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Achtes Kapitel: Einverständnis beider Teile zum Gefecht

Kein Gefecht kann ohne gegenseitige Einwilligung dazu entstehen, und von dieser Idee, welche die ganze Grundlage eines Zweikampfes ausmacht, geht eine gewisse Phraseologie der historischen Schriftsteller aus, die zu vielen unbestimmten und irrigen Vorstellungen verführt.

Die Betrachtung der Schriftsteller dreht sich nämlich häufig um den Punkt, daß der eine Feldherr dem anderen die Schlacht angeboten und dieser sie nicht angenommen habe.

Aber das Gefecht ist ein sehr modifizierter Zweikampf, und die Grundlage desselben besteht nicht bloß in der gegenseitigen Kampflust, d. h. Einwilligung, sondern in den Zwecken, welche mit dem Gefecht verbunden werden; diese gehören immer größeren Ganzen an, und das um so mehr, als selbst der ganze Krieg, als Kampfeinheit gedacht, politische Zwecke und Bedingungen hat, die einem größeren Ganzen angehören. So tritt also die bloße Lust, sich gegenseitig zu besiegen, in ein ganz untergeordnetes Verhältnis, oder vielmehr sie hört ganz auf, etwas an und für sich selbst zu sein, und ist nur als der Nerv anzusehen, der dem höheren Willen die Bewegung verleiht.

Bei den alten Völkern und dann wieder in der ersten Zeit der stehenden Heere hatte der Ausdruck, daß man dem Feind die Schlacht vergeblich angeboten, doch noch mehr Sinn als in unseren Tagen. Bei den alten Völkern war nämlich alles darauf eingerichtet, sich in offenem Felde ohne alle hindernde Gegenstände im Kampf miteinander zu messen, und alle Kriegskunst bestand in der Einrichtung und Zusammensetzung des Heeres, also in der Schlachtordnung.

Da nun ihre Heere sich in ihren Lagern regelmäßig verschanzten, so wurde die Stellung im Lager als etwas Unantastbares betrachtet, und eine Schlacht wurde erst möglich, wenn der Gegner sein Lager verließ und sich in zugänglicher Gegend gewissermaßen in die Schranken stellte.

Wenn es also heißt, daß Hannibal dem Fabius die Schlacht vergeblich anbot, so sagt das zwar in Beziehung auf den letzteren nichts, als daß eine Schlacht nicht in seinem Plan lag, und es beweist an sich weder die physische noch moralische Überlegenheit des Hannibal; aber die Beziehung auf diesen ist doch der Ausdruck richtig, denn er sagt, daß Hannibal die Schlacht wirklich gewollt hat.

In der ersten Zeit der neueren Heere fanden bei großen Gefechten und Schlachten ähnliche Verhältnisse statt. Die großen Massen wurden nämlich vermittelst einer Schlachtordnung ins Gefecht geführt und darin geleitet, die als ein großes, unbehilfliches Ganze mehr oder weniger die Ebene brauchte und sich weder zum Angriff noch selbst zur Verteidigung in einer sehr durchschnittenen oder verdeckten oder gar gebirgigen Gegend eignete. Es fand also der Verteidiger auch hier einigermaßen ein Mittel, die Schlacht zu vermeiden. Diese Verhältnisse haben sich, wiewohl immer schwächer, bis in die ersten Schlesischen Kriege erhalten, und erst im Siebenjährigen wurde ein Angriff des Gegners auch in unzugänglichen Gegenden immer mehr tunlich und Sitte; nun hörte zwar die Gegend nicht auf, ein Verstärkungsprinzip für denjenigen zu werden, der sich ihres Beistandes bediente, aber sie war nicht mehr ein Zauberkreis, welcher die natürlichen Kräfte des Krieges bannte.

Seit 30 Jahren hat sich der Krieg noch viel mehr in diesem Sinne ausgebildet, und es steht demjenigen, welcher wirklich eine Entscheidung durchs Gefecht haben will, nichts mehr im Wege, er kann seinen Gegner aufsuchen und angreifen; tut er dies nicht, so kann er nicht dafür gelten, das Gefecht gewollt zu haben, und der Ausdruck, er habe eine Schlacht angeboten, die sein Gegner nicht angenommen, heißt also jetzt nichts als er habe die Verhältnisse zum Gefecht nicht vorteilhaft genug gefunden, welches ein Geständnis ist, worauf jener Ausdruck nicht paßt, und das er nur zu bemänteln strebt.

Freilich kann der Verteidiger auch noch jetzt ein Gefecht zwar nicht mehr ablehnen, aber doch vermeiden, wenn er nämlich seinen Platz und die damit verknüpfte Rolle aufgibt; dann liegt aber für den Angreifenden in diesem Erfolg der halbe Sieg und die Anerkenntnis seiner einstweiligen Überlegenheit.

Es kann also diese auf ein Kartell sich beziehende Vorstellungsart jetzt nicht mehr gebraucht werden, um mit solchem Worttriumph das Stillstehen dessen zu beschönigen, an welchem das Vorschreiten ist, nämlich des Angreifenden. Der Verteidiger, welcher, solange er nicht zurückweicht, dafür gelten muß, die Schlacht zu wollen, kann allerdings, wenn er nicht angegriffen wird, sagen, er habe sie angeboten, wenn sich dies nicht schon von selbst verstände.

Von der anderen Seite kann aber jetzt einer, der ausweichen will und kann, nicht wohl zum Gefecht gezwungen werden. Da nun dem Angreifenden an den Vorteilen, welche er mit diesem Ausweichen erhält, oft nicht genügt, und ein wirklicher Sieg ihm dringendes Bedürfnis wird, so werden zuweilen die wenigen Mittel, welche vorhanden sind, auch einen solchen Gegner zum Gefecht zu zwingen, oft mit einer besonderen Kunst gesucht und angewendet.

Die hauptsächlichsten Wege hierzu sind: erstens das Umstellen des Gegners, um ihm den Rückzug unmöglich oder so schwer zu machen, daß er es vorzieht, das Gefecht anzunehmen, und zweitens das Überraschen desselben. Dieser letztere Weg, welcher früher in der Unbehilflichkeit aller Bewegungen seinen Grund hatte, ist in der neueren Zeit sehr unwirksam geworden. Bei der Biegsamkeit und Beweglichkeit der jetzigen Heere scheut man sich nicht, auch im Angesicht des Feindes seinen Rückzug anzutreten, und nur besonders nachteilige Verhältnisse der Gegend können hier bedeutende Schwierigkeiten hervorbringen.

Ein Fall der Art möchte der der Schlacht von Neresheim sein, welche der Erzherzog Karl den 11. August 1796 in der rauhen Alb gegen Moreau lieferte, bloß in der Absicht, sich den Rückzug zu erleichtern, wiewohl wir gern gestehen, daß wir das Räsonnement des berühmten Feldherrn und Autors hier nie ganz verstanden haben.

Die Schlacht von Roßbach liefert ein anderes Beispiel, insofern der Feldherr des verbündeten Heeres wirklich nicht die Absicht gehabt haben sollte, Friedrich den Großen anzugreifen.

Von Soor sagt der König selbst, daß er die Schlacht nur angenommen habe, weil ihm der Rückzug im Angesicht des Feindes bedenklich geschienen; indessen führt doch der König auch noch andere Gründe zur Schlacht an.

Im ganzen werden, die eigentlichen nächtlichen Überfälle ausgenommen, solche Fälle immer selten sein, und die, wo ein Gegner durch Umstellung zum Gefecht gezwungen worden ist, sich hauptsächlich nur bei einzelnen Korps, wie das Fincksche bei Maxen, zutragen.


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