Lena Christ
Die Rumplhanni
Lena Christ

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Es ist ums Morgenläuten. Der Ödenhuber fährt mit seinem Braunen ins Gäu, ein Kalb zu kaufen. Vor dem Häusl der alten Rumplwabn knallt er ein paarmal fest mit der Geißel, zieht den Zügel wühst und läßt den Gaul frisch dahintraben, die Straße nach Berganger zu.

Die Rumplhanni schreckt aus dem Schlaf auf. »Jess', wo bin i denn,... was is's denn.... hab i jetz net traamt ... daß ... alles aus is? ... « Sie setzt sich mit einem Ruck auf. »Was is denn jetz dees? ... Is denn net der Hauser ... « Ihr Blick fällt auf den Stift am Tisch, auf ihr Kirchengewand. »Marixn! Naa, – es is koa Traam gwen! Es is wirkli und wahrhafti a so, daß i verspielt hab!« Mit einem Satz ist sie aus dem Bett. Hastig legt sie sich an, geht sie hinüber in die Kuchel.

»Eahl!« Das Ähnl kommt eben aus dem Geißenstall, den vollen Milchhafen in der Hand. »Daß d' scho aufstehst, wennst krank bist?« fragt sie. »Weil i zum Dokter muaß«, erwidert die Hanni. »Daß d' überhaupts zu mir kemma bist und net ins Krankenhaus gehst?« – »Weil i denk, daß 's bald wieder geht, wenn i in an andern Platz kimm.« – »Ja, bist denn weg vom Hauser!?« – »Da möcht i scho fragn! Hast es ja net anderscht habn wolln! Hättst mirs ja net vergunnt, daß 's mir aa amal a bissl besser gangen wär!« – »Koan krummen Weg geh i net«, sagt die Alte fest. »Balst aufn graden net Hauserin werst, die Winkelweg führn do danebn, oder gar eini ins Loch ... « Die Hanni erwidert gar nichts. Sie hockt sich neben den Herd, schaut der Großmutter gedankenlos beim Feuermachen zu, starrt in die flackernden Flammen des Reisigs, in den Rauch, der aufwirbelt und wie ein feines, bläuliches Netz an der Weißdecke hängt, und schlingt die Hände um die hochgezogenen Knie. Und langsam kommt Gedanke um Gedanke, zieht das Erlebte an ihr vorbei, formt sich ein Plan für die Zukunft. Das Ähnl kocht den Kaffee, brummend über die nichtsnutzige Dirn, die einem in den alten Tagen noch lauter Verdruß und keine Freud macht, und gießt doch die schönste Schale für das »Blasl« voll, gibt der »gottvergessenen Schuri« die ganze fette Rahmhaut und setzt sich darnach seufzend mit ihrem Kaffee auf das Spülbänklein.

Die Hanni lacht plötzlich leise. »Eahl, du muaßt mir nachher mein Sach beim Hauser holn!« – »Willst wirkli nimmer weiterarbatn dort?« – »I konn do net!« – »Wann i bitten tät für di? ... « – »Untersteh di! Liaber auf der Stell tot sein, als nomal in dees Haus geh!« – »Wo willst nachher aus?« – »Dees werd si scho finden.« Auf ein weiteres Fragen gibt sie der Alten keine Antwort mehr, trinkt hastig ihre Schale leer und geht fort, hinüber zum Ödenhuber.

Und lacht wieder leise. »Is's der net, nachher is's vielleicht der ander«, sagt sie zu sich selber; »und wer i net Hauserin, so wer i vielleicht Ödnhuaberin.« Sie tritt frisch in die Gaststube. Die Resl stellt eben die Salzgefäße auf die Tische. »Guat Morgn!« will sie sagen; da erkennt sie die Rumplhanni. Und denkt an ihren Pauli und an jenen Abend des Abschieds, wo ihn dieses Weibsbild so stocknärrisch gemacht hatte, daß er frei allen Verstand verlor. »Was möchst denn du da?« fragt sie daher die Eintretende unwirsch. »Di net!« erwidert ihr die Hanni und freut sich im stillen aufs neue darüber, daß sie damals die beiden so schön zum Narren haben konnte.

