Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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XI.

Und rasch ging's – nach dieser Verstärkung der Belagerer – zu Ende mit Sevilla. Vor dem Beginn des Kampfes erbat Rekared vom Vater kurzen Aufschub: er möge vorher das ganze Heer zur Beichte und zum Erlaß der Sündenstrafen gehen lassen. Mit großen Augen sah Leovigild auf den Sohn: »Glaubst du wirklich . . .?« Dieser lächelte. »Nicht, daß dann die Engel des Herrn für uns kämpfen, Wunder für uns geschehen werden! Aber die Leute werden freieren Herzens und deshalb erfolgreicher kämpfen, ihr Leben freudiger wagen: steigen sie dann doch – ohne Sündenschuld – geradenwegs gen Himmel auf. Gleichviel, ob's wahr ist: sie glauben's: das wirkt ganz, als ob's wahr wäre.« – Der König zauderte: »Die Religion ist dir . . .?« – »Sehr viel. Sehr! Aber auch Mittel zum Wohl des Reichs, zum Zweck des Sieges.« Da gab Leovigild nach: und es wirkte gut. Nach Vollendung der Vorbereitung befahl der König den Sturm im Doppelangriff: in der gleichen Stunde der dunklen Herbstnacht nahm er selbst von Westen, von Italica her, die Brücke über den Bätis und brach in die Stadt: – der Alte war der erste hinter dem von seiner Streitaxt zertrümmerten Tor: – während Rekared von Norden, von Carmona her, den Wall erstieg. Noch auf der Wallkrone leistete hier Basilius tapfer Widerstand: als aber den Schwerverwundeten seine Doryphoren aus dem Getümmel davontrugen, verzagten die Kaiserlichen auch an dieser Stelle und flohen. In der Mitte der Stadt, auf dem Forum des Theodosius, bei dem roten Licht der Fackeln und dem gelben brennender Häuser trafen die beiden Sturmhaufen der Sieger zusammen. »Halt ein, Vater!« flüsterte der Sohn. »Nicht gegen . . . – ihn. Dort ragt das Palatium, darin ist er gewiß nicht. Dort raste, warte bis ich ihn bringe!« – »Gefangen! Meinen Sohn!« sprach der König, die Axt in den Wehrgurt steckend. »Ja! – Wahre sein Leben!« – »Sorglicher als das meine!« Und schon war er verschwunden in der Nacht. Bald war der Flüchtling gefunden. Er hatte es nicht über sich gebracht, mit dem Vater, dem Bruder das Schwert zu kreuzen: weder Wall noch Tor hatte er verteidigt: auf dem Forum hatte er den Ausgang abgewartet. Nach der Entscheidung suchte er Asyl. Die Seinen rieten ihm das einer arianischen Kirche, das würden die Sieger am sichersten ehren. »Nein,« sprach er, »ich will nichts dem Glauben verdanken, den ich verlassen!« So floh er in die erzbischöfliche Hauptkirche der Katholiken. Die gewährte vor den Goten nicht Asyl. Aber Rekared, der das Versteck bald erraten hatte, ehrte ein Recht, das gar nicht bestand. Er legte das Schwert vor der Türe der Basilika ab und ging waffenlos zu dem Bruder hinein. Er fand ihn auf der untersten Stufe des Hauptaltars vor der Apsis sitzend, Kronhelm und Schwert hatte er von sich getan: das Haupt hatte er in beide Hände – auf den Knieen – gelegt: er weinte. Rekared hemmte den Schritt in dem breiten Mittelgang: die Kirche war leer, die Flüchtlinge hatten den Schutz der arianischen Kirchen gesucht: spärlich Licht fiel auf den Altar. »Armer Bruder! Unseliger! Aber kein König der Goten,« dachte er. – »Komm, Bruder,« rief er ihn nun an. Hermenigild erhob sich langsam. »Wohin? Am liebsten zum Tod!« – »Nicht doch! An das Herz des Vaters. Du kennst es nicht, dies Herz. Es verzeiht: – ich bürge für dein Leben. Komm zum Vater!«

Als der Gefangne in die hell erleuchtete Palast-Halle trat, ward wie dem Vater so auch dem Bruder der Jammer dieses Anblicks erst klar: Blut floß von der Stirn – ein scharfer Schleuderstein hatte ihn hoch im Bogen getroffen – über das entstellte Gesicht: sein Königsmantel war zerfetzt, von eignem und von fremdem Blut besudelt: denn er hatte die Verwundeten, die man aus dem Gefecht zurücktrug, gepflegt: – die Augen wagte er nicht zu dem Vater aufzuschlagen. Der sah mit tiefem Weh auf ihn. »Absalon,« rief er, »mein Sohn Absalon!« Der Gefangene sank vor ihm auf beide Knie. »Bruder,« mahnte Rekared, »sage, daß du alles bereust.« »Nicht alles,« erwiderte der Gefangene. »Nur die Empörung – von ganzem Herzen! Nicht die Annahme des wahren Glaubens.«

Scharf prüfend sah der König ihm in die nun zuerst aufgeschlagenen Augen: »Du trittst zurück zu unserem Glauben oder du stirbst.« – »So sterb' ich.« – Da nickte der König und hob ihn auf: »Das war wacker. Ich verzeihe dir. Rekared, führ' ihn zu meinem Arzt. Er blutet stark.«



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