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Dreizehntes Kapitel
Valentinian III. und Gaiserich

(Richtiger wohl: Genserich nach J. Grimm. D.). Die Vandalen in Afrika Die sichersten Quellen über des Johannes Usurpation sind Olympiodor (p. 468, 470 und 471), Prosper Aquitanus (für die Jahre 423–425) und Sokrates (VII, 23 und 24), und zwar Letzterer, weil er, wenn schon an sich unzuverlässig, im Wesentlichen mit Ersteren übereinstimmt.

Daß Valentinian III. erst im Jahre 425 von Theodosius II. zum Augustus erhoben ward, bestätigt, außer Prosper Aquitanus, auch Olympiodor dadurch, daß er ihn siebensäulig nennt, da derselbe zu Anfang Juli 419 geboren, erst in der zweiten Hälfte des Jahres 425 das siebente Jahr antrat.

Tillemont (VI, 1, Art. 15 am Schl. und 22) und Gibbon (Kap. XXXIII, Note 6) sagen, Theodosius habe bei dieser Gelegenheit das westliche Illyrien, d. i. Pannonien, Dalmatien und Noricum, vom Westreich abgerissen und zu dem seinigen geschlagen; Letzterer bezieht sich aber dafür nicht auf Quellen unmittelbar, sondern nur auf Comte de Buat, Hist. des peuples de l'Europe, worin wir jedoch (T. VII, S. 242 bis 263) nichts Überzeugendes gefunden haben. Indes sagt Cassiodor in einem Schreiben an den Senat zu Rom (Valiarum XI, 1) bei Vergleichung seiner Herrin Amalasvinta mit Placidien von Letzterer: Nurum denique sibi amissione Illyrici comparavit, factaque est conjunctio regnantis divisio dolenda provinciis. Dies Zeugnis ist an sich nicht in Zweifel zu ziehen, schließt aber zumal bei dessen lobrednerischem Stile nicht aus, daß er dabei die Abtretung eines Teils von Illyrien im engern Sinne, d. i. von Dalmatien im Sinne gehabt hat, worauf das Ostreich vielleicht seit längerer Zeit Anspruch machte.

Mindestens halten wir die Abtretung aller drei obengenannten Provinzen für unbegründet, nicht nur, weil die Chronisten ein so wichtiges Ereignis kaum unerwähnt gelassen haben würden, sondern auch weil sich in der Folgezeit noch sichere, weiter unten zu erwähnende Beweise finden (s. S. 382), daß dieselben größtenteils mindestens noch zu Westrom gehörten. Auch scheint der Ausdruck divisio mehr für eine nur teilweise Abtretung zu sprechen. Übrigens ist es zugleich wahrscheinlicher, daß dies Abkommen schon im Jahre 424 erfolgte, wo Valentinian III. erst durch Theodosius II. zum Thron gelangte, als bei seiner Vermählung mit des Letztern Tochter im Jahre 437. Man muß dann freilich Cassiodors Ausdruck: conjunctio nur auf die Verlobung des jungen Kaisers mit Eudoxien beziehen, welche schon im Jahre 424 bei Placidiens Anwesenheit in Konstantinopel stattfand und von derselben wohl als Mittel benutzt ward, die Überlassung des Westreichs an ihren Sohn überhaupt zu erlangen, worüber Theodosius (nach Sokrates VII, c. 24) noch schwankte.

Als der legitime Nachfolger des Honorius war willig anerkannt ein kaum fünfjähriges Kind, abwesend in Konstantinopel, nur weil des großen Theodosius Enkel – so tief hatte die Vorstellung der Vererbung schon Wurzel geschlagen. Welche Aufforderung für einen Anmaßer, sich des wenigstens faktisch erledigten Thrones zu bemächtigen!

Dazu erhob sich bald auch (während über die tatsächliche Regierung des Westreichs mit Theodosius II. verhandelt wurde, dem nach dem damaligen römischen Staatsrecht, das auf der Idee eines einigen Reiches beruhte, die Verfügung über die künftige Verwaltung dieses Teiles desselben zustand) Johannes, der Oberhofnotar (primicerius notariorum), der die im Range höchste Zivilstelle nach den Präfekten und Ministern bekleidete. Dazu soll ihn, nach Prokop (d. b. Vand. I, 3, p. 321 d. Bonn. Ausg.), in Anerkennung vorzüglicher Befähigung, der Hof (d. i. die obersten Staats- und Hofbeamten) bestimmt haben.

Theodosius II. aber, für den hauptsächlich dessen ausgezeichnete Schwester Pulcheria regierte, erkannte den Anmaßer, der ihn durch eine Gesandtschaft um Bestätigung gebeten, um so weniger an, als die im Jahre 422 über Persien erfochtenen Siege sein Machtgefühl gesteigert hatten, sandte vielmehr seinen in jenem Kriege mit Ruhm gekrönten Magister militum Ardaburius nebst dessen Sohne Aspar und einem dritten Feldherrn Candidianus wider den Rebellen ab.

Der Erste hatte sich, wohl an der Spitze des Fußvolks, in Salona eingeschifft, erlitt aber einen so heftigen Sturm, daß die ganze Flotte zerstreut ward, er selbst, vielleicht an die italienische Küste verschlagen, in des Feindes Hände fiel und nach Ravenna gebracht, daselbst aber von Johannes, der ihn wohl für ein kostbares Friedenspfand hielt, mit größter Freundlichkeit behandelt wurde. Da schwebte dessen Sohn Aspar, der hauptsächlich Reiterei führte und Placidien mit ihrem bereits zum Cäsar ernannten Sohne Valentinian bei sich hatte, in höchster Besorgnis.

Inmittelst aber hatte Candidianus, der mit seinem Corps östlicher in Italien gelandet zu sein scheint, viele Städte bereits sich unterworfen.

Johannes mochte solche Energie nicht erwartet haben, hatte sich daher unbesorgt zuvörderst des so wichtigen Afrika, das Bonifacius für Placidien hielt, bemächtigen wollen und dazu Truppen abgesandt (Prosper Aquitanus).

Da nun die barbarischen Söldner, die Johannes anzuwerben suchte, noch nicht eingetroffen waren, wagte er wegen Mangel an Truppen nicht, das offene Feld zu halten, schloß sich vielmehr in dem für uneinnehmbar gehaltenen Ravenna ein. Vor diese Lagunenstadt rückte nun Aspar, dem ein Schäfer (nach Sokrates VII, 23 aber ein Engel in Schäfertracht) einen festen Pfad durch die Sümpfe, vielleicht in der höchsten Trockenheit des Sommers, zeigte, auf welchem er, wohl in der Nacht, die Stadt, deren Tore unverschlossen waren, überrumpelte. So endete durch des Johannes Gefangennehmung und Tötung im Jahre 424 das kurze Zwischenspiel.

In der zweiten Hälfte des Jahres 425 erst ließ Theodosius II., der wohl eine Zeit lang an eigene Verwaltung des Westens gedacht haben mag, Valentinian III., der sein siebentes Jahr begonnen hatte, zu Rom mit dem Purpur bekleiden.

Kaum war Johannes tot, als der von ihm ausgesandte Aëtius mit einem Hunnenheer zu dessen Hilfe erschien. Zuerst tritt uns derselbe hier entgegen; ein merkwürdiger Mann (römisch geschult und nicht frei der bösen Einflüsse solcher Schulung D.), aber seltener Geisteskraft, Roms letzter großer Feldherr, der das sinkende Reich mit starkem Arme noch dreißig Jahre lang am Rande des Abgrundes festhielt, welcher es nach dessen Tode unabwendbar verschlang. Er war in Dorostorena oder Dorostolum in Niedermösien, dem heutigen Silistria in Bulgarien, geboren, Sohn des Magister militum Gaudentius, der in Gallien von den eignen Truppen getötet worden war, und einer Italienerin edler Geburt. Schon als Knabe mit prätorischem Range bekleidet war er als Geisel zuerst von Alarich gefordert Wenn Frigeridus bei Gregor von Tours (11, 8) sagt, Aëtius sei wirklich als Geisel drei Jahre lang bei Alarich gewesen, so muß dies nach dem hierin glaubhafteren Zosimus, der (V, 36) Alarichs diesfallsiges Verlangen im Jahre 408 von Honorius zurückweisen läßt, bezweifelt werden. und dann den Hunnen als solche wirklich überliefert worden. Hier mag er neben genauer Kunde dieses Volkes zugleich Achtung und Liebe sich erworben haben. Nach der Rückkehr trat er unter die Leibgarde (domestici) und ward von Johannes, für den er sich erklärt haben muß, als castrensis sacri palatii So verstehen wir die Worte in Gregor von Tours: Joannis curam palatii gerere coepit. angestellt. (R. Profut. Frigeridus in Gregor von Tours II, 8. Jordanis c. 34. Prosper Aquitanus und Tiro.)

Als der Angriff des byzantinischen Heeres drohte, ward er von seinem Herrn zu den Hunnen gesandt, um bei denselben Truppen anzuwerben, mit denen er dem Feinde in den Rücken fallen sollte, langte jedoch, wie gesagt, zu spät damit an.

An der Spitze eines Heeres findet man leicht Verzeihung, die Placidia, welche selbstverständlich für Valentinian III. regierte, ihm willig gewährte.

Nicht so glücklich war der Magister militum Castinus, der Konsul des Jahres 424, der, des Einverständnisses mit dem Empörer beschuldigt, in Verbannung geschickt ward. (Prosper Aquitanus.)

In Gallien hatte Theoderich I. den von Walja mit Rom geschlossenen Frieden bis zu des Honorius Tod treu bewahrt, hielt sich aber gegenüber dem Anmaßer Johannes, der in Gallien Anerkennung gefunden zu haben scheint, nicht für gebunden.

