorum factione genitalibus terris expulsus, fatali Sorte decessit.

Letztere Angabe würde freilich nur in dem Falle genaue Wahrheit enthalten, wenn Athanarich damals noch im alten Gotenlande (genitali terra), d. i. auf dem linken Donauufer etwa in der westlichen Walachei, im Gebiet der Taifalen, oder mindestens in dem der Jazygen gestanden hätte, wohin die Hunnen (welche damals vielleicht noch gegen Vithimer kriegten) möglicher Weise noch nicht gedrungen waren.

Da jedoch bei einer solchen gelegentlichen, der Zeit, die er beschrieb, nicht angehörigen Bemerkung mehr der Hauptgedanke als der Wortlaut zu fassen ist, so kann man das vertrieben (expulsus) in jener Stelle wohl auch so verstehen, daß Athanarich durch des Fritigern Abfall und Feindschaft, weil sich die Mehrzahl der Westgoten letzterem angeschlossen, mittelbar Siehe aber Dahn, Könige V, S. 16. zur Flucht aus seinem Vaterlande genötigt worden sei. In keinem Fall nämlich scheint es denkbar, daß Fritigern über die Donau zurückgegangen, Athanarich jenseits derselben angegriffen und so unmittelbar aus dem Vaterlande verdrängt habe.

Im Allgemeinen dünkt uns der Sachverlauf am wahrscheinlichsten folgender gewesen zu sein.

Nach dem Rückzuge von Konstantinopel löste sich das vereinte Gotenheer in seine einzelnen, (nur D.) durch das Band der Geschlechtsverfassung zusammengehaltenen Bestandteile auf.

Mehrere derselben blieben in Mösien und Thrakien zurück, wo sie durch Theodosius im kleinen Kriege verfolgt wurden; der größte Teil aber mag unter den Hauptführern dem Westen zugezogen sein, dort eine neue noch unberührte Raubstätte zu finden. Da können einzelne durch die Gebirge streifende Banden bis in die Nähe der julischen Alpen vorgedrungen sein, während Fritigern und die ostgotischen Führer, welche zunächst gewiß wieder ein größeres Heer zu bilden trachteten, kaum weit über die Gegend von Sirmium, dies selbstredend bei Seite lassend, im heutigen Slavonien und Croatien vorgedrungen sein mögen. Diese Richtung bedrohte Noricum, was man uneigentlich ein keltisches Land nennen konnte (damals noch? D.). Nicht undenkbar daher, daß Gratian die Goten lieber von letzterem abgelenkt und wieder nach dem Osten gewendet sehen mochte.

Des Theodosius Krankheit nun änderte den Operationsplan; Fritigern, dessen Volk wieder botmäßiger geworden sein mag, dachte nach dem Südosten vorzudringen, während Alatheus und Saphrax ihr Augenmerk auf Pannonien richteten.

Nicht ersterer selbst aber, sondern nur andere, eine Vorhut bildende, wo nicht gar von ihm unabhängige Banden mögen nun jenen Überfall des Theodosius nach Zosimus c. 31 ausgeführt haben, gegen welche hierauf Gratians Feldherren dem Kaiser zu Hilfe zogen. Diese landeten wahrscheinlich von Italien aus über See in Epirus, schnitten nun die im südlichen Makedonien hausenden Goten bald darauf vom Rückzuge zu Fritigern ab, und vertrieben sie dadurch nach Thrakien.

Letztern konnte aber Fritigern um deswillen nicht zu Hilfe kommen, weil zu derselben Zeit die Annäherung des Athanarich eine für Rom sehr günstige Division bewirkte. Indem nun beide gotischen Heerführer gegen diesen ihren alten Stammfeind operierten und ihn schlugen oder mindestens zum Abzuge zwangen, mag Gratian mit starker Streitkraft in deren Nähe, vielleicht in deren Rücken erschienen sein und sie in ihrer durch den doppelten Feind gefährdeten Lage, da auch Athanarich wohl noch unfern war, mit Leichtigkeit zum Frieden bewogen haben, den Theodosius gern genehmigte.

Daß Athanarich damals über die Donau ging, geht aus des Eunapius in dem Werke de sententiis erhaltenen Fragmente (46, p. 82 ed. Bonn.) zweifellos hervor.

Dieser Schriftsteller handelt nämlich in den Bruchstücken aus der Schrift de legat. gent. apud Romanos (unter 6, p. 48) zuerst von dem Übergange zur Zeit von Valens und dann (unter 7, p. 52) von dem in der ersten Zeit von Theodosius erfolgten. Letzterer muß nun derselbe sein, auf welchen sich das oben erwähnte Fragment 46 bezieht, weil dasselbe der Reihenfolge nach in die Regierung des Theodosius fällt, während dieser aber ein anderer Übergang von Goten auf römisches Gebiet als der unter Athanarich unzweifelhaft nicht stattgefunden hat.

Noch mehr bestätigt dies dessen Beschreibung, nach welcher derselbe nicht, wie der des Jahres 376, mit ausdrücklicher Erlaubnis der Römer, sondern, wenn auch ohne Behinderung durch letztere, doch mit Hinterlist erfolgte, indem die heidnischen Goten zu Erleichterung ihrer Aufnahme sich für Christen ausgaben und zu diesem Zwecke einzelne als Bischöfe und Mönche verkleidet hatten.

Endlich waren aber auch des Fritigern Goten Christen, folglich können jene Heiden nur die bei Athanarich Zurückgebliebenen gewesen sein. (Vergl. aber über und gegen all dies Dahn, Könige V, S. 14–25.)

fiel nach Zosimus (IV, 34 a. Schl.) eine aus hunnischen Untertanen, Skiren (die hier zuerst erwähnt werden) Die Sciri, Scirri, Scyri, über die Zeuß S. 186 und 486–488 handelt, gehören, wie die Heruler, zu den ethnographischen Problemen. Da Plinius (IV, 13) dieselben an der Ostseite der Weichsel erwähnt, so liegt nichts näher, als deren Wanderung von der Ostsee zum Pontus im Anschlusse an die Goten anzunehmen.

Derselbe Name findet sich aber schon in der von Zeuß S. 61 aus Böckh, corp. inscript. II, 1, p. 122, Nr. 2058 zitierten Inschrift aus vorchristlicher Zeit, worin Sciri in Verbindung mit skythischen Völkern als Bedränger der griechischen Stadt Olbia am Ausflusse des Borysthenes genannt werden.

Es ist aber nicht unmöglich, daß ein skythisches Völkchen denselben Namen wie jene Ostgermanen geführt haben könne, obwohl es andrerseits auch (? D.) denkbar erscheint, daß ein Teil der germanischen Skiren von der Zeit der Ureinwanderung her unter den Skythen am Pontus sitzen geblieben und in deren Volkstum aufgegangen sei.

Unter allen Umständen aber müssen wir die an gedachtem Orte S. 67 von Zosimus erwähnten Skiren, die von dem an weiterhin in der Geschichte vorkommen, für Wander- (und Stamm- D.) genossen der Goten ansehen.

, Carpen (Carpodaken bei Zosimus) und Hunnen bestehende Raubschar in Mösien ein, ward aber geschlagen und über die Donau zurückgetrieben, was, wenn auch nur von diesem Schriftsteller erwähnt, bei dessen sonstiger Mißgunst gegen Theodosius nicht zu bezweifeln ist. Daß der Kaiser hierbei in Person befehligt habe, geht weder aus des Zosimus Worten (wie Tillemont V, 2, S. 484 annimmt), noch aus dem in Marcellins Chronik, aber auch nur in dieser allein, am Schlusse des Jahres 381 angeführten, Triumphe desselben über skythische Völker mit Sicherheit hervor, während wir aus des Themistius Stillschweigen darüber in der zu Beginn des Jahres 383 gehaltenen Lobrede einen überwiegenden Zweifelsgrund herleiten.

Viel war in diesen drei Jahren geschehen, wie Zosimus (c. 34 a. Schl.) selbst zugibt: der Mut der Truppen wieder belebt, der Landmann und der Hirt konnten nun fröhlich an ihr Geschäft gehen.

Vollendet ward das Werk aber erst im folgenden Jahre, da es dem gegen die letzten noch feindlich im Lande hausenden Raubscharen ausgesandten Saturnin gelang, auch diese insgesamt durch Friedensschluß vom 3. Oktober 382 zur Unterwerfung zu bringen, wofür er im Jahre 383 zum Konsul ernannt wurde, wozu Themistius (in der 16. Rede) ihm und dem Kaiser Glück wünscht.

Diesmal in der Tat war das Lob ein verdientes. Ausgetilgt in ihren furchtbaren Folgen war nun jene unerhörte Niederlage: das Heer hatte wieder Selbstvertrauen, das Volk wieder Frieden und Ruhe, der Kaiser wieder die Herrschaft in seinem Reiche gewonnen.

Wenig dafür hatte das Schwert, fast alles die seltene Klugheit und Konsequenz des Herrschers getan, der für den großen Zweck kein Opfer scheute.

Zurücktreibung der Goten zu den Hunnen war unmöglich: darum blieb nur zwischen deren gänzlicher Vertilgung oder Gewinnung die Wahl frei.

