Lena Christ
Die Rumplhanni
Lena Christ

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Da ruft der Schmiedkaspar unter dem Spott und Gelächter der Umstehenden: »Auweh! Jetz is er ausgschmiert, der Reiser! Jetz is's nix mehr mit der stolzen Pariserin, wo er gmoant hat...«

»Teats mi nur recht schlecht macha allsamm!« sagt der Franzl und schaut die Christl lachend an. Aber die droht ihm ganz ernsthaft mit dem Finger. »Du! I moan alleweil... gar so unrecht werd'n s'net habn! Moanst, i woaß's nimmer, wiast beim Sindlhauser seiner Hochzat grad mit der Rumplhanni alloa tanzt hast! Und an Wein hast ihr zahlt und hoamgweist hast es aa! ...« Der Franzl kommt ins Schwitzen. Und er plärrt der Christl ins Gesicht: »Lüag net a so! Hoamgweist wer i s' habn! Nix wahr is's! Balst es net glaabst, nachher fragst d' Hanni selber!« – »Die werd mirs akkrat glei sagn! ...« – »Ja no, i habs amal net hoamgweist!« Die Christl muß ihm glauben. – Und die Wabn bringt was Neues. Ein wächsernes Wickelkind. Sie reicht es dem Müllermartl. »Martl«, sagt sie zu ihm; »jetz hab i epps für di. – A Glückskindl. – I denk, du wirst es scho braucha kinna ... für di selber ... und aa für dees ander, ... du verstehst mi scho ...« Der Martl schaut unsicher auf das Wächslein, auf die Wabn, auf die Susann vom Schneider, die neben ihm steht. Und die Susann wird brennrot übers ganze Gesicht, – und ihre Augen werden langsam groß, trüb und voll Wasser. Verstohlen schleicht sie in die Kuchel hinaus, indes der Martl stockend sagt: »Net daß ich wüßt, Wabn! – I versteh di net ganz ...« Aber die Rumplin sagt ernst und nachdrücklich: »Werd scho eppa sein, der dir's auslegt, Martl. – D'Hauptsach is, daß d' wieder heil und gsund hoam kimmst; und daß d' aa draußt a bißl auf d' Hoamat denkst ... durch dees Wachsl ...« Der Martl riegelt verlegen den Hut und schiebt das Kindl in den Sack.

Die Umstehenden sind verstummt. Die Seilerchristl aber schüttelt sich. »Brr! – Aber Wabn! Dees hört si ja schier o wia a Wahrsagung! Da laaft oan ja a Gänshaut über!« Worauf die Alte meint: »Ja no, – mir hat halt so seine gwissen Sachen. Aber paßts auf, jetz muaß i an Sepp was gebn!« Sie zieht ein langes doppeltes Band aus dem Sack, an dessen Enden zwei kleine Stoffpäcklein hängen, aus weißen, braunen, blauen und schwarzen Wollflecklein zusammengesetzt, mit Kreuzlein aus rotem Flanell daraufgenäht. »Alsdann, Sepp!« sagt sie; »da hast a alts gweichts Schkapulier vo insan heilinga Vater Franziskus. I denk, dees is der beste Kugelschutz. Geh her, nachher häng i dirs o ...« Sie stellt sich auf die Zehen; und der Sepp, der endslange Loder, beugt sich zu ihr nieder, zieht den Hut ab und neigt den Kopf, daß sie ihm das Band um den Hals legen kann. Mit andächtiger Feierlichkeit hängt sie ihm das Skapulier um. Und sagt: »Alle neunhundertneunundneunzig Heerscharen sollen dir abtreiben alle Kugel – Scheiben und Spiaß, – Schuß – Stoß – oder Schlag, – so gwiß wie der Engel mit seinem feurigen Schwert vor dem paradeisischen Garten steht, in alle Ewigkeit. Amen.« Keiner lacht. Jeder zieht den Hut. Die Weiberten sagen mit eintönig und wehleidig singender Stimme nach: »In alle Ewigkeit. Amen.«

Und die Schustermirl sagt bittend: »Wabn, du hast so guate Segn; du bist alt und hast epps derlebt; geh, gib mein Kaschbern aa was! Du woaßt es ja ... heunt vierzehn Tag hätt' ma d' Hochzat ghabt! ...« Sie kann nicht weiterreden. Der Schmiedkaspar tröstet: »Sei gscheit, Mirl! Es geht halt jetz net anders. Na heirat' ma halt aufs Jahr ... bal i wiederkimm! ...« Der Hufschmied wirft den Deckel des Maßkrugs zu, daß es scheppert. »Ah mei ... I mag net redn ...«, würgt er heraus. Der Ödenhuber sitzt stumpf hinterm Ofen auf der Bank, hört nicht und sieht nicht.

