Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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XIV.

Wenige Tage darauf ergriff Rekared das böse Fieber, das die sumpfigen Ufer des Tajo im Herbst häufig ausbrüten. Wochenlang lähmte es seine Kraft. Noch hatte er sich nicht vom Lager erhoben, als die gleiche Krankheit den Vater niederwarf. Sehr zur Unzeit, wie beide schalten. Denn plötzlich meldeten Flüchtlinge aus Malacitanien, – im Südosten der Halbinsel – eine byzantinische Flotte von dreißig Trieren habe bei Caviclum starke Streitkräfte gelandet, die in Eilmärschen geradewegs von Süd nach Nord auf Toledo zögen.

Des Königs bewährte Feldherren, Garding und Gardila, weilten jenseit der Pyrenäen in Septimanien, verdächtige Rüstungen des Merowingen Guntchramn, nahe der gotischen Grenze angehäufte Scharen zu beobachten und nötigenfalls abzuwehren. Da hatte der alte Held die Natur zwingen wollen: gegen das Verbot der Ärzte hatte er sich die Waffen an das Lager bringen lassen: er stand auf und – sank sofort um. Nun ließ er Rekared auf dessen Pfühl in sein Gemach tragen: dem war jeder Versuch, sich zu erheben, streng untersagt. »Laß mich – trotz allem – zu Pferd,« bat der Sohn. – »Soll ich meinen gewählten Nachfolger, die Hoffnung der Zukunft, in den Fiebertod schicken? Nein, ich ließ dich bringen, dir einen andern Entschluß mitzuteilen. Ich werde Hermenigild vorausschicken.«

Da erschrak Rekared: »Vater! Gegen die Byzantiner? seine Glaubensgenossen?« – »Nun, so abgrundtief treulos, so ganz ehrlos wird mein Sohn doch nicht sein, – soviel erwiesene Großmut mit neuem Verrat zu vergelten. Dann sollte er . . .: – aber jeder Gedanke daran tut ihm schwer Unrecht.« – »Er ist kein starker Feldherr.« – »Ist nicht nötig. Die beiden Hünen sind aus Septimanien zurückgerufen durch eilende Boten. Vor der Entscheidungsschlacht – Hermenigild muß die hinauszögern – können sie bei ihm eintreffen . . .« – »Dann laß ihn doch hier.« – »Du traust ihm nicht!« grollte der Vater schmerzlich. »Mißtrauen züchtet, Vertrauen erstickt die üblen Keime. Begreifst du nicht? Mein ehrendes Vertrauen soll den Tiefgesunkenen heben. Hat er doch aufrichtig bereut.« – »Vater, du meinst das schön. Und du mußt entscheiden. Es ist dein Sohn und dein Reich.«

Leovigild ließ Hermenigild rufen und sprach: »Mein Sohn, du hast gehört: der Feind steht wieder im Land. Die Kaiserlichen, die Leander in Byzanz erbat – dich und Sevilla sollten sie entsetzen – kamen hierfür zu spät. Aber jetzt sind sie gelandet und ziehen auf Toledo. Sprich, mein Sohn, wessen ist die Schuld, daß das geschieht?«

Hermenigild schlug die Augen nieder: »Die meine, Vater.« – »Gut, daß du's einsiehst und gestehst. Wohlan: wessen Sache ist's, wessen Ehre gebeut, die Herbeigerufenen auszuschaffen?«

»Die meine wäre es,« brachte er errötend – mühsam – hervor. »Jedoch . . . ich . . .«

»Wohl denn: es soll die deine sein. Zieh ihnen entgegen mit 6000 Helmen: darunter meine ›Getreuen‹, verjage sie aus unserem Vaterland und stelle deine Ehre wieder her.«

»Vater, Vater! welche Güte!« er sank ihm schluchzend zu Füßen. »Wodurch verdiene ich das?«

»Bisher durch nichts. Du sollst es verdienen durch Eifer und durch Treue.«

»Das andre, Bruder,« flüsterte Rekared leise, »das Undenkbare . . . er würd' es, mein' ich, nicht überleben, der alte Mann.« – »Rekared! Dieser Zweifel tut weh.« – »Vergib mir, Bruder. Es ist nur die Sorge um den Vater. Die Krankheit hat den Greis gar arg entkräftet.«



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