Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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VI.

Einstweilen bewegte sich das stattliche Brautgeleit Ingundens gar langsam, weil auf allerlei Umwegen – denn Brunichildens Tochter konnte man nicht Fredigundens Machtbereich betreten lassen – auf der alten Römerstraße am Rhone-Ufer hin von Lyon über Valence, Avignon und Nîmes nach Narbonne, der Hauptstadt des gotischen Galliens, in dessen stattlichem Palatium Rast gehalten und die Braut von Hermenigild empfangen werden sollte. Wie erstaunte daher diese, als ihr alsbald in dem Empfangssaal statt des Bräutigams entgegen trat – dessen Oheim Leander. Der vielerfahrene Seelenergründer erkannte leicht die Enttäuschung des Mädchens: »Zürne mir nicht, Königskind,« begann er in seiner leisen einschmeichelnden Stimme. »Nur ganz kurze Zeit mußte ich dich allein sprechen: – das heißt, bevor er eintrifft.«

Die Tochter Brunichildens hatte viel von deren stolzen Schönheit, aber wie deren dunkle Augen und Haare auch den hochgemuten stolzen Sinn und die feste Willenskraft, mit der die Witwe Herrn Sigiberts den trotzigen Adel Austrasiens bändigte, kräftiger, mutiger als mancher Mann auf diesen fränkischen Thronen. Das edle Haupt in den Nacken werfend, sah sie dem Bischof scharf in die Augen und sprach, sich auf den purpurbehangenen Sitz niederlassend: »Ich werde kein Geheimnis haben vor meinem Gemahl.« – »Sollst du nicht, meine wackre Nichte. Ich selbst werde ihm künden, was ich dir sage: – aber zur rechten Stunde. – Ingundis, ich kenne deine Seele.« – »Du hast mich nur dreimal gesprochen,« meinte sie streng, – »Aber dein Beichtvater, Fronimius von Agde, dein Erzieher im rechten Glauben, ist mein nächster Freund. Er schrieb von seinem Zögling, seinem Liebling gar viel in jedem Brief.« – »Und aufs wärmste,« nickte die Braut nun freundlicher, »hat er dich mir empfohlen. Dir, dir allein soll ich vertrauen in jenem Land der Ketzer. Gift ist diese Ketzerei!« Sie furchte die stolz geschwungenen Brauen.

Er faßte rasch ihre Hand. »Herrliches Kind, Dank! Dank für dies Wort. Es eint uns für immer: – es kürzt meine Aufgabe. Ich weiß von deinem Lehrer, wie tief durchdrungen du bist von unserem heiligen Glauben.« – »Er ist das Leben meiner Seele,« rief sie und schlug die Augen auf gen Himmel. »Christus weiß es!« – »Wohlan« – er sah sich scharf um, dann flüsterte er leise in ihr Ohr: »Man will ihn dir entreißen.« – Sie lachte verächtlich: »Eh reißen sie den Morgenstern vom Himmel! – Wer will das?« – »Der König, die Königin. Alle Goten.« – »Auch Hermenigild?« – »Der liebt dich – und will nichts, was dich betrübt. Aber er kann dich nicht schützen.« – »Ist er kein Mann?«

Leander zuckte die Achseln: »Ein weich, ein sehr weich Gemüt.« – »Woher weißt du . . .?« – »Woher? Weil ich allein – weil meine Klugheit, meine Liebe zu dir – mehr noch: meine heilige Sorge um deine Seele dich gelöst hat aus dem Netze, das über deinem Haupt zusammenfallen sollte. Höre. Der König hatte deine Mutter bereits dafür gewonnen, daß du vor der Vermählung – wie umgekehrt sie und ihre Schwester bei der Heirat mit den Merowingen katholisch geworden sind, – unsern heiligen Glauben mit jener Ketzerei vertauschen sollst.« – »Unmöglich!« rief Ingundis und sprang auf: ihre Augen blitzten. »Abscheulich! Niemals!«

Mit Wohlgefallen betrachtete sie der Bischof: »So gefällst du mir, tapfre Nichte. Vernimm, wie ich den Plan vereitelt habe:« er zog eine Rolle aus den Falten seiner Sutane, »ich hatte den Auftrag von beiden, den Vertrag über eure Vermählung zu verfassen: in dem Entwurf standen ausdrücklich die Worte: ›katholisches‹ . . . ›arianisches Bekenntnis‹. Ich änderte so: ›die Vertragenden sind darin einverstanden, daß die Gatten auch durch das gleiche Bekenntnis werden verbunden sein‹.« – »Aber – ich verstehe nicht . . .« – Überlegen lächelte der Bischof. »Ja! auch der König verstand es nicht. Wenigstens nicht richtig. Er dachte natürlich nur an das Bekenntnis Hermenigilds.« – »Jawohl! Und der ist Arianer!« – »Er darf's nicht bleiben,« sprach Leander fest. – »Ah, Oheim, teurer Ohm!« – »Du verstehst mich. Das gleiche Bekenntnis, das euch verbinden soll, ist unser heiliger Glaube. Nicht du wirst Ketzerin, – der Königssohn wird rechtgläubig.«

»Ein schwierig Werk!« – »Nicht für dich. – Du bist sehr, sehr schön, bist heiß begehrenswert. Er liebt dich mit aller Kraft, deren seine zarte Seele überhaupt fähig ist. Ein hoher Geist in Rom . . .« – »Gregor! der Mutter Freund!« – »Und ich haben kräftig vorgearbeitet. Schon lange schwankt er: – du, du mußt ihn zu uns herüberziehen.« – »Ich! Wie kann ich das?« – »Indem du, bis er katholisch geworden« – hier flüsterte er ganz leise – »ihm alles, alles weigerst, was der Liebende, der Gatte ersehnt. Den Brautkuß freilich mußt du ihm – vor allem Volk! – gewähren. Aber nach diesem einen Kuß nicht die kleinste Gunst: – hörst du? Kaum einen Handschlag. Alles hängt davon ab. Bleibe fest, meine Tochter, bleibe scheinbar hart. Nur scheinbar; denn es gilt seine unsterbliche Seele zu retten: – das bedenke. Du kannst ihn bekehren: – eine Todsünde lädst du auf dich, unterläßt du's aus Weibesschwäche, aus – Liebe.«

Da zuckte sie die Achseln: »Ich weiß nicht, was das ist. Er ist mir gleichgültig. Aber die Seele des Gatten vor den Flammen der Hölle retten: – ja, das will ich.« – »Der Himmel wird dir lohnen. Und bedenke, Königskind: nicht diesen einen Ketzer rettest du: Leovigild ist ein Greis. Sein Sohn folgt ihm bald auf den Thron: ein katholischer Gotenkönig aber mit einer solchen Königin: – sie werden das ganze Gotenvolk zum rechten Glauben herüberziehen. Das letzte Ketzerreich im Abendland verschwindet und das, dies große, dies heilige Werk ist dein Verdienst, meine Tochter. Willst du mir folgen?« – »Ja, ich will,« rief sie leidenschaftlich mit Tränen der Rührung in den Augen, »Ich verspreche dir' s bei Christus dem Herrn.« – Und sie sank vor ihm auf die Kniee und küßte seinen Bischofsring. Er legte die Hand auf das schöne Haupt und sprach feierlich: »Und Christus der Herr wird dich dabei führen, stärken und segnen. Amen.« Im stillen aber sprach er zu sich selber: »Jetzt, Herr König, zieht Unfriede in dein Haus und das Verderben in dein Reich.«



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