Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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IV.

Am Abend dieses Tages finden wir Rekared in dem Garten des katholischen Nonnenklosters der heiligen Eulalia, das in dem stillsten Teile der Königsstadt, hart an dem Tajo-Tor, in immergrünen Büschen versteckt lag: nur der fromme Gesang der Nonnen und ihrer weltlichen Schülerinnen – Töchter der vornehmsten römischen Adelshäuser – unterbrach zu genau geregelten Stunden des Tages und der Nacht das feierliche Schweigen des lauschigen Ortes. Er wandelte neben einem schönen Mädchen zarten Alters, das nicht die schwarz und weißen Gewande der Sanctimoniales des Klosters, aber doch nur dunkle Farben und auf der Brust ein großes Kreuz von schwarzem Marmor trug. Gar oft suchten und zärtlich fanden sich die Blicke des jungen Paares: sie sprachen wenig: sie waren glücklich in einverstandenem Schweigen. Da bückte sich der Jüngling, pflückte aus einem duftenden Beet eine schöne weiße Narzisse und reichte sie der Geliebten: »Bitte, stecke sie vor jenes schwarze Kreuz, das dich der Welt und ihrer Freude zu entfremden droht. Ich fürchte es, meine Baddo.« – »Keine Ursache,« lächelte diese und barg die Blume an dem Busen. »Mich hält ein starker Anker fest in der Welt. Freiwillig verlaß ich deren Glück, ach! deren Hoffnung nicht.« – »Nun, gezwungen wird keine Freie unter König Leovigilds Schild, nicht die ärmste Ziegenhirtin seines Reichs, und nun erst seines Sohnes Braut!«

Das Mädchen errötete: – es strich erregt die weizenblonden Locken zurück, die aus dem grauen Schleier quollen – »o schon wieder dies Wort, das allzukühne! Fordre nicht den Himmel heraus! Wer weiß, ob das jemals wird . . .« – »Und warum soll das nicht werden? Mein Vater –, heute hab ich's erfahren – hat – Gott weiß, wie? – mein, unser Geheimnis erkundet: – er zürnt nicht. Er hat dich auch gesehen und . . .« – »Ja, er war hier, der Äbtissin seine neue Klostersteuer anzukünden. Er fragte nach meinem Namen – er streichelte mein Haar.« – »Also! Was König Leovigild will, das geschieht in seinem Reich!« – »In seinem Reich!« wiederholte das Mädchen ernst. – »So bist du eine Fremde?« rief Rekared, stehen bleibend. »Ich dachte es wohl. Aber wer auch dein Vater . . .« – Sie schüttelte traurig das Haupt: »Ich habe lang schon keinen Vater mehr.« – »Nun denn, dein Muntwalt! Und wär's der Imperator zu Byzanz, er sagt nicht nein, wirbt Held Leovigild für seinen Sohn. O Geliebte, du hast geschworen, sagst du, wie die Äbtissin, solange du hier weilst, nichts von deiner Herkunft zu verraten: – keiner Seele. Und mir hast du das Wort abgenommen, nie zu fragen. Ich hab's gehalten bis heute: – ich halt' es bis du mich davon entbindest – aber diese Geheimhaltung kann alles verderben! Wie soll ich dich erringen, weiß ich nicht, wem ich dich abzuringen habe, in Güte oder mit Gewalt?« – »Ich habe geschworen, Rekared.«

Er seufzte tief. »Welche Qualen legt mir dies Rätsel auf seit Wochen! – Seit, . . . seit jenem Tag, da ich dich mit der Äbtissin in der Tagus-Fähre erblickte, sofort in das Schifflein sprang . . .« – »Ja, so ungestüm,« lächelte sie, »daß es fast umschlug. Die Äbtissin – sie ward gar naß! – erschrak und rief: »Prinz Rekared!« Da erschrak auch ich. Der schöne Fremdling ein Königssohn! Aber bald wich der Schreck der Freude, als der Königssohn nicht mehr von mir ließ. Und es war recht gut, daß der geliebte Mann der Königssohn war: einen andern hätte die gestrenge Frau Abbatissa nicht so oft in den Klostergarten dringen lassen.« – »Bah, bist ja keine Nonne. Und sollst keine werden, bei meines Vaters Haupt!« – »Aber katholisch bin ich. Und dein Vater . . .« – »Ei, meine Mutter war auch katholisch. Damit richtet er nichts aus. Also, wann du genug gelernt hast bei den frommen, hochgelehrten Schwestern . . .« – »Ich meine,« lächelte sie anmutig, »es reicht schon. Ein Weib braucht gar nicht soviel zu wissen, um . . .« – »Selig zu machen und selig zu sein! Und wann du endlich deine Sippe nennen darfst, dann tu's sogleich, o Geliebte, nicht einen Tag wart' ich mehr! – Dann hol' ich dich, Süße, Heißgeliebte!« Und er umschlang die schlanke Gestalt und bedeckte ihr Antlitz mit glühenden Küssen. – »Halt ein, Geliebter. Halt! Du mußt jetzt fort. Die Äbtissin schickt den Pförtner – horch, wie er schon von weitem mahnend mit den Schlüsseln klirrt.«– »Ich gehe. Noch einen Kuß. Und was immer uns trennen mag von außen: – wir sind eins. Und deine Seele ist mein?« – »Auf ewig!«


Am Morgen des folgenden Tages war Rekared mit einigen Gefolgen aus Toledo geritten, Musterung über ein paar Tausendschaften seiner Reiter – er war der Führer der gotischen Reiterei – in Elbora, den Tajo abwärts, vorzunehmen.

Kaum war er fort, als dem König ein Schreiben der Äbtissin von Sankt Eulalia überbracht wurde, das lautete: »Nicht ohne Bestürzung melde ich dir, Herr König, daß die Alumna Baddo, die du mir so dringend empfohlen, heute Nacht von den Ihrigen in die Heimat abgeholt wurde. Vergebens bat ich um die Erlaubnis, jetzt wenigstens ihre Herkunft dir mitteilen zu dürfen . . .« – »Gut, daß ich sie längst kenne, diese Herkunft.« – »Sie schied unter heißen Tränen.« – »Das glaub' ich! – Nun, mein tapferer Sohn, nun holst du dir bald die Braut mit dem Schwert. Aber nicht bevor ich's dir in die Faust drücke.«



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