Ob ersteres, zumal mit einem mutlosen und geschwächten Heere selbst dem größten Kriegshelden gelungen wäre, lassen wir dahingestellt sein. Im günstigsten Falle aber wäre der Gewinn Verlust gewesen, weil er Roms beste Streitkräfte verschlungen, Verödung und Entvölkerung noch grausiger gesteigert hätte, als dies ohnehin bereits der Fall war. Was hätte der entkräftete Sieger dann noch gegen Empörer vermocht, mit denen er, wie wir sehen werden, bald zu kämpfen hatte, gegen welche ihm nun gerade umgekehrt die neuen Gotenkrieger von der unersetzlichsten Wichtigkeit waren.

Groß aber waren, wie gedacht, die Opfer. Land, Abgabenfreiheit und (relative D.) Selbständigkeit teils im Süddonaulande, teils im Orient, gewiß zum Teil auch Vieh und Getreide mußte den Goten bewilligt werden. (Themistius or. 16, p. 210 und Claudian in Eutropium II, v. 153 u. 194.) Dies konnte nicht allenthalben ohne Kränkung wirklicher Rechte der alten Besitzer geschehen; nicht ohne Grund klagten die Römer daher über Zurücksetzung, zu der sich Anmaßung und Übermut der neuen Landesgenossen drückend gesellten, wovon Zosimus (c. 30) ein Beispiel berichtet, während römische Gewalttaten, in die sich der Volkshaß gegen die Goten bisweilen entlud, von Theodosius, der letztere mit der Nachsicht eines Vaters gegen ungezogene Kinder behandelte, auf das Strengste geahndet wurden. In einem von Libanius (orat. 12, p. 394 d. Ausg v. 1647 und Zosimus c. 40) Die das ganze Kapitel füllende Geschichte des Gerontius, der mit beispielloser Tapferkeit eine übermütige Gotenschar angegriffen und beinahe vernichtet habe, dafür aber kaum der Todesstrafe entgangen sei, ist sicherlich verunstaltet und übertrieben. berichteten Falle der von Römern gegen einen Goten geübten Lynchjustiz wandte sich jedoch des Kaisers Zorn, der den Ort durch gotische Truppen einschließen ließ (vermutlich weil die Schuldigen nicht zu ermitteln waren) bald wieder zur Milde.

Kein Wunder daher, daß Synesius (de regno) in seiner Rede an Arcadius (ed. Petav., p. 23) mit Bitterkeit der Begünstigung der Goten gedenkt, während der unbefangene Geschichtsschreiber die Notwendigkeit, daher die Weisheit dieser kaiserlichen Politik anzuerkennen hat.

Wie unter den Goten fortwährend nationaler Hochmut und Herrschaftsgelüst gärten, belegt der (von Eunapius p. 53 der Bonn. Ausg. und Zosimus IV, 56, der hierbei aber offenbar aus ersterem schöpfte, berichtete) Vorgang Weil in dem betreffenden Fragmente des Eunapius von dem Übergange der Goten in der ersten Zeit des Theodosius die Rede ist, setzt Tillemont auch diesen Vorgang (V, 2, art. 7) in das Jahr 380, was höchst unwahrscheinlich ist, während Zosimus denselben (c. 56) unter den Ereignissen des Jahres 392 aufführt. Wir haben nicht des Eunapius ursprüngliches Werk, sondern nur Exzerpte, bei denen füglich auch der Zeit nach getrennte Ereignisse, ihres sachlichen Zusammenhanges halber, mit einander verbunden worden sein können. Wir sind daher geneigter, jenes Zerwürfnis der Goten in eine spätere Zeit zu setzen. Unstreitig (? D.) gehörten übrigens sowohl Eriulf als Fravitta den mit Athanarich übergegangenen Goten an. zwischen den Fürsten und Parteiführern Eriulf und Fravitta, von denen ersterer die nationale, letzterer, ein Heide, die römische Politik vertrat, die auf Treue gegen den Kaiser bei gewissenhafter Erfüllung der Verträge von Seiten desselben beruhte. Selbst an der kaiserlichen Tafel entbrannte der sicherlich auch durch volkstümliche Stammeseifersucht genährte Haß zwischen beiden zu so wilder Leidenschaft, daß Fravitta fast unter des Theodosius Augen den Gegner niederstieß, was dessen Begleiter sofort gerächt haben würden, wenn nicht die kaiserliche Garde den Mörder geschützt hätte, während der solches innern Haders sich heimlich erfreuende Herrscher gewiß nur scheinbar die Untat ahndete. (Zosim. IX, 57 z. Anf.)

Der Bestrebung von Eriulfs Partei lag sicherlich mehr Gefühl als bewußter Plan zu Grunde. Nur durch eine Thronumwälzung, welche einen den Goten dienstbaren Römer zur Herrschaft gebracht hätte, wie dies später durch Alarich mit Attalus geschah, wäre ein Sieg der Nationalpartei möglich gewesen, die (wie Köpke S. 119 mit Recht annimmt) arianisch war, daher in ihrer durch Theodosius unterdrückten Kirchenpartei auf Anhang rechnen durfte, während Fravitta, den Eunapius als Heiden bezeichnet, nur im treuem Anschluß an den Kaiser eine Stütze finden konnte.

Gegen große Männer, wie Theodosius, war aber Empörung nicht zu fürchten. So blieb er, wenn gleich nicht ohne Fahr und Sorge, auch der Goten Meister. Am 16. Januar 383 erhob er seinen ungefähr sechsjährigen Sohn Arcadius zum Augustus, was freilich nur leere Form war.

Von Gratians politischer und kriegerischer Tätigkeit seit dem Jahre 378 wissen wir beinahe nichts. Tillemonts hauptsächlich auf ein aus Konstantinopel datiertes Gesetz vom 17. Oktober 378 begründete Vermutung (V, 1, S. 360), daß derselbe nach des Valens Tode sich dahin begeben habe, halten wir, bei der Unsicherheit dieses Fundaments, unter der damaligen Sachlage für entschieden irrig. Gewiß ist, daß er im Sommer 379 über Aquileja nach Gallien zurückkehrte. (Tillemont V, 1, art. 11.) Sokrates (V, 6) läßt dies um deswillen geschehen, weil die Alemannen in diese Provinz eingefallen seien. Eben so Sozomenos (VII, 4), der dabei noch des erwünschten Erfolges gedenkt. Dies von keiner andern Quelle erwähnte Ereignis muß jedoch höchst unerheblich gewesen sein, da Ausonius in seiner zu Ende des Jahres 379 zu Trier gehaltenen Danksagungsrede (grat. actio, pro. cons.) dessen nicht gedenkt, die Annahme einer spätern Zeit aber jenen Quellen selbst nicht entsprechen würde.

Gratians Unterstützung des Theodosius im Jahre 380 bei Bekämpfung und Befriedung der Goten, über die jedoch Näheres ebenfalls nicht bekannt ist, ward bereits (S. 66) erwähnt.

Wichtiger war dessen außer unserm Zwecke liegende Wirksamkeit für das Christentum und die rechtgläubige Kirche und um so ehrenwerter, da nicht dogmatischer Eifer, sondern wahre Frömmigkeit ihre Quelle gewesen sein dürfte. Er war der erste römische Kaiser, der Titel und Tracht des Pontifex Maximus ablegte, obgleich die Heiden ihn fortwährend noch so bezeichnet haben mögen, wie er denn auch den Altar Dasselbe hatte schon Constantius im Jahre 357 getan, Julian aber ihn wieder herstellen lassen und Valentinian I. ihn geduldet. der Siegesgöttin aus dem Senatssaale zu Rom entfernen ließ, auf welchem in jeder Sitzung, wenn gleich eine große Zahl, wo nicht die Mehrheit, der Senatoren Christen waren, geopfert wurde.

Ebenso hob er die Staatszuschüsse und Privilegien für den heidnischen Kult sowie für die Vestalinnen insbesondere auf.

In seinen Maßregeln wider die Arianer (wofür er erst nach des Valens Tode völlig freie Hand gewann) und andere Sekten scheint er doch das Maß der Besonnenheit nicht überschritten zu haben.

Gratians Taten in großen Momenten erregen unsere Bewunderung. Für das alltägliche Regierungswerk dagegen wie in seinem Privatleben fehlte es ihm an der nötigen Sorgfalt, Klugheit und Vorsicht. Er verscherzte, wie wir weiter unten anführen werden, die Liebe der Soldaten: – das ward sein Unglück.

Murren und Mißstimmung drangen, durch das Gerücht gesteigert, zu den fernen Legionen in Britannien, die in ihrer isolierten Stellung, wie Zosimus (IV, 35) bemerkt, zu Anmaßung und Meuterei stets vorzugsweise geneigt waren. Diese riefen Maximus zum Kaiser aus, wobei die sich widersprechenden Quellen unentschieden lassen, ob derselbe der Anstifter oder nur das passive Werkzeug der Empörung war, da Zosimus (a. a. O.) ersteres, Orosius (c. 34) und der kirchliche Schriftsteller Sulpicius Severus (in der vita S. Martini c. 23) Letzteres behaupten; doch dürfte eine geschickt verdeckte Intrige, für deren gezwungenes Opfer er sich ausgab, das Wahrscheinlichste sein.

Maximus war nach Zosimus ein Spanier, was auch durch Pacatus (c. 31) bestätigt zu werden scheint, seine weitere jedenfalls unberühmte Herkunft aber eben so unbekannt als dessen amtliche Stellung in Britannien.