Rasch vordringend muß er sich bereits eines großen Teils des römischen Gebiets bemächtigt haben, da er im Jahre 425 Arles belagerte. Gegen diesen ward nun sofort Aëtius entsandt, der, wenngleich nach Prosper Aquitanus die ihm folgenden Hunnen durch dessen Bemühung zur Rückkehr in die Heimat bewogen worden waren, höchst wahrscheinlich doch noch einen, wenn auch nur kleinen Teil dieser Söldner dahin mit sich geführt haben mag. Er entsetzte Arles und brachte den Goten dabei eine Schlappe bei Donec imminente Aëtio non impuniti discederent. Prosper Aquitanus zum Jahre 428.

Idatius bemerkt unter dem sechsten Regierungsjahre Valentinians, daß Aëtius bei Arles einen Trupp Goten vernichtet und deren Anführer Aonulf getötet habe.

Dies hält Aschbach für ein besonderes Gefecht bei einer zweiten Belagerung von Arles, deren auch Prosper Tiro unter dem vierten Jahre Valentinians gedenke. (S. Dahn, Könige V, S. 73.)

Allein Prosper Tiro, der des Letztern Erhebung zum Augustus in das Jahr 3 setzt, spricht offenbar vom Jahre 426, dem Prosper Aquitanus, wenn wir des Aëtius Feldzug in den Winter 425–426 setzen, keineswegs wesentlich entgegensteht. Unstreitig ist daher jene Nachricht des Idatius nur aus Versehen in dies Jahr gekommen, was dadurch noch wahrscheinlicher wird, daß derselbe in dem nämlichen Jahr unmittelbar darauf der Bekriegung der Juthungen und Noriker (in Bayern und Österreich) durch Aëtius gedenkt.

Übrigens ist die Chronologie des Prosper Aquitanus, der genauer nach Konsulaten, mit der des Idatius, der nach Regierungsjahren rechnet, nicht sicher zu vereinigen. Offenbar nimmt Letzterer das Jahr 424 als das erste Valentinians an, was es auch wirklich war, setzt daher nur aus Irrtum dessen erst 425 erfolgte Erklärung zum Augustus in dasselbe.

Ein späteres, unzweifelhaft sicheres Ereignis, die Ernennung des Xystus (Sixtus) zum zweiundvierzigsten römischen Bischof, würde bei Idatius hiernach auf das Jahr 433 fallen, während es Prosper Aquitanus und Marcellin unter 432 aufführen.

Sollte das Jahr III Valentinians, unter dem kein Ereignis bemerkt wird, vielleicht durch späteres Versehen in dessen Chronik eingeschoben worden sein?

Umgekehrt hatten wir freilich im vorigen Kapitel unter c) gefunden, daß Idatius ein Ereignis des Jahres 419 unter 418 angeführt hatte. Dies Alles aber beweist nur, daß dessen Zeitrechnung überhaupt eine mangelhafte ist. Die amtliche des Reichs war die nach Konsulaten und bei deren Überrechnung in die nach Regierungsjahren ein Irrtum leicht möglich, da der Anfang einer Regierung in den Lauf des Kalenderjahres fiel, auch der Zeitpunkt des Beginnes einer solchen, wie gerade nach des Honorius Tod, oft ein unsicherer war.

, worauf ein Friede gefolgt zu sein scheint, wie dies, wenn auch nicht mit voller Sicherheit, aus Sidonius Apollinaris (Carm. VII, v. 218–225) zu folgern sein dürfte. Prosper Aquitanus zum Jahr 425.

Nach diesem glücklichen Erfolge scheint Aëtius noch im Jahre 426 nach Rom zurückgegangen zu sein und dort seine Intrige wider Bonifacius, auf die wir sogleich kommen werden, gespielt zu haben.

Wir wenden uns nun zu dem wichtigsten Ereignis dieser Zeit – der Eroberung Afrikas durch die Vandalen. Prokops Darstellung der Intrige, welche Bonifacius veranlaßte, Gaiserich zu seiner Hilfe zu rufen, dürfte im Wesentlichen richtig sein, ist aber, nach den Angaben der Zeitgenossen Prosper Aquitanus und Augustinus, ungenau und unvollständig.
Völlig verworfen wird sie unter nicht verächtlichen Gründen von Auler, de fide Procopii caesareensis Bonn. 1876. Letzter Satz aus technischen Gründen [Fußnote in Fußnote] ans Ende der Anmerkung gesetzt. Re.

Wir denken uns den ganzen Hergang so. Bei Placidiens Verbannung nach Konstantinopel im Jahre 423 blieb Bonifacius in Afrika ihr treu.

Derselbe erkannte den Tyrannen Johannes nicht an, worauf dieser im Jahre 424 Truppen wider Bonifacius abschickte (Prosper Aquitanus), welche nach Prosper Tiro Sigisvult befehligte.

Nachdem Valentinian III. im Jahre 425 zum Kaiser erhoben worden, ward Bonifacius nach Rom berufen und von Placidien zum Befehlshaber über ganz Libyen ernannt, was des Aëtius Mißgunst heftig erregte. (Prokop, p. 322, Z. 23–25.)

Aëtius verbarg seinen Groll, wußte aber, unstreitig erst nach seiner glorreichen Rückkehr aus Gallien im Jahre 426, den Argwohn der Kaiserin wider Bonifacius zu erregen. »Derselbe strebe, mag er ihr eingeredet haben, Afrika vom Reiche loszureissen und als Tyrann zu regieren. Wolle sie sich dessen versichern, so möge sie ihn plötzlich nach Rom berufen: er werde nicht kommen, worauf diese, als auf eine völlig unbedenkliche Prüfung des Angeschuldigten, einging.« (Prokop, p. 322, Z. 15–22.)

An Bonifacius dagegen hatte Aëtius vorher schon unter der Maske der Freundschaft geschrieben, die Kaiserin trachte ihm nach dem Leben, was er daraus ersehen könne, daß man ihn bald ohne Angabe eines Grundes zurückberufen werde. Als dies nun in der Tat unmittelbar darauf geschieht, traut der Erstere dem falschen Freunde und verweigert den Gehorsam. (Prokop, p. 323, 5–6.)

Sogleich wird hiernach der Krieg gegen den vermeinten Rebellen begonnen, vielleicht durch Befehl an einen seiner Unterbefehlshaber, gewiß aber auch durch Truppensendung von Italien nach Afrika.

Diese wichtige Tatsache, von der Prokop nichts sagt, erhellt unzweifelhaft aus Prosper Aquitanus zum Jahre 427 und läßt sich auch aus Augustus Briefe an Bonifacius (220, opera II, S. 812 d. Ausg. Venedig 1729) mit ziemlicher Sicherheit abnehmen.

Nach dem Chronisten wurde Bonifacius von drei römischen Feldherren irgendwo belagert, von denen zwei, Mavortius und Galbio, durch Verrat ihres Kollegen Sinax getötet wurden, welcher später durch Bonifacius dasselbe Schicksal erlitt. Hierauf wurde, fährt Jener fort, »das Meer den bisher noch schiffsunkundigen Völkern, die von den Streitenden zu Hilfe gerufen wurden, zugänglich gemacht, und die Führung des wider Bonifacius begonnenen Kriegs dem Comes Sigisvult übertragen.«

Das Volk der Vandalen setzt von Spanien nach Afrika über. Exinde gentibus, quae navibus uti nesciebant, dum a concertantibus in auxilium vocantur, mare pervium factum est, bellique contra Bonifacium coepti in Sigisvultum comitem cura translata est. Gens Vandalorum ab Hispania ad Africam transit.

Prokop hingegen läßt p. 323, Z 9–11 Bonifacius zugleich, nachdem er Placidien den Gehorsam verweigert, aus Besorgnis ihr nicht widerstehen zu können, ein Waffenbündnis mit den Vandalen suchen und durch vertraute Sendboten nach Spanien Godegisels Söhnen, Gunterich und Gaiserich, jedem ein Dritteil Afrikas für Abschluß einer gegenseitigen Defensivallianz anbieten.

Die Irrtümer dieses über ein Jahrhundert spätem Schriftstellers liegen auf der Hand. Wahr aber ist es sicherlich, daß Bonifacius die Hilfe wider Rom nicht durch Abtretung aller afrikanischen Besitzungen, sondern nur eines Teils derselben erkaufen wollte.

Nachdem nun die Vandalen bereits tief im Lande waren, läßt Prokop durch Freunde von Bonifacius, die zu Aufklärung seines unbegreiflichen Schrittes nach Karthago gereist seien, die ganze verruchte Intrige entdecken. Darauf schwere Reue der Kaiserin, wie des Feldherrn. Erstere aber wagt nicht, bei der Macht, die Aëtius bereits erlangt hat, wider diesen vorzugehen, sendet aber den Comes Darius nach Afrika ab (Augustin, epist. 229–231) und beschwört Bonifacius, die Vandalen wieder aus dem Lande zu entfernen. Vergebens versucht dieser den Weg der Güte wie den der Gewalt. Höhnend verwirft Gaiserich die dringendsten Bitten wie die größten Versprechungen, schlägt den ihn angreifenden Bonifacius und zwingt ihn, sich nach Hippo Regium (Bona) zu retten. Hier belagert ihn der Vandale, muß aber nach vierzehn Monaten, wegen Proviantmangels, unverrichteter Sache wieder abziehen.

Darauf erhalten die Römer zur See Verstärkung aus Rom und Byzanz unter dem Feldherrn Aspar.

Die Truppen fordern eine Schlacht, die zur entschiedenen Niederlage wird, Bonifacius flieht nach Rom, Aspar nach Byzanz. Afrika ist im Wesentlichen verloren.

