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Zusammengeführt

Das war eine arge Karwoche gewesen für den Leitebner von St. Martin! Am Palmsonntag hatten sie sein Moidele, sein ein und alles auf Erden, im Auto weggeführt, hinein in die Stadt zur Operation. Nicht ins städtische Spital natürlich, das manches zu wünschen übrig ließ, sondern in eine Privatklinik, wo alles aufs beste eingerichtet war: der Leitebner konnte sich das schon leisten. Oder vielmehr das Moidele selber, denn von des Kindes Mutter her stammte ja das ganze Geld. Aber die Klinik allein macht's nicht, und der Arzt, der sie leitete, hatte ein bedenkliches Gesicht gemacht und hatte gemeint, er könne für nichts gutstehen. Und nun, da die Operation vorbei und, wie man so sagt, gut gelungen war, konnte der Arzt erst recht für nichts gutstehen, denn die Kleine war sterbensschwach. Tag für Tag war der geängstigte Vater von seinem entlegenen Dorfe in die Stadt gekommen, um sein Kind zu sehen, und Tag für Tag hatte man ihn grausam abgewiesen. Denn, hieß es, solange noch ein Fünkchen Hoffnung sei, müsse der kleinen Patientin jede Aufregung erspart werden.

Von der Klinik weg, die außerhalb der Stadt in schöner, freier Lage stand, ging der Leitebner regelmäßig in die Stadtpfarrkirche. Dort wurde auf einem Seitenaltar ein gar liebes Herz-Jesu-Bild verehrt, und vor dem schüttete er sein Herz aus. Viele schöne, fein durchdachte Worte brachte der arme Mann freilich nicht zustande, denn er war ein einfacher Bauer; er stöhnte nur immer: »Herrgott, wenn du mir weiter auch das noch antust!«

Mehr sagte er nicht, sagte auch nicht, was er anfangen würde, wenn ihm der Herrgott wirklich das antäte. Aber das schlicht abgerissene Gebet klang doch so, als habe der Leitebner in seinem Leben des Leides bereits viel erfahren.

Und doch gehörte er zu den Menschen, von denen Nachbarn und Bekannte sagen: »Der hat's wohl gut getroffen!«

Franz Kofler, das war des Leitebners richtiger Name, war ein blutarmer Bauernbursche aus dem rauhen Bergdörflein Sankt Felix gewesen; aber kräftig, brav, arbeitsam, und vor allem bildschön. Das war sein Glück geworden. Oder vielleicht eher sein Unglück! Er ging ins Tal, um zu verdienen und wurde Knecht am Leitebnerhofe zu Sankt Martin. Die Bäuerin, eine reiche, kinderlose Witwe, verliebte sich sterblich in den schmucken Knecht und wollte ihn durchaus zu ihrem Bauern machen. Er sträubte sich, er ging ihr aus dem Wege: hatte er ja doch schon sein Lieb am Berge droben, die Pichler Trina, ein Goldmädel, blitzsauber und brav, und lieber mochte er mit der Trina Schwarzplentenes essen als mit der Leitebnerbäuerin Schweinernes. Aber da legte sich Franz Koflers Mutter ins Mittel. Ach, Mütter sind ja auch nicht immer selbstlos! Sie hatte die Trina, die keinen Knopf ihr eigen nannte, nie gern gesehen, und nun, da sie erfuhr, welches Glück ihr Sohn ausschlagen wolle, kam sie schier außer sich. Nach einem harten Arbeitsleben schien ihr jetzt ein schönes, sorgenfreies Alter zu winken, und sie drohte dem Sohne klipp und klar: »Wenn du die Trina nimmst, meinen Segen kriegst nit!«

