Lena Christ
Die Rumplhanni
Lena Christ

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Lena Christ

Die Rumplhanni

(Erstdruck 1916)

Es ist um den Abend des Tags, da man schreibt den fünften August eintausendneunhundertvierzehn. Die Sonn geht langsam hinter den alten Zwiebelturm der Kirche zu Öd, scheint noch eine Zeitlang auf die Bergwände da hinten, weit hinter Höhenrain und Kirchdorf, daß sie flimmern und brennen, und verschwindet dann gemach hinter den Wäldern vor Frauenreuth. Aus der Hufschmiede, die an der Straße gegen Ostermünchen steht, dringt noch beißender Rauch. Der alte Hufschmied schlägt fluchend und kreistend dem feisten Bräundl des Reiserbauern von Vogelried das letzte Eisen an den Huf; sein Gsell, der Pauli, löscht singend und pfeifend die Glut der Feuerung, und der Lehrbub räumt verdrossen die Werkzeuge auf.

»Soo!« sagt endlich der Schmied und strafft seinen Rücken zur Höh; »Herrvergeltsgood, dees hätt' ma wieder! – Jetz schaug nur, Reiser, daß er guat hintrekimmt auf Frankreich, dei Häuter!« Der Reiser verzieht das Gesicht zu einem halben Lächeln.

»Werd scho umifindn!« meint er dann und weist den Gaul gemächlich aus der Schmiede; »und jetz sag i dir halt no an scheen Dank und guat Nacht!«

»Es is scho recht!« sagt der Schmied und hängt sein Schurzfell an den Haken hinterm Tor; »guate Nacht aa!«

»I laß dein Kaschba a guats Hoamkemma wünschen, sagst!« – »I dank dir, Reiser.« – »Und an Franzl aa, balst eahm schreibst!« – »Der is scho dahi – anorts – gega Frankreich, moanet i.«

»Aha.« Der Reiser gibt seinem Bräundl einen Tatsch mit der flachen Hand und ruft: »Hüa, Alter! Zua, sag i. Mit dir geht's morgn aa dahi!« Und lenkt ihn in einem leichten Trab heimzu, indes der Schmied in die Werkstatt ruft: »Alsdann, Pauli, Bua, – Feiramd macha! – Für heunt glangts!" Worauf er zum Brunnen geht und sich wäscht.

»Feiramd! Daß 's Gott gsegn!« sagt der Pauli und reckt sich; »Kreizsakra, heunt hätt' i 'hn bald gspürt, mein Buckl! Zwoaradreißg ham mir heunt beschlagn!« – »Ah was!« brummt der Lehrbub; »dees is ja koa Arbat nimmer! Dees is ja a Schinderei!« Damit schließt er die Torflügel der Schmiede und schiebt die eiserne Sperrstange vor.

»Unsern Kaschba ham mir scho gspürt, heunt«, sagt am Brunnen der Schmied mit einem Seufzer; »der is uns scho recht abgangen! – San halt do zwee Arm weniger gwen!« Worauf er sich gegen das Wirtshaus drüben bei der Kirche wendet.

»Ja, dees is mir aa so vürkemma heunt«, murmelt der Pauli, indem er sich prustend seift und wäscht; »den ham mir freili gspürt, an Kaschba. – Ja, ja, heunt nacht geht's dahi damit; da muaß er fahrn.« Der Lehrbub zieht die Arme aus dem Hemd und pumpt sich einen Strahl Wasser über Hals und Kopf. »Der Wirtsjackl fahrt aa heunt nacht!« schreit er dazu laut und schüttelt sich das Wasser aus den Ohren; »und der Hausersimmerl aa; und der Knecht vom Wirt, und der Fritzl vom Staudnschneider aa.« – »Ja«, sagt der Pauli und wischt sich die Händ an den Hemdärmeln trocken; »i glaab, dreizehne san eahna von Öd und Voglried; i wollt, i waar der vierzehnt! Die ganz Arbat ko mi jetz bald gern habn!« Und geht gleich dem Schmied zum Wirt, dem Ödenhuber. –