Nach einer Stelle in der im Jahre 487 gefertigten Schrift des Bischofs Vitensis de persecutione africana (Buch I, S. 5 der Ausgabe von Chifflet, Divione [Dijon] 1664) Jetzt ed. Halm, Monumenta Germ. hist. scriptor. antiquiss. 1879. blieben jedoch die westlichen Provinzen Mauritania Caesarea und Sitifensis ganz oder teilweise bis zu Valentinians III. Tod noch im römischen Besitze. Nach Marcus keineswegs zweifelloser Ausführung (S. 143 und S. 167–169) sogar ein kleiner Teil des westlichen Numidiens. (Siehe Dahn, Könige I, S. 163 f.)

Was nun die Zeit dieser Ereignisse anlangt, so fallen diese mit Sicherheit in die Jahre 427–432.

In das erste, unter das Konsulat des Hierius und Ardaburius, setzen Prosper Aquitanus und Cassiodor, welchem Letztern (wenn er diese Notiz nicht gedankenlos nachschrieb) die Wahrheit zu erörtern so leicht war, den Übergang der Vandalen nach Afrika.

Idatius berichtet diesen freilich unter dem achten Regierungsjahre Valentinians III., seine Rechnung aber ist unsicher, da Jahr I desselben Ereignisse der Jahre 424 und 425, ja anscheinend, wie die Ernennung Valentinians zum Cäsar, selbst schon des Jahres 423 umfaßt.

(Daß 429 die richtige Jahrzahl ist, s. Dahn, Könige I, S. 149 f.)

Unzweifelhaft steht fest, daß der heilige Augustin im Jahre 430 während der Belagerung von Hippo Regium durch die Vandalen starb (Prosper Aquitanus zum Jahr 430, Possidius, des Zeit- und Hausgenossen St. Augustins, c. 29, Vita St. August in St. August. Opera X app., S. 258 in der Ausgabe von Venedig 1729) und Bonifacius im Jahre 432 nach Italien zurückkehrte.

Im 24. und 25. Regierungsjahre des Honorius (nach berichtigter Rechnung 419 und 420) wird Guntherich von Idatius – der, abgesehen von seiner Zeitrechnung, für alle spanischen Verhältnisse, als Landes- und Zeitgenosse, offenbar die zuverlässigste Quelle ist – noch als König der Vandalen aufgeführt.

Erst im vierten Valentinians, was wahrscheinlich 427 ist (obwohl es nach Anm. 739 auch auf 426 oder 428 fallen kann), erwähnt er dessen Söhne Guntherich II. (Dies ist falsch: es gab nur einen Vandalenkönig Guntherich; Dahn, Könige I, S. 143, 144; die Einladung nach Afrika erging noch an König Guntherich und an Gaiserich als dessen Feldherrn, s. Dahn, Urgeschichte I, S. 155, 156.) und Gaiserich, von denen ersterer legitim, aber, nach Prokop (d. b. Vand. I, 3, p. 423) noch Knabe und wenig tätig, letzterer zwar Bastard, jedoch vollendeter Krieger und, wie er sich ausdrückt, der furchtbarste aller Sterblichen gewesen sei.

In dem (der Zeit nach etwas unsichern) vierten Regierungsjahre Valentinians ward nun Guntherich getötet, und zwar nach Idatius bei der Einnahme von Sevilla, in der dortigen Kirche, wo er sich ruchlos vergangen. S. aber auch Könige I, S. 150.

Gleich nach dem Sieg über Castinus scheinen nun die Vandalen, wahrscheinlich unter Gaiserichs Anführung, raubfahrend und erobernd vorgedrungen zu sein, da Idatius bereits im ersten Regierungsjahre Valentinians III. deren Plünderungszüge nach den balearischen Inseln und Mauritanien, sowie die Einnahme und Zerstörung von Sevilla Wie sich diese zu der im vierten Jahre Valentinians erwähnten verhält, wissen wir nicht. und Carthagena berichtet.

Da erfolgte im Winter 426/7 Gaiserichs merkwürdige Berufung nach Afrika.

Des Aëtius Ehrgeiz war nicht auf den Kaiserthron, desto energischer aber auf die nächste Stelle daneben gerichtet, Stilicho sein Vorbild.

Diese konnte ihm nur ein Mann im Reiche streitig machen, Bonifacius in Afrika, den Olympiodor (p. 468), Prokop (p. 322) und Augustinus (ep. 220) sehr hoch stellen, obgleich die uns erhaltenen genaueren Quellen, mit Ausnahme der Verteidigung von Marseille, nur Niederlagen, nicht Siege von ihm berichten.

Derselbe mußte daher beseitigt werden. Da umstrickte Aëtius (Dieser Bericht Prokops ist in neuerer Zeit nicht ohne triftige Gründe angezweifelt worden. D.) die Kaiserin, sowie den ihr treuen Bonifacius mit einem Lügengewebe, Erstere durch das Gespenst von dessen Empörung, Letztern durch das seiner beschlossenen Tötung schreckend. Die List gelingt; Bonifacius verweigert (von Aëtius geheim gewarnt) einer Rückberufung nach Rom, die (von Aëtius geheim der Regentin geraten) seine Untreue aufdecken soll, den Gehorsam, worauf Placidia sogleich den Krieg wider ihn beschließt. Im Gefühl, den kaiserlichen Truppen nicht gewachsen zu sein, da seine Streitmacht meist aus unkriegerischen Eingeborenen bestehen mochte, ihm vielleicht auch gegen die Legitimität nicht sicher dünkte, sucht Bonifacius bei den Vandalen Hilfe, denen er dafür die Abtretung eines Teils seiner Provinz verspricht. Nichts konnte dem hochfahrenden Geiste Gaiserichs erwünschter sein. Spanien, in Roms, der Westgoten und Sueben Nähe, war nicht die Stätte, wo sich ein großes unabhängiges Reich mit Leichtigkeit gründen ließ; Afrika, zugleich für Raubfahrten in Ost und West trefflich gelegen, dazu weit mehr geeignet (und – die reichste, wenigst geplünderte Provinz. D.).

Nachdem er, dem Rufe folgend, aufgebrochen Guntherich war inzwischen gestorben, Gaiserich ihm auf den Thron gefolgt. D.), vernimmt er, daß der Suebe Hermigar in der Vandalen bisherigem Gebiete plündere. Blitzschnell eilt er zurück, trifft ihn bei Emerita in Lusitanien (Merida in Estremadura) und schlägt ihn in die Flucht, auf welcher er im Guadiana ertrinkt. Dies kann nicht, etwa verschrieben, der (andere D.) König dieses Volkes, Hermerich, gewesen sein, da Idatius letzteren im nächsten Jahre noch als lebend anführt und dessen Tod erst in das Jahr 441 setzt. (Vergl. aber Dahn, Könige VI, S. 560, wonach I, S. 151 zu modifizieren; vielleicht waren beide Könige Brüder.)

Nach diesem Siege schifft er über die schmale Meerenge nach Afrika, wozu die spanischen Seestädte gar gern Schiffe geben mochten. (Idatius zum fünften Jahre Valent.) 50 000 Goten und Alanen Possidius in der vorerwähnten Schrift setzt hinzu: »Commixtam secum habens Gotorum gentem aliarumque diversarum nationum personas«. So unzweifelhaft dies falsch sein würde, wenn man hiernach Gaiserichs ganzes Heer oder auch nur einen größern Teil desselben für ein aus allerlei Volk gemischtes ansehen wollte, so kann doch, nach der bekannten Sitte der Germanen, nicht bezweifelt werden, daß auch kriegslustige Abenteurer aus andern Völkern, denen man den Eintritt nie zu verweigern pflegte, in demselben sich befanden. begleiten ihn (Prokop, p. 334), was mit des Victor Vitensis Angabe ungefähr übereinstimmt, welcher mit Einschluß von Frauen, Greisen und Kindern deren 80 000 zählt.

Als er, mit Vorsicht vorrückend, in der Nähe des 150–180 (römische) Meilen entfernten Bonifacius angelangt war, gewiß nicht vor dem Jahre 428 (vielmehr 429 D.), hatte sich die Sachlage verändert. Der Verrat ist inzwischen entlarvt worden: Placidia beschwört ihren Feldherrn, dem Reiche die kostbare Provinz zu erhalten.

Gaiserich aber war nicht der Mann, sich wieder fortschicken zu lassen. Jordanis (Kap. 33) zeichnet ihn, wohl nach Cassiodor, mit folgenden Worten:

»Mittlerer Statur, in Folge eines Sturzes mit dem Rosse hinkend, tiefen Geistes, schweigsam, Verächter des Wohllebens, von wilder Zornwut, die Völker aufzuwiegeln von größter Verschlagenheit, den Samen der Zwietracht auszustreuen und Haß zu erregen stets bereit.«

Taub gegen Bitten wie gegen Gold Roms, Sieger in zwei Schlachten (430, 431), behauptet er sich im unbestrittenen Besitz des besten Teils von Afrika, bis im Jahre 432 die geschlagenen Feldherren, Bonifacius und der aus dem Ostreiche zu Hilfe gesandte Aspar, in ihre Heimat zurückfliehen. Nur Karthago bis zum Jahre 439 und Mauritanien bis zu Valentinians III. Tod blieben noch in römischem Besitz, der auch durch einen im Jahre 435 (Prosper Aquitanus, Cassiodor, Prokop I., 4, p. 427 und Isidor v. Sevilla, Chronic. Vandalorum) mit Gaiserich, wohl auf Grund des gegenseitigen Besitzstandes abgeschlossenen Frieden gesichert ward. Dieser mochte Letzterem zu Ordnung und Befestigung der neuen Herrschaft sehr wichtig sein, da er dem Kaiser darin einen Tribut bewilligte und sogar seinen ältesten Sohn Hunerich als Geisel stellte. Die größte Freundschaft heuchelnd empfing er diesen nach einiger Zeit wieder zurück: bald darauf zeigte er seinen wahren Sinn dadurch, daß er sich am 18. Oktober 439 mitten im Frieden Carthagos durch List bemächtigte. (Prokop, p. 327; Prosper Aquitanus, Marcellin und Cassiodor.)