Als Trina das hörte, gab sie ihrem Franz sein Wort zurück und floh aus der Heimat. Und bald hörte man, sie sei zu den Barmherzigen gegangen, denn mit der Krankenpflege hatte sie immer Freude gehabt. Franz aber tat der Mutter Wunsch und Willen und heiratete die Leitebnerin, heiratete ihren schönen Hof, ihren prächtigen Stall, ihre fetten Äcker und Wiesen, aber ach! auch ihr böses, hartes Herz. Die sinnliche Leidenschaft des Weibes für den schönen Bergerburschen war gar bald verflogen; sie verachtete den Mann, der nichts sein eigen nannte, als ein treues Herz und zwei kräftige Arme, sie sah in ihm nur mehr einen Knecht. Einen Knecht, der keinen Lohn zu fordern hatte und seinen Dienst nicht künden konnte. Und Franz Kofler war ein warmherziger, feinfühliger Mensch: rohe Auftritte machten ihn wehrlos. Aber auch die Selbstsucht seiner Mutter räche sich schwer. Der Sohn konnte sie jetzt nicht mehr unterstützen wie vordem, da er jeden ersparten Kreuzer ihr geschickt hatte, und die stolze Schwiegertochter duldete es nur ungern, daß sie je ihren Fuß auf ihre Schwelle setze. Zuletzt starb die alte Koflerin in Not und Elend und bereute es zu spät, daß sie das Lebensglück ihres Sohnes durchkreuzt hatte.

Nur einen Trost hatte Franz Kofler: das ungeliebte Weib hatte ihm ein Kind geschenkt. Ein einziges, aber ein so liebes! Und es war, als habe das Moidele von klein auf das Gefühl, daß es den Vater trösten, daß es ihm einen Ersatz bieten müsse. Und später, als das Moidele größer und Moideles Mutter immer schlimmer wurde und zuletzt sich auch noch dem Trunke ergab, und sich's nicht wehren ließ, weil ja der Keller, wie alles übrige, ihr, ihr allein gehörte, da litt das Kind mit dem Vater und weinte über die Mutter und stand wie ein lichter Engel zwischen den beiden.

Vor einem Jahre ungefähr war die Leitebnerin an rascher Krankheit gestorben. Und ohne sich's zu gestehen, fühlten sich Vater und Kind erlöst. Er ging froh seiner Arbeit nach und freute sich auf's Nachhausekommen, wenn ihm sein Kind entgegenlächelte; oft auch ging Moidele zu ihm hinaus aufs Feld, griff nach ihren Kräften munter an oder setzte sich nicht weit von ihm und strickte oder las in ihren Schulbüchern. Ein schönes, friedliches Zusammenleben war es jetzt, aber es währte nicht lange. Eines Tages stellten sich bei dem kleinen Mädchen heftige Schmerzen ein, und als sich der Dorfarzt endlich klar geworden war, was das bedeute, da stand die Sache schon gar schlimm ...

Und darum kniete der Leitebner jetzt Tag für Tag vor dem Herz-Jesu-Bilde in der großen, schönen Stadtpfarrkirche und stöhnte: »Herrgott, wenn du mir weiter auch das noch antust ...!«

Aber der Herrgott weiß genau, was ein armes Menschenkind ertragen kann. Als der Leitebner die Kirche verließ, trat ein Mann auf ihn zu, in dem er sofort den Hausdiener der Klinik erkannte; der sagte ihm, mit dem Kinde sei es heute auf einmal so viel besser geworden, daß der Herr Doktor ihn ausgeschickt habe, nach dem Vater zu suchen, damit er die Kleine vor seiner Heimfahrt noch begrüßen könne.

Dem Leitebner wirbelte es im Kopfe vor Freude. Ihm war, als sei er mit einem Schlage ein anderer Mensch geworden. Jetzt erst wurde er sich bewußt, daß heute Karsamstag sei und daß man am Morgen das Alleluja gesungen habe. Und während er zur Stadt hinauswanderte, oh wie schön schien ihm da die Welt! In den Auslagen prangten zwischen den Osterschinken purpurne Zinerarien und lachende Piruszweige, vor der Stadt aber blinkte ihm der Blütenschnee der Hecken entgegen und am Berghange begann es zu grünen, weiter droben nur ganz leise, weiter herunten aber schon saftig und froh, während von allen Bäumen herab die Vögel ihre Osterlieder schmetterten.