Die Resl bringt der Rumplwabn in einem bläulich-schimmernden Glas den Zwetschgenschnaps. Und die Wabn ergreift das Glas. »Alsdann, Buam, jetz muaß i enk no an guatn Trunkspruch sagn, – daß's allsamm wieder gsund hoamkemmts: Tobias ging wandern... von oan Ort zum andern,... begegnet eahm der Teife... mit seinem krumpen Schweife; ... sollst nit mehr weiter ziagn, ... i will di jetzund kriagn! ... Kimmt der Engel Raffael, ... jagt den Teifel zruck in d'Höll; ... fahrts zua in Gottes Namen ... und des heiling Geistes. Amen.« Sie macht mit dem Glas das Zeichen des Kreuzes über alle. Danach blickt sie im Kreis herum. »So, Buam, jetz habts mein Segn. – Stößts o mit mir und teats mir Bschoad!« Da drängen sich alle mit ihren Krügen um sie, und ein jeder stößt an.

Und der Hufschmied strafft sich zur Höh und ruft dazwischen: »Guat hast es gmacht, Wabn! – Aber ... jetz kimmt mei Spruch!« Er erhebt den Krug. »Auf daß a jeder sei Schneid und sein Hamur ghaltn tuat, und auf daß a jeder a so zuahaut, daß die ganz Band samt und sunders auf der Stell der Teife holt! – Insa Hoamat und insane Leut solln lebn! Hoch! Hoch! Und zum dritten Male: Hoch!« Und jeder greift wieder nach dem Krug und erhebt ihn, jeder schreit, so laut er kann, sein Hoch. So rinnt der letzte Trunk hinab; ein Jauchzen hebt an, die Ziehharmonika beginnt einen Landler, der Franzl reißt die Christl an sich, dreht sie im Wirbel herum und stampft und plattelt, daß es die andern gleichfalls mit Gewalt erfaßt; und auf ja und nein wird ein Tanzen und Schnackeln daraus, daß man wähnt, es wär am Kirchweihmontag.

Auch die Schneidersusann, die still vor sich hinweinend bei der Wirtsleni draußen in der Kuchel saß, wird wieder munter; sie steht auf, schaut erst eine Weile zu und macht sich danach an den Martl, der nachdenklich beim alten Schmied und der Rumplwabn hockt. »Martl! Magst net aa oan tanzn?« Den Martl aber gelüstet's nicht. Er steht vielmehr auf, faßt die Susann bei der Hand und zieht sie mit sich aus der Gaststube und aus dem Haus. »I bin net aufglegt zu dem Gschnack«, sagt er; »i geh liaber mit dir no a Stuck Wegs alloa.«

Unterdessen hat sich der Hufschmiedpauli zur Reise gerichtet, seiner Mutter, der alten Totenpackerin von Helfendorf, einen kurzen Abschiedsbrief geschrieben und tritt jetzt pfeifend aus der Tür, die der Lehrbub schlaftrunken hinter ihm abschließt. Schon will er die Aßlinger Straße hinabgehen, da hört er den Lärm und das Jauchzen. »Die san ja no da!« sagt er zu sich selber; und er wendet sich rasch dem Wirtshaus zu.

Da sieht er bei einem der Fenster ein Weibsbild stehen. Er pfeift ihr. Sie fährt zusammen und wendet den Kopf. »Was willst?« Der Pauli tritt zu ihr. »Was willst denn du?« – »Werd di nixn ogeh!« Sie will weglaufen. »Ah! Dees is ja d' Rumplhanni! Was rennst denn davon?« – »Jess', der Pauli!« Die Hanni starrt ihn verwundert an. »Daß du aa mitn Kuferl daherkimmst?« – »Weil i aa mitgeh.« – »Ja, wia dees?« – »Freiwilli ...« – »Ja was! Freili!« Ein tiefes Bedauern liegt in ihrer Stimme. Und ein großes Mitleiden, da sie fragt: »Mei, was werd denn da dei Resl sagn?« Der Pauli lacht. »Was werd s' sagn? – Nix! – Um an andern muaß s' eahm halt schaugn!« – »Du bist aber grob!« Sie betrachtet ihn lächelnd. »Wann i d' Resl waar, – i liaß di net furt!« – »Wurdst mi kaam aufhalten kinna!« Die Hanni schaut ihn an; in ihren Augen lodert's. »Wett' ma, i kunnt! – I scho!«