Überraschend erscheint das so leichte Gelingen dieser Eroberung, welcher doch zwar nicht die römischen Waffen, wohl über die Marschweite von Ceuta bis gegen Tunis, Klima und Bodenbeschaffenheit die größten Schwierigkeiten entgegen stellen mußten.

Das alte Afrika aber war freilich nicht das jetzige, vielmehr ein wohl angebautes, reiches Land.

Vor allem wußte Gaiserich die dortigen zahlreichen und mächtigen Elemente der Unzufriedenheit wider die römische Herrschaft trefflich für sich auszubeuten. Leicht mag er die in ihren Bergen mehr oder minder unabhängigen, zum Aufruhr stets geneigten Mauren für sich gewonnen haben. Die schon romanisierte Bevölkerung aber, Städtebewohner und Kolonisten – die einzige, worauf für Landesverteidigung noch gerechnet werden konnte – war nicht nur höchst unkriegerisch und verweichlicht, sondern vor allem durch den religiösen Verfolgungsgeist der Regierung gespalten und zum Teil erbittert.

Der religiöse Fanatismus der Kaiser hatte vom Jahre 405 bis 414 die härtesten Gesetze gegen die Donatisten erlassen, die gleichwohl in Afrika so zahlreich waren, daß bei dem Konzil zu Karthago im Jahre 418 nicht weniger als 269 Bischöfe derselben erschienen, welche ihre Gesamtzahl auf mehr als 400 Gemeinden angaben. Gibbon, Kap. 33, Not. 18 mit Bezug auf Tillemont, Mem. eccles. und Dahn, Könige I, S. 244 ff.

An sie schlossen sich, als angeblich nähere Glaubensverwandte oder mehr Gleichbedrängte, die Reste der hartverfolgten Arianer an.

Was Wunder, daß alle diese die arianischen Vandalen als ihre Retter begrüßten, nun aber im Heißdurst nach Rache auch ihrerseits alle aufboten, Letztere zu gleicher Verfolgung der Katholiken aufzureizen, was ihnen bei deren Priestertum nur zu leicht gelungen zu sein scheint!

Wir bemerken hier nur, daß der Einzug der Vandalen im Geleit aller der Schrecken erfolgte, welche von 406–409 sowie von 409–411 Gallien und Spanien verödet hatten. Nicht nur Plünderung, auch Mord, selbst der Weiber und Kinder, Brand und Zerstörung jeglicher Art, sogar Niederhauen der Fruchtbäume verwüsteten namentlich das unglückliche Mauritanien, das die Sieger zuerst durchzogen. Gaiserich, nicht selten Wüterich aus Leidenschaft, mag dies zu verhüten teils nicht die Macht, teils aber auch nicht den Willen gehabt haben, weil er (vielleicht, aber freilich dann irrigerweise D.) in seines Volkes roher Wildheit die sicherste Abwehr gegen erschlaffende Zivilisation erblickte.

Nach der Eroberung nahm er ganze Provinzen, nicht nur die ausgedehnten Staatsländereien, sondern auch das Privateigentum, letzteres gewiß wenigstens großenteils, für sich und sein Haus; andere Bezirke wurden unter seine Krieger verteilt. Diese Landstriche wurden die »Lose der Vandalen«, Vandalorum sortes, genannt. Was er den alten Eigentümern ließ, wurde dergestalt mit Abgaben beschwert, daß kaum ein Ertrag übrig blieb. Doch ist letztere Angabe Prokops übertrieben, da sich immerhin später noch wohlhabende Römer in Afrika fanden. Possidius, Vit. S. Aug., c. 28; Victor Vitens. I, p. 3 und Prokop I, 6, p. 334; Dahn, Könige I, S. 205, 219. Die vertriebenen Eigentümer behielten ihre Freiheit, wenn sie deren nicht unter einem gesetzlichen Vorwande beraubt werden konnten, mögen aber häufig ausgewandert sein.

Nach der Wegnahme von Karthago wollte sich Gaiserich im Jahre 440 des reichen Siziliens und Calabriens bemächtigen (Prosper Aquitanus z. Jahre 440 und Idatius zu a. 16. Valent.), fand aber in Cassiodors Ahnherrn einen tapferen Gegner, der ihn aus letzterem herausschlug und mit Glück in ersterem bekämpfte. (Cassiod. Var. I, 4.)

Da sandte Theodosius II. im Jahre 441 eine mächtige Flotte mit Truppen unter Areobindus, Anaxilla und Germanus dem Westreiche zu Hilfe nach Sizilien. (Prosper Aquit.) Vielleicht hatte diese die Bestimmung, nach Befreiung der Insel Gaiserich in Afrika selbst anzugreifen. Da aber plötzlich die Hunnen, unzweifelhaft auf des Letzteren Anstiften, in Illyricum einfielen, sah sich der Kaiser genötigt, nicht nur seine Truppen, anscheinend noch in demselben Jahre, zurückzurufen, sondern auch mit den Vandalen Frieden zu schließen, welchem nun Valentinian III., nachdem der Feind Sizilien verlassen, im Jahre 442 ebenfalls gern beitrat.

Von nun an scheint Gaiserich mit Rom bis zu Valentinians Tod in Frieden gelebt zu haben, während er in demselben Jahr 442, nach Prosper Aquitanus, eine Verschwörung vornehmer Vandalen entdeckte und mit der blutigsten Grausamkeit bestrafte. Möglicherweise in einigem Zusammenhang hiermit, wahrscheinlich aber erst gegen Ende (? vergl. Könige I, S. 235 D.) dieses Jahrzehnts entbrannte sein wildes Gemüt wider seine eigne Schwiegertochter, seines ältesten Sohnes Hunerich Gemahlin, des Westgotenkönigs Theoderich I. Tochter dergestalt, daß er sie, wie Jordanis (Kap. 36) sagt, auf den bloßen Verdacht hin, Gift bereitet zu haben, mit abgeschnittener Nase und Ohren ihrem Vater zurücksandte.

Da beeinflußte Valentinians III. Ermordung im Jahre 455 stark des Königs Politik. Von dem Zuge nach Rom, dessen wir an anderm Orte gedenken werden, brachte er die Kaiserin Eudoxia und deren Töchter, Eudokia und Placidia, als Gefangene mit und vermählte Eudokia, die väterlicher- und mütterlicherseits von Theodosius dem Großen abstammte, seinem Sohne Hunerich Nach Prokop (I, 5, p. 332), nach Idatius zum J. 6 Majorians, seinem jungem Sohne Gento, was jedoch irrig ist; s. Dahn, Könige I, S. 157., während er deren Mutter und Schwester im Jahre 462 (Idatius, p. 6) nach Konstantinopel sandte (d. h. entließ. D.). Nun bot ihm die Forderung einer Mitgift für seine Schwiegertochter, so wie des von Aëtius – dessen Sohn Gaudentius er ebenfalls gefangen aus Rom mitgebracht hatte – hinterlassenen Vermögens den Vorwand, der wachsende Verfall des Reiches aber die Füglichkeit dar, dasselbe plündernd und erobernd heimzusuchen. Nach Victors Vitensis, des Zeitgenossen, unzweifelhaftem Zeugnisse (I, p. 5) brachte er von da ab bis zu seinem Tode nicht nur das ganze noch römische Afrika, sondern auch Sizilien, Sardinien, Korsika, die Balearen und alle kleineren Inseln in seinen Besitz, während es nach Prokop (I, 5, p. 335) scheinen könnte, als habe er nur jährliche Verheerungszüge dahin wie gegen die italischen Küsten gerichtet. Nachdem der Westen durch Raubfahrten ziemlich erschöpft gewesen sein mag, wurden der Osten: Illyrien, Griechenland und dessen Inseln, deren Ziel.

In Byzanz aber saß in Kaiser Leo ein kräftiger Mann auf dem Throne, der mit dem Erzpiraten ein Ende zu machen entschlossen war. In den Jahren 467 und 468 ward im Einvernehmen mit dem weströmischen Kaiser Anthemius ein großartiger Angriff kombiniert. Von Ägypten aus marschierte Heraclius nach Tripolis, dessen er sich ohne Schwierigkeit bemächtigte. Von Dalmatien aus segelte der tapfere Marcellin, den wir später kennen lernen werden, nach Sardinien und vertrieb die Vandalen aus der Insel. Gegen Afrika aber entsandte Leo eine ungeheuere, mit unsäglicher Anstrengung und einem Aufwande von hundertundsiebzehn Millionen Mark Prokop sagt p. 335 1300 Centenarien, oder 130 000 Pfd. Goldes. Wir halten diese Zahl aber doch für übertrieben. Das römische Pfund, nach Böckh 327,47 Gramm, würde heute einen Silberwert von nahe 900 Mark haben, genau 899 Mark 19 Pf. Da aber das Gold sich in jener Zeit nur wie 1 zu 14,4 zum Silberwert verhielt, jetzt aber ungefähr wie 1 zu 15,5, so würde der damalige Silberwert gedachter Summe nur etwas über 108 Millionen Mark betragen haben. zusammengebrachte Armada unter dem Befehl des Basiliscus, des Bruders seiner Gemahlin. Glücklich landete dieser nur 4½ Meilen weit von Karthago. Da heuchelte der verschlagene Gaiserich Unterwerfung und bat nur um fünf Tage Frist zur Unterhandlung, die ihm auch (das Gerücht sprach von Bestechung) törichter Weise bewilligt ward. Plötzlich schlägt der Wind gegen die römische Flotte um, worauf der König diese sofort (wohl bei Nacht D.) mit der seinigen im Geleit zahlreicher Brander angreift.