Am Eingangstore der Klinik kam ihm von ungefähr der leitende Arzt entgegen. Er beglückwünschte ihn recht herzlich zur unerwarteten Besserung seines Töchterleins, doch dürfe man nicht meinen, es sei jetzt schon alles gewonnen. Zwei Wochen wenigstens müsse das Kind noch in der Klinik bleiben und wenn der Vater es wieder zu sich nehmen wolle, müsse er für längere Zeit eine tüchtige Wärterin nehmen.

Der Leitebner nickte und meinte, das werde sich schon machen lassen. Doch als er dem Arzte die Hand gedrückt hatte und allein die breite Treppe des Hauses hinanstieg, wurde er nachdenklich. Er ließ alle seine Mitbürgerinnen, die sich mit Samariterdiensten abgaben, an seinem Geiste vorbeiziehen und fand nicht eine, der er sein Moidele hätte anvertrauen mögen. Da war die alte Barb, eine gute Haut, aber halb kindisch und so unreinlich, daß man sich, wenn sie ins Zimmer trat, am liebsten die Nase zugehalten hätte. Dann die fuchsete Thres mit ihrer blaurot leuchtenden Schnapsnase und den großen gelben Zähnen. Dann die krumme Nannl, die weit mehr auf den eigenen Magen bedacht war als auf das Wohl ihrer Pfleglinge und der kein Wein kräftig und kein Braten saftig genug war. Am besten war noch die Schreier Zenz; die verstand etwas vom Krankenwarten, nur gar zu laut und zänkisch war sie. Ach, und das arme Moidele hatte in ihrem Leben schon Zank und Unfrieden genug gesehen.

Nun endlich stand Franz Kofler vor der Türe, die ihm so lange verschlossen gewesen war! Er blickte hinauf, um ja sicher zu sein, daß es die rechte Tür sei. Ja, ja, er täuschte sich nicht: Nr. 7! Und er klopfte.

Ganz scheu, fast ehrfürchtig, als berge sich hinter dieser Türe sein Lebensglück. Und das war ja auch so in der Tat!

Von drinnen klang das freundliche Herein einer Frauenstimme. Und er drückte auf die Klinke.

Es war ein hübsches, luftiges Zimmerchen, das man seinem Kind angewiesen hatte. Der Türe gegenüber war ein hohes Fenster, an dem einige Primelstöcke blühten. Die Abendsonne strahlte voll herein, eine rechte Aprilsonne, eine rechte Ostersonne, so froh, so blendend hell, daß Kofler im ersten Augenblick nur die Blumenstöcke sah, die von dem Sonnenglanze umschmeichelt waren.

Und auch als seine Augen sich an das Licht gewöhnt hatten, war es nicht gleich sein Kind, das er sah, sondern eine kräftige, wohlgebaute Frauengestalt, die sich über das Bett neigte. Der Leitebner, der ja auch im Krieg gewesen war, hatte keine sonderlich angenehme Erinnerung von den weltlichen Pflegerinnen nach Hause gebracht, in dieser Gestalt aber, die sich wie ein ausdrucksvoller Schattenriß vom hellen Fenster abhob, lag viel mütterliche Anmut, daß das Auge des Mannes gebannt wurde.

Nun trat die Pflegerin zur Seite, und der Leitebner blickte in das mondscheinblasse Gesichtlein seines Kindes.

»Moidele!«

»Vaterle!«

Endlich waren sie wieder Aug' in Auge, Vater und Kind. Die Pflegerin hatte sich bescheiden ans Fenster zurückgezogen und tat, als müsse sie sich dort an den Blumenstöcken zu schaffen machen, während Moidele mit dünnem Stimmchen dem Vater von all den Schmerzen der letzten Tage erzählte. Vom Schneiden, auf das sie sich so gesorgt hatte, hatte sie nichts gespürt, aber nachher ...! Oh, die Übligkeiten und Beklemmungen und die brennenden Schmerzen, die ihr den Schlaf von den Augen scheuchten, und das Ärgste von allem, der Durst! Kein Tröpflein Wasser habe man ihr vergönnt; auch die Schwester habe ihr keines geben wollen. Aber böse sei sie der Schwester darob doch nicht gewesen, o nein, ohne sie hätte sie all das Furchtbare nicht ausgehalten.