Nach Prosper Tiros Chronik schlug er jedoch im Jahre 382 die eindringenden Picten und Scoten tapfer zurück, was zu bezweifeln kein Grund vorliegt.

Maximus, den man nicht nach des Pacatus maßlosen Schmähungen in seiner Lobrede auf Theodosius beurteilen darf, war nach Orosius Prosper Tiros Worte: Vir strenuus et probus atque Augusto dignus nisi contra sacramenta fidem per tyrannidem emersisset stimmen buchstäblich mit Orosius überein, sind daher diesem wohl entlehnt. und Sulpicius Severus tapfer und tüchtig, daher des Thrones würdig, wenn er ihn nicht, verwegenen Ehrgeizes, durch Eidbruch errungen hätte.

Mit allen Truppen und, wie der englische Chronist Gildo bemerkt, mit zahlreichen Freiwilligen schiffte Maximus im Jahre 383 nach Gallien über, wo sich sogleich ein großer Teil des Heeres für ihn erklärte. Mit dem Reste desselben versuchte Gratian Widerstand, ward aber nach fünftägigen Scharmützeln in der Nähe von Paris auch von diesem verlassen und zur Flucht gezwungen, von des Maximus Befehlshaber der Reiterei Andragathes, der von der Küste des Pontus herstammte, eingeholt, bei Lyon durch Verrat aufgehalten und am 25. August (Marcell. u. Cusp.) getötet (Prosper Aq. u. Tiro). Sokrates (V, 11) und Sozomenos (VII, 13), der jedoch ersterm wohl nur nachschreibt, erzählen: Andragathes habe sich in einer Frauensänfte zu Gratian tragen lassen und diesen durch die falsche Meinung, seine Gemahlin sei darin, zur Rückkehr über den Fluß und zum Entgegenkommen bewogen, sei aber bei dessen Eintreffen herausgesprungen und habe ihn niedergestoßen. Zosimus (V, 36) läßt ihn einfach, Orosius (c. 36) und die Chronisten lassen ihn mit Hinterlist töten, was aber der weit glaubwürdigere Ambrosius (ad psalmum 36) auf ganz andere Weise erzählt als Sokrates, da es nach ihm bei einem von dessen eigenem Feldherrn gegebenen Festmale geschehen sei.

Zosimus muß für seinen Bericht eine Quelle benutzt haben, worin der Name der Stadt Lugdumum verschrieben, oder undeutlich geschrieben war, so daß er dafür Singidunum las. Daß dies in Obermösien (am Einfluß der Save in die Donau, das heutige Semlin oder Belgrad) lag, muß er doch gewußt haben: und um es nun zu erklären, wie der in Gallien angegriffene Gratian an letzterm Orte getötet werden konnte, fügt er (c. 35) Folgendes hinzu: »Als Gratian nebst dreihundert Reitern mit verhängten Zügeln nach den Alpen zu entflohen sei, habe er diese unverteidigt (αφυλάκτους, sie lagen ja in seinem eigenen Reiche) getroffen und sei daher nach Rätien, Noricum, Pannonien und Obermösien geeilt. Dort habe ihn der mit den dauerhaftesten Pferden zur Verfolgung nachgeschickte Andragathes, als er über die Brücke von Singidunum setzen wollen, eingeholt und getötet.«

Die naive Erfindung einer solchen Hetzjagd von mehr als zweihundert Meilen von Paris bis Belgrad charakterisiert unsern Zosimus.

Merobaud, der Konsul des Jahres, und Valio, einer von Gratians Feldherren, wurden bald nach ihrem Herrn ebenfalls umgebracht. (Pacatus c. 28.)

Des Einflusses, den des Maximus Entfernung aus Britannien auf das Schicksal dieser Provinz und auf die britische Bevölkerung von Aremorica (der heutigen Bretagne) hatte, wird seiner Zeit gedacht werden.

Kurz war die Laufbahn des jugendlichen Kaisers, der nach noch nicht achtjähriger Selbstregierung vierundzwanzig Jahre alt dem Verrate zum Opfer fiel.

Ammian, indem er die Kraft und Entschlossenheit rühmt, mit welcher derselbe die Alemannen besiegte, sagt (XXXI, 10) von ihm: »Ein Jüngling von herrlicher Anlage, beredt, gemäßigt, kriegerisch und gütig; auf dem Wege, während kaum der Bartwuchs sein Kinn beschattete, den ausgezeichnetsten Kaisern nachzueifern, hätte nicht sein zu Spielereien geneigtes Naturell, das von der Umgebung nicht gezügelt ward, ihn den eitlen Passionen des Cäsars Commodus, obwohl ohne Blutvergießen, zugeführt. Wie dieser über alles Maß entzückt war, wenn er im Amphitheater hundert Löwen mit je einem Wurf oder Schuß getötet hatte, so vergnügte sich Gratian, die in Wildparke eingepferchten reissenden Tiere zu erlegen, indem er darüber vieles und ernstes Geschäftliche außer Acht ließ und dies zu einer Zeit, da selbst ein M. Aurelius kaum mit ihm gleichen Kollegen und nüchternster Umsicht das über dem Staate schwebende Unheil zu lindern vermocht hätte.«

Schädlicher als jene Jagdpassion ward dem Kaiser seine eigentümliche Soldatenspielerei. Von besonderer Vorliebe für die Alanen, vermutlich, weil sie Bogenschützen waren, ergriffen, hielt er sich eine teuer bezahlte Garde aus Überläufern dieses Stammes, die er mit Zurücksetzung der altrömischen Truppen so bevorzugte, daß er auf Märschen bisweilen sogar deren barbarische Rüstung trug.

Das reizte und beleidigte, ward daher, nach dem Verfasser der Epitome, einem Zeitgenossen (c. 47) und Zosimus (35) der Grund seines Sturzes.

Sein Unglück war, daß er unreif, im siebzehnten Jahre, den Thron bestieg.

Dies hinderte nicht, daß er im neunzehnten Jahre einen glänzenden Sieg erfocht, im zwanzigsten durch des Theodosius Berufung des Reiches Retter wurde: wohl aber beraubte es ihn der Gewöhnung an und der Ausbildung für die täglichen Pflichten seines Berufs, ja es verlockte ihn, sich Lieblingsneigungen und Tändeleien hinzugeben und darüber jene sogar zu versäumen. Dadurch fielen diese den Ministern und Präfekten zu, die bei der allgemeinen Verderbtheit der römischen Beamtenwelt und der noch mangelhaften Menschenkenntnis des jungen Herrschers ihre Macht gewiß eigennützig gemißbraucht haben.

Die tiefe Selbsterkenntnis des freilich schon reifern Julian, der seine Fehler fühlte und Zurechtweisung gern annahm, hat Gratian nicht besessen.

II. Theodosius und Valentinian II. bis zu des Letztern Tode im Jahre 392

Valentinian II. sandte sogleich nach Gratians Tode den Bischof Ambrosius nach Trier zu Maximus, um die entseelte Hülle des Bruders zu verlangen.

Dieser kreuzte sich mit des Usurpators Sendboten Victor, der – unstreitig aus Furcht vor Theodosius – über Frieden mit Valentinian unterhandeln sollte, jedoch fruchtlos heimkehrte, weil letzterer vermutlich die geforderten Bedingungen nicht zugestehen wollte. Inmittelst hatte Valentinians Feldherr Bauto vom westlichen Illyricum aus Hunnen und Alanen angeworben, Rätien, wo man den Angriff besorgte, wie dieser auch späterhin in den Jahren 388 und 394 wirklich erfolgte, zu decken. In diese Provinz fielen damals, auf des Maximus Anstiften, die Juthungen ein, wurden jedoch von Bauto herausgeschlagen: ja dieser war im Begriff, durch Alemannien nach Gallien vorzudringen, als er durch den Kaiser, d. i. dessen Mutter oder Ratgeber, die den Krieg nicht wollten, davon zurückgehalten wurde. S. des Ambrosius Bericht über seine zweite Gesandtschaft an Maximus epist. 24, welche in der Pariser Ausg. von 1661 in T. IV, Epist. lib. VII, ep. 56, p. 319 aufgeführt ist. Tillemont, Art. 14, S. 497 setzt die zweite Gesandtschaft in das Jahr 397.

Des Maximus Usurpation gewährt uns zugleich einen tiefen Einblick in des Theodosius Charakter.

Gewiß lag die Pflicht, Gratians, seines Wohltäters und Helfers, Sturz und Mord zu rächen, dem Gefühle des Menschen so nahe, wie dem Herrscher die Versuchung, sich dessen Erbe anzueignen, worauf er nebst dem Knaben Valentinian II. unbestreitbaren Anspruch hatte.

Man erinnere sich, wie unter ähnlichen Umständen der ungleich schwächere Constantius wider Magnentius handelte.

Theodosius aber widerstand seinem Herzen wie dem berechtigten Ehrgeize, nur der kalten Politik der Vorsicht folgend, welcher der sofortige Krieg gegen Maximus allerdings ein höchst gefährliches Wagnis erscheinen mußte.