Diese, scharf gegen die feindlichen Schiffe getrieben, setzen Alles in Flammen; der Angriff der Vandalen gegen die noch nicht brennenden Galeeren vermehrt die Verwirrung, so daß diese mit der Zerstörung mindestens des allergrößten Teils der Flotte endigt: nur wenige Fahrzeuge mögen nach Sizilien entkommen sein. (Prokop I, p. 337–339)

Auffällig erscheint hierbei das Verhalten des Landheeres, das doch unzweifelhaft an Bord war, bei der Schlacht aber noch nicht ausgeschifft gewesen sein kann Der Angriff traf wohl zugleich Flotte und Lager der bereits teilweise ausgeschifften Truppen; s. Dahn, Könige I, S. 158. Urgeschichte I, S. 170, weil es sonst entweder gegen das nahe Karthago vorrücken oder gefangen werden mußte, wovon weder das Eine noch das andere erwähnt wird, obwohl das lange Zurückhalten der Truppen an Bord eben so unbegreiflich erscheint.

So scheiterte durch des Führers Untüchtigkeit diese für unüberwindlich gehaltene Armada, wie in späterer Zeit durch die Elemente die Philipps II.

Sardinien und Tripolis mag Gaiserich bald wieder genommen und ebenso seine Raubzüge gegen Rom und Byzanz fortgesetzt haben. Am Abend seines Lebens sah er im Jahre 476 noch den Sturz der von ihm so hart bedrängten Roma, erneuerte aber sogleich den schon vorher mit dem letzten Kaiser Romulus Augustulus durch dessen Vater Orestes abgeschlossenen Frieden mit dem neuen Germanenherrscher Odovakar, indem er ihm das für Italien so wichtige Sizilien, mit Ausnahme des festen Lylibäum an dessen Südwestspitze, gegen jährlichen Tribut abtrat, worauf bald auch ein »immerwährender« Friede mit Zeno, dem Kaiser des Ostreichs, folgte. Historia Hiscella XVI; Prokop I, 7, p. 343; Dahn, Könige I, S. 159.

Am 24. Januar 477 verschied, nach mehr als fünfzigjähriger Regierung, der gewaltige Mann.

Sonder Zweifel war Gaiserich einer der merkwürdigsten und größten Männer, welche bei der Zertrümmerung Westroms durch die Germanen auf die Weltbühne traten.

Er besaß nicht den Seelenadel und die Milde Alarichs und Ataulfs noch die hohe maßvolle Weisheit Theoderichs des Großen. Als Kriegsheld und Politiker aber hat ihn schwerlich einer der germanischen Eroberer übertroffen.

Sein Meisterwerk war die Behandlung der Mauren, wie er diese teils zu gewinnen, teils niederzuhalten wußte, was deren gleich nach dessen Tode erfolgter Losbruch gegen die Vandalen (Prokop I, 8) schlagend bewährt. Er brauchte sie bei seinen Raubfahrten, welche er wenigstens selbst befehligte, als Plünderer vom Handwerke, seine Vandalen oft nur als Reserve, auf welche jene, mit Beute und Gefangenen beladen, sich zurückzogen: die Mauren empfingen dafür einen Anteil. Sorgfältig wußte seine äußere Politik alle Feinde Roms, Westgoten und Hunnen, zu benutzen, indem er mit Attila im engsten diplomatischen Verkehr stand.

Von seiner Regierung im Innern wissen wir – außer der Katholiken-Verfolgung, deren wir später gedenken werden – zu wenig, um sicher zu urteilen, können aber, zumal nach den Erfolgen, nicht zweifeln, daß Gaiserich keineswegs ein roher Barbar war, wenn gleich oft im Zorn, oder um berechnend zu schrecken, als solcher handelte, indem er z. B. auch die Gemahlin (wohl die Witwe) seines Bruders und dessen Kinder töten ließ.

Namentlich kannte und übte er gewiß, wenn auch auf seine Weise, die oberste Herrscherpflicht – Gerechtigkeit! Ganz besonders empörte sich seine germanische Menschheit gegen die Unzucht, die fast mit der Freiheit der Unschuld in Afrika, besonders dessen Hauptstadt, allgemein und öffentlich, selbst in der scheußlichsten Gestalt getrieben ward. Er schloß alle Prostitutionshäuser und zwang die Dirnen zur Heirat, indem er zugleich auf den Ehebruch Todesstrafe setzte.

Mit der Eroberung durch die Germanen, bei der die Völker als Heere auftreten, war naturnotwendig überall eine straffere Subordination, daher ein Übergang von der alten, auch unter Königen sich äußernden Volksfreiheit zu mehr absoluter Herrschergewalt verbunden. Nirgends aber unstreitig in gleichem Maße, wie bei den Vandalen unter des gewaltigen Gaiserich fünfzigjähriger Herrschaft, obgleich wir auch bei ihm kluge Schonung des Nationalgefühls vorauszusetzen haben. Vergl. Dahn, Könige I, S. 200.

Alle streitbaren Germanen waren in achtzig Tausendschaften formiert, denen ein »millenarius« vorstand.

Eine eigentümliche Maßregel Gaiserichs war Schleifung aller Festungen, die seinen Nachkommen später so verderblich ward.

Neben obiger Heeresorganisation bestand die gesamte frühere römische Verwaltung in Behörden, Gerichten und gemeinnützigen Anstalten unverändert fort. Latein blieb die Geschäfts- und Gesetzessprache, auch bei Hofe vielfach in Gebrauch. Die königlichen Zivilbeamten und andere Diener waren, größtenteils mindestens, Römer.

Von dem arianischen Metropoliten Cyrila erfahren wir in etwas späterer Zeit, daß er Germane war. Überhaupt haben wir uns die Kultur, ja Verweichlichung der Vandalen als sehr vorgeschritten zu denken.

Fassen wir dies Alles zusammen, so erscheint das Verhältnis der dortigen Germanenherrschaft zu den römischen Untertanen und deren Staatswesen im Wesentlichen ähnlich, wie dies später in Italien unter Theoderich und zum Teil auch in Gallien unter Chlodovech sich ausbildete: (nur daß von Anfang viel härtere Behandlung der Provinzialen stattfand, da die Vandalen ohne Vertrag mit einem Kaiser lediglich als Eroberer von dem Land Besitz nahmen. D.).

In fünfzig Jahren hatte Gaiserich sein großes Werk nicht nur vollbracht, sondern auch durch Frieden mit der ganzen Außenwelt gesichert.

Sein Reich umfaßte an 44 000 Quadratmeilen mit mindestens elf Millionen Einwohnern.

Aber auch über seinen Tod hinaus wollte er es durch Feststellung einer geregelten Erbfolge sichern, indem er, wie Jordanis Kap. 33 sagt, vor versammeltem Heere (accito agmine) verordnete, daß die Regierung stets auf den an Jahren ältesten seines Mannsstamms übergehen sollte, also ein Seniorat einführte. Siehe die Literatur hierüber s. voce Vandalen im Anhang.

Ob bei den Vandalen vor ihm eine Mitwirkung des Volkes bei Thronwechsel überhaupt nicht stattfand oder nur der allmächtige Gaiserich sich darüber wegsetzte, wissen wir nicht, müssen sie aber doch, dem sonstigen germanischen Recht gemäß (ohne Zweifel D.), annehmen.

Hunerich hatte die Härte, aber nicht den Geist seines Vaters geerbt. Erstere bewies er durch die Tötung der Gemahlin seines Bruders Theoderich, dessen ältesten Sohnes und mehrerer geistlicher und weltlicher Großen seines eignen Volkes wie durch die Verbannung und beschimpfende Behandlung Theoderichs selbst, dessen übriger Kinder und des ältesten Sohnes seines Bruders, Gento. (Victor Vit. II, p. 20 und 21.) Victor Vitensis (II, p. 20) sagt, diese Grausamkeit sei aus der Absicht hervorgegangen, seinen Söhnen nach seinem Tode die Thronfolge zu sichern, bei welcher Hunerichs Bruder und diejenigen Söhne desselben, die älter waren, als die seinigen, letztern vorgegangen sein würden. (Vergl. Dahn, Könige I, S. 232.)

Bald auch wandte sich sein wilder Sinn gegen die Katholiken, die er im Beginn seiner Regierung wohlwollender als sein Vater behandelt hatte.

Victor, Bischof von Vita (ein sonst nicht bekannter Sitz), ein Opfer der Hunerichschen Verfolgung, hatte sich durch Flucht nach Konstantinopel gerettet und schrieb dort im Jahre 487 seine fünf Bücher de persecutione Africana. Jetzt ausgezeichnet herausgegeben durch Halm, Monumenta Germaniae historica auctores antiquissimi.

Wir erinnern an das, was wir im I. Bande über den Parteigeist christlicher Schriftsteller in Darstellung religiöser Verfolgungen sagten: so hat auch dieser selbst Betroffene seinen ganzen begreiflichen Haß und Ingrimm in obiger Schrift entladen. Den Details rohester Grausamkeit wider Bischöfe und andre Weltgeistliche, aber auch gegen Mönche, Nonnen und einfache Bekenner, welche an die Zeiten Diokletians erinnern, wie den zahlreichen Beispielen der Glaubenstreue unter allen Martern sind Wundergeschichten beigemischt, die, nicht vom Verfasser selbst wahrgenommen, deutlich beweisen, daß derselbe jeder unter seinen Bekenntnisgenossen umlaufenden Erzählung oder Mär ohne weiteres blinden Glauben beigemessen hat.

So unverkennbar in diesem Allen große Übertreibung und gewiß auch manche Unwahrheit liegt Vergl. Dahn, Könige I, S. 244–260., ist doch an der Hauptsache, welche auch durch andere Zeugnisse bestätigt wird, auf keine Weise zu zweifeln.

Merkwürdig nun, wie ein so scharf blickender Politiker als Gaiserich, der für seine Person gewiß kein religiöser Fanatiker war, aus jenem dogmatischen Streitpunkte in der mehr oder minder mystischen Auffassung des an sich unerforschlichen Geheimnisses der Dreieinigkeit Grund und Anlaß hernehmen konnte, den größten Teil seiner Untertanen auf so harte, blutige Weise zu verfolgen.