Und die tiefliegenden, übergroßen Augen schweiften hinüber zum Fenster.

Und nun dämpfte sie ihre Stimme zum Flüstertone und bat: »Vaterle, gelt, wenn du mich nach Hause nimmst, gelt, die Schwester nehmen wir mit. Eine Pflegerin muß ich haben, hat der Doktor gesagt, und ich möcht' keine andere.«

Dem Leitebner ging das ein. Ja freilich, eine aus der Klinik, das war das Beste: das wär etwas anderes als die Barb und die Thres, als die Nandl und die Zenz!

Er trat zu ihr ans Fenster. Und fast unwillkürlich wandte sie sich jetzt nach ihm.

Und als er ihr nun voll ins Gesicht sah, ach ja, da hatte er sie erkannt auf den ersten Blick!

Schmaler und feiner war sie geworden, und die Blüte der Jugend war dahin. Nicht aber das, was das Schönste am Weibe ist, was vom Innersten herauskommt und sich in Aug und Mienen spiegelt: die Anmut des Herzens.

»Schwester ...!« stammelte er und stockte gleich wieder. Aber etwas mußte er doch sagen, durfte nicht so vor ihr stehen wie ein verschüchterter Schulbube. »Schwester ...« Und nun wußte er wirklich nicht mehr weiter, wußte nicht, was er denn habe sagen wollen.

Sie war rot geworden wie ein junges Mädchen, aber sie hatte doch ihre Geistesgegenwart behauptet. Kein Wunder: sie war ja nicht überrascht, ihn zu sehen. Und nun half sie ihm aus der Verlegenheit und griff freundlich sein letztes Wort auf. »Sie haben gemeint, ich sei Barmherzige geworden? Ja, ich hab schon wollen, aber es hat nicht getan.«

Um ihre feingeschnittenen Lippen spielte ein wehmütiges Lächeln. Ach, ein wundes Herz taugt nicht ins Kloster!

Was der Leitebner gemeint hatte und was er dann nicht mehr vorbrachte, das war der Wunsch, sie als Pflegerin für sein Moidele anzuwerben. Aber nun, da er sie erkannt hatte, dachte er nicht mehr daran. Ach nein, das wäre zu schön! Und sie würde gar nicht kommen wollen, gewiß nicht! »Schwester, ich dank' Ihnen für alles!« murmelte er. »Sie haben mir das Kind herausgestellt.«

Tiefer wurde das Rot auf ihrer Stirne. »Ich hab' mein möglichstes getan«, versicherte sie mit einem innigen Klange in der Stimme. Dann aber fügte sie plötzlich in trocken abweisendem Tone hinzu: »Das tu ich für jeden Kranken, das ist meine Pflicht.«

Und im gleichen Tone fügte sie noch bei: Nehmen Sie mir's nicht übel, Herr Kofler, aber ich glaube, Sie sollten heute noch nicht zu lange bleiben. Das Kind könnte doch zu müde werden.«

Der Leitebner war betroffen. Sie wollte ihn weghaben, das fühlte er deutlich. »B'hüt Gott, Moidele!« sagte er traurig und wandte sich nach der kleinen Kranken.

Aber da streckten sich zwei wachsbleiche, schmale Händchen aus, ihn zurückzuhalten. Und er ließ sich halten und stand wieder neben seines Kindes Bette.

Die Pflegerin trat auf die andere Seite des Bettes und wollte ihrer Patientin den Abschied erleichtern. »Morgen ist auch ein Tag, Moidele, morgen kommt der Vater schon wieder.« Zugleich rückte sie die Kissen zurück und strich liebkosend durch die dunkelblonden Haare des Mädchens.