War er doch in seinem eignen Lande kaum der Goten Meister geworden, durfte er doch sein altes Heer, von der Mitwirkung der neuen, unzuverlässigen und noch wenig geschulten Föderierten abgesehen, dem des Westens nicht für gewachsen ansehen, das, aus den kriegerischesten Stämmen gebildet, den Herrschern des Orients jeder Zeit furchtbar gewesen war, während er endlich auf Valentinians Mithilfe nur wenig zu bauen vermochte.

Allerdings hätte ein Herrscher mit mehr Mut und Leidenschaft die Sachlage auch anders auffassen können, Theodosius aber handelte mit bedachtsamem Geiste: vielleicht zu ängstlich, aber sicherlich weise.

Sogleich nach der ersten Kunde von der gelungenen Thronumwälzung rüstete er jedoch vorsorglich, scheint auch mit dem Heere bereits ein Stück nach Westen vorgerückt gewesen zu sein (Sokrates V, 12 und Themistius or. XVIII, ed. Harduin, S. 220), als des Maximus Gesandter, dessen Oberkammerherr, bei ihm eintraf. Dieser versprach Namens seines Herrn Valentinians Anerkennung, forderte aber die des Maximus in Gratians Reichsteile, und erbot sich unter dieser Bedingung zu einem Bündnisse wider alle Reichsfeinde (Zosimus c. 37). Darauf muß Theodosius eingegangen sein, weil er nach demselben Schriftsteller des Maximus Bilder in Alexandrien aufstellen ließ.

Übrigens entnehmen wir aus den gedachten Stellen von Sokrates und Themistius, daß Theodosius im Sommer 384 noch eine zweite Demonstration wider Maximus in Person gemacht haben muß, zumal Themistius die vorerwähnte sonst nicht als die erste (η πρώτη εκστράτεια) hätte bezeichnen können (Derselbe p. 220 u. 224).

Die Jahre 384 und 386 verliefen ohne wichtige Ereignisse.

Sapor II., der vierzig Jahre lang von Constantins des Großen bis zu des Valens Tode Roms Geisel gewesen war, scheint um das Jahr 379 gestorben zu sein. Seine Nachfolger suchten Frieden und Freundschaft mit Rom.

Am 9. September 384 ward Theodosius ein zweiter Sohn, Honorius, geboren (Idat. Chr. u. Fast., Marcell. u. Sokrates V, 12), während er im folgenden Jahre seine Tochter Pulcheria und seine Gemahlin Flaccilla verlor, welche die griechische Kirche heilig gesprochen hat. (S. d. v. Tillemont V, 2, Art. 26 zitierten Kirchenväter.)

Ein glänzender Gotensieg verherrlichte das Jahr 386. Bei den Ostgoten mag um diese Zeit Thorismund, Ermanarichs Enkel, bereits tot, das noch vierzig Jahre lang ruhende Königtum also erledigt gewesen sein.

Da scharte ein unternehmender Häuptling derselben, Odotheus Ob identisch mit Alatheus? Könige V, S. 15., sei es mit Genehmigung oder ohne Vorwissen der anderwärts beschäftigten hunnischen Oberherren, ein Heer, dem Abenteurer aus allen Völkern, wahrscheinlich auch Hunnen und Alanen, zuströmten.

An der Donau lagernd sammelte und baute er Schiffe und forderte Gestattung des Übergangs.

Diesen aber verweigerte nicht nur der römische Befehlshaber in Thrakien, Promotus, sondern er suchte auch durch List den gefährlichen Feind ganz zu vernichten. Gewandte, sprachkundige Sendlinge, die sich für Überläufer ausgeben, verheißen für hohen Preis den Barbaren Zeit und Stunde anzugeben, in welcher sie die Römer im Schlafe überfallen können, worauf erstere eingehen, während Promotus durch die kräftigsten Anstalten, unstreitig in der der Zeit des Angriffs gegen Morgen vorausgehenden Nacht, sich zu deren Empfange bereit hält. Indem die feindliche Flottille in die Nähe des rechten Ufers ankommt, wird sie von der römischen mit der vollen Überlegenheit besserer Bewaffnung und Kriegskunst unerwartet angegriffen, indessen andere schwere Schiffe, mit dem Strome herabschwimmend, die leichten Fahrzeuge der Goten übersegeln und versenken. Was sich von der Bemannung letzterer schwimmend an das Ufer rettet, wird von den daselbst aufgestellten Truppen niedergehauen. Der Gotenfürst Odotheus selbst bleibt, der Strom wird mit den Leichen und Waffen der Erschlagenen bedeckt.

So der Kern von des Zosimus weitläufigem, zwei Kapitel (38 und 39) füllenden Berichte (dessen Einzelheiten zu unkritisch und übertrieben sind, um vollen Glauben zu verdienen) in Verbindung mit Claudian (de IV. Cons. Honorii a. Schl.), Idatius (Chr. et Fast.) und Marcellin.

Aus den Worten Claudians und der Chronisten Claud.: Parens (d. i. des Honorius) Odothaei regis opima retulit exuviasque tibi.

Die Chronisten: Victi atque expugnati et in Romaniam captivi abducti gens Greothingorum a Theodosio, qui invasam ab hostibus Thraciam vindicavit, victorque cum Arcadio, filio suo, urbem ingressus est.

hat man des Theodosius persönliche Anwesenheit bei der Schlacht gefolgert, während Zosimus ausdrücklich bemerkt, Promotus habe den in der Nähe Weilenden nur sofort herbeigerufen, worauf dieser, die Menge der Gefangenen und Beute erblickend, erstere sogleich freigelassen und sogar beschenkt habe, sie, seinem Systeme gemäß, für seinen Dienst zu gewinnen. Wir halten letzteres, in der Hauptsache wenigstens, für das Richtige. Die Fiktion der Schmeichelei, daß der Kaiser überall, selbst abwesend, siege, war damals so herrschend, daß aus solcher Phrase, zumal in der Feder eines Dichters, des Theodosius persönliche Gegenwart bei der Schlacht schlechterdings nicht zu folgern ist, während diese Tatsache des Pacatus nur drei Jahre späterer Lobrede gewiß nicht verschwiegen worden wäre. Noch schlagender beinahe tun dies des Zosimus Berichte über den im Werke erwähnten Sarmatensieg des Promotus. Er muß zwei verschiedene Quellen darüber gefunden haben: eine ganz summarische, worin aber der Name Oedotheus vorkam, und eine sehr ausführliche, worin zwar nicht der des Führers, wohl aber der seines Volkes, der Greuthungen (wofür die Handschriften Prothingen haben) genannt ward. Daraus hat er zwei verschiedene Siege gemacht, indem er den einen Kap. 35 mit zwölf bis fünfzehn Zeilen im Jahre 383 vor Gratians Sturz, und den andern sehr weitläufig in zwei Kapiteln 38 und 39 zu richtiger Zeit berichtet, wobei über die Identität beider nicht der geringste Zweifel möglich ist. Vergl. Tillemont (V, 2, Art 27, S. 556), welchem gründlichen Forscher hier aber auch eine Menschlichkeit passiert ist, wenn er (Art. 22 zu Anf. S. 526) auf Grund von Symmachus (X, ep. 61), der offenbar von dem gedachten Siege und den dabei nach Rom gebrachten Gefangenen handelt, einen von Valentinians Feldherrn im Jahre 384 erfochtenen Sieg über Sarmaten annimmt. Dazu veranlaßt ihn unstreitig die Voraussetzung, daß die Überschrift jenes an Theodosius adressierten Briefes fehlerhaft, derselbe vielmehr an Valentinian II. gerichtet (vergl. Anm. 22 unter 4), und im Jahre 384, in welchem Symmachus Stadtpräfekt war, geschrieben worden sei. Wie aber erstere Annahme willkürlich ist, so entbehrt die zweite jedes Grundes, weil Symmachus sein Amt recht gut bis in das Jahr 386 hinein verwaltet haben kann, was Tillemont (in Not. 20 zu Theod., S. 957) sogar ausdrücklich zugibt. Damit steht freilich dessen Anführen (Art. 20, S. 560), wonach Sallust und Pinianus im Jahre 386 Stadtpräfekten zu Rom gewesen seien, im Widerspruch. Indes bringt derselbe an diesem Orte für Pinian gar kein Zeugnis, und für Sallust kein früheres als vom 11. Juni 386 bei, welchem des Symmachus Brief vorausgegangen sein könnte. Jedenfalls mindern diese Widersprüche dessen Glaubwürdigkeit.

Fällt aber hiernach die Notwendigkeit, jenes Ereignis in das Jahr 384 zu setzen, weg, so ist kaum daran zu zweifeln, daß auch Symmachus von der den Goten durch Promotus im Jahre 386 beigebrachten, von vielen Quellen bezeugten großen Niederlage spreche. Dagegen findet sich nicht nur in keiner Quelle auch nur die leiseste Andeutung eines durch ein Heer des dreizehnjährigen Valentinian im Jahre 384 erfochtenen Sieges, sondern es ist auch ein solcher in einer Zeit, da dieser alle Aufmerksamkeit auf seine Verteidigung wider Maximus zu wenden hatte, an sich höchst unwahrscheinlich.