Dessen Verfahren gegen die Katholiken war aber kein systematisches und konsequentes, sondern ein sporadisches, auf welches sein jedesmaliges Verhältnis zu Rom und Konstantinopel von wesentlichem Einflusse war.

Erst im Jahre 437, vermutlich nachdem er vorher seinen als Geisel in Rom verweilenden Sohn Hunerich von dort zurückerhalten hatte, vertrieb er den Bischof von Karthago und andere aus dem Land, und wütete gegen Staatsbeamte, die nicht Arianer waren, da er nur dergleichen um sich dulden wollte.

Man vergesse aber nicht, daß es in Zeiten allgemeinen Parteikampfs unmöglich ist, sich davon frei zu halten, namentlich für das politische Oberhaupt der herrschenden Partei.

Die rachedürstenden römischen Arianer mögen fortwährend die vandalischen Bischöfe und diese wiederum den König wider die Katholiken aufgestachelt haben.

In Rom und Konstantinopel ferner ließ man den dortigen Arianern, wenn auch nicht den gotischen Söldnern, die man fürchtete, entgelten, was die Glaubensbrüder in Afrika gelitten hatten: und das reizte wiederum den König zu noch härtern Maßregeln.

Die Katholiken aber waren nichts weniger als demütig und bescheiden, sondern trugen mit Stolz das Bewußtsein der allein-guten Sache zur Schau und machten zahlreiche Proselyten, selbst unter den Vandalen, was denn Gaiserich gewaltig erbittert haben mag.

Zu dem allen kam endlich, daß doch dessen politische Grundansicht, abgesehen von seinem eignen Bekenntnisse, für die Arianer und Donatisten sein mußte, weil er nur bei diesen, unter der vorigen Regierung bedrängten Untertanen, auf Treue und Ergebenheit rechnen, von den stets nach Rom blickenden Katholiken aber dergleichen nie erwarten konnte.

Rechnet man hierzu noch die wilde Härte dieses eisernen Herzens, das jedweder Widerstand erbitterte, und den Fanatismus wie die Roheit seiner Werkzeuge, die gewiß noch über des Königs Willen hinausgingen, so erklärt sich die traurige Geschichte jener Verfolgungen auf das Einfachste.

Hunerichs späteres Verfahren gleicher Art mag ein konsequenteres gewesen sein. Prokop (p. 344/5) berichtet von ihm: so grausam und ungerecht wie dieser habe Niemand die Christen (so nannten sich die Katholiken im Gegensatz zu allen Ketzern) verfolgt. Durch Feuer und andre Martern seien diejenigen, welche den Übertritt zum Arianismus verweigert, hingerichtet worden. Vielen habe man die Zunge abgeschnitten, von denen mehrere noch zu seiner Zeit in Byzanz gelebt, aber wunderbarer Weise deutlich gesprochen hätten.

Nach Victors von Vita ausführlicherem Berichte (im II. und IV. Buche) hat übrigens Hunerich seinem Verfahren lediglich den Charakter einer durch die Behandlung der Arianer im byzantinischen Reiche ihm abgedrungenen Retorsionsmaßregel gegeben. Feierlich sicherte er (Das Edikt ist erhalten. D.) den Katholiken dieselbe Religionsfreiheit zu, welche seine Glaubensbrüder dort genossen.

Endlich beschloß der König, der fortwährenden Verwendung seiner Schwägerin Placidia und des Kaisers Zeno (scheinbar D.) nachgebend, einen Hauptschlag. Er setzte auf den 1. Februar 484 zu Entscheidung der dogmatischen Frage ein Religionsgespräch beider Parteien an, das nach obiger Quelle eine auf Erniedrigung der Katholiken berechnete Komödie gewesen sein soll, bei der die Entscheidung schon vorher festgestanden habe. Die Disputation, welche der Patriarch Cyrila, obwohl des Lateinischen vollkommen kundig, in vandalischer Sprache (einer gotischen Mundart D.) gehalten wissen wollte, endete, wie jede derartige Verhandlung, bei der sich Hunderte Erbitterter gegenüberstehen, in Geschrei und Tumult. Dies ward den Katholiken zur Last gelegt (Welche auch, nach ihrer eignen Darstellung, durchaus nicht von aller Schuld frei zu sprechen sind. D.) und es erschien nun, unter dem 25. Februar 484, das von Victor von Vita erhaltene Gesetz, welches die früher von den Kaisern Theodosius und Honorius gegen die Ketzer erlassenen beinahe wörtlich wiedergibt, aber eben die Katholiken als Ketzer bezeichnet. Auf Grund dessen wurden an einem Tage sämtliche katholische Kirchen in Afrika geschlossen, alle vierhundertsechsundsechzig Bischöfe derselben aber, so weit sie nicht (achtundachtzig an der Zahl) umkamen oder entflohen, von ihren Sitzen teils nach Korsika (sechsundvierzig), teils in das Innere des Landes zu den Mauren verbannt (zweihundertundzwei). Die Spezialsummen stimmen in der Quelle selbst mit der Gesamtzahl nicht überein.

Kriege hatte Hunerich nicht zu führen, außer mit den Mauren, welche, ihres unter Gaiserich so blühenden Gewerbes verlustig, nun den Raub im Lande zu treiben begannen.

Auf Hunerich folgte bereits im Jahre 484 dessen ältester Neffe, Genzos Sohn, Gunthamund, der bis zum 24. September 496 regierte. Marcus (S. 349 und Note 23 dazu S. 78 d. Anm.) nimmt nach Mannert (Geschichte der Vandalen, Leipzig 1785, S. 129) an, Hunerichs Witwe Eudokia habe sich nach des Gemahls Tode mit ihren Kindern, namentlich mit ihrem Sohne Hilderich, nach Konstantinopel zurückgezogen, was wir allerdings auch durch die sogleich anzuführende Stelle Prokops, p. 350, für genügend erwiesen ansehen; vergl. aber dagegen Dahn, Könige S. 165.

Von Gunthamund erfahren wir aus Prokop (I, 8, p. 345), daß die Kämpfe mit den Mauren und die Bedrückung der Katholiken, wenn auch letztere in vermindertem Maße, unter ihm fortdauerten.

Ihm folgte sein jüngerer Bruder Thrasamund, der siebenundzwanzig Jahre lang, also bis zum Jahre 523 regierte, und sich nach Prokop (a. a. O.) sowohl durch den Adel seiner Gestalt als durch Geist und Seelengröße ausgezeichnet haben soll. Nicht mehr durch rohe Gewalt, aber auf indirektem Wege, durch Ehrenstellen, Gold, Straferlaß usw., suchte dieser die Katholiken zu seinem Glauben überzuführen.

Unter ihm mag jedoch in dem langen Frieden gegen äußere Feinde die Verweichlichung der Vandalen und Alanen reißend zugenommen haben, wie sie denn auch jetzt durch die im Gebiet von Tripolis wohnenden Mauren die schwerste Niederlage erlitten, welche sie in Afrika bisher betroffen hatte.

Er hatte sich in zweiter Ehe mit Theoderichs des Großen Schwester Amalafrida vermählt, welche ihm mit einem Gefolge von 1000 Vornehmeren nebst 5000 Kriegern übersandt worden war.

Auf Thrasamund folgte nach Gaiserichs Senioratsordnung Hilderich, Hunerichs Sohn, der damals schon über fünfzig Jahre alt gewesen sein und Konstantinopel besucht haben muß, weil ihn Prokop (I, 9, p. 350) nicht nur Freund, sondern auch Gast (ξένος) Justinians nennt, der erst im Jahre 520 durch die Adoption seines Onkels, des Kaisers Justinus, zu Bedeutung gelangte.

Nach Hilderichs Regierungsantritt ward Amalafrida einer Verschwörung beschuldigt und eingekerkert – sie starb, vielleicht ermordet, im Gefängnis –, die Gotenschar aber, die sie begleitet hatte großenteils niedergehauen.

Hilderich wird von Prokop als sehr unkriegerisch, aber sanft und wohlwollend geschildert. Daß er in Folge seines Aufenthalts in Konstantinopel und seiner Freundschaft mit Justinian die Katholiken begünstigte, war natürlich.

Nach einer abermaligen Niederlage durch die Mauren soll des Königs Vetter Gelimer, der Enkel seines Onkels Genzo, durch Sieg die Waffenehre wieder gerettet haben.

Hierdurch erhoben und durch die Unterstützung vieler mit Hilderichs Hinneigung zum byzantinischen Hofe (wohin er sogar Geld sandte) unzufriedenen Vandalen verstärkt, stieß Gelimer diesen im Jahre 530 oder Anfang 531 vom Throne, warf ihn mit seinen Neffen (oder Vettern D.) Hoamer und Euages in den Kerker und ließ dessen Anhänger töten. Prokop, p. 350, 351 und 383.

Justinian, seit 527 Kaiser, wandte zuerst diplomatische Verwendung für Hilderich, den Freund und ungefährlichen Nachbar, und auf deren entschiedene Zurückweisung, Kriegsdrohung, gleich erfolglos wider Gelimer an.

Erst im Jahre 533, ermutigt durch teilweises Waffenglück in Persien und in Voraussicht des nahen Friedens mit diesem Reiche, beschloß er den Krieg gegen den Vandalenkönig.

Diesen Krieg hat nun Prokop, der ihm als Rechtsrat des Feldherrn Belisar persönlich beiwohnte, mit größter Vollständigkeit Dies schließt jedoch mehrfache einzelne Lücken und Undeutlichkeiten nicht aus. So wird z. B. bei keiner Schlacht die Stärke der Vandalen angegeben. und Treue beschrieben.

