Felix Dahn
Der Vater und die Söhne
Felix Dahn

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II.

»'s ist besser so,« sprach Fulgentius. »Er würde unsre Pläne nicht verraten, aber durch hartnäckigen Einspruch hemmen. – Also höre weiter. In Byzanz, in Rom konnte ich damals dem Imperator und dem Papst die Auflösung, den Untergang dieses Mischreichs bestimmt in nahe Aussicht stellen: Feinde bedrohten es ringsum. Das tiefste Verderben dieses Staates ist, daß alle seine Feinde Söhne der heiligen Kirche sind, welche die Pforten der Hölle nicht überwältigen werden, die vielmehr alle ihre Widersacher unter ihre Füße treten wird wie der Engel des Herrn die schuppigen Drachen: katholisch sind die Sueven in den Bergen des Nordens, katholisch die Franken im Westen . . . –«

»Gar eifrige Christen sind die Merowinger! Gregor lobt sie stets!« nickte der Gesandte.

»Katholisch das oströmische Reich im Osten, dem vor Gott und Menschen dieses Hispanien, die alte römische Provinz, gehört. Schon vor zwei Menschenaltern hatte der Imperator Justinianus, nachdem er die Reiche der Vandalen und der Ostgoten zerstört, die Hand auch nach diesem dritten ketzerischen Barbarenreich ausgestreckt: – und mit Erfolg! Eine ganze Reihe von Seefestungen, von Küstenstädten trägt seitdem die Besatzungen, die Fahnen des Imperators. Greifen diese drei katholischen Mächte verbündet an . . . –« – »So muß das Goten-Reich erliegen,« frohlockte Fulgentius. – »Denn es ist unterwühlt von seinem gefährlichsten Feind, von seinen eignen katholischen Untertanen, von dem römischen Adel und –« – »Von uns, den Bischöfen und Priestern des Herrn: alle paar Jahre lodert ein Aufstand gegen die Goten empor.«

»Und gerade vor dieses eisernen Leovigild Wahl war das Unheil des Reiches in vollster Blüte: sein greiser Bruder, König Leova, war gestorben, der gotische Adel lag in selbstzerfleischendem Wahlkrieg, Sueven, Franken brachen über die Grenzen, die Byzantiner in Cordoba zogen ins offene Feld, die Basken in ihren Bergen, die Römer in Tarraconien standen in den Waffen: der Gotenstaat schien verloren. Da eilte ich zurück, um zu verhüten, daß es einen Helden wie dieser Leovigild – Gott sei's geklagt! – nun einmal ist, zum Herrscher, zum einzig möglichen Retter erhalte: – denn ich – wie wir alle – will Byzanz, das rechtgläubige, herrschen sehen auf der ganzen Halbinsel von Meer zu Meer. Ich eilte also selbst zu unserem Schwager, dem die Mehrzahl der Wähler die Krone antrug. Ich beschwor ihn, abzulehnen, sich nicht dem sichern Untergang im Kampf mit jenen übermächtigen Feinden zu weihen: – ich zählte ihm all' diese Gegner, diese Gefahren eindringlich auf: – weißt du, was der Kühne mir zur Antwort gab? Er sprang auf von dem Feldbett, auf dem er sinnend, schweigend gesessen: »Dank,« rief er, »Schwager! Ich schwankte: du hast mich entschieden. Ja, das Reich ist bedroht, ganz wie du schilderst. Ich nehme seine Krone: ich rette das Gotenvolk oder falle.« Und stürmte zum Zelt hinaus und begann – zur Stunde – sein Werk.« – »Das – das ist groß!« staunte der Römer. – »Und wie hat er's gefördert und vollendet!« fuhr Leander fort. »Der Haß selbst muß das bewundern. Ein zerfallendes Reich, ein rings bedrohtes, hatte ich verlassen – und so Kaiser und Papst geschildert – ein stolz aufgerichtetes, sieghaft gerettetes fand ich wieder. Gleich nach seiner Thronbesteigung,« erzählte der Bischof weiter, »schlug er in vier Schlachten hintereinander die Byzantiner aus dem Feld, entriß ihnen nach zähem Widerstand die schöne Cordoba, die stets wie ein feurig edel Roß in den gotischen Zügel knirscht, unterwarf den Aufstand der Basken und der Cantabrer, dort die Bauern, hier die Städter, scheuchte die Sueven, die zu Hilfe heranzogen, in ihre Berge zurück und trat überall mit eherner Ferse die letzten Funken der Empörung des römischen Adels und der römischen Bischöfe aus.«

»Und all' das hat ein Mann, hat eine Menschenkraft vollendet?« forschte Sabinianus. – »Nein,« grollte Fulgentius, »das eben ist's: der Satan, ich zweifle nicht, hilft dem Ketzerkönig, der sich ihm verschworen.«

»Nach diesen Siegen und Erfolgen,« fuhr Leander fort, »schwang er wie bisher das Königsschwert fortab gewaltig den Königstab, schuf das starke Toledo zu seiner Burg und Residenz, bestrafte die bestechlichen Richter, schrieb schwere neue Steuern aus und füllte habgierig – mehr noch: herrschgierig! – seinen Schatz mit den eingezogenen Gütern und Geldern der vielen Geschlechter des römischen Adels, die mit Byzanz sich verschworen hatten, und ach! vieler, sehr vieler Bistümer und Klöster, die, unvorsichtig, ihre Neigung zu den katholischen Fahnen zu deutlich verraten.«

»So nahm er mir die Hälfte meines Kirchenguts,« zürnte Fulgentius, »nur, weil ich für den Sieg der kaiserlichen Waffen hatte beten lassen.« – »Erführ' er all' das andre,« meinte der Metropolitan, »schützte nicht die Insula dein Haupt.« – »So soll ich in Rom berichten,« fragte der Archipresbyter, »bei deiner Heimkehr habest du alles verändert gefunden, und gegenüber diesem gewaltigen Barbarenhelden gebt ihr jede Hoffnung auf Befreiung, jeden Widerstand auf?«

Heftig sprang der Metropolitan von seinem Thron empor: »Nein! Nie! Niemals. Solang ich atme, hass' ich ihn und dieses Reich der Ketzer. Nie verzichte ich auf die Hoffnung, den orthodoxen Imperator herrschen zu sehen von den Pyrenäen bis an den Ozean. Das sage dem weisen Gregor! Und er muß dazu helfen, jetzt schon und bald vom Stuhl Sankt Peters herab. Schon hab' ich einen neuen Plan ersonnen. Oder vielmehr einen Plan des Tyrannen heimlich wider ihn selbst gewandt. Er soll sich wundern! Er will die Merowinger für sich . . . – doch Geduld! Das ist noch nicht reif. Du, Freund Sabinianus, überbringst selbst dies geheime Schreiben an die Frankenkönigin Brunichildis. Dein Rückweg führt dich ja über Gallien. Ein andrer Bote trägt in hohlem Stab einen Brief an den Suevenkönig Miro, der Rache sinnt für viele Schläge, die ihm der Tyrann geschlagen. Freund Gregor aber laß ich bitten, täglich – gleich uns – sein Nachtgebet zu schließen mit den Worten: »Verdirb, Herr Christus, König Leovigild und dieses Ketzerreich der Goten. Amen!«



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