Bezieht sich übrigens des Symmachus Brief, wie wir fest überzeugt sind, auf des Promotus Sieg im Jahre 386, so bestätigen dessen Worte: »Felicem nimis belli istius ducem, qui divinae clementiae vestrae fretus auspiciis ex numero hostium alios ad securitatem provinciarum penitus exstinxit, alios ad laetitiam plebis Martiae reservavit« unzweifelhaft, daß Theodosius bei jener Niederlage der Goten nicht in Person befehligt habe.

Unter Valentinians II. Namen, der im Jahre 386 etwa fünfzehn Jahre alt war, hatte bisher dessen Mutter Justina, zuerst (nach Zosimus IV, 43) des Magnentius, dann seit 369 Valentinians I. Gemahlin regiert. Diese mag ihre Vorliebe für den Arianismus, ihrem Gemahl, Gratian und Theodosius gegenüber, klug verborgen, mit dem Heranwachsen ihres dafür gewonnenen kaiserlichen Sohnes aber derselben freiern Lauf verstattet haben, da die Chronik Prosper Tiros die Verfolgung, welche der Erzbischof Ambrosius und die ganze Mailänder Kirche durch sie zu erdulden hatten, in dies Jahr versetzt, worüber sich letzterer in seinen Schriften sehr weitläufig verbreitet. Nur an dessen Festigkeit scheiterte der Versuch, die rechtgläubige Kirche ganz zu unterdrücken, während er ein allgemeines Toleranzedikt für die Arianer nicht zu hindern vermochte. Wir begnügen uns, weil tieferes Eingehen in die Kirchengeschichte nicht hierher gehört, dafür auf Gibbons treffliche Darstellung Kap. 27 von Not. 61–71 zu verweisen. Des Ambrosius merkwürdige Persönlichkeit wird später erwähnt werden.

Im Herzen des Usurpators gärte fortwährend, wenn auch scheinbar schlummernd, die Herrschsucht.

Wohl mag daher Maximus die Bedrückung der ungeheuern Mehrheit des katholischen Volkes durch Valentinian II. zum Vorwande gedient haben, sich gegen letzteren zu erheben, wie dies Prosper Tiro für das Jahr 387 ausdrücklich anführt. Unter allen Umständen mußte ihm die allgemeine Mißstimmung wider diesen ein willkommener Bundesgenosse sein. Über das Ereignis selbst ist Zosimus (Kap. 42–44) so ausführlich, daß wir ihm bei dem Schweigen der übrigen Quellen notwendig folgen müssen (wenn auch nicht so ausschließlich als Gibbon Kap. 27 von Not. 71–77, während der sonst so gründliche Tillemont, sich in Art. 39 fast ganz auf Zusammentragung aus den Kirchenvätern beschränkend, Zosimus nicht einmal eingehender Erwähnung würdigt).

Maximus muß zuerst, wohl mehr zur Alarmierung als zu ernstlichem Angriff, ein Heer über den Montcenis vorgeschickt haben, während er selbst im Sommer des Jahres 387 durch Rätien und Noricum, die zu Valentinians Reichsteilen gehörten, bis zum Fusse der Julischen Alpen vordrang. Hier war es, wohin ihm jener nicht ein Heer, wohl aber von Aquileja aus einen Gesandten in der Person seines Vertrauten, des Syrers Domninus, entgegenschickte. Letzterer ward aber, seiner nationalen Verschlagenheit unerachtet, vom Spanier überlistet. Erheuchelte Freundschaft für Valentinian, deren Glaubhaftigkeit durch die kostbarsten Geschenke für den Botschafter wirksam unterstützt ward, machten letztern so sicher, daß er nicht nur voll Vertrauen heimkehrte, sondern sogar die Begleitung eines wohl nur kleinern Hilfskorps unbedenklich annahm, das Maximus seinem Kollegen freundlichst zu Bekämpfung der Pannonien bedrohenden Barbaren bewilligt hatte. Diesem wurden nun die gewiß wohlbesetzten Alpenpässe geöffnet und dies machte Maximus möglich, mit seinem eigenen Heere, dessen Anmarsch er sorgfältig verbarg, jenem nachrückend die Alpen ebenfalls unbehindert schleunigst zu passieren und vor Aquileja anzulangen. Da gab es für Valentinian keine Wahl und keinen Widerstand mehr; er eilte über See zu seinem einzigen Retter, zu Theodosius, der ihn nach Thessalonich beschied und sogleich selbst dort aufsuchte.

Nach Zosimus hat sich nun hier der durch einige Senatoren verstärkte Geheimrat sogleich für den gar nicht mehr zu vermeidenden Krieg ausgesprochen, Theodosius aber zunächst nur, unter Kriegsdrohung gegen Maximus, Valentinians Wiedereinsetzung auf diplomatischem Wege von ihm verlangen wollen.

Da habe Justina mit rascher Entschlossenheit ihre schöne Tochter Galla in Aktion gesetzt, die, des Kaisers Knie in Tränen umschlingend, mehr noch auf das Herz des Witwers, als auf das Mitleid des Regenten gewirkt habe, bis er endlich, immer noch schwankenden Sinnes, dadurch zum Kriege entschieden worden sei, daß Justina die Gewährung der von ihm heiß ersehnten Hand ihrer Tochter an diese Bedingung geknüpft habe.

So Zosimus, dem Gibbon unbedingt folgt, während Marcellin in seiner Chronik Galla, als des Theodosius zweite Gemahlin, bereits im Jahre 386 (385 war die erste gestorben) nach Konstantinopel kommen läßt. Für diese Nachricht finden sich weitere Unterstützungs-, aber auch nicht unerhebliche Zweifelsgründe, die Tillemont in der fünfundzwanzigsten Note über Kaiser Theodosius weitläufig abhandelt, schließlich aber doch des Zosimus Angabe mißtrauend. Wir halten einen Irrtum in Marcellius Chronik allerdings für möglich, finden aber bei Zosimus eben so bekannter Unzuverlässigkeit als leidenschaftlicher Gehässigkeit wider Theodosius doch überwiegenden Grund, von dessen Erzählung nur so viel mit Sicherheit für wahr zu halten, daß Galla, sei es als Gemahlin oder Braut, ihren ganzen Einfluß auf Theodosius, der sich allerdings wohl nur ungern das Schwert zu ziehen entschloß, für ihren vertriebenen Bruder aufbot.

Die Verhandlung mag sich bis weit in den Herbst hinein gezogen haben, der Feldzug konnte daher erst im Jahre 388 beginnen. Über diesen ist Zosimus dürftig, des Pacatus Lobrede (von c. 30–45) daher die einzige speziellere Quelle, deren Verständnis der Bombast seiner hohlen Phrasen und die Unsicherheit einiger Lesarten erschwert.

Großartig war sonder Zweifel die Rüstung und, wie der Erfolg bewiesen, von hoher strategischer Kunst der Kriegsplan.

Theodosius muß seinen Hauptangriff maskiert und Maximus, der eine Erhebung der ihm doch mehr abgeneigten Italiener (Zosimus c. 45 a. Schl.) in seinem Rücken fürchten mochte, glauben gemacht haben, derselbe sei vor allem auf Italien gerichtet, wozu eine gewaltige Flotte in den Häfen von Epirus und Griechenland zusammengebracht ward. Dies verleitete Maximus, seinen Hauptfeldherrn, Andragathes, die Seele seines Kriegsbefehls Andrag. ejus comes summam belli administrabat. Orosius 335., der Flotte entgegenzustellen, der mit starken Streitkräften, in der Hoffnung eines entscheidenden Sieges zur See, auslief.

Theodosius wußte aber auch diesen zu täuschen, indem er dessen Merksamkeit auf die Hauptstation seiner Flotte lenkte, inzwischen aber Justina und Valentinian in dessen Rücken auf leichten Schiffen nach Italien sandte, was beinah unzweifelhaft voraussetzen läßt, daß sich noch ein fester Platz daselbst für letztere hielt. Die Absendung der Kaiserin mit ihrem Sohne in ein ganz in Feindes Händen befindliches Land wäre eine völlig nutzlose Preisgebung derselben gewesen. Wenn Zosimus (c. 45 a. Schl.) ihm beide nach Rom schicken läßt, so können sie wohl im Fortgange des Feldzuges, aber sicherlich nicht sogleich von der See aus dahin gegangen sein. Letzteres wäre nur bei einem bereits ausgebrochenen allgemeinen Aufstande für Valentinian II. denkbar gewesen, den die Quellen gewiß nicht verschwiegen hätten. Zosimus charakterisiert sich einige Zeilen später dadurch, daß er die Alpen mit den Apenninen verwechselt.

Gegen Ende Mai anscheinend brach der Kaiser auf der großen Straße über Sirmium in den angestrengtesten Eilmärschen nach den Julischen Alpen auf mit seinem Hauptheere. Dasselbe bestand großenteils aus gotischen Söldnern, von denen Maximus einen Teil durch Bestechung zum Abfall verleitet hatte. Der Verrat muß aber bald entdeckt worden sein, löste sich daher ziemlich unschädlich in der Desertion der gewiß nicht zahlreichen Abtrünnigen auf.

Zugleich entsandte Theodosius ein drittes Korps unter Arbogast auf der Donaustraße durch Noricum und Rätien nach Gallien, das also in des Maximus linker Flanke und Rücken gegen dessen Operationsbasis vordringen sollte.

Mit Blitzesschnelle war derselbe inzwischen in Person herangeeilt; bei Siscia (Sisseck), wo auch Constantius und Magnentius sich trafen, stieß er auf den Feind.