Sie geht hinaus in die Kuchel. Da steht die Leni am Herd und rührt ein Einbrenn zum Voressen. Sie fährt erschreckt zusammen, als sie die Hanni sieht. Eine heiße Röte steigt ihr ins Gesicht, eine plötzliche Angst läßt ihr das Blut im Hals schlägeln. Mariand ... sie werd do net ... was wissen! fährt's ihr durchs Hirn. Und mit unsicherer Stimm fragt sie: »Rumplhanni, was möchst denn?« Die Dirn tut freundlich: »Dei Muatta möcht i; grüaß di Good, Leni! Bist scho fleißi?« Gottlob! ... »Tuats scho, Hanni! Grad, was sei muaß. D' Muatta werd glei kemma. Magst di net niederhocka derweil?«

Sie schiebt ihr einen Hocker hin.

Die Hanni setzt sich: »I bin so frei, bals verlaubt is, Leni. Was is's mitn Kriag? Habts vom Jackl scho Nachricht? Geht's eahm guat?« – »Ja Geht eahm alleweil no guat ... «, sagt die Leni.

Da kommt die Ödenhuberin. Die Hanni steht sogleich auf. »Grüaß di Good, Wirtin.« Die Ödenhuberin blinzelt erstaunt: »Was will denn die da?« Sie schaut mit einem Gemisch von Hochmut und Mißtrauen an der Hanni hinunter. »Ganga bin i drenten«, sagt diese.-»Na- und?« Eiskalt ist der Ton dieser Frage. – »Und jetz möcht i zu dir. Grad mit Fleiß. Grad, daß i s' tratzen konn, dee da drent.« Die Leni fährt herum. Die Ödenhuberin verzieht die Mundwinkel ein wenig. Ihre Ohrgehänge zittern leise. »So, zu mir möchst. Aha!« Wie das durchgeht! Wie eine Messerspitz durchs Fleisch! Der Hanni ist nicht wohl zumut dabei. Aber sie lacht doch ihr helles, freundliches Lachen und sagt: »Ja, grad extra. Daß er si recht gift', der Hauser.« Die Wirtin wischt mit der flachen Hand etliche Brosamen von der Anricht. »Und du moanst, daß i di glei mag?« – »Ja no ... Zfriedn waarst mit mir.« – »Dees kaam drauf o. Aber i probiers gar net mit dir.« Der Hanni fährt die Röte ins Gesicht. »Weil i di gar net möcht«, sagt die Wirtin; »weil i di kenn. Und weil i a bessers Gedenka hab, als wia zum Beispiel du.« – »I? I versteh di net ... « – »Werst mi glei versteh, wenn i dir draufhilf. Oder bsinnst di leicht selm no auf den Tag, wo mei Jackl furt is ... und grennt, als wia wenn der leibhafti Teife hinter eahm gwen waar! ... Aha. Fallt dir scho ei, gell. Und sell am Gartl draußt, gell, dees fallt dir aa no ei. Und überhaupts und a so. Und es is mir liaber, du gehst. Glei. Da is d' Tür.« Auweh. Das ist schier eine Roßschwemm. Mit der Hoffnung ist's auch vorbei.