Vor Eröffnung der Feindseligkeiten hatte Prudentius, ein Bürger von Tripolis, mit Hilfe eines von Justinian dazu erlangten kleinen Corps sich der Stadt und Provinz, die von den Vandalen nur sehr schwach besetzt war Prokop sagt (I, 10, p. 357, Z. 5), daß deren gar nicht vorhanden gewesen. bemächtigt.

In Begriff, wider denselben zu ziehen, hält ein zweiter Abfall – der des Goda in Sardinien, das derselbe als Statthalter inne hatte – Gelimer davon zurück.

Sogleich sendet er seinen tapfern Bruder Tzazo mit den besten bereit stehenden Truppen nach Sardinien, um der Ankunft der römischen Hilfstruppen, die auch Goda sich erbeten, zuvorzukommen. Tzazo erobert Sardinien wieder und tötet den Rebellen; indem man sich aber auf dieser Insel schlägt, landet Belisar gegen Ende September 533 in Afrika, dreißig Meilen südöstlich von Karthago. Prokop I, 12, p. 362 u. 15, p. 377.

Ein kleines Heer, aber ein großer Feldherr. Jenes zählte nur 10 000 Mann Fußvolk und 5000 Reiter, teils Föderierte, d. i. fremde Söldner, teils Römer – welcher Name auch für die Truppen des Ostreichs immer noch gebraucht wird – aber auserlesene, in der Schule des persischen Kriegs bewährte Truppen.

Unter erstem auch 500 Massageten, die man, wie Prokop sagt, jetzt Hunnen nenne.

Belisarius, der Magister militum des Orients, kam, einer verlornen Schlacht unerachtet, ruhmgekrönt aus Persien. Dessen Vaterland soll nach Prokop (I, 11, p. 361) Germanien zwischen Thrakien und Illyrien gewesen sein, welche ungenaue Bezeichnung auf Obermösien hinweist, aber unentschieden läßt, ob derselbe auch germanischer (aus den zahlreichen dort angesiedelten Kolonisten) oder römischer Abkunft war.

Ohne den geringsten Verzug marschierte Belisar, nirgends Widerstand bei der Bevölkerung, vielmehr bereitwillige Aufnahme findend, auf Karthago los. Erst bei Grasse, einer königlichen Sommerresidenz am Meer, acht bis neun Meilen von Karthago, ward der ihm im Rücken nachfolgende Feind durch Späher rekognosziert. Gelimers Hauptmacht war vorher im innern Lande bei Hermione, dessen Lage unbekannt ist, konzentriert gewesen; bei dem Vorrücken des Feindes aber beorderte er seinen in Karthago befehligenden Bruder Ammata, zuerst Hilderich mit den Seinigen töten zu lassen und bei Annäherung Belisars diesen an bestimmtem Tage in der Fronte anzugreifen, während er seinen Neffen Gibamund mit 2000 Mann gegen dessen linke Flanke entsenden, selbst aber mit der Hauptarmee ihm in den Rücken fallen werde.

Dieser Kriegsplan gestattet Belisar, unangefochten bis Decimum, nur zwei Meilen von Karthago, vorzudringen, wo sich der wohlkombinierte Vernichtungsschlag gegen ihn entladen sollte. Er befiehlt dem tapfern Armenier Johannes, mit 300 Scutariern der Garde nach Karthago vorzugehen, den Hunnen aber seine linke Flanke zu decken, indes die Hauptarmee ein befestigtes Lager schlägt.

Da beginnt der Unstern der Vandalen. Ammata verläßt zu früh Karthago, stößt auf Johannes, greift, brennender Kampfgier, sogleich an, bleibt aber, nachdem er Wunder der Tapferkeit verrichtet, selbst auf dem Platze, worauf sein erschrecktes Volk sofort flieht. Johannes folgt diesem auf dem Fusse nach und stößt auf zahlreiche, auf Ammatas Befehl, aber nur in kleinen ungeordneten Trupps, nachfolgende Vandalen, die nun, von gleichem Schreck ergriffen, die Spitze eines starken Heers sich gegenüber wähnend, in wilder Flucht in der Stadt Rettung suchen.

Auf dem linken Flügel ist indes Gibamund angekommen und trifft dort die den Vandalen nur durch das Gerücht als die furchtbarsten Feinde bekannten Hunnen, deren neue entsetzende Kriegsweise seine Truppen dergestalt außer Fassung bringt, daß sie fliehen und, wie Prokop (p. 387) gewiß übertrieben versichert, alle vernichtet werden.

Belisar verläßt mit der Reiterei allein das Lager, dringt auf den Wahlplatz, wo Ammata gefallen, vor und vernimmt dort den ganzen Hergang, als ihm plötzlich Gelimers Anrücken gemeldet wird. Indem dieser naht, wetteifert die Vorhut beider Teile eine dominierende Höhe zu nehmen, die vandalische aber kommt der römischen zuvor; diese flieht und reißt in der Flucht einen Rückhalt von achthundert Mann mit fort, bis Belisars Hauptcorps die Fliehenden aufhält.

In diesem entscheidenden Augenblicke hätte Gelimer, wie Prokop mit Recht sagt, entweder mit ganzer Kraft die Flüchtigen verfolgend sich auf Belisar stürzen oder diesen bei Seite lassend sich eilig nach Karthago werfen sollen. Er tut weder das Eine, noch das Andre, hält sich vielmehr jammernd bei seines Bruders Leiche und deren Bestattung auf, bis Belisar mit inzwischen gesammelten und geordneten Kräften ihn entschlossen angreift und die des nicht gewärtigen Vandalen mit Leichtigkeit in die Flucht schlägt, welche sie in der Richtung nach Numidien antreten.

So entschied ein Reitertreffen über Afrikas Besitz.

Ohne Widerstand zog Belisar (16. September) in Karthago ein, wo er durch die strengste Manneszucht und Milde gegen die Vandalen eben so die Gemüter beruhigte, als mit höchstem Eifer die verfallene Befestigung der Stadt herstellte und verstärkte.

Gelimer hatte indessen seinen siegreichen Bruder Tzazo aus Sardinien an sich gezogen und sein Heer auf jede Weise, auch durch Mauren, zu verstärken gesucht, was ihm aber nur mit Wenigen gelang, da Belisar die mächtigsten Sheiks und Stämme derselben für den Kaiser zu gewinnen wußte.

Eben so geschickt arbeitete der Feldherr dem Verrat und der Bestechung entgegen, womit ihn der Vandale, besonders bei den unzuverlässigen Hunnen, zu umstricken suchte.

Erst im Dezember beschloß Belisar, der bis dahin auch eine (wohl nur geringe) Verstärkung erhalten (Prokop I, 24) und sein Heer sonst tunlichst vermehrt haben mag, Gelimer in seinem Lager bei Tricameron, dreieinhalb Meilen von Karthago, anzugreifen.

Um Mittag rückt ihm Gelimer mit der Reiterei und vermutlich einem Teile des Fußvolkes, dessen Gros wohl im Lager blieb, entgegen, worauf Belisar die Schlacht beginnt. Zwei kräftige Angriffe der römischen Reiterei auf das feindliche Zentrum, das Tzazo befehligt, werden mit größter Tapferkeit zurückgeschlagen; die Vandalen aber benutzen diesen Vorteil nicht, um nun auch ihrerseits anzugreifen. Bei dem dritten Angriff endlich, der mit allen Kräften wiederholt wird, entbrennt der heißeste Kampf, in welchem Tzazo fällt, worauf das ganze römische Heer auch von den Flügeln her entschlossen vordringt, die Vandalen aber weichen und bald zu fliehen beginnen. Da stürzen sich die Hunnen, welche, zweifelhafter Treue, daher vom übrigen Heere gesondert, bisher müßig zugeschaut, auf die Unterliegenden und vollenden die Entscheidung. Doch geht die Flucht nur bis zum nahen Lager, wo die Vandalen ihre Weiber, Kinder und reichen Schätze geborgen hatten, da sie, in Folge der Schleifung aller Festungen, keinen sichern Zufluchtsort besaßen.

Gegen dieses Lager rückt nun noch am Abend Belisar mit dem gesamten Fußvolk an. Gelimer entkommt: sein Heer ergießt sich in wilde regellose Flucht.

Mit heißer Beutegier stürzen sich die Römer in der Nacht auf die Schätze des Lagers und die einzelnen Fliehenden, namentlich Weiber und Kinder.

In völliger Unordnung zerstreut sich nun Belisars ganzes Heer, so daß bei Anwesenheit eines entschlossenen Führers der Vandalen der Sieg leicht noch zur Niederlage hätte werden können.

Gelimer wäre am sechsten Tage darauf durch den ihm nacheilenden Johannes eingeholt worden, wenn dieser nicht durch den auf einen Vogel gerichteten Pfeilschuß eines Betrunkenen getötet worden wäre. So erreichte der Fliehende ein maurisches Bergschloß, wo er sich nach drei Monaten, vom äußersten Mangel bedrängt, dem ihn belagernden Führer der herulischen Söldner Fara durch Kapitulation ergab. Diese wurde gehalten: Gelimer erhielt ansehnliche Güter in Galatien: nur die ebenfalls ausbedungene Patrizierwürde ward ihm, weil er nicht zum katholischen Bekenntnis übergehen wollte, verweigert.

Blicken wir auf das großartige, mit so geringen Streitkräften erzielte Ergebnis dieses denkwürdigen Feldzugs zurück, so ist dieses nächst dem unverkennbaren Verdienste des römischen Feldherrn hauptsächlich dem nur schlaffen Widerstand der Vandalen beizumessen.

Was Wunder: kein großer Landkrieg (wohin die Maurenkämpfe nicht zu rechnen) seit einem Jahrhunderte, das in Reichtümern schwelgende Volk allen Genüssen hingegeben, durch die leidenschaftlich geliebten warmen Bäder und Genüsse und Ausschweifungen jeder Art immer mehr verweichlicht und seit sechzig Jahren kein Gaiserich mehr, solchen Verfall aufzuhalten. (Nur die Glieder des Königshauses leisten Hervorragendes an Tapferkeit: drei Asdingen fallen im Gefecht. D.)