Atemlos und staubbedeckt ankommend, wie der Rhetor (c. 34) sagt, stürzt sich des Theodosius Reiterei, wohl hunnische und alanische, in die Save (oder Culpa), schwimmt durch und überwältigt mit Leichtigkeit des Maximus Vorhut. Im Verlaufe des Gefechts scheint, nach des Pacatus eben so phrasenhafter als unklarer Beschreibung, auch die Stadt selbst genommen oder von den Gegnern geräumt worden zu sein.

Sofort rückte Marcellin, des Maximus Bruder, mit der Hauptmacht Theodosius entgegen, den er, nach Tillemonts freilich etwas unsicherer, aber nicht unwahrscheinlicher Annahme (Art. 44, S. 616) bei Pettau getroffen haben soll.

Die Heere lagerten am Abend sich gegenüber: mit Anbruch des Tages begann die Schlacht, über die wir aus demselben Schriftsteller (c. 35 und 36) nur entnehmen, daß sie heftig und langdauernd gewesen sein muß und durch teilweisen Übergang der feindlichen Truppen für Theodosius entschieden worden sein mag: der Kampf oder doch die Verfolgung dauerte aber bis in die Nacht hinein.

Das war ja das Schicksal fast aller »Tyrannen«, daß das mehr noch moralische als militärische Übergewicht des rechtmäßigen Herrschers, zumal wenn dieser ein großer Mann war, ihre Offiziere und Soldaten im Augenblicke der Entscheidung mehr oder minder zum Wanken, ja zum Abfalle brachte.

Sogleich öffnet nun das Valentinian bis dahin treu gebliebene entsetzte Aemona (Laibach) dem Sieger freudetrunken seine Tore, der hierauf sofort ohne den geringsten Verzug in einem Tage von der pannonischen Grenze bis Aquileja vordringt, wohin Maximus, dessen persönliche Teilnahme an der Entscheidungsschlacht wir nicht ersehen aber vermuten müssen, ratlos und wohl beinahe ganz verlassen geflohen war. (Pacatus c. 37–39.) Hier ward er nach Zosimus (c. 46), da es ihm zu nachhaltiger Verteidigung der Tore an Truppen fehlte, gefangen.

Aller Zeichen seiner Würde bar ward er mit auf den Rücken gebundenen Händen und bloßen Füßen vor Theodosius geführt. Auf den Vorwurf, sich mit der Lüge von dessen geheimer Begünstigung seiner Usurpation gebrüstet zu haben, entschuldigt er sich mit der Notwendigkeit, die Soldaten für sich zu gewinnen, was allein durch dies Vorgeben möglich gewesen sei. (Pacat. c. 43.) Schon soll sich nach derselben Quelle (c. 44) das Erbarmen im Sieger geregt haben, als der Unglückliche von den Soldaten fortgerissen und niedergestoßen wird. Dies geschah am 27. Juli (nach Idatius) oder 27. August (nach Cuspin. und Sokrates V, 14), fast um dieselbe Jahreszeit, da Gratian fünf Jahre zuvor auf des Maximus Geheiß ermordet worden war.

Gleiches Schicksal traf seine Genossen; Andragathes stürzte sich auf die Kunde vom Tode seines Herrn in das Meer und des letzteren früher schon zum Augustus erklärter Sohn Victor ward im Jünglingsalter bald nach seinem Vater durch Arbogast getötet. (Zosim. c. 47. Idatius, Prosper Tiro u. Marcell.)

Weitere Opfer fielen bis auf einige, im ersten Augenblicke niedergestoßene Mauren von des Maximus Garde nicht, da nach des Pacatus Versicherung (c. 5) des Siegers Großmut sogleich die vollständigste Amnestie gewährte, ja selbst Freiheit, Vermögen und Rang der Anhänger seines Feindes unangetastet ließ, was jedoch (nach Tillemonts richtiger Ausführung) auf ein verständiges Maß zu beschränken, namentlich nicht auf Beibehaltung der obersten Beamten desselben zu beziehen ist.

So endete der Tyrann, von dem wir zu wenig wissen, um über ihn urteilen zu können. Gewiß entspricht sein Ende der Schilderung nicht, die Orosius und Sulpicius Severus von ihm entwerfen, welche ersterer sogar (c. 35) durch das Anführen noch verstärkt, daß derselbe durch das bloße Schrecken seines Namens von den wildesten germanischen Stämmen Tribut und Rekruten erlangt habe. Wer aber möchte aus des Pacatus lobhudlerischen und schwülstigen Phrasen – unserer einzigen Quelle – ein treues Bild von der Katastrophe desselben entnehmen?

Der Abgabendruck, dessen Pacatus Maximus so schmähend anklagt, daß er der Übertreibung verdächtig ist, dürfte, im Wesentlichen wenigstens, durch die größere Kraftentwickelung, welcher jede Usurpation bedarf, geboten gewesen sein.

Gegen die von Priscillian in Spanien gestiftete ketzerische Sekte, die von einem Konzil zu Bordeaux und den angesehensten Bischöfen Italiens verdammt ward, schritt er, als sich jener auf ihn berief, so energisch ein, daß er ihn mit einigen seiner Anhänger zu Trier enthaupten ließ (Prosper Tiro und Idatius in den Jahren 385–387), was der würdige Ambrosius, obwohl Priscillians Gegner, entschieden mißbilligte.

Theodosius setzte Valentinian nicht nur in sein Reich wieder ein (Prosper Aq. und Tiro, Idatius und Cusp.), sondern überließ ihm auch das seines Bruders Gratian. Des erstern Mutter erlebte dies aber nicht (Prosper Tiro Jahr 388 und Rufinus Hist. eccl. II, 17) Tillemont (Art. 45 a. Schl., S. 623) folgert aus jenen Stellen, wie uns dünkt mit Unrecht, daß des Zosimus Nachricht (c. 45) von Justinens Rücksendung nach Italien irrig sei, da sie füglich in der Zwischenzeit (d. i. vor Valentinians Eintreffen in Mailand) gestorben sein kann., was Theodosius um so mehr bewogen haben mag, die Regierung Italiens als Mitherrscher in seiner Hand zu behalten und den jungen Kaiser mit Arbogast nach Gallien zu senden, in welches um die Zeit von des Maximus Tod germanische Raubscharen eingefallen waren.

Daß Theodosius diese, wie einst Constantins wider Magnentius, dazu aufgewiegelt habe, sieht ihm nicht ähnlich, zumal die Entblößung der Grenze, weil Maximus der Truppen zum Kriege bedurfte, jenen Vorgang ganz natürlich erklärt, über den uns Gregor von Tours (II, 9) aus dem von ihm angeführten, leider verloren gegangenen Geschichtswerke des Sulpicius Alexander eine interessante Nachricht gibt.

Drei Volksfürsten der ripuarischen Franken, Genobaud, Markomer und Sunno, brachen am Niederrhein in die Provinz des zweiten Germaniens ein, wo sie in gewohnter Weise hausten, namentlich Köln selbst in Schrecken setzten. Indes zogen die römischen Befehlshaber Nannenus und Quintinus ihnen nach Köln entgegen. Die Franken eilten hierauf mit Beute beladen wieder über den Rhein zurück, ließen aber einen Teil des Heeres jenseits zurück, der tief in das Innere einbrechend sein Raubwerk unbehindert fortsetzte. Diesem rückten nun die Römer im Rücken nach und brachten ihm im carbonarischen Wald Die Silva Carbonaria zog sich von der Sambre in Hennegau in der Richtung der jetzigen Grenze von Belgien und Frankreich nach der obern Schelde in Westflandern zu, wo Tournay schon außerhalb derselben gelegen zu haben scheint. (Waitz, das alte Recht der salischen Franken, S. 59.) eine bedeutende Niederlage bei. Dies Waffenglück erweckte bei den Siegern die Lust, die Franken in ihrem eigenen Lande zu züchtigen, was jedoch, bei des Nannenus Widerspruch, Quintinus allein unternahm.