Da faßte Moidele mit der einen Hand die Hand des Vaters, mit der anderen die Hand der Schwester, und ihre Augen wanderten von einem zum andern. »Ihr seid mir die zwei Liebsten auf Erden«, schienen diese beredten Augen zu sagen. Und schmeichelnd wiederholte sie: »Gelt, Vaterle, die Schwester Katharina nehmen wir mit nach Haus?«

Schwester Katharina widersprach. »Das geht ja nicht, Kind, ich bin ja hier in der Klinik angestellt. Aber ich will schon sehen, daß du eine andere Pflegerin bekommst, eine recht brave, liebe.«

»Ich mag aber keine andere als Sie«, schmollte die Kleine. Und dann schlang sie die Arme um die Schwester und flüsterte tränenvoll: »Sie sind mein liebs Mutterle!«

Tiefe, verhaltene Sehnsucht sprach aus dem zärtlichen Worte. Sehnsucht nach dem, was das arme Kind bei der eigenen Mutter nie gefunden hatte, was im erst in diesem Hause der Schmerzen zuteil geworden war.

Da konnte Schwester Katharina nicht wiederstehen, sie neigte sich über die Kleine und küßte sie zärtlich.

Dem Leitebner aber war mit einem Male alle Scheu verflogen. Über sein Moidele hinweg langte er nach Katharinas Hand und umklammerte sie und hielt sie fest wie etwas, das ihm rechtens gehörte.

»Trina!« rief er.

»Franz!« gab sie leise zurück.

Und ohne weiteres Wort wußten die beiden, woran sie miteinander waren.

Als der Arzt erfuhr, was sich auf Nr. 7 abgespielt hatte, machte er gute Miene zum bösen Spiele. Es tat ihm sehr leid, eine so tüchtige Pflegerin zu verlieren, aber er gönnte doch den beiden trefflichen Menschen ihr spätes Glück. Um Schwester Katharina nicht eher ziehen zu lassen, als bis er einen Ersatz gefunden hätte, behielt er das Leitebner Moidele noch etwas länger als notwendig im Hause. Und als die kleine Rekonvaleszentin dieses Haus endlich verließ, da war zwischen ihrem Vater und Katharina der Bund fürs Leben schon geschlossen, da durfte sie der treuen Pflegerin mit Fug und Recht den süßen Mutternamen geben.

Mit Katharina zog Liebe und Frohsinn ins Leitebneranwesen ein und Fleiß und Ordnung und alles, was ein Haus zur Heimat macht, und Moidele schien unter ihrer mütterlichen Hand aufzuleben. Aber das schien eben nur so. Das zarte Körperlein war zu schwer erschüttert und eine volle Genesung konnte alle Erfahrung und alle Sorge der Mutter nicht schaffen. Bald ließ die geknickte Knospe wieder das Köpflein hängen, und als der Spätsommer glutheiß über die schönen Gefilde von Sankt Martin hinzog, hauchte das Leitebner Moidele sein schneeweißes Seelchen aus.

Aber es starb gerne, weil es wußte, daß es den Vater nicht allein zurücklasse. Und es versprach, im Himmel droben zu beten, daß der liebe Gott den Eltern ein anderes Moidele schenke, oder besser noch ein Büblein.

Mit großer Feierlichkeit und unter dem Geläute aller Glocken, wie es einer reichen Bauerntochter geziemt, wurde das Leitebner Moidele zu Grabe getragen. Die Schulkinder beteten und sangen, die Musik spielte Trauerweisen und von fernher kamen die Leute, um das schöne Begräbnis zu sehen. Hinter dem Sarg aber schritt ein trauerndes Paar, und wer die schöne Frau sah, die so bitterlich weinte, der hätte wohl glauben müssen, es sei die rechte Mutter, die ihrem Kinde das letzte Geleite gebe.

Als die Andächtigen sich schon zum größten Teile zerstreut hatten, stand der Leitebner mit seiner Trina noch immer am blumenbestreuten Grabhügel.

»Daß ich das Kind nicht hab' am Leben erhalten können!« schluchzte Katharina.

Er drückte ihr stumm die Hand und blickte, leise weinend, auf das Grab. Aber es war ihm doch nicht mehr so ums Herz wie damals, als er vor dem Herz-Jesu-Bilde gestöhnt hatte: »Herrgott, wenn du mir auch das noch antust ...!« Das engelgleiche Kind hatte seine Aufgabe erfüllt: es hatte ihn mit der zusammengeführt, die Gott ihm bestimmt hatte.


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