Belisars Glück blieb ihm, nach der Hauptentscheidung, auch in Nebenereignissen treu. Gelimers unermeßliche Schätze fielen in seine Hand, weil das zu deren Bergung bei dem Westgotenkönig Theudis in Spanien bestimmte Schiff der Stürme wegen den Hafen von Hippo Regium nicht verlassen konnte. Sardinien, Korsika und alle vandalischen Außenlande wurden ohne Schwierigkeit wieder eingenommen.

Die große Menge gefangener Vandalen, die sich meist in die Kirchen geflüchtet hatten, wurde nach Konstantinopel gebracht und im Ostreiche kolonisiert. Was etwa bei den Mauren und sonst im Lande blieb, hat seine Nationalität spurlos verloren.

Belisar ward, von Neid und Mißgunst angeschwärzt, bald zurückgerufen, genoß aber doch der Ehre eines glänzenden Triumphs, die einem bloßen Feldherrn, so viel wir wissen, seit Germanicus (der aber des Kaisers Adoptivsohn war), im Jahre 17 n. Chr., nicht zu Teil geworden.

Belisars weitere Schicksale sowie die der wieder gewonnenen Provinz, welche, noch lange Schauplatz der schwersten Mauren- und Bürgerkriege, erst nach achtzehn Jahren und mit arger Verödung bleibend unterworfen ward, gehören nicht hierher.

Noch haben wir hier eine Schilderung der sozialen und sittlichen Zustände der römischen Bevölkerung der Westlande vor und bei der Eroberung nachzuholen, und dafür freilich um mehr als ein Jahrhundert vom Sturze des Vandalenreichs an wieder zurückzugreifen.

In den Geschicken der Völker, in den Leiden der Zeit Gottes Ordnung zu erkennen und zu predigen, war die Aufgabe der Kirche.

Regte sich daher in den von den Barbaren Zertretenen bei Verlust von Hab und Gut, Weib und Kind, Freiheit und Leben das Murren der Verzweifelung an Gottes Gerechtigkeit und Liebe, so setzte Jene ihnen das harte, aber leider nur zu wahre Wort entgegen: Ihr tragt nur die Schuld eurer eignen unermeßlichen Sündhaftigkeit.

Das hat nun Niemand mit größerem Eifer und Nachdruck getan, als Salvianus, ein Priester zu Marseille, in seinen acht Büchern: Von der Regierung Gottes (de gubernatione Dei), die im Jahre 440 geschrieben. Das Jahr 440 nimmt Keyne, opusc. acad. VI et VII Censura ingen. doctr. Salv. S. 131 an, während in Bährs Geschichte der Röm. Liter. Supplem., Bd. II, S. 349 das Jahr 451, nach andern sogar 456 angenommen wird, was wir für entschieden falsch halten. Der Kampf des Litorius mit den Westgoten 436–439 wird darin bellum proximum genannt, der furchtbare Hunnenzug 451 aber nicht erwähnt. Salvian muß daher vor diesem, wahrscheinlich zu Anfang der vierziger Jahre geschrieben haben. (Unzweifelhaft richtig; vergl. Teuffel § 465. D.)

Als Bußprediger geißelt er die tiefe Verderbnis, Lasterhaftigkeit und Torheit seiner Zeit.

Selbstredend schildert er darin nicht bloß die Zustände der Gegenwart, sondern auch die vorhergegangenen, in denen sich dies Verderben entwickelt hat.

Sein Gemälde ist in den grellsten Farben der Übertreibung entworfen.

Selbst nach diesem Maße gemessen aber bleibt der Wahrheit genug, um sich empört von der Fäulnis jener Tage abzuwenden.

Gering erscheint wahrlich der sittliche Einfluß des neuen Glaubens auf die Umwandlung des innern Menschen im römischen Reiche.

Zuerst, besonders im IV. Buche, wiewohl ohne strenge Sonderung, von den öffentlichen Zuständen handelnd, sagt Salvian unter anderm:

Was anders ist die Würde der Mächtigen als die Ächtung ihrer Bezirke?

Die vom Staat übertragene Gewalt scheint nur noch der Plünderung wegen und zwar zunächst der Ärmeren da zu sein: denn die hohen Ehrenstellen werden von Wenigen erkauft, um sie aus dem häuslichen Ruin Aller zu bezahlen.

Wie viel Magistratspersonen, so viel Tyrannen. Wo ist wohl der Ort, wo die Eingeweide der Witwen und Waisen, ja selbst der Heiligen (Geistlichkeit) nicht von dessen Häuptern verschlungen werden?

Wer kann jenes räuberische Verfahren und jene Schandtaten gehörig schildern, daß, während das römische Reich schon gestorben oder doch in den letzten Zügen liegt und da, wo noch einige Lebensfunken sich zeigen, durch Erpressungen hingewürgt wird, dennoch viele Reiche gefunden werden, deren Abgaben die Armen tragen müssen!

So weit ist das Verbrechen gediehen, daß nur noch in eigner Schlechtigkeit Schutz zu finden ist.

Daraus gingen auch die Bagauden hervor, die, durch gewissenlose und blutgierige Richter beraubt, nun im Raube selbst ihre Erhaltung suchten.

Darum fliehen Viele zu den Goten oder begeben sich, um nicht ganz schutzlos zu sein, in den Schirm der Reichen, werden aber von diesen nunmehr als Leibeigene und Besitzlose behandelt.«

Ebenso schwarz schildert er die Verderbnis des Privatlebens:

»Unmenschlichkeit und Grausamkeit, Raub- und Habsucht, Lug und Betrug, ja selbst Mord, wenn er unbestraft begangen werden kann, Unmäßigkeit in allen, selbst den schändlichsten Genüssen, Fressen und Saufen, Ehebruch und Unzucht sogar der scheußlichsten Art, sind nicht nur allgemein, sondern werden in abgehärteter Schamlosigkeit kaum für Sünde geachtet.

Die rasende Leidenschaft für Schauspiele geht so weit, daß in Trier, nach dessen dritter Zerstörung, während die Reste der Bevölkerung jammernd an den Gräbern ihrer Angehörigen liegen und die Mauern noch geschwärzt vom Brand in die Lüfte starren, wenig Edle die Herstellung der Schauspiele als das sicherste Mittel zu Erhebung der Stadt verlangen.«

Wendet er sich nun zum Vergleich mit den Barbaren, so hebt er hervor, daß bei diesen, wenn auch einzelne Laster, doch auch manche Tugenden gefunden würden.

»Alle Barbaren,« sagt er, »die Einem Volke und König angehören, lieben sich gegenseitig, – alle Römer beinahe verfolgen sich gegenseitig.

Zu den Feinden gehn unsre Landsleute, selbst edelgeborne, über, bei den Barbaren römische Humanität suchend, weil sie die barbarische Inhumanität der Römer nicht tragen können.

Was Wunder, daß die sittlich Reinern und, obgleich Ketzer, doch religiös Frommeren, siegen mußten.«

Im achten Buche kommt Salvian speziell auf Afrika zu sprechen.

»Die übrigen Menschen haben doch meist nur einzelne Laster, nicht alle zugleich: nur in Afrika findet man, außer bei wenigen Knechten des Herrn, fast nichts Gutes. Keine Unredlichkeit und Habsucht, keine Treulosigkeit, Unmäßigkeit und Ausschweifung, die in diesem Lande nicht den Gipfel erreicht hätte,« wobei er die schändlichsten Wollüste und deren Unterdrückung durch die Vandalen speziell anführt, deren wir oben gedachten. Über Salvian (und ähnliche Schilderungen anderer) Dahn, Urgeschichte I. (Kultur im Westgotenreich.) 1881.

Bei diesem schauerlichen Nachtstücke fällt uns unwillkürlich der merkwürdige Gegensatz ein, welchen Victor von Vitas Bericht von den zahlreichen Glaubensmärtyrern in Afrika bildet.

Erklärt sich dieser großenteils aus der ungemeinen Übertreibung beider Tendenzschriften, so ist doch dabei auch ein anderes noch in das Auge zu fassen.

Über ein Jahrhundert lang dauerte bereits der Bekenntnisstreit, den der Herrscher Haß oder Vorliebe unter blutiger Verfolgung zum wütendsten Parteihaß im Volke angefacht hatte. Davon wurden auch die Einzelnen ergriffen: da gaben sich dieselben, uneingedenk des praktischen Christentums, einem fanatischen Eifer für ihr Bekenntnis hin, in dessen Festhaltung sie ihr einziges Heil erkannten.

Die Glaubenstreue ward zum Glaubensstolz und dieser mag sich bei der den Orientalen eigentümlichen religiösen Schwärmerei und Exaltation bis zum Festhalten unter Martern gesteigert haben, während dieselben Menschen in ihrem Privatleben dem Strome der allgemeinen Verderbnis nicht zu widerstehen vermochten.

Gern aber wollen wir glauben, daß unter jenen Blutzeugen auch der reinen und edlern Seelen nicht wenige waren.

Vorstehende Darstellung der sittlichen Volkszustände nach Salvian waren wir nicht allein dem Interesse der Sache, sondern mehr noch unserem Hauptzwecke schuldig, weil sie in zweifacher Hinsicht ein wichtiges Licht auf die Geschichte der germanischen Eroberung wirft.

Jene erklärt zunächst die Leichtigkeit letzterer, einem dergestalt in Laster versunkenen, moralisch entnervten und erschlafften Volke gegenüber, zugleich aber auch die leichte Behauptung und Befestigung der neuen Herrschaft, unter welcher sich die Römer im Allgemeinen kaum schlechter, sondern in mancher Hinsicht oft besser befanden, als unter der frühern ihres eignen Reiches.


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