Derselbe ging bei Neuss über den Rhein, fand während eines zweitägigen Vordringens alles menschenleer, mußte sich daher mit dem Niederbrennen der Häuser begnügen. Die in die Wälder führenden Wege waren durch Verhaue gesperrt. Am Morgen des dritten Tages drang das Heer in den die Gegend vor ihm abschließenden Wald ein (wahrscheinlich einen entfernteren Teil des alten Cäsischen, Tacitus Ann. I, c. 50) und vertiefte sich, des Weges unkundig, immer mehr in das Dickicht, bis es gegen Mittag an eine Stelle kam, wo sich, wie wir nach der Beschreibung annehmen müssen, eine offene, lange, aber schmale Niederung, wohl das Tal eines Baches, durch den Wald zog, dessen Zugang durch ungeheure Verhaue versperrt war. Um nun an geeigneter Stätte in diesen einzudringen, zogen die Römer am Saume des Holzes hin, als auf der Höhe der Verhaue plötzlich, erst in kleinerer, dann in größerer Zahl Bogenschützen erschienen und sie mit Pfeilen beschossen, die, mit Pflanzengift bestrichen, selbst bei scheinbar leichter Verletzung tödliche Wunden verursachten. Die Wahrheit wird durch das salische Gesetz Tit. 20, I, 2 bestätigt. Vor diesen wichen die Römer in die Niederung zurück, fielen aber hier in ungeahnten Sumpf, in welchem namentlich die Reiterei versank und in die größte Verwirrung geriet, aber auch das Fußvoll kaum festern Boden zu finden vermochte. Indem nun die Truppen sich durch Rückzug nach dem von ihnen kaum verlassenen Walde mühsam zu retten suchten, stürzten die Franken plötzlich von allen Seiten her auf die ausgedehnte und in Unordnung aufgelöste Linie und brachten ihr eine furchtbare Niederlage bei, bei welcher Heraclius, der Befehlshaber der jovinianischen Legion, und fast alle Stabsoffiziere blieben, so daß nur wenige, begünstigt vom Dunkel der Nacht, durch den Schutz des Waldes sich zu retten vermochten. Wir haben des Sulpicius Schilderung einige, aus der Natur des Herganges sich ergebende, kaum zweifelhafte militärische und örtliche Details hinzugefügt. Die entscheidende Stelle lautet: Perturbatis igitur ordinibus caesae legiones. Selbst das Entrinnen der wenigen, bei denen sich, weil dessen Tod nicht berichtet wird, auch Quintinus befunden haben muß, läßt sich bei der Entfernung zweier Tagemärsche vom Rheine wohl nur dadurch erklären, daß im letzten befestigten Lager eine Reserve zurückgeblieben war.

Das war, wenn wir der Quelle, die aber wohl nicht ohne Übertreibung ist, trauen dürfen, fast eine Wiederholung der Varusschlacht.

Als nun, nach des Maximus Sturz, Valentinian mit Arbogast in der Provinz anlangten, standen Römer und Franken sich noch in Waffen gegenüber. Erstere deckten unter Charietto (vielleicht ein Sohn jenes frühern) und Syrus den Rhein, den letztere dennoch an einzelnen Punkten überschritten.

Der Feldherr riet, sie mit starker Macht anzugreifen und ihnen nur gegen Rückgabe aller bei dem vorjährigen Siege gemachten Beute Frieden zu gewähren. Dazu kam es indes nicht: vielmehr zog der Kaiser später vor, ohne weiteres Frieden mit den Frankenkönigen zu schließen, auf den diese auch, den gewaltigen Mann fürchtend, sogleich unter Stellung von Geiseln eingingen.

Drei Jahre lang waltete Theodosius mit weiser Tätigkeit in Italien, meist zu Mailand, der eigentlichen Residenz, aber auch in Rom verweilend, wo Pacatus im Jahre 389 die oft erwähnte Lobrede vor ihm im Senate hielt.

Im Jahre 391 erst kehrte Theodosius nach Konstantinopel zurück.

Bald darauf ward der hochverdiente Feldherr Promotus, der sich nebst seinem Kollegen Timasius im Kriege gegen Maximus ausgezeichnet haben muß, da beide im Jahre 389 zu Konsuln ernannt wurden, von Barbaren auf dem Marsch in Thrakien getötet. Nach des Zosimus Angabe (c. 51), die jedoch auf unerweislicher Vermutung beruhen dürfte, waren die Mörder gedungen von Rufinus, der den Befehlshaber wegen einer von ihm verdientermaßen empfangenen Ohrfeige bitter haßte. Nach Claudians wiewohl höchst übertriebener, unzuverlässiger und unklarer Darstellung (in Rufinum I, v. 309–354) soll jedoch Rufinus die Völker jenseits der Donau zu einem plötzlichen Einfall in römisches Gebiet aufgewiegelt haben, wobei Promotus blieb. Darauf sei aber Stilicho, der in der Nähe befehligt haben muß, gegen diese angerückt, habe sie geschlagen und hätte den Rest gefangen nehmen können, wenn nicht Theodosius, von Rufinus getäuscht, dies verhindert hätte. Dadurch habe er auch den Hunnen geholfen, von denen noch eine Schar im Anzuge gewesen sei, die Stilicho aber ebenfalls geschlagen habe. Das Ganze läuft auf einen möglicherweise durch des Rufinus verräterische Mitwirkung erleichterten Überfall hinaus, der sicherlich von Unerheblichkeit war, wobei Theodosius übrigens, seinem Systeme gemäß, die weitere Verfolgung der Goten untersagt haben kann. Wie Rufinus hierauf (nach Zosim. c. 52) den Präfectus Prätorio Tatianus und dessen Sohn stürzte, ja letztern, zwar nach Urteil und Recht, aber mit solcher Beschleunigung enthaupten ließ, daß des Kaisers Begnadigung zu spät anlangte, liegt unserm Zwecke zu fern, um hier kritisch erörtert zu werden.

In der Tat aber scheint es, daß der gefährliche und hochstrebende Mann, der im Jahre 392, nach des Promotus Tode, zum Konsul ernannt wurde und (nach Eunapius 18, p. 112) eben so seltenen Geistes als tiefer Verstellung gewesen sein muß, zu großen Einfluß auf Theodosius gewonnen hatte, obwohl uns von diesem sonst Begünstigung Unwürdiger nicht bekannt ist. Indes ist unser Wissen viel zu mangelhaft und dürftig und Claudians Gedicht über Rufinus, ein Erzeugnis der Gunstbuhlerei bei Stilicho, dessen Todfeinde, worin er ihn als den Ausbund der teuflischsten Verruchtheit schildert, als Geschichtsquelle bedenklich.

Langsam bereitete sich inzwischen, nach des Theodosius Abreise aus dem Abendlande, Valentinians II. Untergang vor.

Der im Jahre 389 erst achtzehnjährige junge Mann bedurfte der Stütze und des Führers, wozu niemand geeigneter war, als Arbogast, ein Mann außerordentlicher Körper- und Geisteskraft, aber auch wilder Leidenschaft, daher, wie Eunapius (17, p. 111) sagt, der verzehrenden Flamme gleich, der jedoch seiner Uneigennützigkeit halber eben so geliebt als geachtet war und, nach seines altern Kollegen und Landsmannes Bauto Tode, niemand am Hofe mehr über sich, ja neben sich hatte. Was Wunder, daß sich in solchem Manne, dem zwar guten und edeln, aber jugendlich schwachen Kaiser gegenüber, das Selbstgefühl mächtig regte und nicht in römischer Form mit Kriecherei und Hinterlist, sondern auf derbe germanische Weise äußerte. Kleines, wobei Arbogast vielleicht nicht immer in der Sache, nur in der Manier Unrecht hatte, mag den Herrn immer mehr gegen den Diener erbittert haben, bis er endlich, zum Bruch entschlossen, bei einem feierlichen Empfang ihm vom Throne herab das Entlassungsrescript überreichte. Dieser aber, das Schreiben durchfliegend, erwiderte: »was Du mir nicht gegeben (er war unstreitig von Theodosius ernannt), kannst Du mir auch nicht nehmen,« und warf es ihm zerrissen vor die Füße.

Somit war der Kampf erklärt, nur noch, wer sich des andern zuerst entledige, die Frage. Valentinian, der zur Vollstreckung seines Befehls wider den Allmächtigen niemand hatte, wandte sich schriftlich an seinen frühern Retter Theodosius. Arbogast zauderte noch mit der Tat, weil er den Thron nicht für sich wollte, sei es, weil er dies seiner barbarischen Abkunft Die Quellen nennen ihn alle einfach einen Franken, was einen gebornen voraussetzen läßt. Philostorgius II., c. 2, der ihn nur als Sohn eines Barbaren bezeichnet, ist keine Autorität. Auch Valesius und Tillemont sind ersterer Ansicht. (S. des letztern Art. 68, 8. 711.) halber nicht wagte oder weil ihm überhaupt mehr am Wesen, als am Scheine lag. Bald aber glaubte er in einem, ihm früher von Richomer empfohlenen Literaten und Rhetor, auch vormaligen Staatsdiener, Eugenius, einem wohlunterrichteten und gewandten Manne, den er als Vertrauten um sich hatte, ein geeignetes Werkzeug zur Thronfolge gefunden zu haben, der denn auch, wiewohl nur nach längerem Sträuben, darauf einging. (Zosimus c. 53 und 54.) Des Zosimus Bericht über Valentinians Katastrophe trägt so sehr das Gepräge der Wahrheit, daß wir ihm unbedingt gefolgt sind. Nur hinsichtlich dessen Todesart (er läßt ihn am hellen Tage von Arbogast töten) stehen ihm alle übrigen Quellen entgegen, verdienen daher den Vorzug.

Diese Ungleichheit ist eine Eigentümlichkeit des Geschichtsschreibers, der, bald guten, bald schlechtern Gewährsmännern folgend, auf deren kritische Würdigung sich nicht einläßt.

Valentinian war eben im Begriff, von Vienne in Gallien nach Mailand zurückzugehen, weil ein Heer von Barbaren von der Schweiz aus die Alpen bedrohte (s. darüber weiter unten) und er sich gewiß auch Theodosius zu nähern wünschte, als ihn Arbogast am 15. Mai 392 durch Kämmerlinge erwürgen und nachher so aufhängen ließ, daß man an Selbstmord glauben konnte. (Orosius c. 37, womit Sokrates V, 25, Sozomenos VII, 22 und alle Chronisten übereinstimmen.)

