Laurids Bruun
Van Zantens Insel der Verheißung
Laurids Bruun

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Neunundzwanzigstes Kapitel

Zu Hause

Von Daniel und seinen Freunden ist nun noch zu berichten, daß sie, dank Pieter Goys Erbe, schließlich auf dem Zwischendeck eines Bremer Dampfers Antwerpen erreichten, von wo sie wohlbehalten nach Amsterdam kamen.

Daniel suchte den Reeder auf und erzählte ihm von ihren merkwürdigen Erlebnissen. Als er ging, ließ er eine Sammlung Gedichte liegen, die er in den langen, traurigen Tagen, als die Frühlingsgefühle ihn überkamen und die Stimmung immer trüber wurde, geschrieben hatte. Er hatte sie seinen Kameraden gegenüber garnicht erwähnt; denn er schämte sich ihrer eigentlich etwas.

Sie hießen »Zu Hause« und handelten von Hyazinthen und Tulpen, von Kanälen und von dem Duft der Lindenblüten.

Als der Reeder sie gelesen hatte, wurden ihm die Augen feucht. Er war recht alt geworden in der letzten Zeit, hatte häufig an den Tod gedacht; und Daniel war ja sein einziger männlicher Anverwandter, der seinen Namen weiterführen konnte.

Er rief Daniel zurück und ließ seine Gedichte auf holländischem Büttenpapier drucken, mit Vignetten von dem Maler Hendrik Koort.

Und da der Reeder dafür sorgte, daß die intime Geschichte des Bandes in den richtigen Kreisen bekannt wurde, so gab es einen großen Erfolg und Daniel wurde mit einem Schlage berühmt.

Hendrik Koort warb um das große Tier mit seinem »gelobten Land«, das er in den Tagen des Heimwehs gemalt hatte – das Bild, das von Hyazinthen duftete und auf dem man die Stare flöten hören konnte. Es wurde bei einem Kunsthändler in der Kalverstraat ausgestellt. Selbst alte, verhärtete Börsenmakler und Kaffeespekulanten wurden bei seinem Duft und Gezwitscher patriotisch gestimmt. Und Hendrik bekam viele Bestellungen.

Jakob Beer aber, der seine verlorene Sinfonie nie ganz verwinden konnte, dem erging es am sonderbarsten von allen.

Er kehrte zu seiner alten Blindenkirche zurück und wurde von der Direktion zu Gnaden angenommen.

Als er eines Tages an der Orgel saß, da begannen seine Finger ganz von selbst die Hymne von dem alten Land zu greifen, die Pieter ihn spielen gehört hatte, als er krank in seiner Hütte lag.

Da aber wollte es der Zufall, daß die Königin-Witwe, die die Protektorin der Blindenkirche war, unerwartet zu Besuch kam, um das neue Altarbild zu besichtigen, das sie selbst geschenkt hatte.

Sie lauschte entzückt den wunderbaren Tönen und erkundigte sich nach dem Namen des Organisten. Tags darauf wurde Jakob befohlen und mußte Ihrer Majestät auf dem Schloß etwas vorspielen. Er lieh sich einen Frack in Koorte Nieuwendijk, fuhr in einer Droschke mit seiner Violine zum Schloß und spielte so schön, daß sowohl die Königin wie die Hofdamen sich die Nase putzen mußten.

Von diesem Tage an genoß er allerhöchste Gunst und ein kleines jährliches Stipendium für seine Weiterbildung. Das beste aber war, daß alle Hofdamen ihn mütterlich unter ihre Fittiche nahmen und ihn dem großen Tier empfahlen. Er wurde sofort modern und bekam so viel Unterrichtsstunden, daß er sie kaum bewältigen konnte. Und was das höchste ist, was ein Musiker in Holland erreichen kann – die Hymne wurde bei der königlichen Tafel gespielt, wenn fremde Fürsten zu Besuch kamen.

Weder Daniel noch seine Freunde vergaßen ihren alten Futtermeister.

Der Dichter stellte ihn dem Reeder vor und erzählte von seinem Erbe. Der Alte zahlte es ihm mit Zinsen zurück und steckte Geld in ein kleines Café, das Pieter einrichten wollte. Er war jetzt so lange selbständig gewesen, daß es ihm nicht mehr schmeckte, für anderer Leute Rechnung Bier zu schenken.

Pieter nannte sein Café »Die Löwenhöhle«, Daniel und seinen Freunden zu Ehren. Es bekam ein Hinterzimmer mit gelben Wänden, ebenso wie das alte. Hier versammelten die Freunde sich jeden Sonnabend und sprachen von vergangenen Zeiten, während Pieter wie in früheren Tagen die Abfütterung besorgte.

Vorn in den Straßenzimmern aber sammelte er einen treuen Kundenkreis um sich, der nie müde wurde, seinen wunderbaren Erzählungen von den Kämpfen mit Löwen, Tigern und Schlangen auf der fernen Insel zu lauschen – oder von der kleinen braunen Eva mit den demütigen Augen und der treuen Liebe, der nur durch den Tod ein Ende gemacht wurde.

Ende


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