Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Dreizehntes Kapitel: Rückzug nach verlorener Schlacht

In der verlorenen Schlacht ist die Macht des Heeres gebrochen worden: noch mehr die moralische als die physische. Eine zweite, ohne daß neue, vorteilhafte Umstände ins Spiel kommen, würde zur gänzlichen Niederlage, vielleicht zum Untergange führen. Das ist ein militärisches Axiom. Nach der Natur der Sache geht der Rückzug bis zu demjenigen Punkt, wo sich das Gleichgewicht der Kräfte wieder hergestellt haben wird, sei es durch Verstärkung oder durch den Schutz bedeutender Festungen oder durch große Abschnitte des Bodens oder durch die Ausdehnung der feindlichen Macht. Der Grad des Verlustes, die Größe der Niederlage wird diesen Moment des Gleichgewichts nähern oder entfernen, noch mehr aber der Charakter des Gegners. Wieviele Beispiele gibt es nicht, daß das geschlagene Heer sich in einer geringen Entfernung wieder aufgestellt hat, ohne daß seine Verhältnisse seit der Schlacht sich im mindesten verändert hätten! Der Grund davon liegt entweder in der moralischen Schwäche des Gegners oder darin, daß das in der Schlacht gewonnene Übergewicht nicht groß genug ist, um zu einem nachdrücklichen Stoße zu führen.

Um diese Schwächen oder Fehler des Gegners zu benutzen, nicht einen Zollbreit weiter zurückzugehen, als die Gewalt der Umstände erfordert, hauptsächlich aber, um das Verhältnis der moralischen Kräfte auf einem so vorteilhaften Punkt als möglich zu erhalten, ist ein langsamer, immer widerstrebender Rückzug, ein kühnes, mutiges Entgegentreten, sooft der Verfolgende seine Vorteile im Übermaß benutzen will, durchaus nötig. Die Rückzüge großer Feldherren und krieggeübter Heere gleichen stets dem Abgehen eines verwundeten Löwen, und dies ist unstreitig auch die beste Theorie.

Es ist wahr, daß man oft in Augenblicken, wo man eine gefährliche Lage verlassen wollte, hat eitle Förmlichkeiten anwenden sehen, welche einen unnützen Zeitaufwand verursachten und dadurch gefährlich wurden, statt daß in solchen Fällen alles davon abhängt, schnell davonzukommen. Geübte Führer halten diesen Grundsatz sehr wichtig. Aber solche Fälle sind nicht mit dem allgemeinen Rückzug nach verlorener Schlacht zu verwechseln. Wer hier glaubt, durch einige schnelle Märsche einen Vorsprung zu gewinnen und leichter einen festen Stand zu bekommen, begeht einen großen Irrtum. Die ersten Bewegungen müssen so klein als möglich, und im allgemeinen muß es Grundsatz sein, sich nicht das Gesetz des Feindes aufdringen zu lassen. Diesen Grundsatz kann man nicht befolgen ohne blutige Gefechte mit dem nachdringenden Feind, aber der Grundsatz ist dieses Opfers wert. Ohne ihn kommt man in eine beschleunigte Bewegung, die bald ein Stürzen wird und dann an bloßen Nachzüglern mehr Menschen kostet, als die Schlachten der Arrieregarden gekostet haben würden, außerdem aber die letzten Überreste des Mutes vernichtet.

Eine starke Arrieregarde, von den besten Truppen gebildet, vom tapfersten General geführt und in den wichtigsten Augenblicken von der ganzen Armee unterstützt, eine sorgfältige Benutzung der Gegend, starke Hinterhalte, sooft die Kühnheit der feindlichen Avantgarde und die Gegend Gelegenheit dazu geben, kurz, die Einleitung und der Plan zu förmlichen kleinen Schlachten, das sind die Mittel zur Befolgung jenes Grundsatzes.

Die Schwierigkeiten des Rückzuges sind natürlich größer oder kleiner, nachdem die Schlacht mehr oder weniger unter günstigen Verhältnissen gefochten, und nachdem sie mehr oder weniger ausgehalten worden ist. Wie man, wenn man sich gegen einen überlegenen Gegner bis auf den letzten Mann wehrt, aus allem ordnungsmäßigen Rückzuge kommen kann, zeigen die Schlachten von Jena und Belle-Alliance.

Es ist wohl hin und wieder geraten worden Lloyd, Bülow., sich zum Rückzug zu teilen, also in getrennten Haufen oder gar exzentrisch zurückzugehen. Diejenige Teilung, welche der bloßen Bequemlichkeit wegen geschieht, und wo ein gemeinschaftliches Schlagen möglich und die Absicht bleibt, kommt hier nicht in Betrachtung; jede andere ist höchst gefährlich, gegen die Natur der Sache und also ein großer Fehler. Jede verlorene Schlacht ist ein schwächendes und auflösendes Prinzip, und das nächste Bedürfnis ist, sich zu sammeln und in der Sammlung wieder Ordnung, Mut und Vertrauen zu finden. Die Idee, in dem Augenblick, wo der Feind seinen Sieg verfolgt, ihn mit getrennten Haufen auf beiden Seiten zu beunruhigen, ist eine wahre Anomalie; einem furchtsamen Pedanten von Feind könnte man dadurch imponieren, und da mag es gelten, wo man aber dieser Schwäche seines Gegners nicht gewiß ist, soll man es bleibenlassen. Erfordert das strategische Verhältnis nach der Schlacht, sich rechts und links durch abgesonderte Haufen zu decken, so muß so viel geschehen, wie nach den Umständen unerläßlich ist; aber diese Trennung muß immer als ein Übel betrachtet werden, und selten wird man imstande sein, sie am Tage nach der Schlacht selbst schon eintreten zu lassen.

Wenn Friedrich der Große nach der Schlacht von Kolin und der Aufhebung der Belagerung von Prag in drei Kolonnen zurückging, so geschah es nicht aus Wahl, sondern weil die Stellung seiner Streitkräfte und die Deckung Sachsens es nicht anders zuließ. Bonaparte ließ nach der Schlacht von Brienne Marmont auf die Aube zurückgehen, während er selbst über die Seine sich gegen Troyes wandte; daß ihm aber dies nicht schlecht bekam, lag bloß darin, daß die Verbündeten, anstatt zu verfolgen, sich gleichfalls trennten, sich mit einem Teil (Blücher) gegen die Marne wandten und mit dem anderen (Schwarzenberg), aus Furcht, zu schwach zu sein, ganz langsam vorrückten.


 << zurück weiter >>