Über Valentinians II. Persönlichkeit haben wir allein kirchliche Quellen, die des Lobes für den frommen, seit der Mutter Tod auch streng rechtgläubigen Kaiser vielleicht etwas zu voll sind.

III. Theodosius als Alleinherrscher

Nach Valentinians Tode scheint Theodosius, zumal von dessen Schwester Galla, seiner Gemahlin, angetrieben, über die Pflicht rächender Sühne kaum geschwankt zu haben, als ihn des Eugenius Gesandte, die einfach Anerkennung forderten, trafen.

Die höhere Gefahr einem Gegner wie Arbogast gegenüber würdigend, war die Erwiderung höflich aber unentschieden und hinhaltend, indes er alle Tätigkeit der Rüstung wider den Empörer widmete.

Gegen sofortigen Angriff gesichert, zog Arbogast mit Eugenius im Winter 392 gegen die Franken, in der Absicht, durch Gewalt oder Verhandlung deren Mithilfe für den bevorstehenden Krieg zu erlangen Daß er, wie Sulpicius Alexander (nach Gregor v. Tours) sagt, diesen Feldzug nur aus persönlichem Haß gegen die Frankenfürsten (subregulos) Sunno und Markomer unternommen habe, ist unter den damaligen Umständen nicht glaublich., zugleich aber auch, nach Sulpicius Alexander, um seinen stammtümlichen Haß gegen Sunno und Markomer zu befriedigen (gentilibus odiis insectans).

Bei Köln mit starker Macht über den Rhein gehend drang er verwüstend in das Gebiet der Brukterer südlich der Lippe vor, wandte sich gleicher Weise gegen die Chamaven nördlich dieses Flusses und zog noch weit in das Land hinein, ohne dabei auf Widerstand zu stoßen, außer daß sich zuletzt schwache Scharen von Amsivariern und Chatten unter Markomer auf den entfernteren Hügeln zeigten. Von weiteren Erfolgen wissen wir nichts: wenn indes derselbe Schriftsteller bald darauf der von Eugenius in Person (weil der gehaßte Arbogast dazu weniger geeignet erschien) mit den Häuptern der Franken und Alemannen abgeschlossenen Bündnisse gedenkt, deren Zweck stets Truppenstellung für Sold war, so müssen wir annehmen, daß darauf auch der vorhergegangene Feldzug nicht ohne Einfluß gewesen sei. (Greg. v. Tours II, 9.)

Zwei volle Jahre verwandte der bedächtige Theodosius auf die Rüstung, nach deren Vollendung er Anfang Juni 394 von Konstantinopel aufbrach und mit dem wahrscheinlich bei Sirmium schon zusammengezogenen Heere wieder wie gegen Maximus mit größter Schnelligkeit an die julischen Alpen marschierte, wo das zweite Kriegsdrama ebenfalls verlaufen sollte.

Arbogast operierte anders, geschickter als Maximus, indem er seine Truppen, die jener staffelförmig bis Siscia hatte vorrücken lassen, am innern Abhange der Alpen konzentrierte und selbst deren Pässe wohl nur zum Schein verteidigte. Claudian de IV. Cons. Hon. v. 77:

Hic fusis, collectis viribus ille.
Hic vagus excurrens: hic intra claustra reductus.

Derselbe de III Cons. Hon. v. 90:

Te propter et Alpes invadi faciles etc.
v. 93: scopulis patuerum claustra revulsis.

Als Theodosius von der Höhe herabzog, fand er das feindliche Heer am Flusse Frigidus (nach Tillemont jetzt Wipach in der Grafschaft Görz) ungefähr 7½ Meilen von Aquileja gelagert.

Sogleich ließ er dasselbe durch Goten und andere Barbaren, welche Gaina und Saulus, die wir später wieder finden werden, befehligten, angreifen, was diese mit der größten Tapferkeit ausführten: schließlich aber mußten sie, von der gewiß großen Mehrzahl überwältigt, bei Einbruch der Nacht mit ungeheuerm Verluste, auch dem ihres tapfern Führers, des Armeniers Bacurius Dies kann kaum der S. 44 erwähnte voreilige Bacurius sein, wenn gleich dem nicht entgegenstehen dürfte, daß der erste ein Iberer, der zweite ein Armenier genannt wird, da beide Länder aneinander grenzten., zurückweichen.

Theodosius, dem Kampfe zuschauend, ließ sie ohne Unterstützung, sei es, daß er ihre Aufreibung gern sah oder aus uns unbekannter strategischer Rücksicht.

Über diesen Sieg triumphierend hielt sich nun Eugenius auch des endlichen schon versichert, den Arbogast trefflich vorbereitet hatte. Für den nächsten Tag aber verläßt uns merkwürdiger Weise Zosimus ganz, so daß wir nur Claudian, Orosius und die Kirchenväter haben, welche letztern die Entscheidung ganz des Kaisers Gebet und Wundergeschichten zuschreiben.

Als der Morgen des verhängnisvollen 6. September anbrach (Cuspin. und Sokrates V, 25), sah sich Theodosius zu seinem größten Schrecken in der Nacht in beiden Flanken auf Nebenpässen umgangen und im Rücken bedroht. Da aber äußerte sich, wie Orosius und Sozomenos sagen, die erste Gebetserhörung, indem der feindliche General Arbitno unter gewissen sogleich gewährten Bedingungen zum rechtmäßigen Herrscher überging.

Unbesorgt zog nun das Heer von der Höhe herab, fand aber in der Enge und Versperrung der Wege durch den Troß solche Schwierigkeit, daß Theodosius, in der Furcht, es ungeordnet herabkommen und in diesem Zustande angegriffen zu sehen, nach Ambrosius (de obitu Theod. conc. V, p. 117 der Ausgabe von 1647) zu Fuß an des Zuges Spitze eilte, und mit den Worten: »Wo ist der Gott des Theodosius?« die Truppe anhielt und die Ordnung wieder herstellte.

Indem aber das Heer auf den Plan des Zusammenstoßes anlangte, erhob sich in dessen Rücken ein furchtbarer Orkan – ein in den Alpen zu dieser Jahreszeit nicht ungewöhnliches Naturereignis –, der den Feinden Staub in das Gesicht trieb, deren Pfeilwurf hindernd und ablenkend schwächte, den diesseitigen Pfeilflug und den ganzen Angriff wunderbar förderte. Claudian de III. Cons. Hon. v. 94:

Te propter gelidis Aquilo de monte procellis
Obruit adversas acies, revolutaque tela
Vertit in auctores et turbine reppulit hastas.
O nimium dilecte Deo, cui fundit ab antris
Aeolus armatas hyemes; cui militat aether,
Et conjurati veniunt ad classica Venti.
Dazu kam die moralische Gewalt des schreckenden Wahrzeichens, so daß des Empörers Truppen nach kurzem Gefecht und geringem Verlust von jeglicher Gegenwehr abstanden, dieser selbst aber gefangen und, als er sich zu des Siegers Füßen warf, von den Soldaten getötet wurde, worauf dessen auf einer Lanze umhergetragenes Haupt den noch unentschlossenen Rest seiner Truppen bestimmte, sich dem Sieger ebenfalls zu unterwerfen. Arbogast entrann auf die höchsten Alpen, stürzte sich aber, verfolgt und umringt, an Rettung verzweifelnd, freiwillig in sein Schwert (Zosimus c. 58. Claudian de III. Cons. Honor. v. 63–105 u. de IV. C. Honor. v. 71–116. Orosius c. 35. Sokrates V, 25. Sozomenos VII, 24. Theodoret V, 24.)

Großartig wiederum, wie nach dem Sieg über Maximus, war die Vergebung des Kaisers, kurz aber die Zeit der Ernte seiner Taten. Übermäßige Anstrengung hatte den Keim der Krankheit geweckt: die Wassersucht brach aus. Er berief seinen zehnjährigen Sohn Honorius aus Konstantinopel und fühlte sich schon so viel besser, daß er einem Wagenrennen vormittags beiwohnte: aber er ward plötzlich viel kränker und hauchte in der Nacht vom 15. zum 16. Januar 395 seine edle Seele aus. (Sokrates V, 26, welcher nebst dem Chron. Paschale allein den Todestag angibt. Sozomenos VII, 29 und die Chronisten.) Erst fünfzig Jahre alt ward er dem trauernden Reich und seinen unreifen Nachfolgern entrissen.

Zweimal schon sahen wir Rom am Rande des Unterganges, als eine kräftige Hand es rettete und wieder erhob. Auch Theodosius, der letzte Kaiser des Gesamtreichs, der letzte große Kaiser, erhob es wieder: aber nur für die Dauer seines Lebens: je ruhmvoller und glücklicher unter ihm die Erhaltung, um so schmählicher, unheilvoller nach ihm der Fall.

Diokletians Regimentsordnung war ein weiser großer Gedanke gewesen, des Theodosius Erhebung selbst ein Nachhall derselben; an dessen Vaterherzen aber scheiterte die Wiederholung.

Von einem Kinderlosen erdacht, war die Idee, mit Zurücksetzung des eigenen Blutes stets nur den Würdigsten auf den Thron zu erheben, für menschliches Gefühl zu erhaben, um bleibende Vollziehung zu finden.

Wir widmen der Person und kirchlichen Wirksamkeit des edlen Mannes das nächste Kapitel.


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