Ist eine gute Einkehr, dem Ödenhuber seine Wirtschaft; ein saubers, geräumiges Haus, reinlich inwendig und auswendig, mit frischem Bier und gutem Koch, einer Metzgerei dabei und einem großen Höft mit feistem Vieh und reichen Stadeln. Dazu der Mathias Ödenhuber als Wirt; ein aufrechter Fünfziger, der gleich seinen Vorderen sich beizeiten eine riegelsame und werktätige Hausfrau genommen hat und nun seit zwanzig Jahren mit ihr, einer reichen Posthalterstochter aus dem Ebersberger Gau, die Wirtschaft samt dem Hofgut rechtschaffen hält und führt, dabei ihnen ihre beiden Kinder, der Jackl und die Leni, gutding dazu helfen. – Grad steht der Ödenhuber unter der breiten Haustür mit dem buntverglasten Oberlicht, als sich der Hufschmied in den kleinen Wirtsgarten mit den drei alten Kastanienbäumen und den zwei wurmstichigen Tischen setzt, auf denen ein grünlicher, moosiger Reif wuchert und darauf Ameisen und Fliegen geschäftig hin und her laufen.

»Grüaß di Good, Schmied!« sagt der Wirt. – »Grüaß di Good aa.« – »Kriagst a Maß?« – »A Maß bringst ma, ja.« – »Resl,.der Schmied kriagt a Maß!« Der Wirt ruft's ins Haus, und die Schenkkellnerin läuft mit dem Krug. Der Ödenhuber setzt sich zum Schmied. »Hast Feiramd gmacht?« – »Jaa. – Waar mir a so bald liaber, es wurd für ganz Feiramd!« Die Resl stellt ihm das Bier hin. »Was möchst? – An ewigen Feiramd?! – Zum Wohlsein! – Du waarst net viel gschlecki!« – »Heunt no durft Feiramd sei, sag i! – Nachher gang i glei aa no mit, mit insane Buam! – Heunt no! ... Wann i no jung waar!« Er trinkt hastig. Der Ödenhuber schmunzelt. »Du wurdst eahna koa geringe Angst net einjagn, moan i! ... Ah! Grüß di Good, Pauli!« Er macht dem Gesellen Platz. Der setzt sich. »'n Abnd. A Halbe möcht i. – Zum Abgwohna.« Die Resl lacht. »Jetz hab i schon gjammert, daß ins alle insane Buam davongengan in Kriag; derweil is do no oana dabliebn! Hams di net gfunden? Oder is's eahna um dein scheena Kopf load?« Der Pauli zieht gemächlich seine kurze Pfeif aus dem Joppensack, stopft sie und sagt bloß: »Schnabel halten! – A Halbe kriag i!« Dann zündet er sie an. Die Resl lacht: »Raucht er dir jetz?« und geht darnach.

Der Ödenhuber holt ein Zeitungsblatt aus dem Brustlatz seines weißen Schawers (Schurzes) und liest die Aufrufungen und Anzeigen. Der Schmied hockt stumm vor seinem Krug.

»Was bist jetz du für a Jahrgang, Pauli?« Der Wirt fragt's. – »Achtadachzg.« – »Deant?« – »Naa.« – »Ah so.« – »Warum fragst?« – »No, i moan halt, sunst tatn s' di wohl a so bald holn?« – »Kunnt scho sein.«

Der Schmied starrt stumpf und trüb vor sich hin. Jetzt sagt er langsam: »Vo heunt auf morgn is der Kriag alleweil net gar. Der frißt schon an etlichs paar Leut, denk i.« – »Da kannst recht habn«, erwidert der Ödenhuber. »Dessell glaab i aa«, meint der Pauli.

Die Resl bringt das Bier. »Sollst lebn, Pauli!« – »Is scho recht, Hex! Und bals mi trifft, denkst dir, nachher derf der ander lebn, gell! D' Ersatzreserve!« – »Warum? – Gehst du leicht aa?« Die Resl fragt's erschrocken. – »Ja no, kunnt scho sein ...« Er raucht, daß sein Gesicht kaum mehr zu sehen ist. – »Hast leicht aa scho an Zettl? ...« – »Naa ... no net. Aber ... i moan gar ...« – »Pauli! Du werst do net! ...«

Der Wirt horcht auf. »Aber, Pauli!« mischt er sich ein; »wia leicht kunnts di dein Kopf kosten! Um dein Kohlrabi waars wirkli schad!«

Der Schmied ist wieder ins Brüten gekommen. Jetzt murmelt er vor sich hin: »Werd scho geh. Mir muaß si halt dreinfinden. Is nur guat, daß d' es nimmer derlebn hast müassn ... Muatta ... daß alle zwee ... dahigengan. – Ja no ...« Er schrickt auf an seinem Seufzen und trinkt. Dann beschattet er die Augen mit der Hand und schaut nach der Kirchenuhr. »Geh, Ödnhuaber, siechst net, wia spat daß 's is?« fragt er.