Dem Pauli steigt jäh eine Hitze ins Gesicht. Es klingt unsicher, da er sagt: »Naa. – Net. – Koane.« Sie lacht. Er fährt sich über die Augen. »Daß d' so alloa da heraußden stehst, Hanni?« – »Weil i drin nix verlorn hab.« – »Geh halt a bißl mit eina!« – »Dees kannst dir denka! – I – zum Ödnhuaba!« – »Warum denn net! – Geh nur mit!« Er faßt sie am Arm. »Du bist do a ledigs Leut! – Du kannst do hingeh, wo d'magst!« Die Hanni sträubt sich. »Naa, sag i! I mag net! I hätts gar net in Sinn ghabt. I hab grad a bißl gschaugt, wer daß drin is. Moanst, i laß mi oschaugn!« – »Geh, sei net fad, Hanni!« Er zieht sie gegen den Hausgang. »Balst mit mir einegehst, sagt koa Mensch nixn!« »Grad d' Resl. – Z'letzt moants gar ... i tat dir was wolln ...« Sie sieht ihn wieder an, lacht leise und zeigt ihre Zähne. »Und sie tat dir nachher zwegn meiner d' Liab aufkündn ...« – »Bal i dafür a anderne kriagat ... ?« Der Pauli preßt ihren Arm, daß sie jammert: »Au! Du tuast mir ja weh!« Jemand tritt unter die Haustür. Die Hanni sucht ihren Arm freizumachen. Aber es gelingt ihr nicht. »Geh! Du tuast mir weh, sag i!« – »Gehst mit eine?« – »Laß mi aus, sag i dir!« – »Obst mit eine gehst, frag i!« – »Naa, i mag net!« – »Hanni! Geh, tua mir halt die Liab!« – »Du tuast mir aa koane!« – »Alls tua i! Was d'willst!« Von der Haustür her dringt ein Laut. Jemand geht hinein. Die Resl ... Die Hanni fährt zusammen. »Hast nix ghört grad?« Der Pauli stellt den Koffer nieder. »Was soll i ghört habn? Also gehst net mit? Nachher geh i aa nimmer eine. Nachher muaßt aber no auf d' Bahn a Stuck mitgeh!« Er hält sie mit beiden Händen. Sie schüttelt den Kopf. »I kann net. I muaß hoam. I sollt scho lang dahoam sein! Geh, laß mi hoamgeh!« Aber der Pauli ist unerbittlich. »Entweder du gehst no mit eine oder mit auf d' Bahn!«

Drinnen tobt das Tanzen, tönt das Spiel. »Hanni, ... balst liaber mit auf Bahn gehst ... ganz alloa ...« Er sagts mit unterdrückter Stimm. Aber die Hanni lacht und sagt: »Wia die narret san! Dees packt öan glei selber o! – Alsdann, balst magst, nachher geh i no mit eine. Aber du muaßt amal mit mir tanzen!« – Und sie bückt sich um den Koffer, reicht ihn lustig lachend dem Pauli und drängt: »Also, mach! Sinst is er aus, bis mir kemman!« Da reißt er sie an sich, sie windet sich los, läuft an die Tür, und er führt sie hinein, wirft juchzend sein Kofferl auf einen Tisch und zieht sie in den Knäuel der Tanzenden. In der Schenke aber steht die Resl, weiß wie der Kalk an den Wänden, starrt die beiden an und lehnt sich todmüd an den Glaskasten.

Die Hanni tanzt und lacht und schmiegt sich fest an den Pauli, der sie wild herumwirbelt und dazu murmelt: »Herrgott ... Madl ... i kunnt di grad umanandreißen... , daß d' Welt z'grund geht! ... Hanni! ... magst mi?...« Aber die Hanni lacht und sagt gar nichts.

Da ist der Tanz zu End, und einer schreit: »Auf gehts! – Geh müaß ma!« Worauf die Burschen nach den Koffern und Päcklein greifen, die Maidln ihre Blumenbüschel und Kränze zusammenraffen, der mit der Ziehharmonika sich an die Tür stellt und also alles sich zum Gehen schickt.

Da erblickt die Hanni ihre Großmutter, die Rumplwabn. Was ihr recht ungelegen ist; schon wegen der Feindschaft zwischen dem Hauser und dem Wirt, – wegen des Anschauens auch, daß sie um die Zeit noch außerhalb ihrer Kammer ist, und – vor allem wegen des Pauli und der Resl. Sie schaut spähend nach der Schenke. Da steht die Resl immer noch wie eine, der sie das Blut aus den Adern gezogen haben, und starrt herüber zum Pauli. Der aber hat nur Augen für sie selber; er hält sie fest bei der Hand und will mit ihr gehen.

Doch da sehen ihn die andern. Mit ihr, der Rumplhanni. Und plärren schon: »Jess', der Pauli! Aus is's! Der geht aa mit! – Ja, Pauli! Alter Bazi!«

Und die Weibertn stecken die Köpf zusammen und wispern: »Ja heilig der Pauli! – Mit der Rumplhanni!« – »Die hat's ja do mitn Hausersimmerl ghalten?!« Die Susann sagts. – »I hab gmoant, mitn Reiserfranzl?« Die Christl wird brennrot und wirft einen wütenden Blick auf die Hanni und auf die Schustermirl, die es gesagt hat. »Ah! Die hats ja mit an jedn!« flüstert die Staudenschneiderlies verächtlich. »Aber er – der Pauli! Der hat do mit der Resl epps ghabt!« Alle schauen nach der Resl. Doch die ist eben durch die Schenktür hinaus. »Naa! dees glaab i net!« meint die Susann; »sie is ja grad a Kellnerin! – Verkohlt werd er s' halt habn!« Worauf die Christl geringschätzend sagt: »Und die ander is a Stallmensch! Und a schlechts Weibsbild!«


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