Die Hanni rennt wie begossen aus dem Haus, dahin. Läuft auf ein Haar dem Staudenschneidergirgl unter die Rosse, als er grad mit dem Fuhrwerk ums Eck biegt. »He, he, Jungfer Gschnappi! Mach mir meine Gaul net scheuch!« spöttelt der Girgl; »bist jetz du grad vom Hauser außagflogn oder vom Wirt?« Der Hanni liegt eine grobe Antwort schon auf der Zunge; da fährt ihr was durch den Sinn. Darum erwidert sie fröhlich: »Naa, direkt vom Himme aba. Und zu dir fliag i eine.« Sie blickt scharf nach seiner Miene. Aber die bleibt unbewegt, als er sagt: »Hab koan Platz für so an Erzengel.« – »Brauchts aa net, daß d' mi als an Erzengel einstellst! I bin scho mit was Gringern aa zfrieden! Zum Beispiel als Mitterdirn...« Der Girgl horcht auf. »Du möchst mi derblecka ... « – »Aber ganz gwiß net! Ganz im Gegenteil! Abbitten tat i gern eppas ... « Sie schaut ihn heiß an. »Weils mir koan Ruah net laßt, daß i so grob gwen bin gega di ... « – »Da bist aber spaat dro damit.« – »Ja no. Weil ma halt übermüati is.« Ihre Augen blitzen, ihr ganzes Gesicht zeigt ihm ihren lachenden Übermut. »Geh, sei mir wieder guat, Girgl!« sagt sie; »woaßt, wenn i aa a diam narrisch bin, guat leidn konn i di do.« – Daß die gar so zuckersüaß tuat! denkt sich der Girgl; und laut sagt er: »I glaab dirs scho, Hanni. Dir glaab i überhaupts alls.« – »Dees derfst aa! Aber – jetzt Gspaß beiseitn: i frag di, obst koa Dirn brauchst. I bin ganga beim Hauser.« – »Ah so! Ja jetz!« Also deswegen die Freundlichkeit! Der junge Staudenschneider ist ein Bauer. Ein richtiger. Und nicht aufs Hirn gefallen. Und mißtrauisch und argwöhnisch, wie sichs gehört. Und die Hanni ist für ihn nicht mehr die Hochzeiterin, die ihn verschmäht hat, sondern eine Dirn – ein Dienstmentsch, wie jedes andere auch. Und beim Einstellen von Dienstboten geht's wie beim Viehkauf: Wenn man nicht angeschmiert sein will, schaut man gut und überlegt gut. Und wenn schon zuvor was fehlt, dann sagt man lieber gleich ein Nein; denn beim Vieh gilt nur der gesetzliche Fehler, während die andern den Handel nicht aufheben und doch den Stall verschandeln und den Geldbeutel unnütz leer machen. Will einer sagen, daß es beim Dienstvolk anders ist? Drum frag erst. – Der Girgl fragt. »Daß d' du zu mir möchst? Daß d' du weg bist beim Hauser?« – »Weils mi nimmer gefreut hat bei dem alten Sponzierer.« – »Aha. Und beim Ödnhuaber ham s' di net mögn. Jetz versteh i 's scho. – Hüa! Hüa hott! – Naa, i mag di aa net! A so net und a so net. I möcht di nimmer als Hochzeiterin und aa net als Dirn. I mag di net amal für a Nacht aufs Stroh. Daß d' es woaßt. – Hüa, sag i! Fahrts zua, ös Luader!« – Oho! »Ja, was is denn dees! Strohschüppel, buckelter! Nachher laßt es steh, balst net magst!«

Die Hanni rennt heim zu ihrer alten Wabn. Die ist grad zum Hauser gegangen. Und muß sich dort allerhand sagen lassen von ihr, der Hauserin. Denn so was ist doch himmelschreiend! Hat man das Weibsbild angenommen als ein Betteldirndl von der Straße weg, hat es hergezogen rechtschaffen und mit dem besten Beispiel, und jetzt hat man den Dank. »Kunnt ma s' so guat braucha!« jammert sie; »hätt ma 's so guat gmoant damit! Derweil taat sie nachn Simmerl greifa! Und taat eahm a Kind vürmacha! A so a liaderlichs Weibsbild!« Er hat gut gepfiffen, der Hauser. Aber von seinem Zusammentreffen mit der Hanni hat er wohl geschwiegen! Denn die alte Rumplwabn legt der Hanni um Mittag hundert und achtzig Mark auf den Tisch: »Da, dei Jahrlohn von der Hauserin. Dees von die andern Jahr, sagt s', hast. Und da hast dei Sach. Du hättst aa nimmer dümmer sein könna, als wia d' gwen bist.« »Es is scho recht, sag i!« erwidert die Hanni grob. Im stillen aber sagt sie selber ein ums andere Mal:

»O i Rindviech!«

Am Nachmittag, da das Ähnl seinen gewohnten Schlaf tut, hockt die Hanni in ihrer Kammer, hat die Tür verriegelt und überzählt ihr Geld. »Fünf Jahr Hausergeld ... hundert Mark von der Muatta,... zwoahundert von dem alten Tropf ... « Zufrieden betrachtet sie die Gold- und Silberstücke, die Scheine. »Hätts enk gar net schiach ausgnomma bei die Geldsäck von an Ödhof!« murmelt sie; »waarts guat zuaweg'standen zu die Hausertaler, zu die Staudnschneiderfuchsen und zu die Ödnhuaberkrandln. Aber ... was net sein konn, konn net sein. Wo der Pfenning gschlagn is, da gilt er nix. Da is's besser, er wandert aus.« Sie räumt ihren Schatz wieder sorgsam zusammen, wickelt alles in ein Taschentuch, steckt es in einen Strumpf, den sie gut zubindet, und verwahrt so ihr Gut in einem großen, alten Samtzegerer, einem Reisesack, den sie mit etlichen Wäschestücken und einem Werktagsfähnlein vollstopft wie einen Koffer. Ihre übrige Habe sperrt sie in die Truhe, auf die sie einen Zettel klebt mit der Aufschrift: Eigentum der Jungfrau Johanna Rumpl von Öd bei Schönau in Bayern. Gewissenhaft muß alles geschehen; denn wer weiß, wo der Wind einen hinreißt!

»Jetz probier i's amal z' Münka«, sagt sie; »und is 's z' Münka nix, nachha geh i auf Berlin, und wenns da aa nix is, nachher roas' i ganz furt. In's Amerika.« Sie nimmt den Spiegel von der Mauer und den Kamm aus der Zigarrenschachtel, in der auch die Seife, das Haaröl und der Schuhlöffel liegen; dann setzt sie sich ans Fenster und beginnt, sich das Haar modisch zu richten und zu stecken. Darauf zieht sie ihr blaues Festtagsgewand an, steckt die schweren, langen Seidenbänder an den Hut, daß sie ihr hinabhängen bis zu den Fersen, wickelt sich in einen dicken roten Wollschal und macht sich also fertig zur Reise. In der einen Hand den Zegerer, in der andern die Kammschachtel, in die sie noch schnell Gebetbuch und Rosenkranz wirft, so steht sie endlich an der Tür und blickt forschend herum. »Vergessen hab i nix. Mein Geldbeutel hab i, mei Schneuztüachl aa; 's Eahl schlaft, und sinst hab i nix mehr z' toan. – Alsdann. Nachher geh i.« Ganz leise schleicht sie aus dem Haus.

An der Stelle beim Wegkreuz, wo sie selbiges Mal dem Simmerl noch den letzten Pfüagood bot, bleibt sie noch einmal stehen, schaut zurück zu den drei Bauernhöfen, zieht die Lippen verächtlich herab und geht dann rasch und entschlossen ihren Weg dahin, der Bahn zu. Rüstig schreitet sie fürbaß auf der tiefverschneiten Straße. Grau und trüb hängt der Himmel über den Hügeln und Tälern des Gaues; aber die Hanni schaut fest hinein in den Nebel und ins Gewölk, indem sie denkt: Du bist mir guat trüab und grob! Bis i auf Münka kimm, werd d' Sunn scho wieder scheina! Und's Glück aa!


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