Der Wirt fährt aus der Zeitung auf: »Wia spat, sagst?« Er zieht die Uhr. – »Drei Viertel auf simme.« – »Scho! – Er werd si do net versaama, der Kaschba!« – »Ah, naa! Der versaamt si net! Is ja der meine aa dabei. Sie san halt beim Pfüagoodn.« – »Ja, ja. Aber um halbe zehne geht der letzt' Zug vo Osterminga.« – »Den kriagn s' leicht no!« – »Jano. – Aber i hättn halt no gern daghabt, mein Kaschba. – Mir hat do no allerhand zum redn, mitanand.« – »Dessell is ja wahr ...« – »Mir möcht halt no sagn ... was oan druckt ... bevor oana a so dahingeht ... mir woaß net, wohi ... und wias außigeht damit ...«

Der Wirt nickt und legt seine Zeitung zusammen. »Ja ja. A Feldzug is halt koa Keglscheiberts.« Der Schmied schnauft tief auf. »Schaug, mein' Franzl hab i aa nimmer gsehgn. – Der is glei von der Kasem aus weiterkemma.« »I woaß 's a so.«

Die Resl hat derweil halblaut auf den Pauli eingeredet. »Warum möchst denn scho zahln? – Warum gehst denn scho? Bist harbisch auf mi?« – »Naa. – Aber an kloan Weg mach i no, verstehst!... Herrgott, mi druckts a so, daß i grad Landsturm bin...« Er trinkt hitzig aus. Die Resl starrt ihn angstvoll an. »Pauli! – ja, was hast denn? ...« Er setzt das Krügl auf den Tisch, daß es scheppert. »Woaß 's der Teixl, Dirndl ... i moan... i mach gar aa Feiramd mit der Arbat! ... I geh aa! ... I meld mi freiwilli ... i kann's net dawartn, bis daß's mi holn ...« Da springt die Resl auf. »Furt, sagst? ... Freiwilli ... Pauli! ... Ums Christi ...«

Der Schmied fährt zusammen. »Was hast gsagt? Du gehst aa? ... Ja, – was tua denn nachher i ...?« Er starrt den Gesellen an und sinkt dann wieder in sich zusammen. »Ja no, ... muaß i di halt geh lassen. Da kann ma nix macha. Bist ja gsund. Geh nur zua in Gottsnam ... geh nur ... geht's nur allsamm ...«

Der Wirt mischt sich ein: »Aber, was waar denn jetz net dees, Pauli! Werst 'hn do net alloa lassen, an Scmied! den altn Mo!«

Der Pauli ist in einem verlegenen Kampf mit sich selber. »I woaß 's scho. Aber ... in mir wurlt grad alls! Ödnhuaber, i sag dir's, wia's is, i schaam mi!« Er springt auf und reckt sich. »Bei meiner Postur! Und bei dem Gsund! Was?! Waar's da net a Schand?« Die Resl kämpft ein Weinen nieder. Der Schmied betrachtet den Burschen mit trübem Aug. Da tritt der Pauli zu ihm: »I ko net anderscht, Moasta ... i muaß dir Pfüagood sagn. Lohn hab i a so grad nur vier Mark fuchzge z' kriagn, mei Kuferl is glei packt, bis die andern gengan, bin i aa firti!« Er wendet sich zur Resl: »Dirndl! Alsdann ... zahln, sag i! Da! ... Und sei net harb auf mi ... i kimm scho wieder! ...« – »Is 's wirkli dei Ernst?« fragt der Wirt verstört. Die Resl geht aufschluchzend ins Haus. – »Ödnhuaber ... es geht um d' Hoamat! – I muaß mit!« Der Pauli klopft hastig seine Pfeife aus und schiebt sie ein.


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